Abschiebung trotz Gerichtsbeschluss

Ein Tunesier ist heute aus Deutschland abgeschoben worden, obwohl das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen am Vortag die Abschiebung verboten hatte. Es geht um einen Mann, der im Verdacht steht, als Leibwächter für Osama bin Laden gearbeitet zu haben.

Nach den vorliegenden Informationen hat das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen am Donnerstagabend die Abschiebung untersagt. Gleichwohl wurde der Mann heute morgen um ca. 7 Uhr am Düsseldorfer Flughafen in ein Flugzeug nach Tunesien eskortiert. Das zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hat erklärt, man habe von dem Beschluss nichts gewusst. Dieser sei erst heute morgen um 8.27 Uhr an das BAMF gefaxt worden.

Mittlerweile gibt es auch eine umfassende Stellungnahme des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen zu den zeitlichen Abläufen. Danach hat das Verwaltungsgericht vom Bundesamt ausdrücklich eine Zusage gefordert, dass bis zu einer Entscheidung nicht abgeschoben wird. Dem Gericht sei dann vom Bundesamt geschrieben worden, eine Rückführung für den 12.07., also den Vortag, sei abgesagt. Da eine weitergehende Zusage nicht erfolgte, hat das Verwaltungsgericht dann noch am gleichen Tag bis 19.20 Uhr den 22-seitigen Beschluss ausgearbeitet. Dieser sei allerdings erst heute morgen an das Bundesamt gefaxt worden.

Andererseits ergibt sich aus der Stellungnahme recht deutlich, dass das Bundesamt mit so einem Beschluss zu rechnen hatte. Wieso dann nicht wenigstens noch mal vor einer eventuellen Abschiebung nachgefragt wurde, werden das Land NRW und das BAMF zu erklären haben.

Mich erinnert die Geschichte unangenehm an den Fall des mutmaßlichen Mörders Ali B., den die Bundespolizei ohne Zustimmung des irakischen Staates aus dem Irak nach Deutschland „rückgeführt“ hat. Der über den Einzelfall hinausgehende Kollateralschaden, wenn Behörden anfangen, gerichtliche Entscheidungen zu missachten, kann ganz erheblich sein. Insbesondere sind das alles Sargnägel für die funktionierende Gewaltenteilung und nicht unbedingt Ansporn für den Normalbürger, sich selbst an Recht und Gesetz zu halten.

Nachtrag: Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hat angeordnet, dass der Betroffene nach Deutschland zurückgebracht werden muss. Die Abschiebung sei „grob rechtswidrig und verletzt grundlegende rechtsstaatliche Prinzipien“, teilte das Gericht mit.

Vom Leihrad zum Gratisrad – das kann Ärger geben

Leihfahrräder scheinen ein großer Markt zu sein. Hier in Düsseldorf mischt derzeit mobike das Stadtbild auf. Die Leihräder der Firma stehen praktisch an jeder Ecke, können per App entriegelt und genutzt werden. Das Fahrtende ist an jedem beliebigen Ort im Stadtgebiet möglich.

Damit hat mobike einen großen Vorteil zu anderen Anbietern wie Call-a-Bike. Deren Räder sind nämlich stationsgebunden, und von den Stationen gibt es gar nicht mal so viele. Wenn man seinen Start- noch Zielort nur mit zusätzlichem Fußmarsch erreicht, ist das Angebot für mich eher reizlos. Auch wenn ich ein eigenes Fahrrad habe, habe ich mich mal bei mobike angemeldet und bin auch schon ein paar Mal damit geradelt. Das System ist simpel, die Bikes mit ihren Vollgummireifen und geringer Höhe tierisch unbequem und behäbig. Aber wenn die Alternative eine stickige Straßenbahn ist, reicht es für die Kurzstrecke allemal.

Ob man Sharing-Unternehmen seine persönlichen Daten anvertraut, ist Geschmackssache. Klar sollte sein, dass Ausleihzeiten und Fahrtstrecken penibel dokumentiert werden. Das macht die eigenen Wege nicht nur nachträglich überprüfbar (zum Beispiel durch die Polizei), sondern die generierten Daten sind garantiert ein lukrativer Zweitmarkt für die Firmen. Mobike zum Beispiel nutzt die Daten schon selbst nicht nur für Abrechnungszwecke. Vielmehr wird jeder Nutzer anhand seines Miet-, Fahr- und Rückgabeverhaltens gescored. Pflegeleichte und emsige Nutzer erhält Rabatte, andere, deren Räder verschwinden oder beschädigt werden, müssen am Ende bis zu 100 Euro für eine 20-minütige Nutzung zahlen. Das Ganze erinnert stark an das Sozialkredit-System, das gerade in China flächendeckend eingeführt wird.

