Die blutverschmierte Tür

Rund vier Monate hat ein Schwurgerichtsprozess gedauert. In diesem Verfahren spielte eine Kellertür eine wichtige Rolle. Einfach weil bei den Ereignissen, um die es im Prozess geht, Blut auf die Tür gespritzt ist. Und das nicht zu knapp. Außerdem gibt es auf der Tür Spuren von Pfefferspray, was natürlich wichtig für die Frage ist, wer sich bei dem letztlich tödlichen Streit gegen wen verteidigt hat.

Die Tür stand bzw. lehnte nun vier Monate im Gerichtsaal im Bereich der Fensterbank. Direkt vor der Tür saß der Staatsanwalt, ich als Verteidiger guckte immer auf die Tür (und den Staatsanwalt), weil ich gegenüber an der Saal-Eingangsseite saß.

Nun wurde während der letzten vier Monate in diesem Gerichtsaal nicht nur gegen meinen Mandanten verhandelt. Sondern auch gegen andere Angeklagte. So mancher Prozessauftakt lockte auch Fotografen und gar das Fernsehen an. Was dazu führte, dass immer die blutbespritzte Tür mit abgefilmt wurde. So viele andere dankbare Einstellungen bietet ein Gerichtsaal ja ohnehin nicht.

Mit der Zeit hat mein Mandant nun schon einige Mitgefangene in „seiner“ Justizvollzugsanstalt gehabt, die nach ihrem Prozessauftakt gar nicht glücklich über die Bilder waren. Wegen der Tür. Mein Mandant konnte aber letztlich auch nur darauf hinweisen, dass er für die Innengestaltung des Schwurgerichtsaales nicht verantwortlich ist.

Nun ist unser Prozess letzte Woche zu Ende gegangen. Wie mir ein Anwaltskollege bestätigt hat, steht die Tür immer noch im Gerichtsaal. Sie scheint vom Beweismittel zum Deko-Objekt mutiert zu sein. Hoffen wir nur, dass sie nicht nochmal für Untersuchungen benötigt wird, falls die Revision meines Mandanten erfolgreich ist.

Jung, aber schon Konfliktrichter

Mit einer nicht ganz neuen, aber doch aufstrebenden Spezies im Justizbereich setzt sich ein Blogeintrag des Kollegen Mirko Laudon auseinander. Es geht um den „Konfliktrichter“. Das sind Richter, die jede Aktion der Verteidigung schon mal per se als (persönlichen) Angriff betrachten – und nicht als die Arbeit, die ein Verteidiger nun mal in einem rechtsstaatlichen Verfahren zu leisten hat.

Mirko Laudon:

Warum ist ein Richter nicht bereit, sich den Antrag zumindest anzuhören und erst danach zu entscheiden? Weshalb unterstellt er, der Antrag werde allein des Konflikts wegen gestellt? Warum nimmt sich der Richter nicht die Zeit, 10 Minuten nachzudenken und dann einen vernünftig begründeten Beschluss zu fassen?

Dagegen ist so der weitere Ablauf doch vorgezeichnet: Es folgt eine Unterbrechung auf die nächste, ein Ablehnungsantrag auf den nächsten. Damit ist dann nicht nur dieser Richter befasst, sondern noch seine Kollegen, die über die Anträge entscheiden müssen. Nach dem unleidlichen Urteil folgen dann die Berufung und die Revision.

Der Kollege hat sicherlich recht, dass heute eben längst nicht mehr nun von Verteidigerseite eskaliert wird (aber halt auch nur von den wenigsten Verteidigern aus Prinzip und meist ohne Verstand). Das ist dann in der Tat keine ausgleichende Gerechtigkeit, sondern eröffnet für jedes Verfahren noch eine zusätzliche Sackgasse.

