GEZ-HORROR

Dass die GEZ-Fahnder nicht viel mehr sind als rechtlose Klinkenputzer, beschreibt der Tagesspiegel (via Haitech Blog).

Wäre nur schön, wenn sich alle GEZ-Fahnder an die Vorschriften hielten. Ich habe schon mal mit einem zu tun gehabt, der bei einer Mandantin sonntagmorgens unfein seinen Fuß in die Tür stellte und sich später sogar in den Flur drängte mit dem Hinweis, er werde notfalls die Polizei holen, wenn er keine Rundfunkanmeldung unterschrieben bekommt.

Alles heiße Luft. Die Polizei kommt nicht, weil sie hierfür gar nicht zuständig ist.

Die Chancen hätten besser gestanden, wenn meine Mandantin die Polizei gerufen hätte. Denn das Verhalten des „Gebührenbeauftragten“ könnte durchaus als Hausfriedensbruch oder Nötigung durchgehen. Der Mann hat sich dann aber entschuldigt, so dass „weitere Schritte“ nicht erforderlich waren.

Ich weiß nicht, ob meine Mandantin wirklich keinen Fernseher hat. Von der GEZ hat sie jedenfalls nie wieder was gehört…

A-LÖCHER UND NAZIMETHODEN

A-LÖCHER UND NAZIMETHODEN

Als Kontrastprogramm zum vorigen Beitrag mal ein Beispiel, dass es in deutschen Gerichtssälen mitunter auch fair und souverän zugeht:

Ich hatte vor einiger Zeit eine Frau zu vertreten, die Polizisten beleidigt haben soll. Sie soll „Arschlöcher“ zu den Beamten gesagt haben. Außerdem habe sie behauptet, die Beamten wendeten „Nazimethoden“ an.

Anlass war die Verhaftung des Sohnes der Frau. Was die Beamten nicht in die Anzeige aufnahmen, war die Vorgeschichte. Als meine Mandantin darauf hinwies, dass der Junge eine Magenoperation hatte und bei der „Behandlung“ auf der Kühlerhaube eines Pkw vielleicht Schaden nimmt, sagte einer der Polizisten:

„Wissen sie eigentlich, was für ein Verbrecher ihr Sohn ist? So einer gehört vor die Wand gestellt und erschossen.“

Auf die Bitte meiner ungläubigen Mandantin wiederholte der Beamte diese Aussage.

Erst darauf nannte meine Mandantin die Beamten Arschlöcher und erklärte: „Das sind doch Nazimethoden.“

Weil es zum Glück eine Handvoll unbeteiligter Zeugen gab, mussten die Beamten in der Hauptverhandlung einräumen, dass sie in der Anzeige einige Details „vergessen“ hatten.

Die Richterin begründete ihr Urteil:

Wer als Polizeibeamter so was sagt und seine Dienstpflichten verletzt, muss kräftige Widerworte aushalten. Der Hinweis auf die Nazimethoden sei keine Beleidigung, sondern schlicht und einfach „die Wahrheit“.

Das gab einen Freispruch. Und lange Gesichter bei den Polizisten.

Es kommt halt sehr darauf an, vor welchem Richter man steht…

HAMMERHART

Über die Verhaftung eines Strafverteidigers im Sitzungssaal berichtet Simon´s Blawg. Weitere Hintergründe bei der Strafverteidigervereinigung NRW (die Fassung für Nichtjuristen gibt´s hier).

BITTE LESEN – die Geschichte ist hammerhart.

Detail am Rande: Die Schöffen haben das böse Spiel mitgemacht, obwohl sogar der Staatsanwalt protestiert hat. Was wieder mal zeigt, dass Laienrichter im Regelfall Staffage sind.

PS. Das OLG Hamm hat den Beschluss des Amtsgerichts mittlerweile aufgehoben.

PPS. Habe meine Kalender durchforstet. Demnächst keine Verhandlungstermine am Schöffengericht in Hagen. Eigentlich schade, ich hätte zu gern ein paar Anträge gestellt…

KRAMPF

Über den Drang zum Repetitor berichtet Spiegel Online.

Seien wir doch mal ehrlich: Das Unversitätsstudium ist Krampf. Jurastudenten wird im Studium grob fahrlässig überhaupt nicht klar gemacht, was sie im Examen wirklich erwartet.

