Kokain sollte Ehe verbessern

Tiefste Einblicke in sein Privatleben musste ein Autofahrer geben, um seinen Führerschein zu retten. Weil er unter Kokaineinfluss von der Polizei angehalten wurde, verteidigte er sich wie folgt: Seine Frau habe ihm das Pulver am Vorabend heimlich verabreicht, um das gemeinsame Sexleben „spicy“ zu gestalten. Den größten Teil habe sie ihm in ein Glas Wein gemischt, den Rest beim Sex auf seinen Penis aufgetragen, ohne dass er dies bemerkte. Dabei sei seine Frau davon ausgegangen, dass er am nächsten Tag Homeoffice macht und es deshalb mit der Fahrtüchtigkeit keine Probleme gibt – was leider nicht der Fall war.

Die Ehefrau versicherte das sogar an Eides statt. Das Straßenverkehrsamt zeigte sich weniger beeindruckt. Wie beim Konsum harter Drogen üblich, musste der Mann den Führerschein abgeben. Er wehrte sich dagegen vor Gericht, jedoch vorläufig ohne Erfolg. Zwar gebe es „seltene Ausnahmen“ untergeschobener Drogen, sagt das Oberverwaltungsgericht Greifswald. In diesem Fall klinge die Geschichte jedenfalls plausibel. Aber, so das Gericht, das lasse sich nur im sogenannten Hauptsacheverfahren prüfen. Im vorläufigen Verfahren müsse abgewogen werden zwischen der naheliegenden Möglichkeit „unbewusster“ Drogenaufnahme und der Verkehrssicherheit. Die Verkehrssicherheit sei da wichtiger. Der Mann muss also vorläufig auf den Führerschein verzichten, kann aber natürlich weiter für sein Recht kämpfen.

Wir werden in einiger Zeit also noch mal von der Sache hören…

Aktenzeichen 1 M 166/24 OVG

Kiffen und Autofahren sind seit heute kein Widerspruch mehr

Die in der praktischen Umsetzung eher suboptimal gelaufene Cannabis-Legalisierung erreicht den Straßenverkehr. Seit Mitternacht gelten für Autofahrer neue Grenzwerte für den Cannabis-Wirkstoff THC. Kiffen und Autofahren sind kein Widerspruch mehr.

3,5 Nanogramm THC pro Milliliter Blut dürfen es maximal sein. Sonst droht ein Bußgeld von 500 Euro, zusätzlich ein Monat Fahrverbot. Mischkonsum mit Alkohol ist untersagt (1.000 Euro Geldbuße). Bei Autofahrern unter unter 21 Jahren und allen, die einen Führerschein auf Probe haben, gilt absolutes Cannabis-Verbot.

Die große Frage ist jetzt natürlich, ab wann die 3,5 Nanogramm im Blut erreicht sind. Wer auf Nummer sicher gehen will, sollte sich frühestens 12 Stunden nach dem letzten Joint ans Steuer setzen, sagen Mediziner. Einig sind sich die Experten aber auch, dass viele Menschen THC viel schneller abbauen. Schon nach drei bis fünf Stunden könne der Grenzwert unterschritten sein. Die 3,5 Nanogramm gelten als strenger Wert. Ursprünglich hatten Experten 7 Nanogramm für unproblematisch gehalten. Der neue Grenzwert wird mit etwa 0,2 Promille Bulalkohol verglichen. Aber es wird auch darauf hingewiesen, dass die Abbaurate von Alkohol wesentlich zuverlässiger berechenbar ist.

Bei Kontrollen will die Polizei vornehmlich auf Vortests setzen. Dazu werden die Beamten eine Speichelprobe verlangen. Allerdings ist man zu so einem Speicheltest nicht verpflichtet, auch zu einem der bekannten Wischtests für andere Drogen kann man nicht gezwungen werden. Dann allerdings bleibt immer das Risiko, dass man zur Blutprobe muss. Auf der anderen Seite muss der Polizeibeamte natürlich auch immer entscheiden, ob tatsächlich was für einen Tatverdacht spricht. Im Zweifel wird der Kontrollierte dann auch gern mal durchgewunken. Wer dagegen freimütig einräumt, das berühmte Glas Bier getrunken oder einen Joint geraucht zu haben, zwingt den Beamten praktisch zu einer intensiveren Kontrolle. Im Zweifel ist es also besser, gar nichts zu sagen.

