Viel Zeit mitbringen

Heute morgen dachte ich noch erfreut, das Pensum für den Arbeitstag ist sehr überschaubar. Um 10 Uhr ein Verhandlungstermin an einem Amtsgericht im Kölner Umland. Dann gemütlich zurück, noch etwas Büro, und ab 16 Uhr Viertelfinale.

Jetzt, um kurz nach halb drei, sítze ich wirklich noch live im Gerichtssaal. Das Gericht hat sich zur Urteilsberatung zurückgezogen, die anderen Beteiligten stehen draußen und rauchen sich eine. Um 14.50 Uhr ist voraussichtlich mit einem Urteil zu rechnen.

Normalerweise stehen ja wir Anwälte im Geruch, Verfahren in die Länge zu ziehen. Das war heute definitiv nicht der Fall. Mein Mandant hat die ihm zur Last gelegten Taten gestanden. Und zwar bilderbuchmäßig. In solchen Fällen wird vom Gericht dann nur noch verlangt, dass es sich nicht allein auf das Geständnis stützt. Als Gegencheck reicht es dann aber aus, wenn man sich bei den Zeugen erkundigt, ob diese das im Großen und Ganzen bestätigen können. Gern wird auch ein Polizeibeamter gefragt, der in der Sache ermittelt hat.

Leider scheint das vor diesem Gericht nicht zu gelten. Die Zeugen wurden bis zum letzten Detail gegrillt, und zwar auch vom Staatsanwalt. Gerade dieser stellte viele – aus meiner Sicht – völlig überflüssige Fragen. So ging die Zeit dann ins Land, am Ende liegt die Verhandlungsdauer knapp über fünf Stunden.

Dabei, ich lege mich mal fest, hätte man das Ganze auch in 60 bis 90 Minuten abwickeln können, ohne dass die Wahrheitsfindung irgendwie gelitten hätte. Es immerhin war wohl ein wenig Vorsehung, dass ich für heute Nachmittag keine Besprechungstermine gemacht habe.

Wenn ich mal wieder zu diesem Richter muss, bin ich gewarnt und bringe wieder viel Zeit mit.

Keine Steinigung

Manche Mandanten machen es einem nicht leicht. Nicht mal sich selbst. Die Tage habe ich mal wieder so jemanden verteidigt. Ein Mandant, der zum bestmöglichen Ergebnis getragen werden musste.

Eine Anwältin und ich hatten in einem sehr langen Rechtsgespräch einen Deal ausgehandelt. Die Anwältin hatte der Mandant erst kurz vor der Verhandlung zusätzlich ins Boot genommen, weil dieser mit dem Ergebnis der 1. Instanz nicht glücklich war. Die Anwältin konnte ihm zum Glück aber auch nur sagen, dass der im Raum stehende Deal deutlich besser ist als alles, was bei einem Urteil herauskommen würde. In der Tat hatte das Berufungsgericht dann einen sehr freundlichen Tag. Auch der Staatsanwalt ließ sich einfangen.

Der Deal stand also, das Gericht gab dessen Inhalt in der Verhandlung bekannt, wie es gesetzlich vorgeschrieben ist. Nun wurde es interessant. Der Richter wollte den Angeklagten erst mal ausführlich zu seinem Lebenslauf befragen. Das für den Deal notwendige (Teil-)Geständnis wollte er dann offensichtlich später entgegennehmen.

Es war so was wie Gedankenübertragung, jedenfalls grätschten meine Kollegin und ich gleichzeitig in die Verhandlung rein. Mit dem Vorschlag, doch lieber erst das Geständnis zu hören. Den Lebenslauf später. Der Richter war erst leicht irritiert, aber nach einigen Sekunden wurde ihm wohl klar, warum wir diesen Vorschlag machten. Der Mandant sitzt seit rund einem Jahr in Untersuchungshaft, was natürlich an seinen Nerven nagt.