Ich will keine Patentrezepte postulieren, sondern nur anreißen, wie ich es gemacht habe.

Da ich nach dem Zivildienst vier Semester mit Geschichte, Germanistik und vor allem Arbeit als freier Journalist mehr oder weniger sinnvoll verbracht hatte, wollte ich schnell und konzentriert studieren.

Glücklicherweise habe ich im 1. Semester Studienkollegen getroffen, die es genauso sahen. Uns wurde schnell klar, dass Vorlesungen vertrödelte Zeit sind, weil Professoren – mit wenigen Ausnahmen – einem nichts beibringen, sondern sich selbst beweihräuchern wollen.

Deshalb haben wir sofort und mit größtmöglicher Effizienz folgendes gemacht: die erforderlichen Scheine. Ansonsten saßen wir von morgens bis abends in der Bibliothek und haben uns erst Übungsbücher, ziemlich bald dann Examensklausuren (gibt´s im Kilo bei Berger und Alpmann) reingeschaufelt.

Wir haben das ganze Studium hart am Fall gelernt. D.h. Grundlage war nicht das Lehrbuch, sondern die Originalklausur. Die Themen, die dort vorkamen, haben wir dann mit Zeitschriften und Lehrbüchern vertieft.

Das ganze hat einen riesigen Vorteil. Die Methodik der Falllösung und den Ablauf der juristischen Argumentation lernt man automatisch mit. Was wiederum die positive Folge hat, dass einen selbst Klausuren aus exotischen Rechtsgebieten kaum schocken.

Studenten, die nur schlaue Lehrbücher (Paradebeispiel: der angeblich unverzichtbare Medicus) pauken, sollten sich mal überlegen, dass ein Kfz-Mechaniker auch aufgeschmissen ist, wenn er zwar jede Menge Autotechnik in seinem Kopf gespeichert hat, aber leider keinen Schraubenschlüssel zur Hand hat.

Der Repetitor ist bei katastrophalen Niveau der Universitäten im Hinblick auf die Examensvorbereitung – ich gehe davon aus, dass es sich seit Anfang der 90er nicht verbessert hat – und bei den hohen Anforderungen im Examen – auch hier wird sich nichts geändert haben – schlichtweg unverzichtbar (sorry für die Bandwürmer, aber das ist Juristenstil).

Näheres zur Juristenausbildung bei Vertretbar.de.

HINTER GITTERN

Fast hätte ich mir das Pfingstwochenende ruiniert.

Im Gefängnis kriegt man als Besucher eine Blechmarke mit Nummer. Normalerweise stecke ich die Marke in die Brusttasche meines Hemdes. Heute muss ich sie wohl in die Hosentasche zum Kleingeld gelegt haben.

Jedenfalls fehlte mir am Ausgang die Marke. „Kein Problem“, erklärte der Beamte. „Bleiben sie 24 Stunden hier, bis wir ihre Identität geklärt haben.“ Er meint das sichtlich ernst! „Kann wegen des Feiertages aber auch bis Dienstag dauern.“

Ich frage mich, ob er mich wirklich nicht vom Sehen kennt. Diplomatisch schlage ich aber zunächst mal vor, dass er mein Foto mit den Personalpapieren in meiner Brieftasche vergleicht, die sich in meiner Aktentasche befindet, die wiederum in einem Besucherschließfach liegt. „Ohne Marke kann ich sie nicht rauslassen. Auch nicht zum Schließfach“, bedauert er. „Da gibt es strenge Vorschriften.“

Die Lage ist sichtlich ernst. „Kann ich vielleicht noch mal oben am Getränkeautomaten gucken?“ Er hat nichts dagegen. „In der JVA können sie sich bis zum Einschluss frei bewegen.“ Sehr witzig.

Ich renne rauf zum Automaten. Da liegt sie, meine Marke, bis unter den Ständer fürs Leergut ist sie gerollt.

Demnächst muss die Frage klären, ob die wirklich schon mal Leute drin behalten haben. Und ob man in diesem Fall für den Aufenthalt zahlen muss…

MÖLLEMANN

MÖLLEMANN

Die Hausdurchsuchungen im Fall Möllemann könnten vergebens gewesen sein. Der Tod des Beschuldigten ist ein absolutes Verfahrenshindernis. Das heißt, wenn es keine anderen Beschuldigten gibt, ist das Ermittlungsverfahren von Amts wegen einzustellen. Wenn es mit rechten Dingen zugeht, klappt der Staatsanwalt mit dem Tod des Politikers seine Akten zu.