Was mich eigentlich auf das Thema bringt: Ein anderer Anbieter, der an mehreren Orten jeweils hunderte Fahrräder ins Stadtbild gekippt hat, ist mutmaßlich pleite. Die Firma Obike (Sitz in Singapur) soll Insolvenz angemeldet haben. Für die Berliner Behörden ist das Unternehmen nicht erreichbar (Bericht im Tagesspiegel). Die App scheint nicht mehr zu funktionieren; die Räder sind also nutzlos.

Das wiederum bringt findige Aktivisten auf Ideen, etwa die Initiative LibreBike. Der Name ist an sich selbsterklärend. Nutzer sollen die nun „herrenlosen“ Räder befreien. Sozusagen ein erster Schritt zu einem kostenlosen Bikesharing-System. Für die Befreiung der Räder gibt es auf der Seite von LibreBike eine sehr detaillierte Anleitung.

Man könnte allerdings auch von einem Aufruf zu Straftaten sprechen.

Denn aus gutem Grund verliert die Infoseite kein näheres Wort über die juristischen Aspekte. Herrenlos habe ich im letzten Absatz nicht ohne Grund in Anführungszeichen gesetzt. Denn selbst im Fall einer Insolvenz des Anbieters ist es natürlich keinesfalls so, dass man sich die Bikes jetzt unter den Nagel reißen kann. Sie haben nach wie vor einen Eigentümer, im Zweifel wird es nach wie vor der bisherige sein. Ein Insolvenzverfahren ändert insoweit nichts.

Die Manipulation am Radschloss inklusive Entfernung des Solarpanels ist eine strafbare Sachbeschädigung (§ 303 StGB). Und selbst wenn man ein von anderen befreites LibreBike nur für eine kleine Fahrt nutzen will, sollte man vorsichtig sein. Nicht nur der unbefugte Gebrauch eines Kraftfahrzeuges ist strafbar. Sondern auch der unbefugte Gebrauch eines Fahrrades (§ 248b StGB). Wer also auf einem bereits geknackten Leihfahrrad angetroffen wird, riskiert ganz eindeutig ein Strafverfahren. Da hilft dann auch die Ausrede nichts, dass man das Rad gar nicht behalten wollte. Denn auf diesen Willen kommt es gar nicht an.

Wenn man sich ein Leihfahrrad dann auch noch dauerhaft in den Keller stellt, wäre es ohnehin ein Diebstahl (§ 242 StGB). Aber das sagt einem ja fast schon der gesunde Menschenverstand.

„Spontan-Urlaub“ kann Arbeitsplatz kosten

Ein spontaner Urlaub kann den Arbeitsplatz kosten. Klingt für mich jetzt wenig überraschend, aber genau zu diesem Thema musste das Landesarbeitsgericht Düsseldorf ein Urteil fällen.

Eine Controllerin hatte an einem Mittwoch ihr berufsbegleitendes Studium erfolgreich beendet, dafür gönnte sie sich für den Rest der Woche noch zwei Urlaubstage, die der Arbeitgeber genehmigte. Am Montag kam die Frau aber nicht pünktlich zur Arbeit. Vielmehr sandte sie um 12.04 Uhr, zwei Stunden nach ihrem Arbeitsbeginn, eine E-Mail aus Mallorca. Unter dem Betreff „Spontan-Urlaub“ teilte sie mit, ihr Vater habe ihr zur bestanden Prüfung einige sonnige Tage geschenkt. Sie in der folgenden Woche wieder ins Büro.

