Liebe Tipps vom Gegner

Es ging, wie so oft, um einen fragwürdigen Eintrag in einem Forum. Den Eintrag hat der Mandant sofort gelöscht, nachdem dieser beanstandet worden war. Jetzt fordert der Verletzte, der gleich zum Anwalt gelaufen ist, dessen Kosten erstattet.

Mein Mandant hat die Forderung zurückgewiesen. Darauf schreibt der Anwalt Folgendes:

Bevor Sie die Erstattung unserer Kostennote zurückweisen, sollten Sie mit Ihrem Rechtsanwalt nachfolgende Gerichtsentscheidung des Landgerichts Hamburg (Urteil vom 3. Dezember 2005, Az. 324 O 721/05) durchsprechen.

Es handelt sich um die vieldiskutierte, meist für falsch befundene Entscheidung, die Forenbetreiber zur vorsorglichen Kontrolle ihrer Beiträge verpflichtet.

Der Anwalt erzählt lang und breit, was in dem Urteil steht. Ist ja schön und gut, aber zu dem Thema gibt es auch schon Rechtsprechung aus der nächsten Instanz. Zum Beispiel dieses Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf. Dort steht so ziemlich das Gegenteil.

Wo wir schon bei Verhaltenstipps sind, habe ich den Anwalt im Gegenzug gebeten, das Düsseldorfer Urteil mit seinem Auftraggeber durchzusprechen.

Soko-Sprech

Gestern habe ich vom Einsatzleiter eines Mobilen Einsatzkommandos Folgendes gehört:

Wir haben im Rahmen der Observation das in Frage kommende Areal verpostet.

Niemand im Gerichtssaal verstand, was er damit meinte. Der Vorsitzende fragte nach. Und kriegte folgende Erklärung:

Meine Leute haben sich eingegraben.

Ach so. Ich hatte zunächst mehr an Stolperdrähte und Wanzen gedacht.

Finnische Blogspürhunde

Über die Agentur für Arbeit ist es mir gelungen, günstig eine Meute beschäftigungsloser finnischer Blogspürhunde zu engagieren. Diese werden in den nächsten Tagen unerbittlich Witterung aufnehmen. Sie schnüffeln nach Problemkommentaren und bringen diese schnellstmöglich zur Strecke. Problemkommentare enthalten Häme, Schmähungen oder sprachliche Entgleisungen.

Halali.

Traurig

Wir haben ein trauriges Kind im Büro. Sie hat gerade davon gehört, dass der kleine junge Braunbär erschossen wurde.

Die offiziellen Verlautbarungen überzeugen übrigens nicht. Zumindest keine 9-Jährigen.

Lebenserfahrung

So, seit 13 Uhr, also nach der Hauptverhandlung am Landgericht Wuppertal, habe ich nicht nur an einer Revisionsbegründung gearbeitet. Sondern sie auch fertig gestellt.

Das Gericht hat sich keine Verfahrensfehler geleistet. Zumindest sind mir keine aufgefallen. So blieb es bei der Sachrüge. Dabei muss man darlegen, dass das, was das Gericht als Geschehen festgestellt hat, doch nicht strafbar ist.

Da ist wenig zu reißen – sollte man meinen. Am Landgericht wird ja noch nicht einmal ein Wortprotokoll geführt. Und Tonbandaufzeichnung oder gar Video stehen derzeit wohl nicht mal zur Debatte. Das Gericht hätte also die Möglichkeit, sich den Sachverhalt zurecht zu biegen. Wenn der Zeuge grün gesagt hat, könnte im Tatbestand des Urteils auch „hellgrün“ stehen, wenn es ins Konzept passt. Oder aus einem „eher nicht so starken“ Fausthieb wird ein „schwerer“ Schlag.

Das sind zwei Beispiele, über die ich mich mal geärgert habe. Beim Grün bin ich mir lange Zeit nach dem Prozess nicht mehr so sicher. Könnte auch rosa gewesen sein. Eben das ist es, was die „Sachverhaltsquetsche“ so handlich und bequem macht: Wer weiß nach der fünfzigsten Zeugenaussage schon noch genau, wer was im Einzelnen gesagt hat?

Dennoch kenne ich natürlich keinen Richter, der sich das Geschehen vorsätzlich passend schreibt. Das wäre nämlich Rechtsbeugung. So ein wenig fahrlässig interpretieren, auslassen oder hinzufügen soll allerdings schon mal vorkommen.

Dennoch lohnt es sich immer, die Feststellungen des Urteils genau darauf abzuklopfen, ob wirklich alle Tatbstandsmerkmale des Strafgesetzes erfüllt sind. Oder ob die eine oder andere Erkenntnis nicht doch weniger auf „tatsächlichen Anhaltspunkten“ beruht – und sehr stark auf Unterstellungen.

