Der Freitag, an dem niemand kommt

Der Tag nach Altweiber ist hier in Düsseldorf (und sicher auch in Köln) übrigens der Tag, für den du als Anwalt besser keine Besprechungstermine mit Mandanten vereinbaren solltest.

Das Interesse ist zwar da, weil viele an diesem Freitag frei haben. Allerdings, das weiß ich aus langjähriger: Es kommt am Ende niemand. Kein einziger. Gewissenhafte Mandanten rufen vielleicht noch an und sagen ab („Kopfschmerzen“). Von anderen hörst du frühestens am Aschermittwoch, wenn sie aus dem Koma erwachen und sich nach einem Ausweichtermin erkundigen.

Deshalb halte ich mir diesen Freitag immer wohlweislich offen. Aber natürlich auch ein bisschen, weil ja nicht absehbar ist, wie lustig es heute abend noch wird.

We speak in English

Als die Zeugin, der deutschen Sprache nicht mächtig, auf Vorladung bei der Polizei zur Vernehmung erschien, wäre das normalerweise ein Problem gewesen. Nicht aber bei Kriminalkommissarin N. Die ist so fit in der englischen Sprache, dass sie die gesamte Vernehmung auf Englisch führte – und auch so niederschrieb.

Das liest sich – auszugsweise – so:

We speak in English, ist that ok for you? … You feel good? … What did you found out? … Did your daughter told you, when this happened? … Did she told you … This is waht she told me …

Leider kann ich die richtigen Klöpse wegen des Bezugs zur Sache nicht niederschreiben, aber der anderthalbseitige Text ist wirklich eine Art Gesamtkunstwerk. Dabei wären die paar Euro für einen Dolmetscher mutmaßlich im Etat des Innenministers noch vorhanden gewesen. Und besonders eilig war die Sache nun auch wieder nicht.

Nebenbei: Die Gerichtssprache ist deutsch (§ 184 GVG). Früher oder später wird man also um eine Übersetzung ohnehin nicht herumkommen, weil kein Richter in ein Urteil reinschreiben wird, dass er sich auf eine nicht ordnungsgemäß übersetzte Zeugenaussage verlassen hat. Bis dahin freust du dich als Verteidiger schon mal über die originelle Art und Weise, mit der man ganz ohne deine Mitwirkung ein belastendes Beweismittel gründlich ruiniert hat.

Fax ans Gericht – für 4,6 Cent pro Minute

Post von einem Amtsgericht im schönen Unterfranken, datiert auf den 11.02.2020:

Eine kostenpflichtige Faxnummer bei einer Behörde? So was gab’s eine Zeitlang bei der einen oder anderen ARGE, aber bei einem Gericht habe ich das noch nicht gesehen. Auch wenn der Minutenpreis vielleicht nicht exorbitant ist, eröffnet so ein „Service“ juristisch interessante Perspektiven. Gerade im Fall von Fristversäumnissen. Denn sicherlich muss kein Rechtssuchender, der zum Beispiel Einspruch gegen einen Strafbefehl per Fax einlegen möchte, hierfür auch noch extra zahlen. Vielleicht kann er es sich auch gar nicht leisten oder nutzt einen Faxdienst, bei dem kostenpflichtige Rufnummern gar nicht gehen.

Abgesehen davon ist der Gebührenhinweis auf einen Nettobetrag natürlich ziemlich riskant. In der freien Wirtschaft würde es keine zehn Minuten dauern, bis ein Konkurrent so was abmahnt. Derartige Stutenbissigkeit ist unter Gerichten allerdings eher nicht zu erwarten.

Auf der Webseite der bayerischen Justiz wird übrigens die übliche Festnetznummer als Faxadresse genannt.

Bosbachs Freundschaftsdienst

Für Rücktrittsforderungen sorgt eine private Gefälligkeit, mit welcher der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach einem bekannten Sportreporter aus der Patsche geholfen haben soll.

