Inerscheinungtreten

Heute muss ich eigentlich noch die Stellungnahme eines Strafverteidigerkollegen lesen. Dessen Schreiben an die Staatsanwaltschaft beginnt so:

In Bezug auf das auf Blatt 256 d. Ermittlungsakte angesprochene einschlägige Inerscheinungtreten teilen wir nach Rücksprache mit, dass…

Ich habe eine leise Ahnung, wie spannend die nächsten 23 Seiten werden. Darauf schnell noch eine Club-Mate, vielleicht geht’s damit.

„Empfänger nicht zu ermitteln“

Seit 23 Jahren hat mein Büro folgende Adresse: Lützowstraße 2, 40476 Düsseldorf. Jeden Tag erreicht uns ein ansehnlicher Stapel Post. Und ich bin mir sicher, das galt auch für den Tag, an dem mir in einem Verfahren die Staatsanwaltschaft Kassel Akteneinsicht gewähren wollte.

Dummerweise hatte die Staatsanwaltschaft Kassel die betreffende Sendung wie folgt folgt adressiert:

Anwaltsbüro Vetter & Mertens
Lützowstraße 3
40476 Düsseldorf

Dieser Maxibrief ging mit einem Vermerk an den Absender zurück, und zwar mit einem knallharten „Empfänger an der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln“. Die Hausnummer 3 liegt direkt gegenüber. Ich meine, hätte man da als Zusteller nicht ein ganz klein wenig schalten können nach dem Motto: Wo die anderen zweiunddrölfzig Schreiben für das „Anwaltsbüro Vetter & Mertens“ oder von mir auch aus auch „Rechtsanwalt Udo Vetter“ einzuwerfen sind, da hätte auch diese Sendung korrekte Aufnahme gefunden?

Immerhin hat die Staatsanwaltschaft die Akte jetzt noch mal zugesendet. Die Behörde erlässt uns auch die Übersendungsgebühren für den ersten, vergeblichen Versuch. Gedauert hat das Hin und Her allerdings einige Zeit. Und genau die hat doch etwas an den Nerven des Mandanten genagt, der über die Akteneinsicht natürlich gerne Klarheit bekommen möchte, wie die Beweislage gegen ihn ist.

Campinos Badeausflug

Für Schlagzeilen sorgt ein nächtlicher Badeausflug von Campino. Der Sänger der Toten Hosen soll nach einem Konzert in Dresden in der Nacht zum Sonntag mit diversen Begleitern im Georg-Arnold-Bad gefeiert haben – was ein Schnappschuss des Sängers auf Instagram belegen soll. Problem: Die Badeanstalt war um die Zeit geschlossen, wie sich das gehört.

Einzelheiten kann man zum Beispiel auf Spiegel Online nachlesen. Interessant finde ich die Aussage des Bäder-Geschäftsführers Matthias Waurick:

Uns bleibt nichts anderes übrig, als Anzeige wegen Hausfriedensbruch zu erstatten.

Juristisch ist das aber nicht so ganz richtig. Hausfriedensbruch (§ 123 StGB) ist ein reines Antragsdelikt, wie sich aus Absatz 3 des Paragrafen ergibt. Ohne Strafantrag des Bäderbetriebs hätten Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichte keinerlei Möglichkeit, Campino und seine Begleiter zu belangen.

Ohne Strafantrag also keine Verfolgung. So viel in aller Kürze zur Aussage, es bleibe den Bäderbetrieben nichts anderes übrig. Nur der Vollständigkeit halber noch der Hinweis, dass der Hausrechtsinhaber den Strafantrag jederzeit zurücknehmen kann. In solchen Fällen kann es es also durchaus Sinn machen, wenn man sich beim Betroffenen entschuldigt und das Gespräch mit ihm sucht.

Gerade hätte doch eine sehr gute Chance, wenn er ganz lieb sorry sagt. Zum Beispiel, wenn er seinen guten Willen mit einem kleinen Überraschungskonzert zu normalen Öffnungszeiten untermauert. Dazu könnte der Bäderchef wahrscheinlich auch nur schwer nein sagen.

Flugverspätung außerhalb der EU – Entschädigung ist möglich

Wer einen Flug zu einem Ziel außerhalb der EU bucht, dessen Rechte enden nicht mit dem ersten Zwischenstopp. Vielmehr kann der Reisende auch dann eine Entschädigung verlangen, wenn sich eine Verspätung erst nach der ersten Landung im außereuropäischen Zielland, also beim Weiterflug ergibt. Das hat der Europäische Gerichtshof entschieden.