Allerdings sind solche Konflikte nach wie vor die Ausnahme. In den weitaus meisten Gerichtssälen habe ich jedenfalls nicht das Gefühl, dass mir ein „Klima der Ablehnung“ entgegenschlägt. Der professionelle Umgang (freundlich im Ton, aber durchaus hart in der Sache) ist noch deutlich häufiger anzutreffen. Aber in einem Punkt hat der Kollege Laudon auch recht: Wenn schon junge Richter am Beginn ihrer Laufbahn so agieren wie einer der alten Haudegen, die kurz vor der Rente ihre Strafkammer mit eiserner Faust regieren, wo bleibt denn dann noch eine Entwicklungsmöglichkeit?

Ex-Bundesrichter Fischer verklagt Journalistin

Ein zunächst in den Medien ausgetragener Streit zwischen dem früheren Senatsvorsitzenden am Bundesgerichtsghof Thomas Fischer und der Journalistin Gaby Mayr erreicht die nächste Eskalationsstufe. Es geht vor Gericht, nun fand die erste mündliche Verhandlung statt.

Die FAZ nennt es eine “ beißende Abrechnung mit dem deutschen Rechtsjournalismus“, die Fischer in seinen bekannten Kolumnen bei Zeit Online und später insbesondere bei Spiegel Online betrieb. Seine Mittel: „witzige und berechtigte, mal grobe und spitzfindige Konfrontation.“

Fischers Meinung zog logischerweise andere Meinungen nach sich, wobei die Journalistin Gaby Mayr nach Ansicht Fischers die Grenze des Zulässigen überschritt. Insbesondere stört ihn laut FAZ, dass Mayr den Eindruck erwecke, er pflege in seinem Strafrechtskommentar – dem Standardwerk in Deutschland schlechthin – nationalsozialistisch angehauchtes Gedankengut alter Autoren wie dem früheren Herausgeber Tröndle. Dieses Gedankengut habe er nicht ausreichend aus den von ihm seit 2001 allein verantworteten neuen Versionen des Kommentars getilgt.

Laut dem Bericht hat das Landgericht Stuttgart eine „vorläufige Neigung“ signalisiert, Fischer Recht zu geben.

Artikel in der FAZ

Hund gerettet, Wohnmobil kaputt

Wenn jemand bei großer Hitze einen Hund in einem Auto bzw. Wohnmobil zurücklässt, darf die Feuerwehr einschreiten und das Tier befreien. Dies ergibt sich aus einem Urteil des Oberlandesgerichts Nürnberg. Die Halterin des Hundes verlangte von der Feuerwehr Ersatz für die Schäden, nachdem ihr Wohnmobil gewaltsam geöffnet worden war.

Passanten war im Jahr 2018 ein Wohnmobil aufgefallen, das auf einem Supermarktparkplatz in der prallen Sonne stand. Drinnen ein Hund, und das bei Außentemperaturen von 35 Grad. Das Frauchen behauptete, ihrem Hund sei es gut gegangen. Die Dachluken des Wohnmobils seien geöffnet gewesen, der Hund habe genug Wasser und sogar Eiswürfelherzen gehabt. Die Frau selbst war auf einem Fußballspiel in einem benachbarten Stadion.

Nach Einschätzung der Richter war die Feuerwehr zum Eingreifen berechtigt. Der Hund habe nach Zeugenaussagen gehechelt und gewinselt, er sei aufgeregt im Wohnmobil hin- und hergelaufen. Das begründe, so das Gericht, bei so hohen Temperaturen eine ausreichende Anscheinsgefahr. Es komme also gar nicht darauf an, ob die Gefahr tatsächlich bestand. Die Feuerwehr habe die Frau auch nicht ausrufen lassen müssen, zumal ja gar nicht klar war, wo sie sich genau befand. Die Klägerin muss den Schaden in Höhe von 2.256,23 € deshalb selbst tragen (Aktenzeichen 4 U 1604/19).

Wohin mit dem (kranken) Kind?

