REFORMGEIST

Der Wirtschaftsweise Professor Rolf Peffekoven in der Wirtschaftswoche (29/2003, S. 31) über die geplante Einführung der Gewerbesteuer für Rechtsanwälte, Steuerberater, Ärzte und andere Freiberufler:

„Es macht keinen Sinn, die überkommene Gewerbesteuer mit ein paar kleinen Korrekturen zu revitalisieren. Die Einbeziehung der Freiberufler in die Gewerbesteuerpflicht bringt zudem kaum zusätzliche Einnahmen, da Selbstständige die Gewerbesteuer mit ihrer Einkommenssteuer verrechnen können.“

Hunderttausende Freiberufler mit einer neuen Steuer überziehen, die dem Staat keine zusätzlichen Einnahmen bringt – spürt Ihr den Reformgeist, der durch unser Land weht?

Mir geht es ja gar nicht ums Geld. Wie wir wissen, müssen sich die meisten Anwälte ja sowieso mit Nebenjobs wie Taxifahrer oder Fernsehmoderator durchschlagen. Was mich annervt, ist der zusätzliche bürokratische Aufwand für eine weitere Steuererklärung. Nutzlos vergeudete Arbeitszeit. Unproduktiver Stillstand. Und dann die Sprüche: Wir müssen entschlacken, vereinfachen, verschlanken.

So, bevor ich mich weiter aufrege, gehe ich zum Gericht. Geld verdienen, damit ich meinen Steuerberater bezahlen kann.

VERDACHT

Frau Schöder, die Personaldezernentin, saß hinter ihrem aufgeräumten Schreibtisch, und erst redeten sie über „dies und das“, sagt Rüdiger Meier, Frau Schöder erkundigte sich nach dem Kind. Aber sie kam dann doch „relativ schnell“ zu diesem Vorwurf, der ihm seither so viele Stunden der Verzweiflung bereitet hat, der ihm den Spaß an der Arbeit raubte und ihn dazu trieb, die Kreisverwaltung Minden-Lübbecke durch alle Instanzen zu verklagen, bis hinauf zum Bundesverwaltungsgericht.

Die Süddeutsche Zeitung schildert, welche dunklen Schatten der Korruptionsverdacht auf das Leben eines Beamten wirft. Das schleichende Gift der Denunziation – das Kapitel sollte eigentlich in keinem Mobbing-Berater fehlen…

QUOTE

Der law blog hat seit dem 1. Juli einen counter.

Jetzt starre ich immer auf die verschiedenen Grafiken. 18 Besucher in dieser Stunde, nur 11 in der nächsten. Dann plötzlich 24. Aber zwischen 2 und 3 in der Nacht keinen einzigen! Gestern fast 10 % weniger Besucher als vorgestern. Dafür heute bis 14 Uhr so viele, dass es für einen neuen Tagesrekord reichen könnte.

Man ahnt langsam, wie es den armen Schweinen beim Fernsehen geht, auf dieser unerbittlichen Jagd nach der Quote.

Vielleicht schalte ich den Zähler wieder ab.

BLEIFUSS

Handy am Steuer – kein Problem. Bleifuß in der Stadt – geht klar. Die Oma über den Zebrastreifen gescheucht – Kavaliersdelikt!

Wenn es stimmt, was der Express berichtet, verteilen Polizisten ab sofort keine Verwarnungen mehr. Sie ermahnen nur noch, was jedem Autofahrer natürlich nur ein müdes Gähnen entlockt.

Woher diese plötzlich Liberalität? Die Damen und Herren protestieren gegen die Streichung ihres Urlaubs- und Weihnachtsgeldes!

Rechtlich gesehen bewegen sich die Beamten damit auf dünnem Eis. Sicherlich können sie in jedem Einzelfall entscheiden, ob einer Verwarnung mit einer Geldstrafe Nachdruck zu verleihen ist. Insoweit haben Polizisten ein sogenanntes Ermessen. Dieses Ermessen darf aber nicht, niemals und unter keinen Umständen durch sachwidrige Erwägungen beeinflusst werden.