So ein Urteil kann sich zunächst gut lesen. Wenn man es dann Satz für Satz durchgeht, tun sich doch immer wieder Lücken auf. Manchmal kann man sogar aus sprachlichen Vergehen, für die Juristen ohnehin bekannt sind, Nutzen ziehen. Zum Beispiel steht im Urteil, der Wirkstoffgehalt des in Deutschland an Endabnehmer verkauften Kokains liege „indes regelmäßig bei 30 %“. Das sei den Berufsrichtern aus langjähriger Erfahrung bekannt. Wer allerdings von regelmäßig spricht, kennt auch Ausnahmen. Dann ist allerdings auch eine Erklärung zu erwarten, warum der vorliegende Fall ausgerechnet zu den regelmäßigen gehört.

Oder das Gericht beruft sich auf die Lebenserfahrung. So soll es zum Beispiel der Lebenserfahrung entsprechen, dass die Grenzbeamten am Flughafen von Amsterdam darüber informiert werden, wenn die spätere Laboranalyse sichergestellter Substanzen ergibt, dass es sich trotz positivem Schnelltests doch nicht um Drogen gehandelt hat.

Bislang war mir nicht bekannt, dass deutsche Richter ausgerechnet Lebenserfahrung mit dem Berufsalltag ausländischer Grenzer haben. Die Erfahrung in Deutschland ist jedenfalls eine ganz andere. Da weiß jeder forensisch tätige Jurist, dass die operativen Kräfte an der Basis regelmäßig (ich darf das Wort verwenden) keine Rückmeldung darüber erhalten, wie ihre Fälle ausgegangen sind.

Der Vorgang wandert vielmehr stur durch den Apparat. Wenn ein Polizist einen Dieb festgenommen hat, beschäftigt sich ein Kriminalbeamter mit der Anzeige. Der Kriminalbeamte befragt Zeugen und schließt die Ermittlungen ab. Dann leitet er die Akte weiter an die Staatsanwaltschaft. Aber der Polizist kriegt keine Rückmeldung darüber. Ebenso wenig informiert der Staatsanwalt den Kripo-Menschen darüber, ob er Anklage erhebt oder das Verfahren vielleicht einstellt. Von den Gründen ganz zu schweigen.

Wieso es also in Holland genau andersrum laufen soll, erklärt das Gericht mit keinem Wort. „Lebenserfahrung“ ersetzt die lückenhafte Beweisaufnahme.

Ich referiere jetzt lieber nicht das weitere Dutzend Punkte, an denen es zu kritteln gab. Sondern ich belasse es bei der demütigen Feststellung, dass am Ende nur wenige Revisionen Erfolg haben.

Das ist wohl eine Lebenserfahrung, die allen Verteidigern gemeinsam ist.

Durchsage

Auf den Besuchertoiletten des Landgerichts Wuppertal gibt es Lautsprecher. Aus denen scheppern die Durchsagen aus den Sitzungssälen. Der Herr neben mir fluchte und hatte es plötzlich ziemlich eilig. Jetzt weiß ich immerhin, dass er „der Zeuge Winkowski“ ist.

Die Gaukler aus Berlin

Oswald Metzger schreibt in Spiegel online über die Politik zur Zeit des Party-Patriotismus:

In Berlin regiert eine Große Koalition von Etatisten, die von der Wiedergewinnung der staatlichen Handlungsfähigkeit fabuliert und unterschwellig die Illusion aufrechterhält, ein fürsorglicher Staat könne die Menschen vor den Unbilden des europäischen und globalen Wettbewerbs schützen – wie in den guten alten Zeiten der westdeutschen Wohlfahrtsstaatlichkeit.

Dass Anspruch und Wirklichkeit tatsächlich selten so weit auseinander klafften wie bei dieser Regierung, belegt der Rest des Artikels.

Kaufhof: Spätarbeit ist freiwillig

Von EBERHARD PH. LILIENSIEK

KÖLN. Mit einem Kompromiss hat die Kölner Kaufhof AG eine Eil-Entscheidung des Verwaltungsgerichts Düsseldorf unterlaufen, vor dem ein Mitarbeiter die vorzeitige Schließung der Filiale „Am Wehrhahn“ in Düsseldorf erstritten hatte. Die bleibt nun doch, wie der Kaufhof-Vorstandsvorsitzender Lovro Mandac mitteilte, am kommenden Montag und Dienstag bis 22 Uhr geöffnet, statt zwei Stunden früher zu schließen. In diesen beiden Stunden muss der Angestellte nun doch nicht arbeiten, obwohl er zunächst dazu eingeteilt worden war.