Der Arbeitgeber fand das weniger lustig und sprach eine Kündigung aus. Die Richter am Landesarbeitsgericht wiesen darauf hin, die eigenmächtige Inanspruchnahme von Urlaub sei ein Kündigungsgrund, der an sich nicht nur eine fristgerechte, sondern sogar eine fristlose Kündigung rechtfertigen kann. Spätestens ab Dienstag, als sie eine Rückreise endgültig ablehnte, habe die Klägerin ernsthaft zu erkennen gegeben, dass sie an dem eigenmächtig genommenen Urlaub festhalte und nicht zur Arbeit kommen werde. Damit habe sie falsche Prioritäten gesetzt und ihre vertragliche Pflicht zur Arbeit beharrlich verletzt.

Die Klägerin hatte dennoch Glück im Unglück. Es gab unter anderem Zweifel, ob der Betriebsrat wirksam angehört worden war. Deshalb einigte man sich vor Gericht auf eine fristgerechte Kündigung; eine Abfindung von einem knappen Monatsgehalt (4.000,00 €) erhält die Klägerin auch (Aktenzeichen 8 Sa 87/18).

Kurz mal über den Tisch?

Die Sitzordnung im Saal bestimmt das Gericht. Das will ich gar nicht bestreiten. In einem größeren Verfahren mit etlichen Angeklagten hatten mein Mandant und ich bislang die Ehre, dass wir in der ersten Reihe Platz nehmen durften. Das Vergnügen war aber anscheinend etwas einseitig, denn die Richter fühlten sich mitunter von meinem Mandanten gestört.

Aus meiner Sicht hielt sich das Belästigungspotenzial allerdings im zulässigen Rahmen. Gut, der Mandant schnaubte schon mal vernehmlich, wenn sich das Gericht – aus seiner Sicht – mal wieder einen Klops erlaubte. Ein paar Mal kam von ihm auch eine deutliche Bemerkung, aber nichts, was einen aus der Fassung bringen müsste. Anders bei diesem Gericht: Es folgte dann irgendwann die „Drohung“, man könne die Sitzordnung ja auch ändern und meinen Mandanten weiter nach hinten verbannen.

Darauf passierte einige Verhandlungstage nichts. Ich ging eigentlich davon aus, die Sache sei vielleicht auch deswegen erledigt, weil mein Mandant sich auf die Rüffel der Vorsitzenden hin schon einsichtig zeigte. Während dieser Zeit fiel er jedenfalls keinesfalls aus der Rolle.

Umso überraschter war ich, als ich einige Zeit später vor Verhandlungsbeginn meinen angestammten Platz von einem anderen Verteidiger eingenommen fand. Die Papierschildchen mit den Namen der Verfahrensbeteiligten, welche die Wachtmeister jeden Morgen aufstellten, sprachen ebenfalls eine klare Sprache. Ab sofort sollten wir hinten sitzen.

Ich rätselte schon ein wenig, wieso es jetzt dazu gekommen war. So richtig musste ich aber nicht. Nach der Mittagspause an dem Verhandlungstag erhielt ich von meinem Sekretariat das PDF eines Faxes, welches das Gericht gerade in mein Büro geschickt hatte. Es war die schriftliche Ablehnung eines Antrags auf Haftentlassung. Diesen hatte ich für den Mandanten gestellt, weil der nun schon geraume Zeit in Untersuchungshaft schmort. Nach meiner Meinung zu Unrecht.

Nun gut, das Gericht hätte mir die Entscheidung natürlich auch persönlich aushändigen können. Ich war ja da – und zwar noch bis in den Nachmittag. Über Stil kann man halt streiten. Allerdings war jetzt natürlich klar, wieso die Verbannung nach hinten genau an diesem Verhandlungstag begann. Dem Gericht war bewusst, dass ich wohl noch im Laufe des Tages von dem Fax erfahre. Da wollte man anscheinend lieber auf Nummer sicher gehen und Abstand schaffen für den Fall, dass mein seeeeehr kräftiger Mandant etwas in Richtung Richterbank unternimmt, bevor die im Saal postierten Wachtmeister eingreifen können.

Dieser Gedanke ist allerdings schon reichlich absurd, für so was ist mein Mandant ein Quentchen zu schlau. Letztlich sagt der Ablauf aus meiner Sicht weniger über den Mandanten, dafür umso mehr über die Befindlichkeiten auf der Richterbank. Ich weiß nicht, ob ich mir als Richter so eine Blöße geben würde.