Der Journalist hatte Bosbach erzählt, er habe am Vortag unter Alkoholeinfluss einen Autounfall mit erheblichem Sachschaden gebaut, jetzt wolle der Geschädigte 20.000 Euro von ihm, um die Polizei rauszuhalten. Bosbach borgte dem Reporter 5.000 Euro, bekam diese aber nicht wieder. Mittlerweile hat Bosbach den Reporter angezeigt, weil er davon ausgeht, dass dieser sich das Geld erschwindelt hat – den Unfall hat es womöglich nicht gegeben. Näheres kann man in der Welt nachlesen.

Wenn Bosbach erst am Tag nach dem Unfall eingeweiht wurde, hat er sich jedenfalls nicht selbst strafbar gemacht. Wer nach einer möglichen Tat von dieser erfährt, muss gar nichts machen. Es gibt keine Anzeigepflicht für geschehene Straftaten, nur für geplante (§ 138 StGB). Für eine Strafvereitelung reicht es auch nicht. Die Gewährung eines Darlehens zur Abwendung juristischer „Probleme“ ist noch ein sozialüblicher Vorgang. Das gilt jedenfalls so lange der Darlehensgeber ansonsten nicht involviert ist. Was Bosbach offenbar nicht war.

Eine andere Dimension ist natürlich die Politische. Bosbach ist in Nordrhein-Westfalen Vorsitzender der sogenannten Sicherheitskommission, die unter anderem Maßnahmen gegen die Organisierte Kriminalität ausarbeitet. Da mag es schon eine Rolle spielen, dass sowohl die Alkoholfahrt als auch die Gefährdung des Straßenverkehrs (als solche kann ein fahrlässig begangener Vekehrsunfall durchaus eine strafbare Sachbeschädigung sein) keine Antragsdelikte sind. Das heißt, im Ergebnis kann der staatliche Strafanspruch auch mit freundlicher Unterstützung des Politikers ins Leere gelaufen sein. War das noch ein Freundschaftsdienst oder schon anrüchige Kungelei? Über einen Rauswurf Bosbachs wird wohl letztlich der NRW-Ministerpräsident entscheiden.

Kräftig sparen mit Schwarzarbeit …

Schwarzarbeit ist im wahrsten Sinne des Wortes Vertrauenssache, und der Auftraggeber sitzt in den allermeisten Fällen am längeren Hebel. Das zeigt ein Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf. Die Richter verwehren einem Bauunternehmer 275.000 Euro Honorar, weil dieser Geld am Finanzamt vorbeischleusen wollte.

Während der Arbeiten hatte der Unternehmer seinen Kunden per WhatsApp gebeten, Zahlungen auf zwei Konten aufzuteilen – „damit nicht so viel an die Augen von F?. kommt“. Mit „F?“ sei das Finanzamt gemeint gewesen, befinden die Richter. Eine Schwarzgeldabrede habe aber die zwingende Folge, dass der Lohnanspruch des Auftragnehmers erlischt. Der Kunde, der dem Gericht die Nachricht präsentierte, muss also schon deswegen nichts zahlen.

Aber auch für den Auftraggeber hat eine Schwarzgeldabrede Nachteile. So erlischt meist das Gewährleistungsrecht, das heißt bei Mängeln schaut der Kunde in die Röhre (Aktenzeichen I-21 U 34/19).

Nur Werbung soll „Werbung“ sein

Influencer haben seit geraumer Zeit das Problem, dass praktische jede ihrer Äußerungen unter Generalverdacht steht. Dem der bezahlten Werbung, die als solche gekennzeichnet sein muss. Die Sorge vor Abmahnungen und Gerichtsverfahren führt nun schon seit längerem dazu, dass Influencer oft einfach alle Beiträge als Werbung kennzeichnen. Darin erkennt das Bundesjustizministerium einen Missstand – und möchte gegensteuern.

