Selbst ausdrucken, trotzdem zahlen

Der deutschlandweit größte Ticketversender Eventim darf keine „Servicegebühr“ in Höhe von 2,50 Euro verlangen, wenn der Kunde das Ticket selbst ausdruckt. Der Bundesgerichtshof erklärte das Entgelt für die die sogenannte „print@home“-Option bei Veranstaltungskarten für rechtswidrig.

Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen hatte Eventim verklagt mit der Begründung, dass bei einer elektronischen Übermittlung der Eintrittskarte – zum Beispiel per E-Mail oder zum Download – weder Porto- noch Materialkosten anfallen. Kosten zu berechnen, die gar nicht entstehen, hält auch der Bundesgerichtshof für unzulässig. Er bestätigt deshalb ein Urteil aller Vorinstanzen zu Gunsten der Verbraucherzentrale (Aktenzeichen III ZR 192/17).

Aus Sicht der Verbraucherzentrale NRW hat das Urteil grundsätzliche Bedeutung und betrifft marktweit auch weitere Anbieter, die pauschal Geld im Zusammenhang mit dem Selbstausdrucken von Eintrittskarten verlangen. „Bei explodierenden Preisen werden Tickets für beliebte Künstler leider immer mehr zum Luxusgut. Das Urteil schiebt der Unsitte einiger Anbieter einen Riegel vor, Verbrauchern mit Extra-Gebühren zusätzlich Geld aus der Tasche zu ziehen“, sagt Wolfgang Schuldzinski, Vorstand der Verbraucherzentrale NRW.

Ebenso für unzulässig hält der Bundesgerichtshof Eventims „Premiumversand inklusive Bearbeitungsgebühr“ in Höhe von 14,90 Euro (plus 5 Euro für jedes weitere Ticket). Fans konnten im Rahmen des Vorverkaufs für die AC/DC-Welttournee 2015 ausschließlich den teuren Premiumversand wählen. Die Tickets kamen jedoch per einfacher innerdeutscher Post mit 60-Cent-Frankierung.

Nach Ansicht der Verbraucherzentrale NRW muss Eventim zu Unrecht erhobene Entgelte zurückzuzahlen. Für den Fall, dass Eventim nicht auf die Kunden zugeht, will die Verbraucherzentrale weitere juristische Schritte einleiten, unter anderem die nun bei Verbraucherabzocke gesetzlich geregelte Gewinnabschöpfung.

Für betroffene Kunden hat die Verbraucherzentrale ein Musterschreiben veröffentlicht, mit dem zu viel gezahlte Gebühren zurückverlangt werden können.

Lieber Köln

Vor Gericht läuft es ja nicht immer super. Aber heute war schon eher ein Horrortag, für den ich auch noch extra ins Zuständigkeitsgebiet der bayerischen Justiz gereist bin.

Der Staatsanwalt legte in seinem Plädoyer mit einer Strafforderung vor, die ich schon für reichlich ambitioniert hielt. Was machte das Gericht? Packte im Urteil direkt noch ein halbes Jahr Freiheitstrafe drauf. Natürlich alles ohne Bewährung.

In mir keimte schon ein wenig die Furcht, es könne gleich auch noch zu einer sogenannten Saalverhaftung kommen. Dabei wird der soeben verurteilte Angeklagte auf direktem Weg vom Gerichtssal in Untersuchungshaft geschickt, weil die Strafe einen Fluchtanreiz begründet.

So weit kam es dann allerdings nicht. Mein Mandant kann also erst mal abwarten, ob wir in der Berufung ein besseres Ergebnis erzielen können. Ich meine, das ist durchaus drin. Wenn der Gerichtsstand Köln oder Hamburg wäre, hätte ich jedoch ein deutlich besseres Gefühl. Mir persönlich zeigt der Fall mal wieder, dass man sich im Zweifel vorher gut überlegen sollte, wo man mit dem Gesetz in Konflikt gerät.

Sixt darf weiter spotten

Der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Lokomotivführer (GDL) muss es hinnehmen, wenn er vom Autovermieter Sixt zum „Mitarbeiter des Monats“ gekürt wird. Sixt hatte während der großen Bahnstreiks so den GDL-Vorsitzenden Claus Weselsky in ganz Deutschland plakatiert.