Seine Klage dagegen hatte das Gericht, wie berichtet, bestätigt. Und seine Interessen höher eingestuft, als die, ausnahmsweise während der Fußballweltmeisterschaft die Läden ganztätig geöffnet zu halten. Dazu hatte das Wirtschaftsministerium eine Erlaubnis erteilt, die von der Bezirksregierung weitergegeben worden war. Ob sie gelten kann, wird das Verwaltungsgericht noch in einem grundsätzlichen Urteil sagen müssen. Das wird durch den gestern gefundenen Kompromiss nicht ersetzt.
Unterdessen zeigt sich der Kaufhof-Konzern aber bundesweit bereit, niemanden mehr gegen seinen Willen spätabends zu beschäftigen. Vorstandschef Mandac: „Sollte ein einzelner Mitarbeiter die Arbeit während der verlängerten Ladenöffnungsstunden als außergewöhnlich hohe persönliche Belastung ansehen, wird Kaufhof auf dessen Belange eingehen und ihn zu diesen Zeiten nicht einsetzen“.

Mandac hob bei dieser Gelegenheit hervor, die Fußball-WM entwickele sich „zum wertvollen Treibstoff einer positiven Stimmung für Wirtschaft und Handel“. Erweiterte Ladenöffnungszeiten sieht Mandac als „Ausdruck unserer Servicebegeisterung für die Gäste aus aller Welt und unsere Kunden.“ (pbd)

Zuletzt zum Thema: Mitarbeiter klagt Kaufhof zu

Scheunentor

Ich habe mein Büro kurzfristig in ein Freiluftcafé verlegt. Hier gibt es vier WLANs. Darunter eins mit dem Namen „Anwaltskanzlei K.“

Jetzt ratet mal, welches das ungesicherte ist.

Hartz V

Im Fall Allianz geht das Gejammer los. Jürgen Rüttgers vermutet laut Netzeitung etwa, dass ein Konzern, der in solchem Umfang Personal abbaut, auch nicht gut zu seinen Kunden sein kann.

Vielleicht sollten sich unsere Politiker mal etwas zurückhalten. Im Gegensatz zu Deutschland ist die Allianz nämlich noch kein Sanierungsfall. Der Personalabbau erfolgt, weil das Management erkannt hat, dass die Allianz in einigen Jahren ein Sanierungsfall zu werden droht. Wenn man nämlich weiter mit mehr Personal arbeitet als die heimische Konkurrenz. Vom internationalen Niveau ganz zu schweigen.

Aber nein, hohe Gewinne rechtfertigen es in den Augen unserer Politiker, sehenden Auges in die Unwirtschaftlichkeit zu schlittern. So hat man es ja auch mit dem Land gemacht, warum sollte es bei Konzernen nicht auch funktionieren. Fehlt nur noch der Hinweis, dass das Auslandgeschäft der Allianz doch hervorragend läuft und es für eine deutsche Firma moralische Pflicht ist, diese Auslandsgewinne in Deutschland zu investieren (Hartz V).

Den Katzenjammer inszenieren jene, die selbst nicht mal mehr so tun, als würden sie auch an Einsparungen arbeiten. Beispiel Gesundheitsreform: Wer redet noch davon, endlich an die Ausgaben zu gehen? Oder das marode System auf eine tragfähige Grundlage zu stellen? Es geht nur noch um die Einnahmenseite. Und die Frage, aus wem man die Milliarden herauspresst, mit denen für ein paar Jahre (oder Monate) die Löcher gestopft werden können.

Alle Politiker, die jetzt vor Mitleid mit den Allianz-Angestellten zerfließen, sollten sich über eines im Klaren sein. Sie haben den Zustand des Sanierungsgebiets Deutschland zu verantworten. Zum Zustand gehört auch die Tatsache, dass Allianz-Mitarbeiter nur deshalb keine neuen Jobs finden werden, weil diese nur noch in anderen Ländern entstehen.

Ein Haftbefehl zuviel

Heute Morgen hätte ich nicht viel darauf gewettet, dass mein Mandant um 14.30 Uhr ein freier Mann sein wird. Aber es geschehen noch Zeichen und Wunder. Beispielsweise in Person einer Mitverteidigerin, die für ihren Mandanten, der noch heftiger in der Schusslinie stand, kluge Beweisanträge stellte und das Gericht damit dazu bewegte, ein Rechtsgespräch im stillen Kämmerlein zu führen.

Das gab eine ziemlich umfangreiche Debatte. Aber am Ende siegte die Einsicht, dass die letzte Chance aus dem Strafverfahren zuvor halt doch nur die vorletzte Chance insgesamt gewesen ist. Wir trafen eine Verständigung, die lautete: Geständnis gegen Bewährung. Die Freude währte allerdings nicht lange, denn die Wachtmeister murmelten was von „Überhaft“. Ein weiterer Haftbefehl? Das hätte ich eigentlich wissen müssen.