Neuanfang

Gestern nachmittag bin ich ziemlich übel mit einer Polizistin aneinander gerasselt. Unser Telefonat eskalierte in einer Art und Weise, wie ich es wirklich nicht oft erlebe.

Ich will jetzt gar nicht diskutieren, ob meine Position oder die der Beamtin eine sachliche Rechtfertigung hatte. Sondern eigentlich nur erzählen, dass ich mir so zwei, drei Minuten nach dem Gespräch dachte: Komm‘, ruf die Frau noch mal an, entschuldige dich und schlage einen Neuanfang vor.

Sie ging auch ans Telefon. Während ich meine Entschuldigung vorbrachte, kam aus meinem Sekretariat eine Telefonnotiz rein. Die Notiz war erst wenige Sekunden alt:

Frau B. von der Kripo bittet um Rückruf, wenn Sie Gelegenheit haben. Es tut ihr leid und sie möchte gerne mit Ihnen sprechen, wie die Meinungsverschiedenheit aufzulösen ist.

Genau das war dann gar nicht so schwer. Also immer dran denken, auch mal über den eigenen Schatten zu springen. Es kann sich lohnen.

Datenträger können auch gelöscht werden

Gerichte kassieren ja sehr gerne ganze Computer, Smartphones und Festplatten ein. Oft genügt es, wenn diese Dinge als „Tatwerkzeug“ in Betracht kommen. Dabei ist die Rechtslage aber längst nicht so simpel, wie es aussieht. Das hat der Bundesgerichtshof aktuell für Festplatten klargestellt.

Bei Speichermedien mit möglicherweise strafbaren Inhalten müsse das Gericht prüfen, ob es technisch möglich ist, die Dateien in einer Art und Weise von der Festplatte zu löschen, dass sie nicht mehr wiederhergestellt werden können. Nur falls das Gericht dies ausdrücklich bejaht (und entsprechend begründen kann), könne die Festplatte einbehalten werden. Das Bundesgerichtshof verweist auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.

In der Praxis wird diese Rechtsprechung, die der aktuelle Beschluss bestätigt, gerne ignoriert. Man muss also aktiv darauf hinweisen, dass die Einbehaltung von Datenträgern selbst dann kein Automatismus ist, wenn sich darauf eventuell strafbare Inhalte befinden (Aktenzeichen 5 StR 65/18).

Eine DENIC-Abfrage ist so nutzlos wie nie zuvor

Gastbeitrag von Rechtsanwältin Katia Genkin, Düsseldorf

Dass Datenschutz mitunter den Tatenschutz fördert, ist schon öfter behauptet worden. Aber die DSGVO liefert nun den Beleg für diese These. Während um Redlichkeit bemühte Blogger oder Shop-Betreiber jeden Tag fürchten, wegen einer Banalität abgemahnt zu werden, können sich die professionellen Schmutzfinken des Internets entspannt zurücklehnen: Mit der DSGVO ist es noch schwieriger geworden, etwa gegen Verleumdungen oder Beleidigungen vorzugehen. Der Grund: Auch Domain-Inhaberdaten sind nun gut geschützt.

Was einem Unternehmen oder einer Privatperson passieren kann, zeigt das Beispiel der Stiftung Warentest.

Deutschlands höchste Instanz für den Verbraucherschutz kämpft derzeit ebenso verzweifelt wie erfolglos gegen Internetveröffentlichungen eines “Anleger-Portals”, das den Angaben zufolge “frei erfundene Vorwürfe gegenüber der Stiftung und speziell einer Redakteurin” in Netz gestellt hat. Das deutschsprachige Portal nennt im Impressum eine Adresse in den USA, bei der es sich laut Stiftung Warentest um eine reine Briefkasten-Adresse handelt.

Sinn und Zweck der Impressumspflicht ist es, einfach Information darüber erhalten zu können, wer für den Webauftritt verantwortlich ist und Reklamationen und Klagezustellungen zu ermöglichen. Ohne (zutreffende) Impressumsangaben läuft aber eine juristische Maßnahme etwa gegen Verleumdung ins Leere, denn eine Klage muss zugestellt werden können.

Bis vor kurzem gab es noch eine Chance, einen Impressums-Schummler mit vertretbarem Aufwand zu ermitteln: über die Inhaberdaten der Domain.

