Mordanklage in 32 Zeilen

Eine Mordanklage ist jetzt ja keine so harmlose Sache. Vor allem, wenn es um ein komplexes Geschehen geht, eine mögliche Notwehrlage für den Angeklagten eingeschlossen. Über so einen Fall reden wir. Die Staatsanwaltschaft hat das nicht gehindert, den sogenannten Anklagesatz ihrer Mordanklage auf ein Maß einzudampfen, das ich in einem Rechtsstaat ehrlich gesagt bis heute nicht für möglich gehalten hätte.

In der Kürze liegt zwar bekanntlich die Würze. Aber einen Mordvorwurf in 32 Zeilen Text (entspricht ungefähr 2/3 einer DIN-A-Seite) abzuhandeln – das muss einem wirklich erst mal gelingen. Eine Anklage wegen eines kleinen ebay-Betrugs ist regelmäßig detaillierter.

Die Darstellung der Mordmerkmale im Anklagesatz, bei denen es ja bloß um die Höchststrafe lebenslänglich geht, erschöpft sich in neun (!) Zeilen Text. Immerhin will ich mich darüber gar nicht beschweren, denn angesichts dieser dürftigen Schilderung hat die Strafkammer hinsichtlich des Mordvorwurfs schon direkt abgewinkt – und die Anklage nur wegen Totschlags zugelassen.

Nun reden wir vor Gericht also über einen Totschlagsvorwurf, der in 23 Zeilen Text dargelegt wird. Die komplette Anklageschrift umfasst übrigens genau fünf Seiten, wobei eine für die Liste der Zeugen und Beweismittel draufgeht. Die mitlesenden Anwälte, Richter und Staatsanwälte können ja mal in die Kommentare schreiben, ob sie das unterbieten können.

Ablugzeit ungleich Ankunftszeit

Wenn das Gate am Flughafen 20 Minuten vor der Abflugzeit schließt, sollte man möglichst pünktlich dort sein. Oder dann zumindest nicht den Reiseveranstalter verklagen, um diesem die Schuld in die Schuhe zu schieben. Mit diesem Vorhaben hatten Reisende jedenfalls vor dem Amtsgericht Frankfurt keinen Erfolg.

Zwei Fluggäste waren erst zur Abflugzeit am Gate erschienen, die auf dem Ticket stand. Nach eigenen Angaben war ihnen beim Einchecken nicht gesagt worden, dass das Gate 20 Minuten vor dem Abflug schließt. Hierfür hat das Amtsgericht Frankfurt aber kein Verständnis.

Die Kläger flögen nach eigenen Angaben mindestens einmal jährlich, sie seien also „durchschnittlich flugerfahren“. Deshalb habe ihnen auch ohne ausdrücklichen Hinweis klar sein müssen, dass sie nicht erst zur Abflugzeit am Gate sein dürfen (Aktenzeichen 32 C 1560/18 (88)).

Vermieter darf Rauchmelder selbst installieren

Der Vermieter einer Wohnung darf diese selbst betreten, wenn er die gesetzlich vorgeschriebenen Rauchmelder anbringen will. Der Mieter kann nicht verlangen, dass der Vermieter für die Installation – auf eigene Kosten – einen Fachbetrieb beauftragt. Dies hat das Amtsgericht München entschieden.

Die Mieter eines Hauses hatten sich gegen die Absicht des Vermieters gewehrt, Rauchmelder zu installieren. Das wollte der Vermieter selbst machen, die Beauftragung eines Fachbetriebs lehnte er ab. Dagegen ist nichts zu sagen, befindet das Amtsgericht München. Die Installation von Rauchmeldern sei eine so einfache Sache, dass ein Handwerker hierfür nicht erforderlich sei. Den Einwand, das Verhältnis zum Vermieter sei zerrüttet, ließ das Amtsgericht im Ergebnis nicht gelten. Wenn die Mieter Angst vor dem Vermieter hätten, müssten sie ja nicht persönlich anwesend sein (Aktenzeichen 432 C 6439/18).

VIE – HH 1933

Das Autokennzeichen VIE – HH 1933 wird künftig nicht mehr im Straßenbild zu sehen sein. Zwar hatte der Kreis Viersen einem Autohalter das Kennzeichen zugeteilt, die Entscheidung aber rückgängig gemacht. Zu Recht, urteilt das Verwaltungsgericht Düsseldorf.

Das Kennzeichen assoziiere der „durchschnittliche Bürger“ mit dem Nationalsozialismus. Das Jahr 1933 stehe für die Machtergreifung, „HH“ sei eine in der rechten Szene verbreitete Abkürzung für „Heil Hitler“. Ein derartiges Kennzeichen sei sittenwidrig und dürfe eingezogen werden, auch wenn es an sich rechtmäßig erteilt wurde.