Die Adressaten hätten den satirischen Charakter der Kampagne erkannt, urteilt das Oberlandesgericht Dresden. Von einer Ausbeutung des „Werbewertes“ von Weselsky könne keine Rede sein (wahrscheinlich, weil er gar keinen nennenswerten Werbewert hat).

Da der Gewerkschafter auch nicht über das bloße Thema der Bahnstreiks hinaus herabgewertet worden sei, habe die Meinungsfreiheit von Sixt Vorrang, so das Gericht (Aktenzeichen 4 U 182/18).

Schlechter Rat von der Münchner Polizei

Die Münchner Polizei hat ja eine rege Social-Media-Redaktion auf Twitter (@PolizeiMuenchen). Dort bleibt praktisch keine Rückfrage unbeantwortet. Dumm nur, dass die dort gegebenen „Tipps“ den Twitter-Nutzern enormen Ärger einbringen können – wenn sie sich denn dran halten.

Es geht um folgenden Hinweis, den ein Twitter-Nutzer an die Münchner Polizei gegeben hat:

Hey @PolizeiMuenchen Der Instagram Account Instagram.com/littledickmunc… postet abscheuliche Bilder von sexueller Gewalt gegen kleine Kinder. Nachdem ich es bei Instagram gemeldet habe kam nur zurück „Dies verstößt nicht gegen unsere Guidelines“

Könnt ihr euch das bitte mal ansehen?

Nach einigen Nachfragen antwortete @PolizeiMuenchen so:

Guten Morgen, dieser Account bzw. der Link scheint nicht mehr zu existieren. Können Sie uns eine Direktnachricht mit Details zum Accountnamen und wenn mgl. Screenshots der Inhalte zukommen lassen? Vielen Dank und Grüße

Ich weiß nicht, was der zuständige Mitarbeiter sich bei dieser Bitte gedacht hat. Viel kann es nicht gewesen sein. Ich kann nur sagen: Wenn ihr irgendwo im Internet auf möglicherweise strafbare Inhalte stoßt, dann macht auf keinen Fall Screenshots. Speichert die Inhalte auch möglichst nicht auf eurem Rechner ab. Und schickt keine solchen Inhalte durch die Gegend, schon gar nicht als Ausdruck auf Papier – auch nicht an die Polizei.

Spätestens mit dem Runterladen und Speichern der Inhalte auf eurem PC begründet ihr „Besitz“ an den Inhalten. Sicherlich tut ihr dies nur in der Absicht, den Behörden zu helfen. Aber darauf nimmt das Gesetz erst mal überhaupt keine Rücksicht. Das kann man § 184b StGB entnehmen. Die Vorschrift umreißt in Absatz 5 klar, dass Besitz nur dann straflos sein kann, wenn staatliche Aufgaben, Aufgaben aufgrund Vereinbarungen mit staatlichen Stellen (zum Beispiel Gutachter) oder dienstliche und berufliche Pflichten erfüllt werden.

Bloße private Zeugentätigkeit, so ehrenhaft sie auch sein mag, ist in dieser Aufzählung nicht enthalten. Das bedeutet konkret: Wer mit solchen Dingen zur Polizei läuft oder Screenshots mailt, ist ab diesem Zeitpunkt völlig auf das Wohlwollen der Polizei angewiesen. Nämlich dahingehend, dass diese gegen den freundlichen Melder nicht auch gleich ein Strafverfahren einleitet. Wozu sie aufgrund der Rechtslage an sich verpflichtet ist.

In diesem ungünstigen Fall kommt es dann letztlich darauf an, ob der Staatsanwalt hehre Motive vieleicht höher hängt als die Rechtslage. Letztlich verbleibt die durchaus realistische Möglichkeit, dass man als freundlicher Melder nach einer Hausdurchsuchung selbst vor Gericht landet. Was dies für das eigene Leben bedeuten kann, muss ich wohl nicht sonderlich betonen.

Im Ergebnis kann ich also nur dringend davon abraten, selbst irgendwelche Inhalte zu übermitteln.