Auf dem Laufzettel stand neben dem Aktenzeichen des Jugendgerichts noch ein Aktenzeichen des Landgerichts. In der Rubrik Haftbefehl. Es sah also so aus, als ob es zwei Haftbefehle gibt. Nun hilft es nicht viel, einen Wachtmeister darauf hinzuweisen, dass das Aktenzeichen zu einer Beschwerdeentscheidung gehört. Das Landgericht hatte die Beschwerde gegen den Haftbefehl des Jugendgerichts zwar zurückgewiesen. Aber es hatte natürlich keinen eigenen, zweiten Haftbefehl erlassen.

Der Richter sah das genauso. Allerdings sah er auch keinen Grund, einen Haftbefehl aufzuheben, den es gar nicht gibt. Stattdessen schickte er einen der Justizangestellten los, um sich von einem der zuständigen Richter am Landgericht bestätigen zu lassen, dass seine Kammer in dieser Sache keinen Haftbefehl erlassen hat.

Am Freitagnachmittag ist das natürlich ein riskantes Manöver. Zumindest, wenn man von den Richtern keine Handynummer hat. Bis die Sache geklärt wird, sollte mein Mandant aber schnell noch mal ins Hausgefängnis. Zum Sachen abholen war ich einverstanden. Aber jetzt noch stundenlang brüten, bis jemand den Fehler aufgeklärt hat, das wäre für mich nicht in Frage gekommen.

Ich murmelte also was zurück. „Vorsicht, nicht dass das eine Freiheitsberaubung wird.“ Nach einigem Hin und Her war dann auch hier eine Lösung zu finden. Es ging auch ohne Auskunft des Richters, wenn die Justizvollzugsanstalt grünes Licht gibt. Dort war natürlich nichts von einem Haftbefehl des Landgerichts bekannt. Mein Mandant durfte also zügig raus.

Trotzdem bin ich froh, dass das Ganze nicht erst am späten Freitagnachmittag passiert ist. Ob dann auch noch jemand aufzutrieben gewesen wäre, der eine Auskunft gibt?

Mitarbeiter klagt Kaufhof zu

Von EBERHARD PH. LILIENSIEK

Der Düsseldorfer „Kaufhof Am Wehrhahn“ muss am kommenden Montag- und Dienstagabend schon um 20 Uhr statt, wie vorgesehen, um 22 Uhr schließen. Diese Entscheidung des Verwaltungsgerichts Düsseldorf (AZ 3 L 1110/06) hat ein einzelner Beschäftigter erstritten.

Er war für die je zwei Stunden außerhalb der normalen Geschäftszeit zur Arbeit eingeteilt, klagte aber gegen eine Verfügung der Bezirksregierung. Die hatte im März für die Zeit der Fußball-Weltmeisterschaft Warenhäusern erlaubt, ihre Läden länger offen zu halten. Die 3. Kammer des Gericht entschied jedoch zugunsten des Arbeitnehmers: Dessen Interesse „an der Einhaltung der Ladenschlusszeiten“ sei höher einzustufen, als das Interesse, während der WM 2006 die Läden ganztägig zu öffnen.

Regierungspräsident Jürgen Büssow ließ wissen, er habe lediglich auf Weisung des Wirtschaftsministeriums gehandelt. Dessen Sprecher Joachim Neuser sagte, das Urteil werde sorgfältig geprüft: „Wir halten fest daran, den WM-Gästen Öffnungszeiten zu bieten, die sie in ihrer Heimat gewohnt sind“. Die Kölner Kaufhof-Zentrale zeigte sich gestern überrascht: „Wir kennen die Entscheidung weder hier noch im Düsseldorfer Haus“, sagte Pressesprecher Steffen Kern der Nachrichtenagentur pbd.

Mögliche Verluste konnte er nicht nennen, und er wusste auch nicht, wie viel Personal unfreiwillig zwei Stunden eher in den Feierabend gehen wird. (pbd)

Prepaid-Guthaben dürfen nicht verfallen

Prepaid-Guthaben dürfen nicht verfallen. Das Oberlandesgericht München bestätigte heute ein entsprechendes Urteil des Landgerichts München. Danach darf der Mobilfunkanbieter O2 nicht einfach Guthaben seiner Kunden löschen, bloß weil eine gewisse Zeit abgelaufen oder der Vertrag beendet ist.

Andere Anbieter verwenden ähnliche Bedingungen. Mit der Entscheidung des Oberlandesgerichts dürften Kunden aber gute Karten haben, sich gegen gestrichene Guthaben zu wehren.

(via verbraucherrechtliches; dort auch ein Link zum Urteil des Landgerichts)