Zu groß war demgemäß das Risiko, dass er die ganze Sache am Ende doch noch platzen lässt, weil ihm irgendwas quer kommt. Leider konnte das halt auch eine Kleinigkeit sein, so angespannt war sein Nervenkostüm. Das Geständnis kam also zuerst, damit war der Deal dann in trockenen Tüchern. Der Mandant hat uns im weiteren Verlauf der Verhandlung auch nicht gesteinigt. Am Ende siegt halt mitunter doch die Vernunft.

Öffnungszeiten deluxe

Der Anrufbeantworter in der Zentrale der Staatsanwaltschaft Duisburg (0203 9938-5) hat mir gerade freundlicherweise die Zeiten durchgedudelt, zu denen – jedenfalls theoretisch – die Mitarbeiter telefonisch erreichbar sind:

montags bis freitags 8.30 bis 11.30 Uhr
montags und dienstags 14 bis 15 Uhr
mittwochs bis freitags 14 bis 14.30 Uhr

Außerhalb des öffentlichen Dienstes würde sich so was keiner trauen.

Sie haben sechs Monate Zeit – oder auch nicht

Wozu sind Fristen da? Einerseits, damit der Bürger weiß, innerhalb welcher Zeit er eventuelle Ansprüche geltend machen muss. Andererseits, damit sich die Sache nicht endlos verzögert – und halt irgendwann Rechtssicherheit eintritt. Es gibt natürlich tiefgründigere Erklärungen, aber das dürften die wesentlichen Aspekte sein.

In einem Verfahren, dessen Inhalt gar nicht groß was zur Sache tut, habe ich von Gesetzes wegen sechs Monate Zeit, um eventuelle Ansprüche geltend zu machen. Das heißt, die denkbaren Forderungen müssen spätestens am letzten Tag der Frist schriftlich angemeldet sein.

Die Frist läuft ab am 22.10.2018.

Der zuständige Herr bei der Justizbehörde scheint aber auf heißen Kohlen zu sitzen. „Es wird um Bezifferung der Ansprüche gebeten“, schrieb er mir am 08.05.2018. Am 09.06.2018 kriegte ich das Schreiben noch mal. Die Anfrage war gelb markiert, handschriftlich hatte jemand vermerkt: „1. Erinnerung!“ Am 19.06.2018 traf dann die „2. Erinnerung“ ein. Diesmal mit „!!!“

Anfang der Woche fand ich eine Telefonnotiz. Der Beamte teilte mit, es würden noch Unterlagen fehlen. Er habe schon „zwei Fristen“ gesetzt und erwarte die fehlenden Angaben nun spätestens bis Ende Juli. Ich habe nicht die leiseste Ahnung, wieso der Herr meint, er könne hier so einen Druck aufbauen. Die Sechs-Monats-Frist steht, wie gesagt, ausdrücklich im Gesetz.

Gut, vielleicht hat der Beamte belastbare Informationen über einen bevorstehenden Finanzinfarkt der öffentlichen Hand. Oder er hat sonstige gute Gründe, warum er ausgerechnet meinen Antrag – es geht um einen gerade mal dreistelligen Betrag – bearbeiten möchte/muss. Da wäre es dann aber nett, wenn er mir diese Gründe auch von sich aus mitteilt. Und nicht mit Erinnerungen nervt, mit denen ich inhaltlich nichts anfangen kann.

Ich habe dann mal zurückgerufen. Das erschien mir weniger nervig als die Aussicht auf die nächste schriftliche Mahnung. Der betreffende Herr war im Haus, aber nicht zu sprechen. Die Mitarbeiterin der Geschäftsstelle richtete mir aus, ich solle doch einen Brief schreiben oder ein Fax schicken. Dieses werde schnellstmöglich bearbeitet.

Also, jetzt ist dann aber wirklich mal gut. Weitere „Erinnerungen“ etc. hefte ich einfach ab. Und der Antrag geht genau drei Tage vor Fristablauf raus. Irgendwie bin ich mir aber sicher, dass da eskalationsmäßig noch was von Seiten der Behörde kommt. Ich werde berichten, falls das passiert.