„Die Meinungsfreiheit gilt selbstverständlich auch für Influencer“, heißt es aus dem Ministerium. Auch Influencer hätten das Recht, zu informieren und an der Meinungsbildung mitzuwirken, ohne sich als käuflich darstellen zu müssen, obwohl sie überhaupt kein Geld erhalten haben. Deshalb soll eine Klarstellung in das Gesetz eingefügt werden, wonach Beiträge auf Social Media nur dann als Werbung gelten, wenn tatsächlich Geld oder geldwerte Leistungen geflossen sind. Im Zweifel sollen Influencer zum Beispiel durch eine Bestätigung des vermeintlichen Werbepartners belegen können, dass sie nicht bezahlt wurden.

Das Ministerium sieht auch Vorteile für die User, denn diese könnten echte Werbung dann auch wieder leichter erkennen. Der Gesetzentwurf ist noch in der Startphase. Er soll zunächst diskutiert werden.

Was man nicht so alles in Kauf nimmt

Falls ihr einen Torserver betreibt, wird euch die folgende Geschichte interessieren. Und möglicherweise etwas Angst einjagen. Falls das der Fall ist, lest bitte bis zum Ende. Dort wartet eine Art Happy End.

Die Anklage legte meinem Mandanten folgendes zur Last:

Der Angeschuldigte … betrieb … einen Tornetzwerkserver. … Über diesen Service des Angeschuldigten stellten unbekannt gebliebene Nutzer an vier verschiedenen Zeitpunkten kinderpornografische Videodateien auf der Plattform 4chan.org für die Öffentlichkeit im Internet zur Verfügung.

Dem Angeschuldigten war in allen Fällen bewusst, dass die Nutzer des Tornetzwerks dieses und seine Server auch zur Verbreitung und Beschaffung kinderpornografischer Dateien nutzen, was er in Kauf nahm.

Ich habe schon im Vorfeld darauf hingewiesen, dass man mit dieser Argumentation auch die Verantwortlichen von Vodafone, Telekom, 02 und unzählige weitere Internetdienstleister wegsperren müsste. Weniger polemisch erlaubte ich mir darauf hinzuweisen, dass genau deshalb in diversen Gesetzen ein Providerprivileg festgeschrieben ist. Es folgten die Gesetzestexte.

Doch die Anklagebehörde blieb stur, das Amtsgericht ließ die Anklage zu. Es gab insgesamt drei Verhandlungstage, wobei das Amtsgericht immerhin schon am zweiten Tag durchblicken ließ, dass die Auffassung der Verteidigung der geltenden Rechtslage wohl eher gerecht wird als die der Staatsanwaltschaft. Es wäre deshalb auf einen Freispruch hinausgelaufen.

Dumm nur für den Mandanten, dass er wegen dieser Sache eine Hausdurchsuchung hatte – und bei der Gelegenheit wurde was Belastendes gefunden, das mit dem Torserver nichts das Geringste zu tun hat. Für den Mandanten war die Einstellung des Verfahrens zu sehr sozialverträglichen Konditionen dann letztlich attraktiver als ein glorreicher Teilfreispruch wegen Tor und eine Verurteilung wegen der anderen Sache. Insofern hat er aus guten Gründen darauf verzichtet, einen Präzedenzfall zu schaffen. Wobei er nach so langer Zeit auch einfach mal wieder Ruhe haben wollte. Die Geschichte hat jetzt rund drei Jahre an seinen Nerven gezehrt, und nicht zuletzt auch an seinem Geldbeutel.

Ein Blick ins Gesetz … ist nicht immer leicht

Gerade die Bitte eines Mandanten hier aus dem Land erfüllt, ihm einen Gesetzestext in den Knast zu schicken:

das Untersuchungshaftvollzugesetz Nordrhein-Westfalen (UVollzG NRW)

In der Bibliothek der Anstalt, wo er gerade in Untersuchungshaft sitzt, gibt es nur eine Ausgabe der Vollzugsvorschriften aus dem Jahr 1985. Diese Fassung ist, vorsichtig formuliert, nicht mehr ganz aktuell. Auch auf Nachfrage hin sah sich niemand in der Anstalt in der Lage, den Mandanten mal ins Gesetz schauen zu lassen.