Das bedeutet nun nicht, dass man in solchen Fällen gar nichts machen kann. Es gibt in allen Bundesländern mittlerweile Online-Wachen, die auch anonyme Anzeigen entgegennehmen. (Dass mitunter dort steht, anonyme Anzeigen würden nicht bearbeitet, kann man getrost ignorieren.) Allerdings muss man wissen, dass jedenfalls die IP-Adressen, verwendeter Browser und eventuell auch andere Metadaten mitgeloggt werden. So traurig es klingt, sollte man im eigenen Interesse doch geeignete technische Vorkehrungen treffen, wenn man Links – und mehr sollte es wirklich nicht sein – zu fragwürdigen Seiten an Behörden weitergibt.

Abstinenz – vor der Therapie

In einem Verfahren wegen Drogenbesitzes hat das Gericht meinen Mandanten verurteilt. Neben der Strafe gab es auch eine Bewährungsauflage: eine ambulante Drogentherapie.

Nun ist es leider so, dass ambulante Therapieplätze in der betreffenden Region rar gesät sind. Die Wartezeit beträgt mindestens sieben Monate. Eine unerfreuliche Hängepartie, aber nicht zu ändern.

Der Bewährungshelfer meines Mandanten will aber, dass mein Mandant schon jetzt Abstinenznachweise erbringt. Der Mandant soll sich also beim Arzt Blut abnehmen lassen. Und für den Fall, dass sich unerlaubte Substanzen in seinem Blut finden, wäre das ein Bewährungsverstoß – meint der Bewährungshelfer.

Äh, ja. Wenn der Mandant einfach so von heute auf morgen abstinent sein könnte, dann frage ich mich, wofür die Therapie gut sein soll, die irgendwann in nächster Zeit mal beginnen wird. Immerhin habe ich in der Gerichtsverhandlung diesbezüglich aufgepasst und dafür gesorgt, dass im Bewährungsbeschluss zwar die Therapieauflage enthalten ist, aber gerade kein absolutes Drogenkonsumverbot.

Deshalb sehe ich es jetzt erst mal gelassen, wenn der Bewährungshelfer tatsächlich Rabatz machen sollte.

Gepflegtes Chaos in der Behördenakte

Die Bundesagentur für Arbeit spricht zwar von ihren „Kunden“. Strafanzeigen erstattet sie aber trotzdem sehr gerne gegen ihre Kunden, jeden Tag in unzähligen Fällen mutmaßlichen Leistungsbetrugs. Auch ich bearbeite ab und zu solche Strafsachen. Über die Jahre gesehen, kann ich eigentlich nur eines sagen: Das Chaos, welches sich aus so einer normalen Leistungsakte der Bundesagentur für Arbeit ergibt, sucht meist seinesgleichen.

Demgemäß lassen sich regelmäßig gute Ansatzpunkte für die Verteidigung finden. Und entsprechend schwer ist es für Staatsanwälte und Richter, einen Tatnachweis zu führen. Die Tage war ich mal wieder bei einer reichlich genervten Amtsrichterin, die mit den vorgelegten Unterlagen schlicht nicht klar kam. Der Staatsanwältin ging es genau so.

Nun ja, ich erlaubte mir im Augenblick höchster Verzweiflung die Frage, ob man das Verfahren gegen meine Mandantin nicht als Bagatelle einstellen kann, ohne negative Konsequenzen für die angeklagte Frau. Immerhin habe der Sachbearbeiter bei der Arbeitsagentur doch in einem Vordruck auf Seite 46 seiner Akte angekreuzt: „Der Schaden wurde bereits in voller Höhe erstattet.“ Der Schaden, das sind die knapp 640 Euro, die meine Mandantin durch Nichtmeldung eines Nebenjobs zu viel bekommen haben soll.

Oh, meinte die Richterin, das habe sie ja gar nicht gesehen. „Tätige Reue“ sei immer etwas Gutes. Außerdem sei der Erstattungsanspruch der Behörde ja sowieso fraglich, denn meine Mandantin behaupte ja, sie habe den Job gemeldet. Da, so die Richterin, könne man doch wirklich mal nachsichtig sein. Sie zwinkerte der Staatsanwältin zu. Die verstand den Wink und erklärte sich einverstanden.

Ihr könnt euch meine Verwunderung vorstellen, als mir die Mandantin dann draußen vor dem Gerichtssaal sagte, sie jedenfalls habe keine 640 Euro zurückgezahlt. Was nur den Schluss zulässt, dass der Sachbearbeiter bei der Arbeitsagentur einfach das falsche Feld angekreuzt hat. Manchmal fügt sich halt eines zum anderen.