Ausgelöst wurde der Prozess übrigens durch die Beschwerde eines Bürgers. Dieser hatte das Kennzeichen gemeldet (Aktenzeichen 6 L 175/19).

Herr Maier bitte 59, Herr Maier bitte

Bei Möbelverkäufern soll es mitunter vorkommen, dass ihr Name über den Lautsprecher des Marktes ausgerufen wird. Bei einem Verkäufer soll das aber gravierende Folgen gehabt haben. Er beklagte, mehrere Durchsagen seines Namens hätten bei ihm zu einem Tinnitus geführt – dafür müsse die gesetzliche Unfallversicherung zahlen.

Das Sozialgericht hält von dieser Argumentation allerdings nicht sonderlich viel. Selbst wenn der Kläger 2 bis 2,50 Meter unterhalb des Lautsprechers gestanden habe, könne dies bei „lebensnaher Würdigung“ keinen Tinnitus hervorrufen. Das Möbelhaus hatte bestätigt, dass die Lautsprecheranlage in Ordnung war.

Die beklagte Berufsgenossenschaft stand ohnehin auf dem Standpunkt, der Kläger habe möglicherweise einen stressbedingten Hörsturz erlitten. Dieser wäre aber eine Erkrankung, nicht jedoch ein Arbeitsunfall. Die Klage wurde abgewiesen (Aktenzeichen 17 U 1169/16).

Scheidungshund darf bei Herrchen bleiben

Hunde sind keine Scheidungskinder. Deshalb gibt es im Falle einer Scheidung auch keine gerichtliche Sorgerechtsregelung für den Haushund, stellt das Oberlandesgericht Stuttgart in einer aktuellen Entscheidung klar. Eine Frau hatte gegen ihren geschiedenen Mann geklagt, weil dieser ihr nach der Trennung den Kontakt zur gemeinsam gehaltenen Labradorhündin verwehrte.

Das Gericht stellt ausdrücklich klar, dass die Regeln für das Umgangsrecht mit Kindern nicht auf Haustiere übertragbar sind. Auch ansonsten konnte oder wollte das Gericht der Klägerin nicht helfen. Die Richter stellten nämlich fest, dass der Hund schon vor der Eheschließung gekauft worden war – und im Kaufvertrag für den Welpen wird nur der Ehemann aufgeführt.

Bei Gegenständen im Alleineigentum eines Partners sehe das heute geltende Gesetz aber keine „Zuweisung“ durch das Gericht mehr vor, heißt es in dem Beschluss. Eine Zuweisung komme nur bei Hausrat in Frage, der im gemeinschaftlichen Eigentum steht. Ein Hund sei zwar keine Sache, aber dennoch seien die für Sachen geltenden Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuches anwendbar.

Ein Umgangsrecht des früheren Frauchens ergibt sich nach Auffassung des Gerichts auch nicht aus dem Tierschutz. Ganz im Gegenteil. Der Hund lebe beim Herrchen im alten Haus mit großem Garten, sein Frauchen habe er schon drei Jahre nicht mehr gesehen. Eine „Aufenthaltsveränderung“ hält das Gericht in diesem Fall für eher schädlich (Aktenzeichen 18 UF 57/19).

Zahlen Sie bitte 147 x 12 €

Ein kleineres Verfahren ist es längst nicht mehr, das ich da für einen Mandanten bearbeite. Es geht um den Vorwurf des Betrugs in einer bislang unbekannten Zahl von Fällen. Derzeit trudeln aus ganz Deutschland die einzelnen Verfahrensakten bei einer Staatsanwaltschaft hier in NRW ein. Die hat sich – dankenswerterweise – für zuständig erklärt und will die Fälle zentral abarbeiten.

Die Staatsanwältin ist so freundlich und leitet mir die Akten jeweils schön gebündelt weiter. Mal sind 43 Akten im Karton, dann 37, aber auch mal 46 und zuletzt 21. So geht das wohl auch noch munter weiter. Wir kopieren die Akten und senden sie ebenfalls als Pakete zurück.

Und genau hier fangen die Probleme an, die mit dem Tatvorwurf erst mal gar nichts zu tun haben. Die Kostenstelle bei der Staatsanwaltschaft berechnet uns nämlich für jede Verfahrensakte die sogenannte Aktenversendungspauschale. Die Pauschale beträgt 12,00 €. Wir haben mittlerweile 147 einzelne Akten, 147 Rechnungen und eine Kostenforderung von 1.764,00 €. Ihr gestattet, dass mir da leicht schwindelig wird.