Der Mandant darf umdrehen

Wenn die Ladung zum Strafantritt ins Haus flattert und der Mandant sich im nächstgelegenen Knast melden soll, dann kann man getrost von einem juristischen Notfall sprechen. Traurig finde ich immer die Fälle, in denen Betroffene mit Behördenkram schlicht überfordert sind. Fehlende Sprachkenntnisse sind nur eine von vielen Ursachen für Schicksale, die eigentlich hätten vermieden werden können.

In so einem Fall konnte ich einen Mandanten sehr glücklich machen. An sich hätte er sich spätestens heute (!) bis 15 Uhr in der Justizvollzugsanstalt melden müssen, weil seine Bewährung wegen eines eher überschaubaren Delikts widerrufen wurde. Und das nur, weil er die Zahlung seiner ebenso überschaubaren Bewährungsauflage auf grandios schusselige Art und Weise versemmelt hat.

Ich habe eine umfängliche Beschwerdeschrift eingereicht, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und letztlich Aufschub aus reiner Menschlichkeit erbeten, letzteres vor allem in Telefonaten mit dem Gericht und der Staatsanwaltschaft. Vorhin, als ich telefonisch noch mal nachfragte, kam Entwarnung – Strafaufschub ist erst mal genehmigt. Was ich inhaltlich auch richtig finde, denn die vom Gesetz (§ 67g StGB) geforderte „gröbliche“ oder „beharrliche“ Verweigerungshaltung kann ich in dem – für mich ganz neuen – Fall bislang nicht erkennen. Aber das hilft ja auch nur eingeschränkt, wenn womöglich schon alle Fristen abgelaufen sind.

Ich erreichte den Mandanten in der Straßenbahn 701. Er war schon auf dem Weg in den Knast. Jetzt fährt er erst mal wieder heim und wir können schauen, ob das Gericht meinen Argumenten etwas abgewinnt.

Gefährderansprache via Anwalt

Die Polizeibeamtin N. ermittelt gegen meinen Mandanten und einige seiner Freunde. Es geht um Körperverletzung, nachts vor einem Club. Alltagskriminalität sozusagen.

Heute meldete sich die Polizistin telefonisch. „Könnten Sie nicht mal mit Ihrem Mandanten sprechen?“, wollte sie wissen. „Vor einigen Tagen sollen sich die Herren vor einer Zeugin aufgebaut und sie eingeschüchtert haben.“

Ich erklärte mich bereit, mal ein paar Worte mit meinem Mandanten zu reden. Wobei ich natürlich klarstellte, dass ich deswegen nicht davon ausgehe, an den Vorwürfen könnte was dran sein. Die Beamtin freute sich über meine positive Reaktion. „Ich habe unheimlich viele Sachen auf dem Tisch“, sagte sie. „Solche Gefährderansprachen würden mir jetzt gerade noch fehlen.“

Aber gerne doch. Man hilft, wo man kann. Auch wenn ich jetzt noch nicht so genau weiß, ob und wie ich die zusätzliche Arbeit meinerseits gebührentechnisch erfassen kann.

So allgemein wie spezial

Ein sehr schöner Briefkopf des Amtsgerichts Nürnberg:

Man ist also allgemein zuständig. Aber halt auch spezial – für was auch immer. Nur erläutert wird das nirgends.

Das Ganze hat natürlich seine hergebrachte Richtigkeit, aber was soll das dem formaljuristisch mitunter ja nicht vorgebildeten Empfänger denn nun nahebringen? Am Ende bleibt ein gewisser Abschreckungseffekt. Aber vielleicht ist genau dieser ja gewollt.

Mit Gutschein bezahlte Reise ist abgesichert

Wer eine Reise (teilweise) mit einem Gutschein zahlt, ist trotzdem gegen eine Insolvenz des Reiseveranstalters abgesichert. Die gesetzlich vorgeschriebene Versicherung muss nach einer Entscheidung des Amtsgerichts Frankfurt am Main auch zahlen, wenn der Kunde lediglich einen Gutschein „investiert“ hat.