Straftäter darf nach Hause, obwohl ihm Sicherungsverwahrung droht

Die Frankfurter Gerichte haben einen pädophilen Straftäter aus der Untersuchungshaft entlassen – obwohl dem Mann Sicherungsverwahrung droht. Die Schuld gibt das Oberlandesgericht Frankfurt am Main den Kollegen am Bundesgerichtshof, dem höchsten deutschen Strafgericht. Der dortige Strafsenat habe die Revisionen des Mannes verschleppt, werfen die Richter ihren Kollegen vor. Und zwar so, dass nur noch die Freilassung des Mannes bleibe.

Tatsächlich ist der Mann wegen vielfachen Kindesmissbrauchs schon rechtskräftig verurteilt, zuletzt lautete das Strafmaß acht Jahre und neun Monate. Über seine Schuldfähigkeit wird aber nach wie vor gestritten, der Bundesgerichtshof hob die Urteile im Strafmaß schon zwei Mal auf. Der Betroffene sitzt seit 2018 hinter Gittern, hat also schon fast sieben Jahre seiner möglichen Strafe abgesessen – obwohl sein Strafmaß noch nicht festgelegt ist. Wegen der Zweifel an der Schuldfähigkeit des Mannes rechnet das Oberlandesgericht Frankfurt nur noch mit einer Strafe von maximal acht Jahren, so dass nach Anrechnung der Untersuchungshaft derzeit noch zwischen 10 und 20 Monate Gefängnis im Raum stehen.

Ausdrücklich stellt das Oberlandesgericht Frankfurt fest, dass vor allem beim Bundesgerichtshof getrödelt wurde. Obwohl dort die erforderlichen Stellungnahmen bereits im Juli 2022 vorgelegen hätten, habe sich der Strafsenat bis Ende Oktober 2023 mit der Entscheidung Zeit gelassen. Schriftlich habe das Urteil erst Mitte Januar 2024 vorgelegen. Das sei unzumatbar lang, zumal der Bundeserichtshof auch schon bei der ersten Revision sehr lange gebraucht habe.

Brisant wird der Fall aber durch den Umstand, dass für den Angeklagten auch Sicherungsverwahrung angeordnet wurde. Ob die Voraussetzungen für eine Sicherungsverwahrung heute noch vorliegen, sollen gesonderte Gutachten ergeben. Diese sind bislang aber nur in Auftrag gegeben. Es kann also durchaus sein, dass der Verurteilte weiter gefährlich ist und in Sicherungsverwahrung muss. Aber dennoch lassen ihn die Richter am Oberlandesgericht Frankfurt ihn heute frei – in Kenntnis der möglichen Gefahren. Das ist zwar ein schöner Erfolg für die Strafverteidigung, aber nüchtern betrachtet trotzdem ein Punkt, der eher nicht auf Begeisterung stoßen dürfte (Aktenzeichen 1 Ws 159/24).

„Herr Transfrau“ geht nicht, wenn im Ausweis weiblich steht

Das Nachrichtenportal NIUS darf eine Person – ich verwende das Wort Person normalerweise nicht, aber hier finde ich es mehr als praktisch – nicht mehr als „Herr Transfrau“ und „Herrn in Damenkleidung“ bezeichnen. Außerdem darf NIUS nicht mehr so über die Person unter Nennung persönlicher Details und insbesondere mit Fotos identifizierend berichten. Es handelt sich um eine einstweilige Verfügung, also eine vorläufige Entscheidung.