Wie helfen sich Arbeitnehmer, wenn ihre Kinder krank sind? Eine Altenpflegerin brachte ihre Kinder mit an den Arbeitsplatz. Der Arbeitgeber reagierte mit einer fristlosen Kündigung. Das wiederum führte zu einem Prozess vor dem Arbeitsgericht.

Das Arbeitsgericht Gießen sieht in dem Verhalten der Altenpflegerin keine so schwerwiegende Pflichtverletzung, dass eine fristlose Kündigung gerechtfertigt war. Zwar sei das Verhalten der Frau sowohl aus versicherungsrechtlichen Gründen und auch wegen der Ansteckungsgefahren problematisch. Eine fristlose Kündigung sei aber nicht gerechtfertigt.

Das ist allerdings kein grünes Licht für Beschäftigte in solchen Notsituationen. Der Arbeitgeber kann, so das Gericht, eine Abmahnung aussprechen. Und im Wiederholungsfall die Kündigung. Die Arbeitnehmerin selbst bekam ihren Lohn somit noch für zwei Wochen. Sie hatte nur eine kurze Kündigungsfrist, weil sie noch in der Probezeit war (Aktenzeichen 3 Ca 642/19).

„Latent verniedlichend“

Wer eine weibliche Person als „Fräulein“ bzw. „Frl.“ bezeichnet, kann damit durchkommen. Selbst wenn die Betroffene vor Gericht zieht, wie es die Mieterin einer Wohnung in Frankfurt getan hat. Sie verklagte ihr Vermieterehepaar (92 und 89 Jahre alt) auf Unterlassung, weil sie weder im Etagen-Putzplan noch auf sonstigen Nachrichten als Fräulein bezeichnet werden wollte.

Schon seit 1972 verwenden Behörden in Deutschland den Begriff „Fräulein“ nicht mehr. Dem entnimmt das Amtsgericht Frankfurt am Main durchaus, dass die Bezeichnung einer unverheirateten Frau als Fräulein „latent verniedlichend“ ist. Allerdings lasse sich im entschiedenen Fall keine ehrverletzende Bedeutung feststellen, zumal in vielen Ländern äquivalente Anredeformen nach wie vor gängig seien (zum Beispiel „Mademoiselle“ in Frankreich und „Miss“ in Großbritannien).

Dem Vermieterpaar sei zu Gute zu halten, dass es den Begriff Fräulein als regulären Namenszusatz noch erlernt und beibehalten habe. Auch habe die Klägerin bei Abschluss des Mietvertrages im Jahre 1984 nicht protestiert; dort wurde sie als Fräulein aufgeführt.

In der Gesamtschau, so das Gericht, sei das Verhalten der Beklagten vielleicht unfreundlich und von mangelnder Kompromissbereitschaft geprägt. Aber eine Ehrverletzung stelle die Weiterverwendung von Fräulein eben auch (noch) nicht dar. Überdies, so das Gericht, habe es sogar nach der Jahrtausendwende noch eine „moderne Frauenzeitschrift“ gegeben, die sich „Fräulein“ nannte.

Die Mieterin scheitert auch mit ihrem Wunsch, dass die Vermieter im ausgehängten Putzplan ihren Namen gar nicht mehr nennen. Die Datenschutzgrundverordnung sei schon gar nicht anwendbar, befindet das Gericht. Es fehle bei einem handschriftlich erstellten Putzplan schon an einer automatisierten Datenverarbeitung. Auch eine Speicherung des Putzplans auf Datenträgern erscheint dem Gericht eher unwahrscheinlich, schon wegen des hohen Alters der Beklagten.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, eine Fortsetzung des Streits also nicht ausgeschlossen (Aktenzeichen 29 C 1220/19 – 46).

Flugreise trotz Haftbefehl – suboptimal

Zahlungsaufforderungen des Finanzamtes kann man nur gewisse Zeit ignorieren. Dann geht es ans Eingemachte. Dass es bei Geldforderungen der Justiz nicht anders ist, zeigt die Geschichte eines Reisenden, der vom Düsseldorfer Flughafen nach Ibiza in den Urlaub starten wollte.