Allerdings bin ich guter Dinge, dass ich – Kostenschuldner ist der Anwalt selbst – am Ende nur 48,00 € zahlen muss. Denn die betreffende Vorschrift (Ziff. 9003 der Anlage zum Gerichtskostengesetz) sieht eine Versendungspauschale von 12,00 € zwar tatsächlich vor. Aber nur „je Sendung“. Wenn also mehrere Akten in einem Paket kommen, ist das auch nur eine Sendung. Dass die Verfahren unterschiedliche Aktenzeichen haben, spielt keine Rolle. So sehen es jedenfalls die einschlägigen Gesetzeskommentare, etwa mein Lieblingswerk Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen sowie die Entscheidungen, die ich zu diesem Thema finden konnte.

Puh.

Seltene Offenheit

Am Donnerstag ist der Verhandlungstermin, und bisher hat der Mandant nur eine kleine Anzahlung geleistet. Ich habe ihn natürlich über die Wochen mehrfach erinnert, dass die vereinbarten Anwaltsgebühren bitte bei mir sein sollten, bevor ich mich ein paar hundert Kilometer auf den Weg mache.

Heute rief der Mandant an und sagte ganz offen, dass er das Geld momentan einfach nicht hat, auch auftreiben könne er es nicht. „Ich wollte Ihnen das nur persönlich sagen.“ Tja, solche Offenheit erlebt man leider viel zu selten. Ich habe dem Mandanten dann noch einige Tipps gegeben, wie er sich am besten selbst in der Hauptverhandlung schlagen kann. Na ja, außerdem habe ich ihm noch meine Handynummer gegeben, damit er zur Not anrufen kann, falls etwas aus dem Ruder läuft.

Im Zweifel bleibt ja noch die Berufung. Bei dem monatelangen Vorlauf kann der Mandant dann hoffentlich was zur Seite legen, damit er wenigstens in diesem Termin nicht auf mich verzichten muss.

Hoffnung bei Cannabis am Steuer

Gelegenheitskiffern, die erstmals mit einer erhöhten THC-Konzentration am Steuer erwischt werden, darf künftig nicht mehr automatisch die Fahrerlaubnis entzogen werden, so das Bundesverwaltungsgericht in mehreren Grundsatzentsheidungen. Auch eine THC-Konzentration von über 1 ng/ml bedeute bei Ersttätern nicht zwingend, dass der Betroffene ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist.

Viele Gerichte, so etwas das Oberverwaltungsgericht Münster, kannten bisher ab einer THC-Konzentration von 1 ng/ml kein Pardon. Die Fahrerlaubnis war dann automatisch weg, weil vermutet wurde, dass der Fahrer nicht zwischen Cannabiskonsum und dem Führen eines Kraftfahrzeuges trennen kann. Nur bei einer Konzentration unter 1 ng/ml war bei vielen Führerscheinstellen eine Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU) oder eine Abstinenzvereinbarung möglich. Bei dieser konnte je nach Ausgang des Gutachtens oder der Abstinenzperiode der Führerschein gerettet werden.

Das Bundesverwaltungsgericht hat früher selbst auch ähnlich entschieden. Diese strenge Meinung revidiert das Gericht aber nun ausdrücklich. Auch bei einer THC-Konzentration von über 1 ng/ml sei in der Regel eine MPU erforderlich, um die Fahreignung des Betroffenen zu überprüfen. Das gilt aber nur für Autofahrer, die bislang nicht einschlägig aufgefallen sind (Aktenzeichen 3 C 13.17, 3 C 14.17, 3 C 7.18, 3 C 2.18, 3 C 8.18, 3 C 9.18).

Verwendung von Fremdpersonalien

Wenn jemand Empfänger einer Postsendung ist – war er dann auch der Besteller? Diese Frage wird von Ermittlern viel zu häufig als überflüssig betrachtet, gerade wenn sie mutmaßlichen Drogenbestellungen über das „Darknet“ nachgehen. Dabei dürfen sie es sich gerade in diesem Punkt nicht zu leicht machen. Dies zeigt das Amtsgericht Dillingen in einer aktuellen Entscheidung auf.