Der Beschluss des Landgerichts Frankfurt ist insoweit nicht überraschend, weil die Person dem Landgericht Frankfurt glaubhaft machen konnte, dass sie seit August 2021 rechtlich eine Frau sei – was sich insbesondere aus ihrem geänderten Personalausweis ergebe. Ab November hat sich das Thema dann ja ohnehin juristisch erledigt. Nach dem neuen Selbstbestimmungsgesetz ist es bußgeldbewehrt, nach einer Änderung des Geschlechtseintrags das frühere Geschlecht zu erwähnen. In den Berichten von NIUS ging es darum, dass die Person Zugang zu einem Damenfitnessstudio begehrte und hierbei von der Antidiskriminierungsbeauftragten der Bundesregierung unterstützt wurde. Die Beauftragte wollte ebenfalls die Berichterstattung über das Thema untersagen, verlor aber gegen NIUS.

Interessant ist, in welchen Punkten das Gericht die einstweilige Verfügung gegen NIUS ablehnte. So wollte die Person die Aussage verbieten lassen, dass nur (biologische) Frauen Mitglieder eines Fitnessstudios sein sollten. Dies ist laut dem Landgericht Frankfurt (nach wie vor) eine zulässige Meinungsäußerung, über solche Fragen dürfe es auch eine öffentliche Diskussion geben. Ebenso sei der Hinweis auf äußere Geschlechtsmerkmale zulässig, sofern dem Betroffenen hierdurch nicht seine neue „Geschlechtsidentität“ abgesprochen werde. Deshalb ließ das Landgericht auch das Wortspiel „Mit-Glied-Schaft“ durchgehen. Außerdem habe die Antragstellerin in dem Streit mit dem Studio selbst angeboten, nur in Badehose zu duschen – über die Gründe hierfür darf laut dem Gerichtsbeschluss dann auch gesprochen werden (Aktenzeichen 2-03 O 275/24).

Alter Anwalt wollte nicht mehr versichert sein

Rechtsanwälte müssen auch dann eine Haftpflichtversicherung haben, wenn sie aus Altersgründen nicht mehr praktisch tätig sind.

Die Rechtsanwaltskammer Nürnberg hatte einem 73-jährigen Anwalt die Zulassung entzogen, weil dieser seine Haftpflichtversicherung nicht mehr bezahlte. Der Anwalt berät sich darauf, dass er überhaupt keine Fremdenmandate mehr bearbeite. Deshalb bestehe auch kein Risiko, das mit einer Haftpflichtversicherung abzudecken sei.

Darauf kommt es nach Auffassung des Anwaltsgerichtshofs Bayern aber nicht an. Nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes seien Anwälte in jedem Stadium ihrer beruflichen Tätigkeit verpflichtet, eine Haftpflichtversicherung zu haben. Es genüge schon, dass der Anwalt berechtigt ist, den Rechtsanwaltsberuf auszuüben. Die bloße Behauptung des Betroffenen, er habe schon seit 2019 keine Fremdenmandate mehr betreut, spiele keine Rolle. Er könne ja auch jederzeit neue Mandate annehmen (Aktenzeichen BayAGH I-1-6/21).

Tauhid-Finger darf als islamistischer Gruß interpretiert werden

Kritik an Muslimen, die publikamswirksam den sogenannten Tauhid-Finger zeigen, ist keine Volksverhetzung. Die Staatsanwaltschaft Berlin stellte das Ermittlungsverfahren gegen den NIUS-Chefredakteur Julian Reichelt ein. Der Journalist hatte den deutschen Nationalspieler Antonio Rüdiger kritisiert, weil dieser mehrfach die umstrittene Geste zeigte.