Es ging um den Fall einer Reisenden, die von Berlin nach Agadir fliegen wollten. Sie buchte eine Verbindung mit Zwischenlandung und Umsteigen in Casablanca. Dort war ihr Sitzplatz angeblich vergeben, die Frau konnte erst vier Stunden später fliegen. Die Royal Air Maroc verweigerte eine Entschädigung mit der Begründung, der Flug von Berlin nach Casablanca sei nicht verspätet gewesen. Für den Weiterflug innerhalb von Marokka gelte die EU-Verordnung nicht.

Das sieht der Europäische Gerichtshof anders. Es handele sich um eine einheitliche Leistung. Das gelte selbst dann, wenn das Flugzeug nicht nur zwischenlande, sondern der Reisende für den Weiterflug ein anderes Flugzeug besteigen müsse. Es handele sich um ein und denselben Anschlussflug, und zwar unabhängig davon, ob das Fluggerät gewechselt werde.

Die EU-Entschädigung ist gestaffelt und fällt immer an, wenn der Flug mindestens drei Stunden zu spät ankommt. Die Entschädigung ist wie folgt gestaffelt:

– Flugdistanz bis zu 1.500 Kilometer: 250 Euro
– Flugdistanz 1.500 bis 3.500 Kilometer: 400 Euro
– Flugdistanz über 3.500 Kilometer mit Ziel außerhalb der EU: 600 Euro

Aktenzeichen C-537/17

Ein Blitzer, der gar keiner ist

Im Landkreis Wittlich gibt es einen Blitzer, von dem bislang nicht mal die Polizei was wusste. Der sehr modern gestaltete Blitzer sieht so aus:

Die Trierer Polizei postete das Bild auf Facebook mit folgendem Text:

Unsere Blitzeranlagen scheinen derart beliebt zu sein, dass ein begabter Bürger aus der Eifel sein Grundstück mit einem täuschend echten Nachbau schmückt. Blitzen darf er damit nicht. Aber die Aufmerksamkeit der Vorbeifahrenden ist ihm sicher!

Erlaubt ist in diesem Fall übrigens, was gefällt. Nach Abstimmung mit unseren Verkehrsexperten sind Blitzer-Attrappen auf einem Privatgrundstück nicht zu beanstanden.

Sehr klare Aussage. Ich habe allerdings gewisse Zweifel, ob die Rechtslage wirklich so eindeutig ist. Was ist, wenn Autofahrer erschrocken bremsen und es zu Unfällen kommt? Da ist der Weg aber nicht mehr weit, bis sich eine „Gefahr für die öffentliche Sicherheit“ bejahen lässt und dementsprechend eine Ordnungsverfügung ergehen kann. Dabei spielt die Frage Privatgrundstück ja oder nein auch nur eine untergeordnete Rolle.

Von daher wäre es wirklich mal von Interesse, welche Halbwertszeit der private „Blitzer“ tatsächlich hat.

Sehr heißes Wasser

Die Sekretärin hat Brückentag, Besprechungen stehen nicht an, Kollegin ist auch nicht da. Was für ein Glück.

So kann ich wenigstens ohne Hose durchs Büro laufen.

Eine kleine Erklärung für alle, die jetzt gleich auf schräge Gedanken kommen. Ich habe vor einigen Tagen für Eistee kochendes Wasser in eine Karaffe gefüllt, die kurz vorher noch im Kühlschrank stand. Das Gefäß ist mit lautem Knall geplatzt, der Inhalt hat zielsicher den Weg auf meinem linken Oberschenkel gefunden.

Die Blasen und offenen Stellen heilen am besten, wenn ich ein Gel auftrage und das Bein innerhalb geschlossener Räume nicht mit einem Verband bedecke. Sagt der Hausarzt – und scheint mir damit recht zu haben.

Falls nachher noch Laufkundschaft oder der Paketbote klingeln oder ein Videotelefonat dazwischen kommt, sollte ich aber unbedingt an die Hose denken.

Unter Tränen

Aus einem Vermerk der Polizei:

Der Beschuldigte J. war am 16.11.2017 bei mir vorstellig und teilte mir unter Tränen mit, dass er große Scheiße gebaut hätte.

Das liest man als später beauftragter Strafverteidiger natürlich gerne…

Netzagentur schaltet SMS-Spammer ab

Unerwünschte Werbe-SMS sind ein (ständiges) Ärgernis. Die Bundesnetzagentur ging nun gegen einen Anbieter vor, über den sich hunderte Mobilfunkkunden beschwert hatten. Die Firma hatte den Betroffenen SMS geschickt, in denen Gewinne versprochen oder persönliche Nachrichten abgerufen werden sollten. Allerdings führten die Links auf Pornoseiten, die Empfänger sollten Abos abschließen.