Zwar sieht der Bundesgerichtshof die Eintragung einer Person als Inhaberin in der WHOIS-Datenbank nur als ein Indiz an, nicht als einen stichhaltigen Beweis für die Inhaberschaft der Domain (BGH, Urteil vom 18.01.2012, I ZR 187/10) und ein Domain-Inhaber ist nicht zwangsläufig der Verantwortliche einer Onlineveröffentlichung. Aber die Domainabfrage ist immerhin ein erster Ansatz, dem Verantwortlichen auf die Spur zu kommen.

Seit dem 25.05.2018, dem Inkrafttreten der DSGVO ist es damit vorbei. Wer etwa bei ICANN wissen will, wer hinter whitehouse.gov steckt, erfährt nur:

DOTGOV WHOIS Server ready
Domain Name: WHITEHOUSE.GOV
Status: ACTIVE

Bei Fake-News hätte man also bei so einer Adresse möglicherweise ein echtes Problem, falls kein Impressum existiert. Wie wäre es zum Beispiel mit handelsblatt.com? Das Ergebnis ist ziemlich eintönig.

Name: REDACTED FOR PRIVACY
Organization: REDACTED FOR PRIVACY
Mailing Address: REDACTED FOR PRIVACY
Phone: REDACTED FOR PRIVACY
Ext: REDACTED FOR PRIVACY
Fax: REDACTED FOR PRIVACY
Fax Ext: REDACTED FOR PRIVACY
Email:info@domain-contact.org
etc.

Wer Glück hat, findet bei den verbliebenen Angaben noch eine Mail-Adresse für Missbrauchsfälle und kann dann mal gucken, ob irgendjemand, wo auch immer, irgendwann mal darauf antwortet.

Der Fairness halber sei gesagt, dass es schon früher bei Domain-Registraren in fernen Ländern möglich war, mehr oder weniger inkognito eine Domain zu registrieren, weil Angaben kaum geprüft wurden oder eine Anmeldung über sogenannte „WHOIS Protection“-Dienste möglich war, die bei einer „Whois-Abfrage“ – etwa im DENIC-Register – falsche Angaben lieferte.

Auch deshalb genießen .de-Domains viel Vertrauen, denn da geht es mit deutscher Gründlichkeit zu. Früher gab es bei der Vergabestelle DENIC verlässliche Domain-Inhaberdaten, heute gibt es verlässlich im Sinne der DSGVO erst mal … nichts mehr. Klare Ansage: Daten zum Domaininhaber werden nicht mehr angezeigt.

Ausnahmsweise können Behörden die Domaindaten noch bekommen. Die DENIC erteilt zudem, “auf Basis von Einzelfallprüfungen”, gegen Nachweis eines berechtigten Interesses Auskünfte zum Domaininhaber an

– Inhaber eines Namens- oder Kennzeichenrechts, das durch die Domain möglicherweise verletzt wird.
– oder Anspruchsteller, die im Besitz eines vollstreckbaren Titels sind und die zivilrechtliche Pfändung der domainvertraglichen Ansprüche des Domaininhabers beabsichtigen.

Wie das in der Praxis gehandhabt wird, ist mir noch nicht bekannt. Absehbar aber ist, dass die DENIC bei Fällen von Verleumdungen oder Beleidigungen kaum Auskunft erteilen wird, denn sie spricht von einer Rechtsverletzung durch die Domain, nicht von einer Rechtsverletzung durch den Inhalt.

Der Inhaber einer Domain wie www.besser-als-allianz-versicherung.de würde vermutlich preisgegeben. Wenn hingegen jemand die Domain www.50-korrupte-politiker.de registriert und anonym Verleumdungen und Beleidigungen über Politiker verbreitet, wird es kaum Domain-Daten geben, wodurch Politiker aber immerhin einen ungeahnten Praxisbezug ihrer Gesetzgebung erhalten würden.