Einen Verkehrsverstoß aus Verägerung über den Dienstherrn milder zu ahnden also sonst – das ist mit Sicherheit eine grobe Verletzung der Beamtenpflichten.

Ob sich die Initiatoren der „Düsseldorfer Kelle“ außerdem überlegt haben, welches Bild sie damit in der Öffentlichkeit abgeben? Nach dem oberflächlichen Jubel über ein erspartes Knöllchen wird nämlich bald die Frage gestellt, ob sich unsere Polizisten nicht auch gegen 1 x Auge zudrücken ihr Urlaubsgeld einfach auf der Straße wieder reinholen.

So demontiert man den letzten Rest an Glauben in die staatliche Autorität. Glückwunsch an die zuständige Gewerkschaft…

STRENG GETRENNT

Das Amts- und Landgericht Düsseldorf sind in einem riesigen Gebäude untergebracht. Büros, Sitzungssäle – alles ein großes Kuddelmuddel. Es gibt eine gemeinsame Briefannahme und eine gemeinsame Telefonzentrale. Die Pförtner bewachen Türen und Parkplätze für beide Gerichte gemeinsam. Eine gemeinsame Kantine gibt es natürlich auch.

Ihren jährlichen Betriebsausflug machen die beiden Gerichte aber an getrennten Tagen. Das Amtsgericht am Freitag, 4. Juli, das Landgericht eine Woche später, am 11. Juli. Überflüssig zu sagen, dass nach meiner Erfahrung an beiden Tagen praktisch gar nichts läuft. Und zwar an beiden Gerichten.

Keine sinnvolle Regelung? Ach wissen sie, das war bei uns immer so, und deshalb wird es auch immer so bleiben…

WISSEN

Aus dem o-y-d-t-Blog:

Seltsam. Ich hätte nicht gedacht, daß Leute wegen Schmerzen auf meine Seite kommen, aber nun gut. Sollen sie. Vielleicht sollte ich Geld verlangen? Was kostet denn so die Stunde im Domina-Studio? Vielleicht sollte ich Udo mal fragen, der hat doch eine Mandantin die in der Branche…

Tja, Fachwissen ist eben unbezahlbar…

KORPSGEIST

„Plötzlich rief jemand Empfangskommando“, berichtet sie. „Daraufhin kam der Funker gelaufen, und hinter ihm der Wachdienstführer (WDF) in Zivil. Er fragte mich nach meinen Handschuhen. Ich sagte, die würden ihm nicht passen. Er antwortete: Du glaubst gar nicht, wie schlanke Hände ich habe.“

Die Süddeutsche Zeitung berichtet in einer eindrucksvollen Reportage über den Tod auf einer Kölner Polizeiwache.

Wir hören schon das Echo: Ja, sicher, schwarze Schafe gibt es überall…

Nachtrag: Woanders wird auch geprügelt (der standard.at). Danke an Mathias Schindler für díe Quelle.

VORSICHTIGER OPTIMISMUS

Sehr geehrter Herr K.,

Ihr Haftprüfungstermin ist am Montag, 14. Juli 2003. Ich habe länger mit dem Richter gesprochen. Er betrachtet die Sache als „dickes Ding“. Allerdings nimmt er auch zur Kenntnis, dass Sie bislang nicht besonders aufgefallen sind und einen guten sozialen Hintergrund haben.

Ich will Ihnen auf keinen Fall zuviel versprechen. Aber es gibt eine Chance, Sie am Montag heraus zu bekommen. Einzelheiten besprechen wir vor dem Termin. Ich besuche Sie im Gewahrsam des Amtsgerichts.