Druckfrischer Paragraf

In Berlin hat heute die 2. Auflage des Raser-Prozesses begonnen, und es geht wieder um die Frage, ob den Angeklagten Tötungsvorsatz zur Last gelegt werden kann. Eine erste Verurteilung hatte der Bundesgerichtshof aufgehoben, weil eben dieser Vorsatz vom Gericht nicht ausreichend festgestellt worden war.

Einzelheiten zum Verfahren kann man hier nachlesen. Gerade der Berliner Fall war wohl auch Grund dafür, dass der Gesetzgeber den fast noch druckfrischen Straftatbestand des Verbotenen Autorennens geschaffen hat (§ 315d StGB).

Wird durch das Autorennen der Tod eines Menschen verursacht, ist jetzt immerhin eine Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren möglich. Fahrlässige Tötung, die in solchen Fällen auch nahe liegt, ist zum Beispiel nur mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren bedroht.

Ich überlege nach wie vor, wie das Landgericht Berlin in der Neuauflage des Prozesses angesichts der Gesetzesänderung weiter zum Mordvorwurf – und verbunden damit an einer lebenslangen Freiheitsstrafe – kommen will. Immerhin haben wir mit dem erwähnten Paragrafen ja nun eine Vorschrift, die eigentlich genau den betreffenden Fall umfasst. Ob da noch Platz für das Mordmerkmal der „niederen Beweggründe“ bleibt – fraglich.

Ich gehe mal davon aus, dass die Verteidiger sehr intensiv auf § 2 StGB verweisen werden. Dort steht nämlich drin, dass Strafgesetze zwar grundsätzlich nicht rückwirkend geändert werden können. Das gilt allerdings nicht für eine Strafmilderung, wie sie der neue Raser-Paragraf ja jedenfalls dann bringt, wenn man in solchen Fällen Mordmerkmale und Tötungsvorsatz bejahen und damit den Mordparagrafen anwenden will.

Da in der Sache auch noch keine abschließende Entscheidung gefallen ist, müsste aus meiner Sicht das mildere Gesetz angewendet werden, jedenfalls dann, wenn man ansonsten ernsthaft zu einem Mord kommen würde. Mit der Folge, dass die Höchststrafe dann maximal zehn Jahre betragen kann, und eben nicht lebenslänglich.

Personenkontrollen: Erfahrungen der Leser

Vor einigen Tagen ging es hier und hier um Personenkontrollen, bei denen die Hautfarbe oder ein „anderes Aussehen“ eine Rolle spielt. Ich habe noch einige Erfahrungsberichte zu dem Thema erhalten, die ich hier wie angekündigt gerne veröffentliche.

Bericht 1

Ich bin dunkelhäutig und kann den Eindruck, der sich in den anderen Erfahrungsberichte widerspiegelt nur bestätigen. Ich kann es natürlich nicht beweisen und es ist mein rein subjektiver Eindruck, aber ich glaube ich werde häufiger kontrolliert und mitunter auch gründlicher. Insbesondere in Zügen und Bahnhöfen.

Ich bin eigentlich gegen die Möglichkeit den Doktortitel in den Ausweis eintragen zu lassen. Hatte irgendwann aber genug und habe es dann doch machen lassen. Auch hier ist mein subjektives Gefühl, dass es tendenziell einen positiven Einfluss auf die Höflichkeit die mir bei den Kontrollen entgegengebracht wird hat (natürlich erst nachdem ich den Ausweis ausgehändigt habe).

Bericht 2

Gegen Ende meines Studiums bin ich regelmäßig mit dem Zug aus Oberfranken zu meiner Lebensgefährtin in eine süddeutsche Stadt nahe der Schweizer Grenze gefahren. Scheinbar wurde/wird (?) die Zugverbindung gerne für den Transport illegaler Substanzen genutzt, weswegen dort Personenkontrollen stattfanden (in beiden Richtungen).