Die Klägerin hatte eine Rom-Reise für 438 Euro gebucht und dafür einen Gutschein eingelöst. Sie erhält die Reisebestätigung und den Sicherungsschein, der gegen die Insolvenz des Veranstalters absichert. Die Versicherung verwies aber darauf, die Frau habe keinen Schaden, weil sie gar kein Geld gezahlt habe.

Nicht überzeugend, urteilt das Gericht: Wenn Veranstalter und Versicherung den Gutschein akzeptieren, stehe dieser einer Zahlung gleich. Das ergebe sich aus § 364 Abs. 1 BGB (Aktenzeichen 30 C 3256/17 (71)).

Münzgeld-Einzahlung darf nicht extra kosten

Eine Bank kann ihren Kunden nicht allgemein eine Gebühr berechnen, wenn diese Münzgeld einzahlen. Vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe wurde über den Fall einer Bank verhandelt, die für jede Bareinzahlung von Münzgeld 7,50 Euro berechnete.

Grundsätzlich könnten Banken Geld für Zahlungsdienste verlangen, sagt das Gericht. Ist ja auch logisch, davon leben Banken ja. Die Grenze sei aber dort überschritten, wo die Bank den Kunden Geld dafür in Rechnung stelle, dass er nur seine eigenen vertraglichen Pflichten erfülle. Als Beispiel nennt das Gericht den Kunden, der Münzgeld auf sein überzogenes Girokonto einzahlt. In diesem Fall tilgt der Kunde nur pflichtgemäß seine Schulden, wird aber extra zur Kasse gebeten.

Schon dieser Punkt führt dazu, dass die Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nach Auffassung des Gerichts insgesamt unwirksam ist (Aktenzeichen 17 U 147/17).

Frauenüberhang in der Hamburger Justiz

Männliche Bewerber für einen Job bei der Staatsanwaltschaft haben es in Hamburg momentan einen Tick leichter als Frauen. Es gibt nämlich derzeit deutlich mehr Staatsanwältinnen als Staatsanwälte in der Behörde. Nun wirbt die Hamburger Justiz offensiv um männliche Stelleninteressenten.

„Männliche Bewerber werden daher bei gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung vorrangig berücksichtigt“, heißt es auf der Homepage der Anklagebehörde unter „Bewerbungs- und Einstellungsverfahren“. Tatsächlich sind von den 195 Strafverfolgern in Hamburg 125 Frauen (64,1 Prozent) und 70 Männer (35,9 Prozent).

Dies hat nun zur Folge, dass das Hamburger Gleichstellungsgesetz nun zu Gunsten von Männern zieht. Bei gleicher Qualifikation werden männliche Bewerber bevorzugt.

Näheres steht in einem Bericht des Hamburger Abendblatts.

Keine großen Diskussionen

Mit der Beiordnung eines Pflichtverteidigers tun sich Gerichte mitunter schwer. Ist ja auch verständlich. Denn der Pflichtverteidiger kriegt sein Honorar aus der Staatskasse. Am Ende zahlen also wir alle. Deshalb finde ich es auch gar nicht schlimm, wenn ein Richter kritisch hinterfragt, ob die Voraussetzungen für einen Pflichtverteidiger gegeben sind.

Ärgerlich wird es da, wo die Verweigerungshaltung nur noch als Pingeligkeit ausgelegt werden kann. Hier in NRW gibt es zum Beispiel einen Amtsrichter, der nach meinem Empfinden so gut wie jeden Antrag ablehnt – sofern ihm das Gesetz überhaupt ein Ermessen einräumt. Wenn dann eine Beschwerde erhoben wird, bessert er in 50 % der Fälle selbst nach. Die restlichen 45 % korrigiert dann das Landgericht als Beschwerdeinstanz.

Dass es auch ganz anders geht, erlebte ich jetzt bei einem anderen Amtsrichter. Der hatte die betreffende Abteilung zwar erst vor kurzem übernommen, zeigte sich aber bestens informiert. Er hatte schon selbst recherchiert, dass mein Mandant betreut wird. Und zwar auch aus Gründen, die dafür sprechen, dass der Mandant seine rechtlichen Interessen nicht selbst wahrnehmen kann. Das ist ein plausibler Grund für einen Pflichtverteidiger, auch wenn der Tatvorwurf doch sehr marginal ist.