Mit freundlichen Grüßen

Rechtsanwalt

SANFTER DRUCK

Amtsgericht Düsseldorf, heute morgen um 9 Uhr:

Die Richterin: „Also, wenn ich mir das so anschaue, hat der Kläger Recht. Ich sehe keinen Grund, warum der Beklagte nicht zahlen soll.“

Ich: „Das ist aber schön.“

Die Richterin: „Trotzdem schlage ich vor, dass die Parteien einen Vergleich schließen. Der Beklagte zahlt 3/4 der Summe und trägt entsprechend die Kosten.“

Ich: „Aber wenn sie doch sagen, dass wir Recht haben, warum sollten wir dann auf 1/4 der Klageforderung verzichten? Und einen Teil der Kosten tragen.“

Die Richterin: „Herr Vetter, sie wissen doch, wie das ist. Wenn ich dann in meinem stillen Kämmerlein sitze und über dem Urteil brüte, da können die komischsten Sachen passieren.“

Ich habe den Vergleich geschlossen.

SMILE

„Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt Vetter,

Ihr Schreiben vom 27. Juni 2003 ist wieder von Inkompetenz gekennzeichnet.“

Schöner Einleitungssatz. Regt mich aber gar nicht auf. Das überlasse ich dem Kanzler.

AUSGERECHNET

Friedmans Anwalt Eckart Hild gab am Dienstag in Frankfurt am Main bekannt, sein Mandant habe den Strafbefehl von 150 Tagessätzen in Höhe von insgesamt 17.400 Euro akzeptiert. (Spiegel online)

Damit wissen wir also, was der Kollege monatlich verdient: € 3.480 netto.

Die Suiten im Interconti hat demnach aber Bärbel bezahlt.

EILIG!!!!???r

Das Gesetz meint es gut. Wer in Untersuchungshaft geht, kann Haftprüfung beantragen. Spätestens 14 Tage nach dem Antrag muss eine mündliche Verhandlung stattfinden.

In der Theorie. Die Praxis sieht mitunter so aus:

4 Tage vor Ablauf der Frist.

Gericht: „Wir haben die Akte nicht.“

Staatsanwaltschaft: „Ja, die Akten liegen hier. Die sind noch nicht wieder ans Gericht geschickt. Machen wir aber gleich. Die Akten gehen per Eilboten raus.“

Am nächsten Tag.

Richter: „Ich kann keinen Termin anberaumen, wenn ich keine Akten habe.“

Staatsanwaltschaft: „Die Akten waren hier. Jetzt sind sie in der Bildstelle. Da werden Fotokopien gemacht. Die Akten sollten eilig ans Gericht? Davon ist mir nichts bekannt, aber ich bin ja nur eine Vertretung.“

Der Staatsanwalt persönlich: „Ja, da ist was schiefgelaufen. Aber die Akten gehen gleich raus. Ich kümmere mich persönlich darum.“

Einige Tage später, einen Tag nach Ablauf der gesetzlichen Frist.

Gericht: „Wir haben immer noch keine Akten. Fragen sie bei der Staatsanwaltschaft.“

Dort geht niemand ans Telefon. Dafür klingelt in unserem Anwaltsbüro der Paketbote. Er bringt eine komplette Kopie der Ermittlungsakte.

Wenn der Richter gleich aus einer Sitzung raus ist, werde ich ihn anrufen und anbieten, eine Kopie meiner Kopie mit dem Rotrunner zu schicken. Dass Anwälte dem Gericht Akteneinsicht gewähren, ist zwar etwas ungewöhnlich, scheint mir aber der letzte Ausweg zu sein.

Habe ich schon erwähnt, dass die Entfernung zwischen Staatsanwaltschaft und Gericht ca. 250 Meter beträgt?

VORBESTRAFT

Durch die Friedmann-Berichte geistern immer wieder die magischen 90 Tagessätze. Diese Strafe kann man angeblich kriegen, ohne vorbestraft zu sein.

Stimmt nicht ganz.

Vorbestraft ist man schon ab einer Geldstrafe von 5 Tagessätzen. Das ist die Mindeststrafe (§ 40 Abs. 1 S. 2 Strafgesetzbuch).

Allerdings gibt es die Vorschrift, dass man eine Vorstrafe nicht offenbaren muss, wenn diese 90 Tagessätze Geldstrafe oder drei Monate Freiheitsstrafe nicht überschreitet (§§ 53, 32 Bundeszentralregistergesetz).