Einem alten studentischen Brauch folgend, habe ich mit Beginn meiner Abschlussarbeit aufgehört mich zu rasieren und meine Haare lange wachsen lassen. Da bei jener Zugfahrt, die für die Geschichte relevant ist, schon geraume Zeit in die Erstellung meiner Abschlussarbeit geflossen war (ca. 1 1/2 Jahre) und ich während des Studiums einen eher legeren Kleidungsstil pflegte, mag meine Erscheinung sehr eigen gewesen sein – vermutlich zwischen Hippie und vermeintlichen Terrorist anzusiedeln.

Es begab sich nun so, dass ich mit dem Zug erneut unterwegs nach Süddeutschland war, und am einen Ende des Zugwaggons saß. Am anderen Ende stiegen Polizeibeamte in Zivil ein und begannen, der Reihe nach alle Fahrgäste zu kontrollieren. Dies wäre die erste Personenkontrolle meines Lebens gewesen, ich hatte schon meinen Ausweis gezückt und freute mich auf die Kontrolle. Als ich endlich als letzter an der Reihe gewesen war, gingen die Polizisten allerdings einfach an mir vorbei und ich hörte den einen Polizisten zum anderen raunen: „Nein, das wäre jetzt zu offensichtlich, den kontrollieren wir nicht“. Etwas enttäuscht durfte ich dann, ohne kontrolliert worden zu sein, meine Zugfahrt fortsetzen.

Bericht 3:

Ein mir sehr gut bekanntes Pärchen ist mit einem Dunkelhäutigen befreundet, der auch regelmäßig vor allem am Bochumer Hbf kontrolliert wird.

Einmal haben sich die drei verabredet, Treffpunkt war in der Bahnhofshalle. Als die beiden ankamen, wurde ihr Bekannter gerade wieder kontrolliert.

Sie haben sich dann daneben gestellt und gewartet. Der Polizist meinte dann etwas wie „Ach Sie gehören zusammen?“ und hat die Kontrolle sofort beendet.

Bericht 4

Ich habe zwar einen Doktortitel im Pass, hatte ihn aber nicht dabei, war irgendwie der Meinung Wien-Köln ist Schengen, da braucht man nix.
Es war gerade high-life bei der für mich überraschenden Passkontrolle (irgendeine Terrorwarnung), eben auch für Schengen, ich hab mich halt auf gut Glück trotzdem angestellt.
Als ich dran war hat mich die Polizistin gleich mal angeblafft, ob ich nicht wüsste dass immer ein Dokument mitzuführen sei, ich hab noch höflich erwidert bei uns in Wien nicht, und ich wäre damit zwar im Irrtum aber eben trotzdem da. Unruhiges Wetzen am Sitz, so ginge das keinesfalls, sie müsse (den Grenzschutz?) holen, ich augenverdrehend erwidernd, wenn sie sich da so sicher sei dass das nicht anders geht, sie grantig retour, woher sie denn wissen solle wo ich tatsächlich her sei.

Und dann die Lösung: Bisher zwar gefärbtes aber doch Hochdeutsch, jetzt ich im breitesten Dialekt, ob nicht meine Sprache meine Herkunft eindeutiger als jeder Pass belegen würde.

„Hean Sie net aun dem wia i red vo wo i bin ? Des kaun net eana ernst sei!“

Der Kollege neben ihr musste grinsen, und nach kurzer Beratung entschied man sich, mich – nach eindringlicher Ermahnung – ziehen zu lassen. War ein echtes Erlebnis, auch für die Umstehenden :-)

Vielen Dank für die Einsendungen!

Den Ausweis, Herr Anwalt

Ich bin jetzt 23 Jahre als Anwalt tätig, und ich bin schon schon sehr oft zu Festgenommenen ins Polizeigewahrsam gerufen worden. Das war nun mal wieder der Fall, es geht um den Vorwurf einer sehr, sehr schweren Straftat.

Abgesehen vom Anlass lief zunächst alles ganz okay. Nachdem ich in der Arrestzelle länger mit dem Mandanten gesprochen hatte, machte ich mich nach Absprache mit dem zuständigen Beamten noch auf den Weg zum Sitz der Ermittlungskommission. Ist ja nie schlecht, wenn man sich mal kennenlernt. Das Kennenlernen war zwar freundlich, bot aber in einem Detail eine Besonderheit.