Der Domain-Zuteiler ICANN, der mit einer Klage gegen den in Bonn sitzenden Domain-Registrar EPAG das Ziel verfolgte, dass auch nach Inkrafttreten der Datenschutzgrundverordnung zusätzliche Daten weiterhin erhoben und ihr mitgeteilt würden, hat eine Schlappe erlitten. Das Landgericht Bonn (LG Bonn, Beschluss vom 29.05.2018, 10 O 171/18, nicht rechtskräftig) hat klargestellt, dass Datenerhebungen restriktiv zu handhaben sind. Das Gericht hat argumentiert, dass zwar „ein Mehr an Daten die Identifizierung von hinter einer Domain stehenden Personen und eine Kontaktaufnahme zu diesen verlässlicher erscheinen“. Vor dem Hintergrund des Grundsatzes der Datensparsamkeit sei aber nicht zu erkennen, warum zusätzlichen Datensätze erhoben werden müssten.

Bleibt der Löschungsanspruch gegen Google und andere Suchmaschinen-Betreiber, damit Schmutzkampagnen zumindest nicht noch prominent in den Suchergebnissen gezeigt werden. Wie das Beispiel der Stiftung Warentest zeigt, ist jedenfalls Google dabei offenkundig nicht besonders kooperativ.

Da war noch was? Wer als Opfer von Verleumdung und Beleidigung auf das Netzwerkdurchsetzungsgesetz hofft, dem Berliner Schwert gegen das Böse im Internet, der wird schon wieder enttäuscht. Es gilt nur für die Sozialen Netzwerke, nicht für eine Homepage.

Fazit also: Während die Politik mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz gerade Verleumdungen und Beleidigungen im Netz unterbinden wollte, hat sie mit der DSVGO eine komfortable Schutzzone eben dafür eingerichtet. Unternehmen haben zunächst viel investieren müssen, um allen DSVGO-Anforderungen gerecht zu werden. Künftig werden sie auch noch – wenn sie nicht einfach nichts tun wollen – erheblich Budget und Personalressourcen aufbringen müssen, um die Personen zu identifizieren zu versuchen, die unter dem Schutz der DSGV illegale Machenschaften gegen sie betreiben.

Die Autorin Katia Genkin ist Rechtsanwältin in Düsseldorf. Sie berät deutsche und französische Unternehmen unter anderem zum Gewerblichen Rechtsschutz sowie Reputationsschutz.

Eltern entscheiden selbst über Internetnutzung ihrer Kinder

Ein Familienrichter braucht einen guten Grund, wenn er Eltern vorschreiben will, ob und in welchem Umfang deren Kinder das Internet nutzen bzw. ein Smartphone besitzen dürfen. Das Oberlandesgericht Frankfurt stellt in einem aktuellen Beschluss klar, dass hierzu konkrete Anhaltspunkte für eine Gefährdung des Kindeswohls vorliegen müssen.

Ein Familienrichter hatte der Mutter eines achtjährigen Mädchens, die vom Vater des Kindes getrennt lebt, das Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen. Bei der Anhörung hatte sich herausgestellt, dass das Mädchen über Geräte der Mutter online gehen konnte; außerdem besaß das Kind ein eigenes Smartphone. Dem Richter gefiel das nicht, deshalb ordnete er Beschränkungen an. Unter anderem sollte das Kind bis zum 12. Geburtstag kein Smartphone haben dürfen.

Die Eltern des Mädchens wandten sich gemeinsam gegen die Anordnung. Mit Erfolg. Eine Gefährdung des Kindeswohls müsse nicht nur möglich erscheinen, sondern mit „ziemlicher Sicherheit“ zu erwarten sein, sagt das Oberlandesgericht. Es sei nicht Aufgabe des Staates, die „perfekten“ Erziehungsmethoden vorzugeben. Vielmehr dürfe in die Grundrechte der Eltern und auch des Kindes nur eingegriffen werden, wenn konkrete Schäden drohen.

Das Gericht sieht zwar eine potenzielle Gefährdung durch „smarte Technologien und Medien“. Gefahren seien aber auch gegeben, wenn Eltern ihre Kinder zu lange vor dem Fernseher sitzen lassen oder die Kindern ausschließlich Junkfood bekommen. Das Gericht sieht zahlreiche individuelle Spielräume, in denen Eltern eigenverantwortlich ihr Erziehungsrecht ausüben können. Ausdrücklich weist das Gericht darauf hin, die Nutzung digitaler Medien durch Kinder müsse nicht komplett untersagt, sondern pädagogisch begleitet werden (Aktenzeichen 2 UF 41/18).