Leider hielten ihn Bundespolizisten im Terminal an. Next stop: Gewahrsamszelle. Die Beinfreiheit mag dort vielleicht größer sein als im Flieger. Dafür könnte der Aufenthalt aber deutlich länger dauern. Der Mann hatte wohl vergessen, knapp 20.000,00 € Geldstrafe wegen Steuerhinterziehung zu zahlen. Jetzt soll er stattdessen 230 Tage absitzen, wobei er die Haft mit entsprechenden Zahlungen anteilig abkürzen kann.

Auf Hilfe seiner Freundin, mit der in den Urlaub starten wollte, dürfte der Mann aber nicht allzu schnell hoffen können. Diese zeigte sich, so berichtet es die Rheinische Post, wenig beeindruckt und flog ohne ihren Partner in die Sonne.

Den Umrechnungskurs Geldstrafe -> Haftstrafe legt übrigens § 43 StGB fest.

RAin Jennifer Leopold

Facharbeiterstunden

Ich formuliere es mal ganz neutral: Der Mandant hat Mist gebaut. Es geht um Identitätsdiebstahl. Wie hoch der Schaden durch die sicher nicht sehr schlaue Aktion meines Mandanten ist, darüber kann man geteilter Meinung sein. Der Anwalt des Opfers schraubte die Forderung jedenfalls mächtig hoch. 2.800,00 € wollte er vor Gericht erstreiten.

Das ist schon etwas verwunderlich. Denn der Identitätsdiebstahl war gar nicht von Erfolg gekrönt. Das Konto des Betroffenen, auf das zugegriffen wurde, wurde gar nicht dauerhaft belastet. Vielmehr buchte die Hausbank den Betrag schon am nächsten Tag zurück. Gleichwohl reichte der Betroffene bei Gericht eine Schadensliste mit folgenden Positionen ein:

Vergeblicher Zeitaufwand: 18,3 Stunden á € 62,50 € 1.143,75 €
Telefon-, Porto und Internetkosten pauschal 150,00 €
Fahrtkosten pauschal 270,00 €
Schmerzensgeld 1.200,00 €

Gesamt 2.763,75 €

Wir mussten uns mit der Forderung gar nicht intensiv beschäftigen. Das tat schon der zuständige Richter, denn der Kläger hatte Prozesskostenhilfe beantragt. In diesem Fall muss das Gericht vorab entscheiden, in welchem Umfang die Klage überhaupt nachvollziehbar ist und Aussicht auf Erfolg hat.

Zu dem vergeblichen Zeitaufwand merkt der Richter an, es sei eher wenig wahrscheinlich, dass der Betroffene 18,3 Stunden mit der Klärung der Sache beschäftigt war. Immerhin lägen zwischen der Belastung des Kontos und der Gutschrift nur rund 16 Stunden. Es sei auch nicht nachvollziehbar, mit wem der Kläger so lange bei seiner Bank und 1 x mit der Polizei telefoniert habe.

Auch den Stundensatz von 62,50 € moniert der Richter. Es sei zwar denkbar, dass eine Facharbeiterstunde in dieser Höhe vergütet werde – wie es der Anwalt des Klägers behauptet hatte. Allerdings sei der Kläger laut dem Prozesskostenhilfeformular Frührentner, er habe also jedenfalls keine Arbeitsstunde verpasst. Lohnausfall könne nur in Höhe des tatsächlichen Lohnes verlangt werden. Wenn der Kläger aber tatsächlich so viel verdienen würde, könnte er keine Prozesskostenhilfe beanspruchen.