Reichelt hatte sich etwa zu einem Instagram-Foto geäußert, das Rüdiger selbst gepostet hatte. Das Bild zeigte Rüdiger kniend in einem weißen Gebetsgewand, wie er den Finger in Tauhid-Manier in die Höhe reckt. Dazu schrieb Reichelt etwa: „Islamismus heute Abend in der deutschen Start-Elf. Das ist die Ideologie, die alles mit Regenbogen-Farben vom Dach wirft und Frauen steinigt. Antionio Rüdiger sollte uns mehr besorgen als ein Nike-Trikot.“

Rüdiger warf Reichelt daraufhin Volksverhetzung vor. Und das, obwohl sogar das Bundeskriminalamt und andere Behörden den Tauhid-Finger als islamistische Geste einordnen. Ob nun Islamistengruß oder bloße religiöse Geste, darauf kommt es laut Staatsanwaltschaft nicht an. Reichelts Posts seien keine Tatsachenbehauptungen, sondern bloße Werurteile und damit zulässige Meinungsäußerungen. Die Einstellung erfolgte ausdrücklich „mangels Tatverdachts“.

Bericht in der LTO

Übergriffiger Familienrichter

Es gibt diverse Gründe, warum ich keine Mandate aus dem Familienrecht bearbeite. Ein aktueller Fall des Oberlandesgerichts Bamberg umreißt sehr schön, was an den Familiengerichten und in Jugendämtern schief läuft. Es geht um Auflagen für einen Vater, die man getrost als übergriffig bezeichnen kann.

Nach der Trennung von seiner Frau wollte ein Vater das Umgangsrecht mit seinen zwei Töchtern ausüben (acht und zehn Jahre alt). Obwohl die Mutter nichts in diese Richtung gesagt oder gar angeregt hatte, sorgte das Jugendamt dafür, dass der Familienrichter dem Vater eine weitere Auflage machte. Nämlich, dass er in Anwesenheit seiner Kinder in geschlossenen Räumen nicht mehr rauchen und die Wohnung ausreichend lüften müsse.

Für so eine Auflage gibt es jedoch keine Rechtsgrundlage, sagen die Richter am Oberlandesgericht Bamberg. Passivrauchen sei zwar ungesund. Aber es gebe keinen Anhaltspunkt, dass das körperliche Wohl der betroffenen Kinder konkret gefährdet sei. Etwas anderes wäre nur der Fall, wenn eines der Kinder Asthma hätte. Ansonsten sei es Aufgabe des Gesetzgebers und nicht eines Richters am Amtsgericht, Schutzmaßnahmen gegen Passivrauchen festzulegen.

Aber es geht noch weiter. Der Familienrichter hatte dem Vater auch aufgegeben, sich bei einer Tochter für eine verbale Entgleisung zu entschuldigen. Und zwar schriftlich. Auch für solche Anordnungen gibt es keine gesetzliche Grundlage, so das Oberlandesgericht. Das juristische Tamtam war auch deshalb absurd, weil sich der Vater schon vorher mündlich entschuldigt hatte. Für seine Tochter war die Angelegenheit damit erledigt (Aktenzeichen 7 UF 80/24 e).

Das große Aber

Ein Rechtsanwalt muss 500 Euro Euro Zwangsgeld zahlen, weil er trotz zweier Staatsexamina die Rechtslage nicht kennt. In dem Fall geht es darum, dass der Anwalt gegenüber der Rechtsanwaltskammer Auskunft geben sollte, nachdem er einer Pflichtverletzung beschuldigt wurde. Grundsätzlich muss ein Anwalt in diesem Fall Auskunft geben – aber natürlich gibt es ein großes Aber.

Der Anwalt muss sich wie jeder „Beschuldigte“ nicht selbst belasten. Deshalb kann er die Auskunft verweigern, so dass die Auskunftspflicht zurücktreten muss. Das jedoch tat der Anwalt nicht ausdrücklich. Er ignorierte die Briefe der Anwaltskammer einfach. Erst nachdem ein Zwangsgeld gegen ihn festgsetzt wurde, berief er sich auf sein Schweigerecht. Das war jedoch zu spät, stellt der Anwaltsgerichtshof Nordrhein-Westfalen fest. Das Auskunftsrecht greife nur ein, wenn sich der Betroffene ausdrücklich darauf berufe. Es bleibt also bei den 500,00 €, und der eine oder andere Anwalt hat bei der Lektüre dieses Beitrags vielleicht auch noch was gelernt – mich eingeschlossen (Aktenzeichen 1 AGH 13/24).

