Alle Briefe, bitte

Für einen Beschuldigten haben ich Akteneinsicht genommen. Was entnehme ich den Unterlagen? Der Staatsanwalt hat das Ermittlungsverfahren eingestellt. Wegen fehlenden Tatverdachts. Und zwar schon zwei Wochen, bevor der Mandant mich beauftragt hat. Eine Kopie des erfreulichen Schreibens ist auch in der Akte.

Dabei hatte ich den Mandanten doch gebeten, er soll zur Besprechung alle Briefe mitbringen, die er in der Sache erhalten hat. Aber ein wenig kenne ich das alles schon. Wenn ich ihm jetzt schreibe, dass die Sache erledigt ist, ruft er in zwei Wochen an und fragt nach dem Sachstand.

Da wähle ich lieber gleich seine Handynummer.

Problemkater

Indizienprozesse haben es so an sich, dass Gerichte sich an jeden Strohhalm klammern. Allerdings hätte ich eher nicht darauf getippt, dass die Zeugin auch in der Hauptverhandlung nach einem bestimmten Detail gefragt wird.

Gegenüber der Polizei hatte sie erwähnt, die Hauskatze sei einige Tage vor einem Einbruch in ihre Wohnung irgendwie nervös gewesen. Möglicherweise ein Zeichen dafür, dass jemand den Tatort auskundschaftetete? Der Richter ließ sich tatsächlich noch einmal bestätigen, dass die Katze sich komisch verhalten hat.

Allerdings erwähnte die Zeugin nun auch, dass ihre Katze Epileptikerin ist. Streng genommen muss ich jetzt ein Gutachten zu folgenden Fragen beantragen:

1. Haben Katzen einen 7. Sinn?

2. Wenn ja, kann dieser bei einer epileptischen Katze beeinträchtigt sein?

SPD-Chef verklagt Titanic

Kurt Beck sieht seine Persönlichkeitsrecht durchs aktuelle Titelbild der Titanic verletzt. Gezeigt wird ein Foto des Politikers. Im Text heißt es: „Problembär außer Rand und Band: Knallt die Bestie ab!“

Der SPD-Vorsitzende hat eine einstweilige Verfügung gegen das Satiremagazin erwirkt, berichtet Spiegel online. Titanic empfiehlt, das Heft schnell am Kiosk zu holen. Es seien schon ganze SPD- und CDU-Ortsverbände unterwegs, um die Ausgabe vom Markt zu kaufen, höhnt die Redaktion.

(Link gefunden in der Handakte)

Immer das mildeste Mittel

Was Polizisten so an Anzeigen aufnehmen müssen:

… ich will jetzt einfach nur Gerechtigkeit und dass die Familie M. mal vor Gericht eingeladen wird.

Außerdem hat der Beamte vermerkt, dass eine „dezidierte Sachverhaltsklärung aufgrund der Masse der Begleitpersonen nicht erfolgen“ konnte. Was wohl heißt, dass er das Protokoll nur aufgenommen hat, weil sonst das SEK die Polizeiwache hätte räumen müssen.

Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, hier vorbildlich umgesetzt.

Zu spät

Heute hat eine Polizeibeamtin tatsächlich Tränen in den Augen gehabt, als ich sie detailliert dazu befragte, wie sie einer Zeugin einen möglichen DNA-Spurenträger gezeigt hat. Und unter welchen Umständen sie Minuten später die Speichelprobe bei der Zeugin entnommen hat, damit eine Vergleichsuntersuchung gemacht werden kann.

Dabei hatte der Vorsitzende Richter vorher noch beiläufig angemerkt, dass ich bisher fair mit den Zeugen umgegangen bin. Im Gegensatz zu manchen Konfliktverteidigern, mit denen die Kammer wohl in letzter Zeit zu tun hatte.

Die Tränen hatten also eher was mit der Erkenntnis zu tun, dass da einiges schief gelaufen ist. Sogar sehr viel. Jedenfalls äußerte das Gericht abschließend den Wunsch, solche DNA-Proben künftig sorgfältiger zu entnehmen. Weil es schade wäre, wenn Straftäter bloß deshalb nicht verurteilt werden können, weil angebliche DNA-Spuren wegen Ermittlungsfehlern nicht verwertbar sind.

Für meinen Fall kommt diese Bitte allerdings zu spät.

Onlinepläne der WAZ: Lyssa soll es richten

Lyssa wird Chefredakteurin bei der WAZ. Sie verantwortet das groß angelegte Internetprojekt mit dem Arbeitstitel „WAZ live“. Damit wollen die Tageszeitungen der WAZ-Gruppe den Sprung ins Onlinezeitalter schaffen.

Wie die Welt am Sonntag berichtet, soll Lyssa / Katharina Borchert eine große Gemeinschaft im Netz schaffen. Was auch immer das heißt. Aber noch ist ja ein halbes Jahr Zeit.

Glückwunsch an Lyssa zu diesem großartigen Karrieresprung.

(Gelesen bei Mario, aber auch danke an zahlreiche Leser für den Link)

Richter als Autotester

Allergisch reagierte der Präsident des Oberlandesgerichts Hamm auf eine Einladung von BMW. Die Autofirma wollte ihm und anderen ausgesuchten Gästen nahe St. Moritz demonstrieren, wie sich die neuen Allradmodelle im Schnee bewähren.

Statt sich auf Kosten des Autoherstellers ein paar schöne Tage zu machen, informierte der Richter die Staatsanwaltschaft, berichtet die Süddeutsche Zeitung. Die Ermittler durchsuchten die BMW-Zentrale. Dort beschlagnahmten sie „Disketten und andere Datenträger“.