Bei den Telefon- und Fahrtkosten fragt der Richter nicht ganz zu Unrecht, wie diese denn entstanden sein sollen. Denn nach eigenen Angaben hat der Kläger nur (seeeeeehr lange) mit seiner Bank telefoniert, aber das sei ja wohl ein Ortsgespräch über seinen Festnetzanschluss gewesen. Selbst bei einem Handytarif mit Minutentakt seien solche Beträge ausgeschlossen. Die Polizeiwache, zu welcher der Kläger einmal gefahren sein will, liege laut Google Maps stolze 1,8 Kilometer entfernt. „Selbst eine Taxifahrt hin und zurück hätte niemals 270,00 € kosten können“, so das Gericht.

Auch zum Schmerzensgeld findet der Richter deutliche Worte: „Bloße Beeinträchtigungen des Wohlbefindens, etwa durch kurzzeitige Aufregung über eine nicht nachvollziehbare Kontobelastung, begründen keinen Schmerzensgeldanspruch. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass es lediglich um eine Abbuchung von 6,84 € geht. Dies kann auch jemand wie der Kläger, der kein großes Einkommen zur Verfügung hat, nicht als existenzbedrohend empfinden.“

Nun ja, am Ende bewilligte das Gericht zwar Prozesskostenhilfe, aber in Höhe von genau 50,00 €. Wie auch bei Verkehrsunfällen stehe dem Geschädigten eine Grundpauschale zu, aber mehr halt auch nur, wenn die Kosten belastbar nachgewiesen werden. Das sei nicht der Fall.

Wir haben die 50,00 € für den Mandanten sofort anerkannt. Was jetzt möglicherweise dazu führt, dass der Kläger auch noch unsere Anwaltskosten und die Verfahrenskosten tragen muss. Denn sein Anwalt hatte im Eifer des Gefechts vergessen, die Forderung erst mal außergerichtlich geltend zu machen, so dass sich unser Mandant womöglich gar nicht im Verzug befunden hat. Aber das muss der Herr dann mit seinem Anwalt ausmachen.

„Geschichtlich wertvoll“

Auf den Aktendeckeln der meisten Staatsanwaltschaften findet man eine Rubrik zum Thema, was nach Abschluss der Sache mit den Akten passieren soll:

Manchmal juckt es mir bei der Akteneinsicht schon in den Fingern, mich bei leidlich spektakulären oder sonstwie außergewöhnlichen Fällen unsterblich zu machen. Vermutlich genügt ja ein harmloser Kringel an der richtigen Stelle.

Aber natürlich traue ich mich dann doch nicht, weil in meinem Alter möchtest du ja nach Verlust der Zulassung nicht unbedingt noch mal umschulen.

Absicherung

In einer Strafsache steht demnächst der Verhandlungstermin an. Dazu der Mandant in einer Mail:

Eine zentrale Fragt bleibt, ob nicht doch sichergestellt werden kann, dass ich auch aus der Verhandlung als freier Mann rausgehe.

Also, grundsätzlich ist es natürlich eher unwahrscheinlich, dass sich eine Nicht-Haftsache im Verhandlungstermin in eine Haftsache verwandelt. Aber ausgeschlossen ist so eine Entwicklung nicht, was dann zu den berühmten „Saalverhaftungen“ führt. Ein schlechtes Zeichen ist es jedenfalls, wenn kurz vor der Urteilsverkündung ein paar Wachtmeister im Sitzungssaal auftauchen…

Ein gewisses Restrisiko bleibt für jeden Mandanten, bei dem es nicht nur um eine Kleinigkeit geht. Eine wie auch immer geartete Absicherung kann ich aber auch nicht bieten, außer einer vernünftigen Verhandlungsvorbereitung, in deren Rahmen ich natürlich auch die allgemeine Stimmungslage sondiere. Falls der Mandant in eine ganz andere Richtung denkt, sollte er vielleicht besser Tony Soprano fragen.