„SMS-Werbung ist gesetzlich verboten, wenn der Adressat dem vorher nicht ausdrücklich zugestimmt hat“, betont die Bundesnetzagentur. Sie ließ deshalb insgesamt 220 Mobilfunknummern des SMS-Spammers abschalten. Die Bundesnetzagentur will auch weiter gegen unerlaubte Werbe-SMS vorgehen. Verbraucher können sich auch online beschweren (Link zum Formular).

Rail & Fly: Reisende müssen mit Zugverspätung rechnen

Wer mit einem Rail & Fly – Ticket zum Flughafen reist, muss bei internationalen Flügen die Zugfahrt so planen, dass er drei Stunden vor Abflug am Airport ist. Das geht aus einer Entscheidung des Amtsgerichts Frankfurt am Main hervor.

Reisende hatten geklagt, weil der Zug zum Flug 103 Minuten Verspätung hatte. Weil der Check-in schon geschlossen hatte, konnten sie nicht mehr in ihr Flugzeug nach Thailand steigen. Vom Reiseveranstalter wollten die Passagiere die Kosten für eine Übernachtung und den Ersatzflug am nächsten Tag erstattet bekommen.

Nach Auffassung des Gerichts hätten die Reisenden einen Drei-Stunden-Puffer einplanen müssen (mit dem sie ihren Flug wohl gekriegt hätten). Das entspreche auch den Vorgaben, die der Reiseveranstalter gemacht habe.

Allgemein weist das Gericht aber darauf hin, dass Zugverspätungen bei Rail & Fly – Tickets nicht immer zu Lasten der Reisenden gehen müssen. Grundsätzlich gehöre die Zugfahrt bei solchen Tickets zum Angebot, deshalb hafte der Veranstalter auch, sofern die Reisenden Verspätungen ausreichend einkalkulieren (Aktenzeichen 32 C 1966/17).

Eine Antwort wäre nett

Aus einem Schreiben an die Staatsanwaltschaft:

Sehr geehrte Frau Staatsanwältin,

mit Schreiben vom 5. März 2018, bei mir eingegangen am 12. März 2018, haben Sie mir auf mein Akteneinsichtsgesuch mitgeteilt, die Akte sei derzeit versandt. Ich hab daraufhin mit Schreiben vom 13. März 2018 dargelegt, dass die Versendung der Akte kein gesetzlicher Grund ist, Akteneinsicht zu versagen.

Auf mein Schreiben und auf meine Erinnerung vom 17. April 2018 habe ich keinerlei Reaktion erhalten. Unabhängig davon dürfte die Akte ja mittlerweile auch einmal zur Staatsanwaltschaft zurückgelangt sein.

Ich beantrage deshalb nochmals und wirklich dringend Akteneinsicht. Ich weise erneut darauf hin, dass mein Mandant durch Angaben zur Sache eventuell einen konstruktiven Beitrag zur Aufklärung dieses Falle leisten kann. Es ist auch durchaus denkbar, dass sich mein Mandant zu den Vorwürfen äußert. Aber davor möchte er – zu Recht – endlich mal im Detail wissen, welche Vorwürfe gegen ihn erhoben werden.

Sollte Akteneinsicht weiterhin nicht gewährt werden, bitte ich um Mitteilung der gesetzlichen Hinderungsgründe.

Ich lege Wert auf Beantwortung dieses Schreibens, wobei mir die Übersendung der Ermittlungsakte als Antwort am liebsten wäre.

Der letzte Satz ist ein dezenter Hinweis darauf, dass mir am Ende nur eine Dienstaufsichtsbeschwerde bleibt. Denn leider gibt es ja kein vernünftiges Rechtsmittel, wenn Staatsanwälte die Akte nicht rausrücken. Eine telefonische Kontaktaufnahme zu der Staatsanwältin scheitert übrigens daran, dass sie laut ihrer Geschäftsstelle nur auf Teilzeit da ist, keine regelmäßigen Bürozeiten kennt und auf Rückrufbitten ebenso reagiert wie auf Briefe. Nämlich eher gar nicht.

Kurze Hosen vor Gericht

Als Strafverteidiger ist man ja mitunter auch Styleberater. Insbesondere was den korrekten Auftritt des Mandanten in seiner Gerichtsverhandlung betrifft. Sofern es mir notwendig erscheint, weise ich schon darauf hin, dass es bislang in meiner bescheidenen Praxis noch niemanden geschadet hat, wenn er vor Gericht in korrekter Kleidung erscheint (ohne verkleidet zu wirken).

Nun weiß ich, dass sich meine Empfehlungen auch so auslegen lassen, dass kurze Hosen „korrekt“ sind. Oder wie es der Mandant in der Verhandlungspause formulierte: „Meine Kleidung ist doch nur der Witterung angepasst.“ Ich werde mich künftig also deutlicher ausdrücken müssen.