Dem Beamten reichte es nicht, dass ich die schriftliche Vollmacht meines Mandanten überreichte. Nein, er wollte auch noch meinen Anwaltsausweis sehen. Ich widerstand kurz der Versuchung, dann auch seinen sehen zu wollen. Stattdessen legte ich ihm das Plastikkärtchen kommentarlos hin, als wäre es das Normalste der Welt. Der Ausweis wurde, glücklicherweise, als echt akzeptiert.

So was ist mir allerdings noch nie passiert. Ich frage mich, ob ich vielleicht etwas an meinem Auftritt feilen muss. Vielleicht etwas mehr Rolex, Cowboystiefel zu Cordhosen, ein Pferdeschwänzchen oder gepiercte Nasenscheidewände. Um nur mal einige Stilmittel zu nennen, die andere Strafverteidiger so pflegen. Aber auf der anderen Seite: Es gibt halt immer mal wieder Leute mit Marotten, so vielleicht auch diesen Kommissar.

Ich mache mir also besser erst Sorgen, wenn ich demnächst in so einer Situation wieder nach meinem Ausweis gefragt werde. Dann bestelle ich mir aber die Dodge Viper.

Kontrollgrund entfallen

Personenkontrollen nur wegen der Hautfarbe – das ist ja seit dem gestrigen Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster wieder ein Thema. Auch hier im Blog. Ich möchte noch einen Erfahrungsbericht nachreichen, den mir heute ein Leser geschickt hat:

Ich selbst bin (zu zweifelhaftem Glück?!) von solchen Kontrollen nicht betroffen. Allerdings wohne ich in der Grenzstadt Frankfurt (Oder), die Züge nach Berlin kontrolliert die Bundespolizei regelmäßig. Ich wurde, abgesehen von einer Situation, an die ich mich erinnere, immer nur dann kontrolliert, wenn ich in Begleitung einer meiner damaligen Mitbewohnerinnen (dunkle Hautfarbe) reiste. Sonst nie allein.

Die Situation: Ich reiste mit sehr, sehr viel Gepäck. Ungefähr soviel, wie ich selbst gerade noch tragen konnte. Ich telefonierte, hörte aber gerade zu, weswegen ich selbst nicht sprach. Der Polizist sprach mich an, er wolle meinen Ausweis sehen. Als ich meinen Gesprächspartner am Telefon unterbrach, um mitzuteilen, dass ich von der Polizei kontrolliert würde und ich später zurückmelden wollte, winkte der Polizist bereits ab, er brauche den Ausweis nicht zu sehen. Auch hier hat Deutsch als Muttersprache wohl den Kontrollgrund entfallen lassen.

Hinsichtlich des Doktortitels: Ein (promovierter) Kollege von mir hat ein recht wandlungsfähiges Äußeres. Je nach Frisur und insb. Bartlänge geht er als „Biodeutscher“ (furchtbarer Begriff) oder Südeuropäer, Türke oder Araber durch. Das geht so weit, dass ihm eine italienische Delegation auf einer Tagung im Ausland nicht abnehmen wollte, dass seine Familie schon immer aus Deutschland stammt oder er in Berlin auf Türkisch oder Arabisch angesprochen wird und Verwunderung dafür erntet, dass er diese Sprachen nicht spricht.

Jedenfalls beobachtet er selbst, dass er je nach Haar- und Barttracht, tlw. Kleidungsstil, öfter und auch anders kontrolliert wird. Seit sein Doktortitel im Ausweis steht, unterscheidet sich das Verhalten der Einsatzkräfte ihm gegenüber nach dem Lesen des Ausweises deutlich vom Verhalten vor Lesen des Ausweises.

Ich veröffentliche auch gern noch weitere Erlebnisberichte mit Personenkontrollen, sofern hieran Interesse besteht. Aber bitte keine anonymen Einsendungen, damit ich ggf. wegen der Authentizität rückfragen kann. Das bedeutet natürlich nicht, dass der Name dann hier im Blog genannt wird.

Mit Doktortitel ist es einfacher

Das Oberverwaltungsgericht Münster hält Personenkontrollen, die auch auf der Hautfarbe des Betroffenen beruhen, für rechtswidrig. Die Richter beanstanden deshalb, dass ein heute 43-Jähriger im Bochumer Hauptbahnhof aufgefordert wurde, seinen Personalausweis vorzuzeigen.