Urlaub (kurzfristig)

Unser potentieller Auftraggeber ist zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden, jetzt droht die Vollstreckung der Haft. Wir sollen Rechtsmittel einlegen und insbesondere auch einen Gnadenantrag stellen. Dazu dann die folgende Mail:

… muss ich den Besprechungstermin am Dienstag leider absagen wegen Urlaub (kurzfristig). Melde mich ab dem 04.09. wegen eines neuen Termins. Die erbetenen Unterlagen suche ich Ihnen raus, wenn ich wieder da bin.

Manche Leute haben Nerven wie Stahl.

Wiederholte Belehrung

Zu den unerfreulicheren Situationen im Leben gehört es sicher, wenn dich die Polizei mit einem Tatvorwurf konfrontiert, du vor einer eventuellen Aussage deinen Anwalt anrufen möchtest, dieser aber nicht erreichbar ist. In so einem Fall darf die Polizei nicht einfach mit der Vernehmung weitermachen. Das stellt der Bundesgerichtshof in einem aktuellen Beschluss klar.

Einem Beschuldigten darf es zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens verwehrt werden, mit (s)einem Anwalt Kontakt aufzunehmen. Seriöse Polizeibeamte wissen das und verhalten sich entsprechend. Hier war es so, dass ein Beamter gleich versuchte, den Anwalt des Beschuldigten anzurufen. Das klappte jedoch nicht, weil der Anwalt nicht erreichbar war. Offenbar durfte der Beschuldigte dann auch noch seinen Vater kontaktieren, damit dieser sich weiter um eine Rückmeldung des Anwalts bemüht.

Der Beschuldigte sagte in dieser Situation lediglich, er sei es nicht gewesen und wisse auch gar nichts von der Sache. Daraufhin konfrontierten ihn die Beamten mit dem bisherigen Ermittlungsergebnis, was dann in einer „ausführlichen Vernehmung“ mündete.

In dieser Situation durften die Polizisten nicht zur Tagesordnung übergehen, moniert der Bundesgerichtshof. Vielmehr hätten sie den Beschuldigten noch einmal extra darüber aufklären müssen, dass der fehlgeschlagene Kontaktversuch mit seinem Anwalt nichts daran ändert, dass er auch weiterhin gar nichts sagen muss, wenn er sich erst mit einem Anwalt beraten möchte. Hierzu der Bundesgerichtshof:

Zweck der wiederholten Belehrung ist letztlich, dem Beschuldigten vor Augen zu führen, dass er sein Recht auf Verteidigerkonsultation nicht durch den fehlgeschlagenen Kontaktversuch verwirkt hat.

Ich wage mal die Behauptung, dass diese Belehrung in solchen Fällen fast immer unterbleibt. Dabei kann man aus dieser Konstellation einiges an Honig saugen. Denn das ist einer der wenigen Fälle, in denen tatsächlich ein glasklares Beweisverwertungsverbot vorliegt und eventuelle Angaben des Beschuldigten also nicht in den Prozess einfließen können.

Im entschiedenen Fall war das Gericht allerdings der Meinung, dass die Angaben des Beschuldigten bei der Polizei keine Rolle für das Urteil spielten. Deswegen war die Revision im Ergebnis erfolglos (Aktenzeichen 5 StR 167/19).

Weil… ist so!

Wir erinnern uns gerne an das Argumentationsniveau von Marlene Mortler, der früheren Drogenbeauftragten der Bundesregierung, insbesondere an ihre super überzeugenden Erklärungen für das Verbot von Cannabisprodukten – Cannabis ist verboten, weil es illegal ist.

Wir vertreten gerade einen langjährigen Mandanten in einer zivilrechtlichen Angelegenheit, bei der die Begründung der Gegenseite verblüffende argumentative Ähnlichkeiten aufweist. Auf die mehrseitige Klage hin erreichte uns heute die Erwiderung, die abgesehen vom Klageabweisungsantrag aus dem wunderschönen Satz bestand:

Zur Begründung der Klageabweisung verweisen wir darauf, dass die Klage unbegründet ist.