Hier für alle Fälle schon mal die Zusammenfassung: Vor Gericht sind kurze Hosen ebenso tabu wie das Käppi auf dem Kopf oder die Shisha im Handgepäck. Letzteres ist auch eine Geschichte, die ich bei Gelegenheit mal erzählen muss.

In der gebotenen Kürze

Ich habe ein Schreiben an die Staatsanwaltschaft diktiert. Dabei habe ich mich wohl zu folgender Einleitung hinreißen lassen:

… in der oben genannten Angelegenheit nehme ich für meine Mandantin in der gebotenen Kürze wie folgt Stellung: …

Nun ja, es wurden viereinhalb Seiten, das war so eigentlich nicht geplant. Den Text habe ich nicht mehr geändert, weil er ganz gut geworden ist. Stattdessen habe ich den Hinweis auf die Kürze rausgenommen, man will sich ja nicht lächerlich machen für den Fall, dass die Staatsanwältin denkt, drei Absätze hätten auch gereicht.

Einige Änderungen bei der HU

Auf die Hauptuntersuchung am Auto dürfte sich jeder Autofahrer etwa so freuen wie auf einen Zahnarzttermin. Allerdings kann man sich vor dem TÜV nicht drücken, weshalb man vielleicht besser von einigen aktuellen Änderungen wissen sollte.

Weist das Auto Mängel auf, gibt es seit dem 20. Mai vier Kategorien. Bisher waren es nur drei („geringe Mängel“, „erhebliche Mängel“, „verkehrsunsicher“). Neu eingeführt wurde die Stufe „gefährliche Mängel“, die sich vor „verkehrsunsicher“ schiebt. Prüfer können diese Stufe wählen, wenn es trotz der Mängel noch vertretbar ist, dass der Wagen nach Hause oder in die Werkstatt bewegt wird. Sonstige Fahrten führen zu einem Bußgeld, wenn man erwischt wird.

Der Wagen muss innerhalb eines Monats repariert vorgeführt werden, dann gibt es auch eine neue Plakette. Gleiches gilt auch für die Vorstufe, die „erheblichen Mängel“. Auch hier ist man verpflichtet, den Wagen innerhalb eines Monats noch mal vorzuführen, darf bis zur Reparatur aber auch noch rumfahren. Nur bei den „geringen Mängeln“ (etwa eine defekte Lampe) wird dem Autofahrer die erneute Fahrt zum TÃœV oder zu einem anderen Prüfer erspart.

Bei der Einstufung „verkehrsunsicher“ ändert sich nichts. Hier wird die Plakette abgekratzt, das Auto muss abgeschleppt werden.

Weiter neu ist seit dem 20. Mai, dass Prüfstellen auch die eingebauten Reifenkontrollsysteme (RDKS) checken. Funktioniert das System nicht oder ist es deaktiviert, darf keine Plakette erteilt werden. Außerdem nehmen die Prüfer künftig auch die Komponenten für Datenkommunikation und Datenspeicherung unter die Lupe. Dazu gehört insbesondere das eCall-Notrufsystem, das für seit April 2018 in Neuwagen eingebaut sein muss.

Die leere Volvic-Flasche

In einer Jugendstrafsache stellte sich neulich eine brisante Frage: Wie gefährlich ist eine leere Volvic-Flasche (Plastik), wenn sie aus ca. 2 Meter Entfernung auf die Windschutzscheibe eines stehenden Autos geworfen wird?

Da nach der Aussage des vermeintlich Geschädigten jedenfalls kein Schaden an der Scheibe entstanden ist, konnte man ja allenfalls über eine versuchte Sachbeschädigung sprechen (die tatsächlich strafbar ist). Ich musste ein klein wenig mit einem Sachverständigengutachten zu der Frage drohen, ob man mit einer handelsüblichen Plastikflasche einer Autoscheibe Leid zufügen oder zumindest damit rechnen muss, dass dies passiert. Wegen des Ergebnisses war ich eigentlich recht zuversichtlich.

Allerdings zeichnete sich auch bei den anderen – schwereren – Anklagepunkten für meinen Mandanten ein Freispruch ab, so dass es leider doch kein Gutachten gibt. Die Windschutzscheibenfrage verbleibt also weiterhin im juristischen Graubereich.

Pfingstferien

Eine kleine Information für alle, die regelmäßig hier ins Blog schauen. Wegen Feiertag und einer kleinen Reise ist bis einschließlich 23. Mai nicht mit neuen Beiträgen zu rechnen. Ich hoffe, dass es möglichst vielen ebenso gut geht und wünsche schöne Pfingsttage.