Jetzt wird ausgewertet, wer bei BMW für die Aktion verantwortlich ist. Und sicherlich auch, welche Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes sich von dem Angebot locken ließen.

(Link gefunden bei Strafsachen, Verkehrsunfälle und andere interessante Dinge)

Zeugin unter Druck

In Berlin ist ein Großverfahren geplatzt, weil Befangenheitsanträge gegen die Strafkammer erfolgreich waren. Bemerkenswert ist der Grund: Die Richter sollen sich, so eine beteiligte Anwältin, am Rand der Aussageerpressung bewegt haben.

Bei Besprechungen hätten sie einer Zeugin klargemacht, dass diese selbst einen Tatbeitrag gestehen müsse. Nur dann werde ihr Verlobter, der in dem Verfahren angeklagt ist, aus der Untersuchungshaft entlassen. Die Frau ist nach Angaben der Anwältin unter dieser Belastung kollabiert; ihr eventuelles Geständnis wäre falsch gewesen.

Näheres in der Berliner Morgenpost.

(Link gefunden bei Strafprozesse und andere Ungereimtheiten)

Zeit für Gespräche

17.29 Uhr. Deutschland – Argentinien 0 : 0. Ich rufe jetzt ein paar Mandanten an. Vor allem jene, die beklagen, dass ich so viele Termine habe. Und deswegen manchmal nicht einfach zu erreichen bin.

Mein Handy liegt auf dem Tisch

Unbestätigten Gerüchten zufolge ist frag-einen-anwalt.de keine Satireseite. Aber eine Unterabteilung für Humor haben sie auf jeden Fall, auch wenn dieser mitunter unfreiwillig sein dürfte.

Jüngstes Beispiel: Ein Nutzer fragt, ob sein Handy abgehört werden kann. Möglicherweise auch dann, wenn es abgeschaltet auf dem Tisch liegt.

Die schönsten Passagen aus der Antwort der Anwältin:

… Ich habe nun eine gewisse Zeit mein Handy auf dem Schreibtisch liegen gehabt und konnte nicht feststellen, dass es abgehört wird. Auch eine Rückfrage beim BKA hat ergeben, dass dieses so nicht möglich sein soll, wobei der dortige Sachbearbeiter mir erklärt hat, dass Handys selten in einer Entfernung von 25 m abgehört werden können (zur Frage, wie weit es möglich ist). …

Ich hatte auch noch im Kollegenkreis herumgefragt, wie dort die Erfahrungen sind. So richtig druckreif helfen konnte mir aber keiner; allerdings habe ich dort einen entscheiden Tipp bekommen:

Ein auf strafrecht spezialisierter Kollege könnte ggfs. aus seiner umfangreichen Tätigkeit zu den Abhörmethoden rasch Auskunft erteilen. Daher sollten Sie sich einmal mit Herrn RA Karlheinz Roth, Hamburg (siehe Liste der teilnehmenden Anwälte) in Verbindungs setzen; diese könnte Ihnen vielleicht auch schon telefonisch noch nähere Auskünfte erteilen. Berufen Sie sich dabei auf mich und diese Frage.

Der Kunde, der für diese Ausführungen 15 Euro zu zahlen hat, reagierte entsprechend:

Schön, das Sie meine Frage nicht konkret beantworten können. Wieso beantworten Sie meine Frage dann? Ein anderer Anwalt hätte mir sicher diese Frage beantworten können.

(Danke an Steffen Steinwarth für den Link)

Ohne Zuschlag

„Sagen Sie doch noch mal dem Vorsitzenden Bescheid, dass wir gern spätestens um 15 Uhr Schluss machen möchten.“

Mein Mandant war heute der letzte, den das Personal im Zellentrakt des Landgerichts bewachen musste – bis zum letzten Transport in die Justizvollzugsanstalt. Die anderen Kammern, bei denen Inhaftierte vorgeführt wurden, hatten schon wesentlich früher ihre Sitzungen beendet.

Die schlimmsten Befürchtungen im Wachraum erfüllten sich aber nicht. Um 14.03 Uhr war auch unsere Sitzung zu Ende. Meine Mitverteidigerin und ich schäkerten, dass wir noch gerne zwölf Minuten gemacht hätten. Wegen des Zuschlags, den es ab fünf Stunden Hauptverhandlung gibt. Der Vorsitzende bekam das mit und war sogar bereit, für uns noch einmal in die Hauptverhandlung einzutreten. Wir mussten sowieso noch neue Termine ausgucken, so dass das sachlich auch in Ordnung gegangen wäre.

Aber leider hatte das Personal, das den Zuhörereingang aufschließt, anscheinend schon die Flucht ergriffen und war auf dem Weg in den Fußballnachmittag. Ohne Öffentlichkeit keine Hauptverhandlung. Ohne Hauptverhandlung kein Zuschlag von 178,00 €.

Aber immerhin ein feiner Zug des Vorsitzenden, das muss ich sagen.

GEZ: Auch Richter sollen zahlen

Die Readers Edition zu den Gebührenplänen der GEZ:

Von der Gebührenerweiterung betroffen wären zunächst Selbstständige und Freiberufler, die bisher keine Fernseher in ihren Büros und Arbeitszimmern hatten. Auch Lehrer, Richter und Journalisten, die ihren PC zuhause teilweise beruflich nutzen, sollen zur Kasse gebeten werden – unabhängig davon, ob sie bereits ein Fernsehgerät haben.

Richter? Die Erfolgsaussichten der Verfassungsbeschwerde sind gerade drastisch gestiegen.