Die Natur als „Nebenkläger“

Die „Rechte der Natur“ sind laut einem Richter am Landgericht Erfurt von Amts wegen schadenserhöhend zu beachten, wenn der simple Schadensersatz im Rahmen eines der unzähligen Dieselverfahren berechnet wird.

Ich zitiere aus der Legal Tribune Online:

Für Richter Borowsky kann es offenbleiben, „ob vorliegend die Natur als solche oder aber einzelne durch Abgase (besonders) geschädigte Ökosysteme Schutz verlangen“. Aus der Charta ergebe sich das „umfassende Recht ökologischer Personen, dass ihre Existenz, ihr Erhalt und die Regenerierung ihrer Lebenszyklen, Struktur, Funktionen und Entwicklungsprozesse geachtet und geschützt werden“, heißt es in dem Urteil. Diese Auslegung des Unionsrechts sei aufgrund globaler Herausforderungen wie dem Klimawandel und drohenden irreversiblen Schäden geboten.

Noch mal: Wir reden über einen simplen Zivilprozess zwischen einem Autokäufer und dem Hersteller, und da spaziert plötzlich der Katastrophismus durch die Tür herein. Ich bin seit 33 Jahren Jurist, aber langsam – oder vielleicht deswegen – komme ich echt nicht mehr mit.

Ohne Realitätsbezug

Wenn die Polizei faktisch dazu aufruft, auch nicht strafbare Inhalte aus dem „Internet“ bei ihr anzuzeigen, weil das ja gesellschaftspolitisch gesehen eine ganz wichtige Sache ist, ist das dann Anstiftung zur falschen Verdächtigung (§ 164 Strafgesetzbuch)? Und wenn ja, müsste die Polizei dann gegen sich selbst ermitteln?

Frage ohne jeden Anlasse für einen Juristen, der Klausuren für das 1. Staatsexamen entwirft und sich deshalb berufsbedingt über die absurdesten Fälle ohne jeden Realitätsbezug freut.

„Ein ganz normaler Vorgang“

Die Innenministerin Nancy Faeser zu der höchstrichterlichen Feststellung, dass ihr martialischer Angriff auf die Meinungsfreiheit im Fall „Compact“ sich wohl als rechtswidrig herausstellen wird:

Es ist ein ganz normaler Vorgang.

Ein ganz normaler Vorgang wäre es, wenn sich eine Innenministerin an Recht und Gesetz hält. Und vor allem an die Verfassung.

Aachener Zeitung

Letzte Ausfahrt Mofa

Wenn der Führerschein weg ist, man aber dennoch „motorisiert“ sein möchte, kann man eigentlich nur aufs Mofa umzusteigen. Für ein Mofa braucht man bekanntermaßen keine Fahrerlaubnis, sondern nur eine sogenannte Prüfbescheinigung ohne praktische Prüfung. Allerdings hat die Führerscheinstelle die Möglichkeit, auch das Mofafahren ausdrücklich zu untersagen. Nun gibt es allerdings ein Urteil, welches dies wesentlich erschwert bzw. Betroffenen zumindest die Möglichkeit gibt, sich juristisch zu wehren.

Eine Frau hatte den Führerschein verloren, weil sie unter Einfluss von Betäubungsmitteln fuhr. Später wurde sie am Steuer eines Mofas erneut angehalten. Auch hier stand sie unter Einfluss von Betäubungsmitteln. Das Straßenverkehrsamt verbot ihr auch das Mofa. Vor dem Oberverwaltungsgericht Koblenz bekam die Frau jetzt Recht. Allerdings nicht, weil die Richter den Betäubungsmittelkonsum für unproblematisch hielten, sondern weil sie grundsätzliche Bedenken gegen die Vorschrift haben.