Im Grunde verhält es sich hier wie bei Frau Mortler – man kann das so machen, sollte es aber nicht.

Das Gericht hat der Klage nämlich stattgegeben. Viel zu begründen, außer dass die Klage „schlüssig“ ist, hatte der Richter natürlich nicht.

RAin Jennifer Leopold

Ein Ferrari für die „ideellen Freuden“

Auch Pauschaltouristen dürfen Champagner trinken, wenn ihr Flug verspätet ist. Ihr erinnert euch vielleicht noch an dieses hübsche Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf. Mit ähnlichen Luxusproblemen musste sich jetzt das Kammergericht Berlin beschäftigen – aber auf viel höherem Niveau. In dem aktuellen Fall ging es um die Frage, welches Auto der Besitzer eines Rolls Royce Ghost ersatzweise fahren darf, so lange sein Auto nach einem unverschuldeten Unfall repariert wird.

Mit eben jenem Rolls Royce Ghost fuhr der Geschäftsführer einer Firma in Berlin. Es waren wohl eher repräsentative Fahrten. Das Gericht attestiert dem Mann jedenfalls eine Fahrleistung von stattlichen 50 Kilometern pro Tag. Diese Strecke sollte der Geschäftsmann während der Reparaturzeit seines Autos nun mit dem Taxi zurücklegen – so jedenfalls die Vorstellung der Hafptlichtversicherung des Unfallverursachers. Die Versicherung wies darauf hin, man könne in Berlin auch problemlos eine S-Klasse als Taxi mieten (was natürlich nur Banausen als RR-adäquat ansehen dürften).

Das Unfallopfer sah das dementsprechend nicht ein. Er mietete für die Reparaturdauer einen Ferrari California T., was mit 1.200,00 € brutto zu Buche schlug. Pro Tag. Das Kammergericht Berlin hat damit kein Problem. Die Richter vergleichen den Anschaffungspreis für den Rolls (ab 250.00,00 €) mit dem des Ferrari. Den Ferrari gibt es schon ab 190.00,00 €. Damit, so das Gericht, habe der Geschäftsmann einer Pflicht genügt, die jedes Unfallopfer beherzigen muss: Der Ersatzwagen darf höchstens aus der „nächstniedrigeren“ Fahrzeugklasse stammen.

Mit dem Unterschied zwischen Limousine und Sportwagen-Cabrio hat das Kammergericht kein Problem. Während das Landgericht in erster Instanz noch skeptisch war und dem Geschäftsmann unterstellte, er wolle mit dem Ferrari auch „ideelle Freuden“ fördern, was nicht zulässig sei. Auch wegen der niedrigen Fahrleistung hat das Kammergericht keine Bedenken. An einen Verzicht auf einen Ersatzwagen sei höchstens zu denken, wenn die tägliche Fahrleistung unter 20 Kilometern liegt. Ein Taxi, so das Gericht, sei ohnehin „kein der beschädigten Luxus-Limousine vergleichbarer Ersatz“, wobei das Gericht im Ergebnis auch herausstellt, Taxifahren sei halt letztlich nicht vergleichbar mit der Freiheit, die das eigene Auto bietet.

Die Versicherung hat dann noch eingewandt, man könne die Versichertengemeinschaft doch nicht mit solchen Luxusausgaben belasten. Dem Solidargedanken, den das Landgericht noch korrekt fand, konnte man am übergeordneten Zivilsenat nichts abgewinnen. Das Gesetz enthalte keine Regelung, wonach der Schadensersatz ab einem gewissen Luxusfaktor zu deckeln sei. Im übrigen, so das Urteil, zahlen die Halter solcher Autos auch viel höhere Prämien ein.

Im Ergebnis ging die Anmietung des Ferrari California also in Ordnung (Link zum Urteil). Die Revision wurde nicht zugelassen.