Der Rechtsstaat bewährt sich auch im Kleinen. Falls das wider Erwarten noch niemand so gesagt hat, tue ich es einfach mal.

Where ist the money?

Freiheitsstrafe mit Bewährung. Freiheitsstrafe ohne Bewährung. Die Scheidelinie ist oft sehr schmal, und es ist vor Strafgerichten ja sowieso viel Bewertungssache. Wie man es auch macht, man muss aber in jedem Fall bei der Entscheidung aufpassen, dass wenigstens die richtigen Maßstäbe angelegt werden.

Zu erleben war das sehr praktisch vor dem Jugendschöffengericht. Angeklagt war ein junger Mann. Er soll seine Mutter bestohlen haben. Wir reden nicht über 500 Euro, sondern über mehrere hunderttausend. Unklar ist, ob der Angeklagte noch große Teile des Geldes hat. Oder ob es weg ist. Die Staatsanwältin vertritt wenig überraschend die Auffassung, das Geld sei noch irgendwo – und deshalb müsse der Angeklagte in den Knast. Nicht nur aus diesem Grund, aber eben auch. Wenn der Angeklagte sage, wo das Geld ist, dann könne man ja auch über Bewährung nachdenken. So – stark gerafft – ihre Meinung.

Das Gericht sah es dann glücklicherweise deutlich anders. „Wir können den Angeklagten nicht bloß deshalb einsperren, weil er nichts über den Verbleib der Beute sagt, wenn er diese denn noch hat“, hörten wir richtigerweise im Urteil. So was wie eine Erzwingungshaft zu verhängen, sei nicht ihre Aufgabe. Siehe auch das Gesetz, das so was schlicht nicht vorsieht.

Im übrigen, so die Richterin, stelle sich dann ja auch die Frage, wie lange man jemanden aus so einem Grund einsperren kann. Ein Jahr? Zwei, drei – oder gleich lebenslang. Es sei nun mal so, dass zum Beispiel Bankräuber ihre Haft absitzen – und dann munter die damalige Beute irgendwo ausgraben.

Diese nüchterne Sicht der Dinge war nicht nur angenehm, sondern auch wohltuend für den Mandanten. Während die Staatsanwaltschaft ihn ziemlich lange hinter Gitter sehen wollte, wurde die Verhängung einer Jugendstrafe lediglich vorbehalten. Das ist eine spezielle Form der Bewährung. Für das milde Urteil gab es natürlich viele andere gute Gründe, insbesondere eine extrem verkorkste familiäre Situation.

Falls mein Mandant doch noch was von dem Geld hat – was ich nicht weiß – sollte er aber auf jeden Fall die Finger davon lassen. Die vom Ergebnis der Verhandlung mutmaßlich etwas verschnupfte Staatsanwaltschaft wird sicher dafür sorgen, dass die Kripo ihn in nächster Zukunft fest im Blick behält.

Wenn die UmP mit der UwP …

Meine Mandantin hatte das schöne Erlebnis einer Hausdurchsuchung. Ihr einziges Vergehen: Sie hat jemanden nicht zurückgerufen. Hätte sie zurückgerufen, wäre sie aber erst recht nicht von einer Hausdurchsuchung verschont geblieben. Sozusagen eine lose-lose Situation, und zwar eine erster Güte.