Der fragliche Paragraf 3 der Fahrerlaubnisverordnung ist nach Auffassung des Gerichts nämlich viel zu unbestimmt, um festzulegen, was eine „Eignung“ zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge bedeutet. Die Richter konnten nirgends eine nähere Konkretisierung dafür finden, welche Anforderungen nun für Mofas gelten. Auch aus Wortlaut, Systematik oder Sinn und Zweck der Vorschrift ergäben sich keine konkreten Anforderungen und Maßstäbe, die es für Betroffene vorhersehbar machen, in welchen Fällen mit einer Untersagung zu rechnen ist. Das sei jedoch erforderlich, damit der Bürger sein Handeln darauf einstellen könne.

Das Gericht hat die Revision zugelassen, denn es gibt auch auch anderslautende Entscheidungen. Interessant könnte das Urteil auch sein, wenn Fahrerlaubnisbehörden die Nutzung von E-Scootern oder E-Bikes verbieten – auch das kommt ja mittlerweile vor (Aktenzeichen 10 A 10971/23.OVG)

Notebook als „Maßanfertigung“?

Die meisten PC-Hersteller bieten ihren Kunden die Möglichkeit, das Gerät nach individuellen Wünschen zu konfigurieren. Schnellere Grafikkarte? Größere Festplatte? In der Regel kein Problem. Allerdings kann das zu juristischen Problemen führen, wie ein Kunde erlebte. Der Mann hatte online ein Notebook für rund 7000 Euro bestellt. Den Rechner konnte er mit wenigen Klicks individuell konfigurieren. Mit dem gelieferten Gerät war der Mann allerdings nicht zufrieden, deshalb wollte er von seinem gesetzlichen Widerrufsrecht Gebrauch machen. Dies jedoch lehnte der Händler ab.

Der Verkäufer berief sich auf eine Klausel, die das Widerrufsrecht ausschließt, wenn es sich um eine „Maßanfertigung“ handelt. Vor dem Landgericht unterlag der Kläger zunächst. Das Gericht berief sich darauf, durch die Auswahlmöglichkeit verschiedener Komponenten liege eine individuelle Anfertigung im Sinne des Gesetzes vor. Ausdrücklich wies das Gericht auch darauf hin, der Händler könne das Gerät nicht mehr in die Grundkonfiguration zurückbauen, was ihm den Weiterverkauf erschwere. Der Käufer gab sich damit allerdings nicht zufrieden und zog vor das Oberlandesgericht Brandenburg. Dort bekam er Recht.

Nach Auffassung der dortigen Richter ist das Notebook nicht nach spezifischen individuellen Vorgaben des Käufers hergestellt worden. Vielmehr habe der Käufer lediglich aus vorgegebenen Standardoptionen wählen können, etwa Speichergröße, schnellerer Prozessor und besseres Gehäuse. Das habe sich online mit wenigen Klicks konfigurieren lassen. Das reiche nicht für eine individuelle Anfertigung, sondern sei nur eine Auswahl innerhalb eines vorgegebenen Rahmens. Der Kunde kriegt nun sein Geld zurück und wir kennen eine Ausrede mehr, auf die man als Verbraucher nicht reinfallen sollte (Aktenzeichen 7 U 133/23).

Compact kriegt seine Bürostühle zurück

Das Bundesverwaltungsgericht hat das Verbot des „Compact-Magazins“ vorläufig für unwirksam erklärt. Die Richter ordnen die aufschiebende Wirkung der Compact-Klage gegen das von Innenministerin Nancy Faeser ausgesprochenen Vereinsverbots an. Das bedeutet, Compact darf bis zur Entscheidung in der Hauptsache weitermachen.