Einem Mann wurde vorgeworfen, über das Darknet 64,40 Gramm Amphetamin und 10,16 Gramm MDMA bestellt und per Post erhalten zu haben. Das Amtsgericht pflückt die sogenannten Beweise auseinander, mit denen die Staatsanwaltschaft den Angeschuldigten überführen wollte:

Der Nachweis eines persönlichen Kontakts zwischen dem Angeschuldigten und dem Versender der abgefangenen Postsendung ergibt sich aus der Akte nicht. Dies ist Betäubungsmittelgeschäften via Darknet in der Regel immanent, ändert jedoch nichts daran, dass insoweit keine Beweismittel aufgefunden wurden. Insbesondere die Auswertung des Telefons des Angeschuldigten ergab keinerlei Hinweise auf den Besuch des Darknets – ja nicht einmal über das Vorhandensein der hierfür notwendigen Software (z.B. TOR-Browser).

Im kriminellen Milieu allgemein und im Rahmen von Betäubungsmitteldelikten im Speziellen ist die Verwendung vom Fremd- und Aliaspersonalien und hierzu gehöriger Adressen keinesfalls unüblich. Auf die Idee, Paketsendungen entsprechend zu bestellen und dann „abzufangen“ kommen entsprechende „Kunden“ häufiger.

Bei der Hausdurchsuchung soll eine „Auflistung mit Bitcoinwährungen“ entdeckt worden sein. Hierzu merkt das Gericht an:

Zum anderen legt die Existenz einer entsprechenden Auflistung keinesfalls Betäubungsmittelgeschäfte nahe. Es sind zahlreiche andere mögliche – legale – Verwendungen denkbar. Kryptowährungen – zu denen z.B. auch „Bitcoin“ gehört – unterlagen im fraglichen Zeitraum einem regelrechten „Boom“ oder „Goldrausch“. Die Kurse entsprechender Währungen überboten sich binnen kürzester Zeit regelmäßig selbst in immer fantastischere (unrealistische)
Höhen, bis es Ende 2018 zum „Crash“ entsprechender Kurse kam.

Kryptowährungen können wie Aktien gehandelt werden, aber auch selbst durch Betreiben entsprechender
„Mining-Programme“ mittels komplexer Rechenaufgaben, zu deren Lösung man „Arbeitszeit“ eigener Computer zur Verfügung stellen konnte, generiert werden. Viele Online-Dienstleister vom Versandhandel bis zum Softwaremarkt akzeptieren und akzeptierten diverse Kryptowährungen als legales Zahlungsmittel.

Nicht einmal der Hinweis der Staatsanwaltschaft auf eine Vorstrafe konnte die Anklage retten:

Auch die Vorahndungen des Angeschuldigten sprechen für sich genommen nicht für eine Tatbeteiligung. Der Angeschuldigte hat zuletzt wegen Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz eine Bewährungsstrafe erhalten. Die Bewährungszeit hat er allerdings durchstanden, die Strafe wurde erlassen. Allein der Umstand, in der Vergangenheit entsprechende Taten begangen zu haben, lässt nicht den Schluss zu, dass er dies auch erneut tun würde.

Die Anklage wurde nicht zugelassen, und das ist auch völlig richtig so (Aktenzeichen 307 Ls 302 Js 122579/18).

Die kürzestmögliche Form der Absage

Morgen um 10.30 Uhr hätte ich einen Gerichtstermin gehabt. Mein Mandant natürlich auch. Heute um 14:29 Uhr schickt das Gericht ein Fax:

In der Strafsache gegen N. findet der Termin vom 11.04.2019 nicht statt. Sie brauchen daher an diesem Tag nicht zu erscheinen.

Ich frage mich in solchen Fällen immer, wieso es bei der Justiz oft nicht mal zu einer klitzekleinen Begründung für die kurzfristigsten Absagen reicht.

Könntet ihr so was dauerhaft mit euren Kunden, Mandanten, Patienten, Geschäftspartnern oder Arbeitgebern machen?

Wie viele Fragen?

Beratungsmandate sind nicht immer ganz einfach. Wie zum Beispiel dieses, wo es der Mandant vorab ganz genau wissen will:

Was bekomme ich für die 100 € ?

Wie viele Fragen darf ich stellen, ist die telefonische Beratung zeitlich begrenzt?

Gut, ich bin dann schon mal versucht zu sagen, kommen wir nun zu Ihrer dritten und letzten Frage…

Orchideen im Topf

Ausschnitt aus einer Strafanzeige:

Herr X fragte Herrn Y im Chat, ob er Blumensträuße benötige, er habe ca. 400 Sträuße. Herr Y erklärte daraufhin, dass er Orchideen im Topf nehme.

So weit ist es schon gekommen, dass die Polizei nun gegen unschuldige Blumenhändler ermittelt. Ein Schelm wer denkt, es handele sich hier etwa um ganz andere Warenangebote. JL