Passiert ist folgendes. In Hessen ermittelt eine Sonderkommission gegen türkische Verdächtige, die sich am Telefon als Polizeibeamte ausgeben und Senioren um ihre Barschaft bringen. Bei den Ermittlungen wurde eine Handynummer überwacht. Allerdings weiß man nicht, wer das Handy am fraglichen Tag genutzt hat. Fest steht nur, dass der damalige Nutzer („unbekannte männliche Person, UmP“) an einem Spätsommertag im Jahr 2018 auf einer Handynummer angerufen hat, die auf meine Mandantin registriert ist.

Das Gespräch verlief eher einseitig. Die UmP soll zu ihrer Gesprächspartnerin („unbekannte weibliche Perso, UwP“) gesagt haben, diese solle sich schnellstmöglich auf der angezeigten Nummer melden. Aus dem Gesprächsinhalt lässt sich schließen, dass die weibliche Stimme die türkischsprachige Mobilfunkansage bei Nichterreichbarkeit gewesen sein dürfte, die meine Mandantin seinerzeit über ihren Provider aktiviert hatte. Denn jemanden, der drangeht, um schnellstmöglichen Rückruf zu bitten, macht jetzt ja nicht unbedingt Sinn. Ich kann in diesem Punkt derzeit aber auch nur spekulieren, denn die Audio-Datei haben die hessischen Beamten ebenso wenig an ihre Kollegen in NRW weitergeleitet wie ein Wortprotokoll des Anrufs.

Sich für solche unbedeutenden Details interessiert hat sich hier in NRW aber bislang auch niemand.

Fakt ist jedoch, das mutmaßlich sehr einseitige „Gespräch“ hat stolze 18 Sekunden gedauert, und neben dem „Rückruf“ gab es kein anderes Thema. Fakt ist weiter, meine Mandantin oder der tatsächliche Nutzer ihres Handys haben nicht zurückgerufen. Am Folgetag wiederholte sich das Spiel noch mal. Wiederum kein Rückruf. Anzeichen für ein Gespräch zu irgendeinem Thema: null.

Was die hessischen Kommissare aber nicht daran hindert zu spekulieren, der Anruf von der überwachten Rufnummer könne ja dazu gedient haben, meine türkischstämmige Mandantin als Helferin bei einem Polizeitrick anzuwerben. Oder, noch schlimmer, meine Mandantin stecke mit der Gang längst unter einer Decke.

Die Akte füllte sich dann mit einigen weiteren Spekulationen und Mutmaßungen. Die gravierendste Erkenntnis dürfte sein, dass gegen meine Mandantin vor drei Jahren mal wegen Unfallflucht nach einem Bagatellunfall ermittelt wurde. Aber hey, irgendwie findet sich immer ein Richter, der sein Autogramm auch unter solch einen windigen Durchsuchungsantrag setzt. Gefunden wurde bei der Durchsuchung letztlich nichts. Weder in der Wohnung noch auf (allen) elektronischen Geräten der Mandantin.

Dass der Anrufer sich verwählt haben könnte, kam übrigens niemanden in den Sinn.

Wer zahlt den Hausmeisternotdienst?

Wohnungsmieter müssen meist die Hausmeisterkosten tragen. Wie weit die Verpflichtung allerdings wirklich reicht, musste jetzt der Bundesgerichtshof klären. Die Mieter im entschiedenen Fall sollten nämlich auch eine „Notdienstpauschale“ dafür zahlen, dass der Hausmeister außerhalb der normalen Bürozeiten Schadensmeldungen entgegennimmt und eventuell Fachfirmen beauftragt.

Dafür bekam der Hausmeister insgesamt 1.199,52 € extra pro Jahr. Der betroffene Wohnungsmieter sollte davon 102,84 € tragen. Dazu ist er aber nicht verpflichtet, urteilt der Bundesgerichtshof. Der Notdienst beziehe sich an sich auf normale Verwaltungstätigkeiten. Was sich schon daran zeige, dass während der normalen Öffnungszeiten Schadensmeldungen regelmäßig an die Verwaltung gehen – ohne dass diese den zusätzlichen Aufwand berechnen darf.