Da ich den Mandanten schon seit langem helfe, rief der Richter kurz an und fragte, ob ich die Verteidigung übernehme und der Mandant damit einverstanden ist. Der Beiordnungsbeschluss kam dann postwendend, ebenso die Gerichtsakte zur Einsicht. Übernächste Woche ist schon der Verhandlungstermin. So was nenne ich Effizienz. Abgesehen davon macht die Arbeit ohne unnötige Reibungsverluste auch gleich viel mehr Spaß.

Postnachwurf

In einem Verfahren wegen Drogenhandels via Internet beobachtete die Polizei den Briefkasten an einer belebten Straße. Es handelte sich um eines dieser geräumigen Standmodelle mit zwei Einwürfen, einer für den Nah- und einer den Fernbereich.

Für den Fall, dass die möglichen Drogenversender zum Briefkasten kamen, und sie kamen, hatte die Polizei vorgesorgt. Stolz erzählte eine Beamtin vor Gericht, man habe einen „Postnachwurf“ vorbereitet. Also einen Umschlag (ans Polizeipräsidium adressiert), der in den Briefkasten geworfen werden sollte, nachdem die Verdächtigen ihre Sendungen eingeworfen hatten.

Das klang alles sehr wichtig. Bis sich dann die Frage stellte, wozu der „Postnachwurf“ denn gut sein sollte. So richtig konnte die Beamtin das nicht erklären, die Idee hatte ja auch ihr Chef. Jedenfalls schien man der Meinung zu sein, dass Briefe so in diese Art Briefkästen fallen, dass sie fein säuberlich übereinander gestapelt sind. Wobei der amtliche „Postnachwurf“ dann sozusagen eine Art Trennstreifen gewesen wäre, falls nach den Verdächtigen noch jemand was in den Briefkasten schmeißt.

Wer allerdings schon mal zugeschaut hat, wie einer dieser großen Briefkästen geleert wird, weiß natürlich: Drinnen hängt ein recht geräumiger Sack, in den die Briefe plumpsen. Und das jedenfalls nicht im Schichtsystem, sondern je nach Einwurfwinkel ziemlich kunterbunt.

Immerhin scheinen das auch die Richter schon mal gesehen zu haben. Die Strafkammer machte jedenfalls nicht den Eindruck, dass dem ominösen „Postnachwurf“ irgendeine juristische Bedeutung zukommen könnte. Man darf also die Prognose wagen, dass dieses Instrument es auch eher nicht ins Lehrbuch der Kriminalistik schaffen wird.

Bei Wind und Regen

Anzeigenblätter werden ja gern auch mal in Stapeln vor die Haustüren gelegt. Zum Beispiel, wenn die Briefkästen nicht von außen zugänglich sind. Der Eigentümer eines Mietshauses muss das aber nicht hinnehmen, entschied das Amtsgericht Magdeburg.

Der Eigentümer hatte gegen den Verlag eines Anzeigenblattes geklagt, das zwei Mal in der Woche erscheint. Die liegengebliebenen Anzeigenblätter musste er nach seinen Angaben immer mühsam entsorgen, was gerade bei Wind und Regen sicher nicht sehr angenehm ist. Für das Gericht liegt darin ein Eingriff in das Eigentum des Klägers, der zu einem Unterlassungsanspruch führt.

Der Verlag hatte eingewandt, es würden ja auch schon mal Handzettel verteilt. Das ließ das Gericht mit dem Hinweis nicht gelten, ein Anzeigenblatt sei viel dicker, die Verschmutzung durch umherfliegende Blätter deshalb deutlich höher (Aktenzeichen 150 C 518/17).

Wie die Polizei in ihren Formularen blufft

Aus einer Vorladung für eine Vernehmung bei der Polizei:

In der Ermittlungssache Besitz von Marihuana am … in Düsseldorf ist Ihre Vernehmung / Anhörung als Beschuldigter erforderlich.

Dieser Vorladung für Sie liegt ein Auftrag der Staatsanwaltschaft zugrunde.