Verfahren, eng getaktet

Ein Mandant hatte über einige Tage hinweg vermutlich eine sehr schlechte Phase. Das sicherte ihm bei einer Staatsanwaltschaft hier in Westdeutschland folgende Aktenzeichen:

42 Js 708/18
42 Js 713/18
42 Js 714/18
42 Js 715/18
42 Js 716/18
42 Js 733/18

Ich habe zwar kein betriebswirtschaftliches Soll für neue Mandate im Kopf, aber heute müssten nicht unbedingt noch weitere kommen, damit ich zufrieden bin.

Viel Zeit mitbringen

Heute morgen dachte ich noch erfreut, das Pensum für den Arbeitstag ist sehr überschaubar. Um 10 Uhr ein Verhandlungstermin an einem Amtsgericht im Kölner Umland. Dann gemütlich zurück, noch etwas Büro, und ab 16 Uhr Viertelfinale.

Jetzt, um kurz nach halb drei, sítze ich wirklich noch live im Gerichtssaal. Das Gericht hat sich zur Urteilsberatung zurückgezogen, die anderen Beteiligten stehen draußen und rauchen sich eine. Um 14.50 Uhr ist voraussichtlich mit einem Urteil zu rechnen.

Normalerweise stehen ja wir Anwälte im Geruch, Verfahren in die Länge zu ziehen. Das war heute definitiv nicht der Fall. Mein Mandant hat die ihm zur Last gelegten Taten gestanden. Und zwar bilderbuchmäßig. In solchen Fällen wird vom Gericht dann nur noch verlangt, dass es sich nicht allein auf das Geständnis stützt. Als Gegencheck reicht es dann aber aus, wenn man sich bei den Zeugen erkundigt, ob diese das im Großen und Ganzen bestätigen können. Gern wird auch ein Polizeibeamter gefragt, der in der Sache ermittelt hat.

Leider scheint das vor diesem Gericht nicht zu gelten. Die Zeugen wurden bis zum letzten Detail gegrillt, und zwar auch vom Staatsanwalt. Gerade dieser stellte viele – aus meiner Sicht – völlig überflüssige Fragen. So ging die Zeit dann ins Land, am Ende liegt die Verhandlungsdauer knapp über fünf Stunden.

Dabei, ich lege mich mal fest, hätte man das Ganze auch in 60 bis 90 Minuten abwickeln können, ohne dass die Wahrheitsfindung irgendwie gelitten hätte. Es immerhin war wohl ein wenig Vorsehung, dass ich für heute Nachmittag keine Besprechungstermine gemacht habe.

Wenn ich mal wieder zu diesem Richter muss, bin ich gewarnt und bringe wieder viel Zeit mit.

Keine Steinigung

Manche Mandanten machen es einem nicht leicht. Nicht mal sich selbst. Die Tage habe ich mal wieder so jemanden verteidigt. Ein Mandant, der zum bestmöglichen Ergebnis getragen werden musste.

Eine Anwältin und ich hatten in einem sehr langen Rechtsgespräch einen Deal ausgehandelt. Die Anwältin hatte der Mandant erst kurz vor der Verhandlung zusätzlich ins Boot genommen, weil dieser mit dem Ergebnis der 1. Instanz nicht glücklich war. Die Anwältin konnte ihm zum Glück aber auch nur sagen, dass der im Raum stehende Deal deutlich besser ist als alles, was bei einem Urteil herauskommen würde. In der Tat hatte das Berufungsgericht dann einen sehr freundlichen Tag. Auch der Staatsanwalt ließ sich einfangen.

Der Deal stand also, das Gericht gab dessen Inhalt in der Verhandlung bekannt, wie es gesetzlich vorgeschrieben ist. Nun wurde es interessant. Der Richter wollte den Angeklagten erst mal ausführlich zu seinem Lebenslauf befragen. Das für den Deal notwendige (Teil-)Geständnis wollte er dann offensichtlich später entgegennehmen.

Es war so was wie Gedankenübertragung, jedenfalls grätschten meine Kollegin und ich gleichzeitig in die Verhandlung rein. Mit dem Vorschlag, doch lieber erst das Geständnis zu hören. Den Lebenslauf später. Der Richter war erst leicht irritiert, aber nach einigen Sekunden wurde ihm wohl klar, warum wir diesen Vorschlag machten. Der Mandant sitzt seit rund einem Jahr in Untersuchungshaft, was natürlich an seinen Nerven nagt.