Die Polizeibeamten hatten behauptet, der Kläger habe sich „auffällig“ verhalten. Die Richter sahen es nach dem Sachstand aber als erwiesen an, dass die Kontrolle zumindest auch wegen der dunklen Hautfarbe des Klägers erfolgte. Das sei jedoch unzulässig, denn das Grundgesetz (insbesondere Art. 3 GG) verbiete eine solche Anknüpfung.

Anders sei es nur, wenn die Polizei einzelfallbezogen darlegen können, dass Personen der betreffenden Hautfarbe zum Beispiel am Hauptbahnhof überproportional häufig strafrechtlich in Erscheinung träten. Nur dann dürfe die Hautfarbe mit dem Ziel effektiver Kriminalitätsbekämpfung eine Rolle spielen. Die Bochumer Polizei konnte jedoch keine belastbaren Belege dafür liefern (Aktenzeichen 5 A 294/16).

Zu dem Thema erreichte mich heute auch die Mail eines Lesers, der ebenfalls von der Problematik betroffen ist. Der Wissenschaftler aus dem Rheinland schreibt mir, er könne „aus eigener fast lebenslanger Erfahrung“ bestätigen, dass Menschen dunkler Hautfarbe ständig kontrolliert werden, während alle anderen passieren dürfen. Gerade an Bahnhöfen, aber auch in fahrenden Zügen und an Flughäfen – auch bei Schengen-Flügen – sei dies mittlerweile eher die Regel als die Ausnahme.

Von seinem jüngsten Erlebnis lasse ich ihn einfach selbst erzählen:

Ich landete heute Nachmittag mit einer Ryan-Air-Maschine aus Porto in Köln Bonn. Beim Aussteigen sah ich dann, dass die Bundespolizei unmittelbar vor dem Flugzeug – das sich auf einer Außenposition befand – eine Kontrollstelle aufgebaut hatte, die sich quasi unter freiem Himmel unter der brennenden rheinischen Sonne befand.

Es wurde niemand angesprochen oder kontrolliert, bis ich den Stand der beiden Bundespolizisten kreuzte. Natürlich fragten sie mich nach meinen Papieren. Ich meinte dann nur „ich vermute Sie kontrollieren verdachtsunabhängig“ und lachte. Reaktion des Bundespolizisten: „Oh, Sie kennen sich aus. Ich merke schon, Sie sprechen auch Deutsch und wenn jemand Deutsch spricht, hat er bei mir sowieso gute Karten. Lassen Sie Ihren Ausweis mal stecken, alles in Ordnung.“

Anschließend wurde ich noch abgeklatscht (High five) und mir wurde zu meiner coolen Reaktion gratuliert. Zur Verabschiedung wurde mir noch freundlich hinterhergerufen: „dies war wirklich keine „Rassistenkontrolle““.

Irgendwie fand ich die Reaktion im wahrsten Sinne des Wortes bemerkenswert.

Übrigens hab ich irgendwann meinen Doktortitel in Personalausweis und Reisepass eintragen lassen und werde seitdem – trotz meiner Hautfarbe – weitaus freundlicher kontrolliert.

„Es gibt einen Videobeweis“

In einem Ermittlungsverfahren geht es um eine Schlägerei. Der Wirt einer Gaststätte hat der Polizei ein Überwachungsvideo übergeben, welches die Polizei ausgewertet hat.

Mein Mandant, seinerzeit noch ohne Anwalt, ging zur Polizei und ließ sich vernehmen. Ich zitiere:

Möchten Sie sich zur Sache äußern? Tatvorwurf ist eine schwere Körperverletzung, möglicherweise auch Landfriedensbruch.

Es gibt einen Videobeweis, der uns hier vorliegt und der mittlerweile ausgewertet ist.

Was der Beamte nicht sagte: Auf dem Video ist mein Mandant nicht zu sehen. Es gibt auch keinerlei sonstigen Belege dafür, dass er überhaupt vor Ort war.

Die Hoffnung des Beamten war klar. Wenn es eine Möglichkeit gab, dass mein Mandant sich selbst belastet, dann nur unter dem Druck des angeblichen Videos. Die Art und Weise dieses Vorgehens kann man sicherlich noch als bloße kriminalistische List einsortieren. Man könnte aber auch daran denken, ob hier nicht schon der Grenzbereich zu einer verbotenenen Vernehmungsmethode in Form der Täuschung tangiert wird (§ 136a StPO).