Ich will nicht verhehlen: Der Satz mit der Staatsanwaltschaft hat bei meinem Mandanten seinen Eindruck nicht verfehlt. Genau das sollte er wohl auch bezwecken. Auftrag der Staatsanwaltschaft. Das klingt ja gleich ganz anders, als wenn nur der Herr Kommissar ein paar Fragen hat.

Allerdings ist das Ganze doch leicht irreführend. Denn die Sache mit dem „Auftrag der Staatsanwaltschaft“ ist nur an ganz anderer Stelle relevant. Zwar auch bei Vernehmungen, aber der von Zeugen. Hier gibt es seit kurzem eine Pflicht von Zeugen, auch bei der Polizei zu erscheinen. Aber eben nur, „wenn der Ladung ein Auftrag der Staatsanwaltschaft zugrunde liegt“ (§ 163 Abs. 3 StPO). Zu dieser Gesetzesänderung habe ich schon mal Näheres in meiner ARAG-Kolumne geschrieben, auch über die zahlreichen Fragen, die in der Praxis noch nicht einmal ansatzweise geklärt sind.

Bei der Vernehmung eines Beschuldigten hat sich dagegen folgendes geändert: gar nichts. Beschuldigte haben nach wie vor keinerlei Pflicht, auf Vorladungen der Polizei zu reagieren. Vielmehr ist es nach wie vor nur so, dass Beschuldigte verpflichtet sind, auf Ladung zu erscheinen – aber eben nur „vor der Staatsanwaltschaft“ (§ 163a Abs. 3 StPO). Der Staatsanwalt kann sein Recht, den Beschuldigten antanzen zu lassen, nicht auf die Polizei übertragen. Wobei die Erscheinenspflicht für einen Beschuldigten übrigens nicht bedeutet, dass er was beim Staatsanwalt sagen muss. Der Beschuldigte hat nach wie vor ein umfassendes Schweigerecht.

Ein wenig witzig ist es also schon, wenn der tolle Satz mit dem Auftrag der Staatsanwaltschaft jetzt in Vorladungen für Beschuldigte schwappt. Und auch ein wenig abgeschmackt, wenn man sieht, dass sich manche Polizeibeamte halt für keinen billigen Trick zu schade sind.

Außer Kontrolle

Beim Wühlen im Aktenschrank bin ich vorhin auf einen Vorgang gestoßen, der mir vom Namen des Mandanten her rein gar nichts sagte. Ein Indiz, dass in der Sache was nicht stimmt – normalerweise erinnere ich mich nämlich ganz gut an einzelne Mandate.

Nachdem ich in die Akte geschaut habe, bin ich schlauer. Es geht um ein Verkehrsdelikt, das sich angeblich Mitte 2013 ereignet haben soll. Nach einem knappen Jahr erging ein Strafbefehl gegen meinen Mandanten. Gegen diesen Strafbefehl legte ich Einspruch ein, das war im Juli 2014. Seitdem, also nun fast schon vier Jahre, ist nichts mehr passiert. Gar nichts.

Mit bloßer Überlastung des Gerichts dürfte das kaum zu erklären sein. Mein Tipp: Die Akte ist verschollen. „Außer Kontrolle geraten“, wie es auf Justizsprech heißt. Ich werde meine Akte erst mal wieder in den Schrank hängen. Bald wird ja auch das Thema Verjährung interessant. Ich als Verteidiger bin der Letzte, der das Gericht jetzt anstoßen müsste. Das wäre sogar eine Verletzung meiner Berufspflicht, denn es würde dem Mandanten schaden.

Wie auch immer es weiter geht, eins ist jetzt schon klar. Das Fahrverbot von einem Monat wird man meinem Mandanten nach so langer Zeit nicht mehr aufs Auge drücken können. Das Fahrverbot soll eine Warn- und Denkzettelfunktion haben, wie es so schön heißt. Von der kann nach so langer Zeit nun wirklich nicht mehr die Rede sein.

Ansonsten bin ich mit dem Mandanten im Reinen. Die Rechnung hat nämlich schon gezahlt.