Zu groß war demgemäß das Risiko, dass er die ganze Sache am Ende doch noch platzen lässt, weil ihm irgendwas quer kommt. Leider konnte das halt auch eine Kleinigkeit sein, so angespannt war sein Nervenkostüm. Das Geständnis kam also zuerst, damit war der Deal dann in trockenen Tüchern. Der Mandant hat uns im weiteren Verlauf der Verhandlung auch nicht gesteinigt. Am Ende siegt halt mitunter doch die Vernunft.

Öffnungszeiten deluxe

Der Anrufbeantworter in der Zentrale der Staatsanwaltschaft Duisburg (0203 9938-5) hat mir gerade freundlicherweise die Zeiten durchgedudelt, zu denen – jedenfalls theoretisch – die Mitarbeiter telefonisch erreichbar sind:

montags bis freitags 8.30 bis 11.30 Uhr
montags und dienstags 14 bis 15 Uhr
mittwochs bis freitags 14 bis 14.30 Uhr

Außerhalb des öffentlichen Dienstes würde sich so was keiner trauen.

Sie haben sechs Monate Zeit – oder auch nicht

Wozu sind Fristen da? Einerseits, damit der Bürger weiß, innerhalb welcher Zeit er eventuelle Ansprüche geltend machen muss. Andererseits, damit sich die Sache nicht endlos verzögert – und halt irgendwann Rechtssicherheit eintritt. Es gibt natürlich tiefgründigere Erklärungen, aber das dürften die wesentlichen Aspekte sein.

In einem Verfahren, dessen Inhalt gar nicht groß was zur Sache tut, habe ich von Gesetzes wegen sechs Monate Zeit, um eventuelle Ansprüche geltend zu machen. Das heißt, die denkbaren Forderungen müssen spätestens am letzten Tag der Frist schriftlich angemeldet sein.

Die Frist läuft ab am 22.10.2018.

Der zuständige Herr bei der Justizbehörde scheint aber auf heißen Kohlen zu sitzen. „Es wird um Bezifferung der Ansprüche gebeten“, schrieb er mir am 08.05.2018. Am 09.06.2018 kriegte ich das Schreiben noch mal. Die Anfrage war gelb markiert, handschriftlich hatte jemand vermerkt: „1. Erinnerung!“ Am 19.06.2018 traf dann die „2. Erinnerung“ ein. Diesmal mit „!!!“

Anfang der Woche fand ich eine Telefonnotiz. Der Beamte teilte mit, es würden noch Unterlagen fehlen. Er habe schon „zwei Fristen“ gesetzt und erwarte die fehlenden Angaben nun spätestens bis Ende Juli. Ich habe nicht die leiseste Ahnung, wieso der Herr meint, er könne hier so einen Druck aufbauen. Die Sechs-Monats-Frist steht, wie gesagt, ausdrücklich im Gesetz.

Gut, vielleicht hat der Beamte belastbare Informationen über einen bevorstehenden Finanzinfarkt der öffentlichen Hand. Oder er hat sonstige gute Gründe, warum er ausgerechnet meinen Antrag – es geht um einen gerade mal dreistelligen Betrag – bearbeiten möchte/muss. Da wäre es dann aber nett, wenn er mir diese Gründe auch von sich aus mitteilt. Und nicht mit Erinnerungen nervt, mit denen ich inhaltlich nichts anfangen kann.

Ich habe dann mal zurückgerufen. Das erschien mir weniger nervig als die Aussicht auf die nächste schriftliche Mahnung. Der betreffende Herr war im Haus, aber nicht zu sprechen. Die Mitarbeiterin der Geschäftsstelle richtete mir aus, ich solle doch einen Brief schreiben oder ein Fax schicken. Dieses werde schnellstmöglich bearbeitet.

Also, jetzt ist dann aber wirklich mal gut. Weitere „Erinnerungen“ etc. hefte ich einfach ab. Und der Antrag geht genau drei Tage vor Fristablauf raus. Irgendwie bin ich mir aber sicher, dass da eskalationsmäßig noch was von Seiten der Behörde kommt. Ich werde berichten, falls das passiert.