Der Mandant hat die List jedenfalls durchschaut, was ja keineswegs einfach ist. Er verweigerte ab diesem Punkt jedwede Angaben und widerstand so der Versuchung, durch voreilige Angaben Beweismittel gegen sich selbst zu schaffen. Die einzigen Beweismittel, die es dann überhaupt gegeben hätte. Dem Staatsanwalt wird nun kaum etwas anderes übrig bleiben, als das Verfahren mangels Tatverdachts einzustellen.

Ich weiß nicht, ob der Polizeibeamte stolz auf sich sein kann.

„… nicht meine Aufgabe“

Vor einigen Monaten wurde in einem größeren Prozess die Ermittlungsführerin als Zeugin vernommen. Das ist die Polizistin, bei der in einem Ermittlungsverfahren alle Fäden zusammenlaufen, welche die Arbeit innerhalb der Ermittlungskommission verteilt und Kontakt zum Staatsanwalt hält. Und jene, die den sogenannten Abschlussbericht verfasst. Oder zumindest unterschreibt.

Bei der Befragung der Zeugin ging es seinerzeit hoch her. Einfach, weil sich an jeder Ecke Pannen und Versäumnisse zeigten. Als Krönung empfand ich die Reaktion der Polizistin auf die Frage, warum eine Nachfrage bzw. Recherche bei einem Sachverhalt unterblieb, obwohl diese sich eigentlich aufdrängte. Es war da nämlich schon klar, dass sich die Sache nicht ganz so zugetragen haben kann, wie es die Polizei gerne gehabt hätte. Die Ermittungsführerin sagte:

Es ist nicht meine Aufgabe, Entlastendes zu ermitteln.

Heute kam die Sache noch mal aus anderem Grund zur Sprache. Dabei stellte die Vorsitzende Richterin klar, die Ermittlungsführerin habe das wirklich gesagt. Aber sie habe es so verstanden, dass die Dame erst mal nur sich meint und nicht ihre Kollegen.

Eine sicher wohlwollende Auslegung, wir reden ja nicht über eine nachgeordnete Mitarbeiterin im Polizeipräsidium. Jedenfalls ist nun klar, dass auch dem Gericht dieser Satz in lebhafter Erinnerung geblieben ist.

Sicher nicht ohne Grund.

Nichts zu meckern

Auch wenn es hier vielleicht nicht immer den Eindruck erweckt, gibt es doch auch bei Staatsanwaltschaften und Gerichten eine ganz Menge Leute, mit denen man prima auskommen und arbeiten kann.

Zunächst mal menschlich. So war es ein sehr freundliches Gespräch, das ich mit einem Staatsanwalt geführt habe. Da gibt’s nichts zu meckern.

Daneben gibt es aber auch immer eine sachliche Ebene. Hier stand die Frage im Raum, ob das Verfahren gegen meinen Mandanten vielleicht nach § 153a StPO gegen Zahlung einer Auflage eingestellt werden kann. Auch hier hatten wir schnell Konsens.

Der Knackpunkt ist dann oft der Betrag, der in die Staatskasse oder für einen guten Zweck fließen soll. Vom Mandanten hatte ich schon mal eine Freigabe, und zwar bis 3.500 Euro.

Der Staatsanwalt brachte von sich aus 200 Euro ins Spiel. Ich tat natürlich mein Bestes, um meine innerliche Freude zu verbergen. Das Gesamtpaket betrachtet, gab es also rein gar nichts zu meckern.

Sie als älterer weißer Mann …

Ab und zu muss ich Mandate absagen. Eine dieser Absagen beendete ich mit folgenden Worten: „Deshalb möchte ich Sie bitten, einen anderen Rechtsanwalt zu konsultieren.“

Heute kriegte ich folgende Antwort:

… muss ich Ihre Absage wohl respektieren. Gleichwohl wäre mir als Frau wohler, wenn Sie nicht nur auf männliche Kollegen verweisen. Oder sind Sie als älterer weißer Mann der Meinung, dass es keine geeigneten Frauen in Ihrem KollegInnen-Kreis gibt?

Ich verzichte auf eine Antwort.