Der Notdienst sei damit insgesamt eher der Sphäre des Hauseigentümers zuzuordnen und somit nicht umlagefähig. Diese Klarstellung des Bundesgerichtshofs könnte für viele Mieter bares Geld bedeuten. Sehr viele Gerichte haben in der Vergangenheit nämlich anders entschieden und die Kosten für den Hausmeisternotdienst als umlagefähig angesehen. Das wird nach der Grundsatzentscheidung nicht mehr möglich sein (Aktenzeichen VIII ZR 62/19).

Haftstrafen für Hanfblütentee

Zwischen 10 und 17 Prozent beträgt der THC-Gehalt bei „normalen“ Gras. Auch weniger ist sicher ausreichend für ein gewisses Rauscherlebnis – aber 0,2 Prozent? Das ungefähr war der Wirkstoffanteil bei einem „Hanfblütentee“, den die Hanfbar in Braunschweig wohl rege verkaufte. Das brachte die Betreiber nun auf die Anklagebank.

Der Hanfblütentee wurde aus unverarbeiteten Cannabisblüten und -blättern gewonnen. Diese bezogen die Geschäftsleute aus dem Ausland und gingen wohl davon aus, dass sie sich auf eine Ausnahmevorschrift im Betäubungsmittelgesetz berufen können. Danach fällt Cannabis nicht unter das Betäubungsmittelgesetz, wenn der THC-Gehalt unter 0,2 Prozent liegt. Aber das ist nur die eine Voraussetzung. Zudem dürfen nur „gewerbliche oder wissenschaftliche Zwecke“ verfolgt werden und ein Missbrauch zu Rauschzwecken muss ausgeschlossen sein.

Den Begriff der Gewerblichkeit legt das Landgericht Braunschweig eng aus. Damit sei nur ein Verkauf an andere Gewerbetreibende zulässig, etwa an die Hersteller von Textilien. Nicht jedoch der Verkauf an Endverbraucher. Außerdem stützt sich das Gericht auf zwei Gutachten, die eine gewisse Gefährdung durch den Hanfblütentee nicht ausschließen wollten.

Auch wenn insgesamt nur wenige Gramm THC in den Verkehr gelangten, erhielten die Betreiber der Hanfbar Haftstrafen – neun Monate und sieben Monate. Immerhin auf Bewährung (Aktenzeichen 4 KLs 5/19).

Hundegebell – rund um die Uhr

Auch Hundegebell ist Lärm und kann dazu führen, dass die Ordnungsbehörden einschreiten. Wie im Fall eines Tierhalters, der sechs oder auch mal mehr Hunde auf seinem Grundstück hielt. Die Tiere kläfften praktisch rund um die Uhr so laut, dass die Behörde ein totales Bellverbot verhängte, und zwar für die Zeit von 22 bis 6 und zwischen 13 und 15 Uhr. Außerdem durfte das Bellen auch zu anderen Zeiten nur maximal 60 Minuten dauern. Zu Recht, urteilt das Verwaltungsgericht Trier.

Das Gericht sieht in dem fortdauernden Hundelärm eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Die Ruhemöglichkeiten der Nachbarn würden beeinträchtigt, das könne auch zu gesundheitlichen Problemen führen. Gelegentliches Bellen einzelner Hunde sei zwar sozial üblich, nicht aber eine Lärmbeeinträchtigung durch etliche Hunde praktisch rund um die Uhr.

Der Hundehalter könne selbst entscheiden, wie er den Lärm durch seine Tiere abstellt. Im entschiedenen Fall war es ihm wohl möglich, die Tiere woanders unterzubringen (Aktenzeichen 8 L 111/20.TR).

Harte Strafe, milde Strafe

Zwei Juristen, drei Meinungen. An diese tiefere Erkenntnis musste ich gleich denken, als das Urteil eines Landgerichts auf den Tisch bekam.