In der Pressemitteilung des Gerichts heißt es:

Einzelne Ausführungen in den von der Antragstellerin zu 1 verbreiteten Print- und Online-Publikationen lassen zwar Anhaltspunkte insbesondere für eine Verletzung der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) erkennen. Es deutet auch Überwiegendes darauf hin, dass die Antragstellerin zu 1 mit der ihr eigenen Rhetorik in vielen Beiträgen eine kämpferisch-aggressive Haltung gegenüber elementaren Verfassungsgrundsätzen einnimmt. Zweifel bestehen jedoch, ob angesichts der mit Blick auf die Meinungs- und Pressefreiheit in weiten Teilen nicht zu beanstandenden Beiträge in den Ausgaben des „COMPACT-Magazin für Souveränität“ die Art. 1 Abs. 1 GG verletzenden Passagen für die Ausrichtung der Vereinigung insgesamt derart prägend sind, dass das Verbot unter Verhältnismäßigkeitspunkten gerechtfertigt ist. Denn als mögliche mildere Mittel sind presse- und medienrechtliche Maßnahmen, Veranstaltungsverbote, orts- und veranstaltungsbezogene Äußerungsverbote sowie Einschränkungen und Verbote von Versammlungen in den Blick zu nehmen.

Mit anderen Worten: Nancy Faeser ist mit der Methode SEK gegen Journalisten weit über das Ziel hinausgeschossen. Es wird sicher spannend, ob der Compact-Redaktion ihre so publikumswirksam abtransportierten Büromöbel mit dem gleichen Elan wieder vor die Tür gestellt werden.

Zwischenruf kostet 300 Euro

Über die Verurteilung seines Sohnes in einem Strafverfahren war ein Mann so erbost, dass er die Urteilsverkündung des Vorsitzenden Richters am Landgericht Aachen unterbrach. Der Mann redete in die Urteilsverkündung hinein und sagte (sinngemäß), die Entscheidung sei eine Farce, das Urteil soll im Namen des Volkes ergehen, er sei schließlich auch das Volk. Wie nicht anders zu erwarten, kassierte er hierfür ein Ordnungsgeld in Höhe von 300 Euro.

Im Juristendeutsch spricht man von Ungebühr. An dem Fall ist interessant, dass der Betroffene eigentlich leicht aus der Sache herausgekommen wäre – hätte er sich die Verfahrensfehler des zuständigen Richters zu Nutze gemacht.

Der Kapitalfehler des Richters lag darin, dass er das angebliche Fehlverhalten nicht richtig protokollierte. Ein Ordnungsgeldbeschluss setzt nämlich voraus, dass die beanstandeten Äußerungen wörtlich wiedergegeben werden und auch klar gemacht wird, welche äußeren Umstände herrschten. Hiervon findet sich in dem fraglichen Ordnungsgeldbeschluss allerdings nichts. Im Protokoll heißt es lediglich, während der mündlichen Urteilsbegründung habe der Zuschauer den Vorsitzenden unterbrochen. Er sei ermahnt worden. Für den Wiederholungsfall sei ihm ein Ordnungsgeld und die Entfernung aus dem Sitzungssaal angedroht worden.

Was der Betreffende konkret gesagt hat, steht dagegen nicht im Protokoll. Das reicht nach Auffassung des Oberlandesgerichts Köln im Normalfall nicht, um einen Ordnungsgeldbeschluss zu rechtfertigen. Vielmehr ist es notwendig, dass die nächsthöhere Instanz die Entscheidung anhand des Protokolls inhaltlich überprüfen kann. Auf spätere Stellungnahmen des Richters darf nicht zurückgegriffen werden. Aber keine Regel ohne Ausnahme. Denn der Betroffene hat vergessen, sein Fehlverhalten in seiner Beschwerde gegen den Ordnungsgeldbeschluss ausdrücklich zu bestreiten. In diesem Fall wird der Wortlaut der Äußerungen dann doch nicht benötigt – so zumindest das Oberlandesgericht Köln.

Aus der Sache kann man also mitnehmen, dass man als – renitenter – „Zuschauer“ vor Gericht jedenfalls dann gute Karten hat, wenn der Richter sich nicht die Zeit nimmt, ein genaues Protokoll aufzunehmen. Man darf dann nur nicht vergessen, den Vorwurf abzustreiten. Unabhängig davon wird häufig in solchen Situationen vergessen, den Betroffenen vor Verhängung des Ordnungsgeldes anzuhören. Wie in jedem Verfahren hat man auch hier Anspruch auf rechtliches Gehör (Aktenzeichen 2 Ws 379/24).