Anders wäre es bei einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Aber da wird ja auch nicht gegen Personen, sondern themenbezogen ermittelt (Parteispenden, Wahllüge).

Es ist also gut möglich, dass wir nie erfahren, ob Möllemann wirklich Dreck am Stecken hatte.

VORNE

Wer kennt sie nicht? Brummige Taxifahrer. „Hier vorne einsteigen, ich bin dran.“ Oder gar resolute Ordnungsdienste, bevorzugt an Flughäfen und Bahnhöfen. Die sortieren die Reisenden wie Bittsteller in Warteschlangen, nur damit die Reihenfolge der Taxis nicht durcheinander kommt.

Rechtswidrig, hat jetzt das Oberlandesgericht Düsseldorf entschieden (Printausgabe Rheinische Post vom 4. Juni 2003, Express). Die Richter bestätigten das Bußgeld gegen einen Fahrer, der als 4. in einer Taxischlange stand und sich weigerte, einen Kunden zu transportieren.

Ordnungsdienste und „Standesregeln“ widersprechen dem Gesetz, befanden die Richter. „Jeder zur Entgegennahme bereite Taxifahrer“ sei verpflichtet, den Kunden an dessen Wunschziel zu transportieren. Die Selbstorganisation der Taxifahrer hebe diese gesetzliche Pflicht nicht auf.

Ich finde das Urteil gut, weil es genug Taxifahrer gibt, denen ich schon vom äußeren Erscheinungsbild mein Leben nicht anvertrauen möchte. Dass von dem Urteil auch Leute profitieren, die nicht von Ausländern gefahren werden möchten, ist aus meiner Sicht ein eher unerfreulicher Aspekt.

KULIS 3

KULIS 3

Die Kuli-Aktion vom 1. Juni 2003 schlägt ja mächtig ein, auch in Blogs (1) (2 <4. Juni 2003>) (3).

Meine Sekretärin stöhnt schon, wenn ich ihr einen neuen Adressenstapel rüberschiebe. Sie möchte zu gern wissen, wieso wir die give-aways jetzt auch noch verschicken. Aber vom law blog verrat´ ich nichts. Sollen die anderen in diesem schönen Büro doch selbst drauf kommen (wieso haben wir denn DSL für jedermann?). Im übrigen: So lange sie vom law blog nichts ahnen, kann ich unbeschwerter über Interna lästern…

TROCKEN

So, ich bin wieder trocken. Und ziemlich zufrieden. Der Zeuge hatte den Täter angeblich bei einer Lichtbildvorlage wieder erkannt. Der Polizeibeamte zeigte dem Zeugen, einen Ordner, der angeblich die „bekannten jugendlichen Räuber aus Düssseldorf-Oberbilk“ zeigt. Dumm nur, dass mein Mandant überhaupt noch niemals wegen Raubes verurteilt worden ist. Er hat auch sonst keine Vorstrafen.

Der Antrag, den obskuren Ordner nicht als Beweismittel zuzulassen, weil es überhaupt keine rechtliche Grundlage für eine derartige Aufbewahrung der Bilder (eines Jugendlichen) gibt, brachte das Gericht ganz schön ins Schwitzen. Bevor man sich an einem heißen Tag wie diesem noch mit schwierigen Rechtsfragen rumschlägt, bietet man lieber die Einstellung des Verfahrens an. Da sich auch der Staatsanwalt mittlerweile sichtlich quälte, war die Sache, die sich vorher zwei Stunden schleppte, in fünf Minuten vorbei.

Mein Mandant bleibt auch weiter ohne Vorstrafe. Dass der Polizeibeamte beim Rausgehen nicht mehr grüßte, muss ich wohl verschmerzen.

SCHWARZER SAMT

30 Grad. Ich darf gleich jemanden wegen Raubes verteidigen. Zehn Zeugen. Und ein Saal, auf den garantiert die Sonne scheint.

Wäre ja alles erträglich, wenn die Organe der Rechtspflege, zu denen – oh Wunder – sogar Anwälte gehören, keine Robe tragen müssten. Angeblich soll das Teil die Würde des Gerichts erhöhen. Ich glaube eher, die Tradition schützt den Geldbeutel vieler Richter und Staatsanwälte. So kirchentagsmäßig wie viele von denen rumlaufen, müssten sie ordentlich investieren, um eine Gerichtsverhandlung ohne Robe würdevoll durchstehen zu können.