Diese kleineren Strafen stehen auch nicht im normalen Führungszeugnis, so dass man gegenüber Arbeitgebern etc. „clean“ ist. In Führungszeugnisse für Behörden werden die Strafen jedoch unter gewissen Umständen aufgenommen, so dass es beim Angel-, Führer- oder Gewerbeschein doch Probleme geben kann.

Der Tagessatz entspricht übrigens dem täglichen Nettoeinkommen (Monatseinkommen : 30). Wenn also morgen Friedmanns Tagessatz durch die Blätter rauscht, lesen vor allem Anwälte genau mit. Eine seltene Gelegenheit, mal zu erfahren, was Kollegen so verdienen…

NOTEBOOKS, SUPERGÜNSTIG

NOTEBOOKS, SUPERGÜNSTIG

Die ebay-Masche läuft immer gleich. Erstmal zig gute Bewertungen sammeln, dann einfach nicht mehr liefern. „dewedo“ aus Dortmund hat es offensichtlich genauso gemacht. Er bot Acer Notebooks für ziemlich günstige € 999,00 zum Sofortkaufen an.

Am Ende so erfolgreich, dass ihm anscheinend die Notebooks ausgingen. 62 Besteller kriegten nichts mehr für ihr Geld, das sie im Vertrauen auf die ordentlichen Bewertungen vorab überwiesen hatten. Das Trauerspiel lässt sich übrigens noch über die ebay-Mitgliedersuche nachverfolgen.

Jetzt sitzt dewedo nach fast 1-jähriger Flucht in der JVA Dortmund und wartet auf seinen Prozess.

Bis hier ist die Geschichte Alltag. Der Clou ist, dass die Staatsanwaltschaft Dortmund es geschafft hat, € 14.706,00 Euro auf einem „Geschäfts“-Konto von dewedo zu beschlagnahmen. Das wäre nicht jeder Staatsanwaltschaft gelungen. Insoweit ein ausdrückliches Kompliment!

Just heute ist dann auch das Zivilurteil in der Post, in dem dewedo zur Rückzahlung an meinen Mandanten verurteilt wird. Das Urteil benötigen wir, um Rechte an der beschlagnahmten Summe geltend zu machen. Mal sehen, wie viel am Ende rauskommt. Zur Not können wir ja auch noch den Arbeitslohn in der Strafhaft pfänden. Dann kommt das Geld zwar centweise, aber meinem Mandanten wird es trotzdem ein Vergnügen sein…

Nachtrag: Ein aktueller Fall.

WELLE

Hmm, was rät man einem Mandanten, der von einer heranbrausenden Kündigungswelle in seiner Firma erfahren hat?

Er kann einen Antrag auf Anerkennung als Schwerbehinderter stellen. Irgendein Zipperlein hat schließlich jeder. Der Kündigungsschutz gilt für die gesamte Dauer des Verfahrens. Das kann Monate dauern. Der Antrag wird beim örtlichen Versorgungsamt gestellt.

Für den Betriebsrat kandidieren. Wirkt ab Aufstellung des Wahlvorschlages. Falls es keinen Betriebsrat gibt, einfach eine Wahl in die Wege leiten. Wer Wahlvorstand wird, ist erst mal unkündbar.

Heiraten. Schon die Ehe als solche lässt den Arbeitnehmer in der Sozialauswahl nach oben rücken. Wenn alle Papiere vorhanden sind und das Standesamt auf Zack ist, kann man mittlerweile in 24 bis 48 Stunden verheiratet sein. Grund: Der Gesetzgeber hat das langwierige Aufgebot abgeschafft.

Den Sonntagabend sinnvoll nutzen – und ein Kind zeugen. Unterhaltsverpflichtungen, auch künftige, sind Joker bei der Sozialauswahl.

Weitere Anregungen sind willkommen.

Nachtrag: Ein guter Artikel zum Thema.