Aber selbst schwarzer Samt kann nicht alles verdecken. Zum Beispiel die stacheligen Käsebeine eines Richters, der bei diesem Wetter auch im Dienst gerne mal kurze Hosen, weiße Socken und Birkenstocks trägt.

VERBRECHERJAGD

Jetzt habe ich die Fahndungskompetenz unserer Polizei mal am eigenen Leib erlebt.

An der Synagoge in Düsseldorf hält die Polizei Tag und Nacht Wache. Klar, dass man als engagierte Polizistin nach Aufgaben sucht. Und sofort fündig wird, als ein Möbelwagen kurzfristig die Straße blockiert.

7 Autos haben sich aufgestaut. Ich stehe als 7. in der Reihe. Irgendeine Ungeduldiger vor mir hupt. Die Polizistin setzt sich in Bewegung. Fahrer 1 kurbelt die Scheibe runter. Polizistin redet mit ihm. Dann geht sie zu Auto 2. Wieder ein Gespräch. Das ganze geht die Reihe durch, bis die junge Dame an die Seitenscheibe meines Autos tritt.

„Ich kriege 10 Euro von ihnen“, sagt sie. „Wegen Hupens ohne Grund.“ „Woher wissen sie denn, dass ich gehupt habe?“ Sie schiebt entrüstet die Polizeimütze in den Nacken. „Die anderen vor ihnen haben alle gesagt, dass sie nicht gehupt haben.“

Da sich in diesem Augenblick der Stau auflöst, haben wir leider keine Möglichkeit mehr, die „Wahrheitsliebe“ unserer Mitbürger auf die Probe zu stellen.

Nach längerer Diskussion darf ich dann auch fahren. Aber nur, weil ich ihr sage, dass sie schon eine Anzeige schreiben muss, wenn sie von mir Geld haben will. Als ich ihr von einem guten Anwalt vorschwärme, der sie auf Kosten meiner Rechtsschutzversicherung vor dem Amtsgericht in die Mangel nehmen wird, verliert sie die Lust an der Verbrecherjagd.

„Fahren sie mal weiter. Aber bitte daran denken, hier ist Tempo 30.“

Mir wird ganz schlecht, wenn ich dran denke, dass so eine Spitzenkraft mitunter richtige Tatorte „untersucht“…

ZINSEN

Beim Arbeitsamt wird grundsätzlich erstmal abgelehnt, gekürzt oder eine Sperrzeit verhängt. Ein Beispiel:

Eine Mandantin beantragte im November 2002 Arbeitslosenhilfe. Sie hatte noch einige Investmentfonds, die aber im Wert stark gefallen waren. Im Boomjahr 2000 gab es auf die Fonds aber noch tüchtige Zinsen und Ausschüttungen. Das Arbeitsamt wollte die Zinserträge aus dem Jahr 2000 voll an- bzw. hochrechnen, was die Arbeitslosenhilfe fast halbiert hätte.

Eigentlich sollte das Arbeitsamt wissen, dass es sich rechtswidrig verhielt. Das Bundessozialgericht hat nämlich am 9. August 2001 (B 11 AL 15/01 R) entschieden, dass Zinsen immer anteilig für das Jahr zu verrechnen sind, das auf die Auszahlung folgt. Wenn eine Zinszahlung also im März 2000 erfolgte, wird sie auf die kommenden 12 Monate bis zum Februar 2001 anteilig verteilt. Danach spielt es keine Rolle mehr, ob die Zinsen ausgegeben wurden oder nicht.

In meinem Fall hätten also höchstens Zinszahlungen berücksichtigt werden können, die nach dem 1. November 2001 lagen.

Trotz des Hinweises auf das glasklare Urteil blieb das Arbeitsamt eisenhart. Erst vor dem Sozialgericht bekamen wir jetzt recht. Das Arbeitsamt muss nachzahlen. Zum Glück dauerte die Sache nur knapp 7 Monate. Bei der normalen Dauer eines Prozesses wäre meine Mandantin vielleicht schon verhungert gewesen. Obwohl, auch das könnte man ja als Lösung des „Problems“ ansehen.