Der Mandant hatte sich angeblich zahlreiche Kredite erschwindelt, darunter von engen Freunden. Bei der Strafzumessung wertete es das Gericht ausdrücklich als strafschärfend, „dass der Angeklagte … freundschaftliche Beziehungen ausgenutzt hat“. Ich dagegen hatte die Sache schon in meinem Plädoyer ganz anders gesehen. Denn das Näheverhältnis machte es meinem Mandanten doch eher leichter, an das Geld zu kommen. Von daher war ich der Meinung, deswegen müsse die Strafe gemildert werden.

Also schon mal zwei Meinungen. Wobei es mich überraschte, dass das Landgericht in seinem Urteil tatsächlich nur den zitierten Satz fand, um die strafschärfende Wirkung auch zu „begründen“. Den Richtern hätte ja klar sein müssen, dass ich diese dürftige Ausführung in der Revision hinterfrage. So kam es auch, und nun liefert das Oberlandesgericht Hamm in seinem Beschluss folgende Gebrauchsanweisung:

Bei Straftaten, bei denen der Täter das ihm von dem Opfer entgegengebrachte Vertrauen missbraucht, kann die Tat einerseits als besonders verwerflich und eine Strafschärfung angezeigt erscheinen lassen. Andererseits kann der Umstand, dass eine Vertrauensseligkeit des Opfers die Tat erleichtert hat, Anlass dafür sein, die Tat milder zu beurteilen, namentlich, wenn den Täter eine günstige Gelegenheit, die nicht auf ihn zurückgeht, zur Tat verleitet hat.

Nahe Beziehungen zum Opfer sind für den Täter daher nicht stets belastend, sondern können sich ebenso strafmildernd auswirken. In jedem Fall ist es … notwendig, nicht nur Feststellungen zu der jeweiligen Beziehung zu treffen, sondern insbesondere auch dazu, dass diese konkrete Beziehung von dem Angeklagten bei der Tatbegehung ausgenutzt wurde.

Genau zu diesen Punkten sagt das Urteil aber kein Wort. Das wäre sozusagen schon ein Selbstläufer für die Revision gewesen. Allerdings sind die Anmerkungen des Gerichts wohl eher als eine Leitlinie für die Neuverhandlung gedacht. Aufgehoben wurde das Urteil schon aus anderen, ebenfalls reichlich bizarren Gründen. Aber dazu vielleicht ein anderes Mal.

Absperrkette muss auch nachts erkennbar sein

In sicherlich jeder Stadt gibt es Absperrketten am Straßenrand, meist in dezenter, auch durch Abgase und Dreck geförderter Grautönung. Seit jeher sind diese Ketten eine beliebte Falle für Radfahrer und Fußgänger. Jetzt beschäftigte sich das Landgericht Nürnberg-Fürth mit einem Unfall an einer solchen Kette. Ergebnis: Graue Ketten gehen gar nicht, diese müssen vielmehr andersfarbig sein und sich dadurch deutlich vom Straßenbelag abheben.

Geklagt hatte ein Achtjähriger, der bei Dunkelheit über die Straße laufen wollte, weil sein Vater auf der gegenüberliegenden Seite einen Parkplatz suchte. Der Junge schaute noch, dass kein Auto kommt. Dann rannte er aber mit voller Wucht in die Kette, stürzte und verletzte sich schwer. Von der Stadt verlangte er Schmerzensgeld.

Bei einem Ortstermin stellten die Richter fest, dass sich die graue Kette bei Dunkelheit nur schwer vom ebenfalls grauen Straßenbelag abhebt. Damit verletze die Stadt ihre Verkehrssicherungspflicht, denn sie müsse dafür sorgen, dass die Sperrung des Überwegs deutlich erkennbar ist. Allerdings erkennen die Richter ein Mitverschulden des Kindes von 50 %, weil es schlicht zu schnell gerannt sei. Der Vater habe den Jungen aber nicht an die Hand nehmen müssen. Achtjährige müssten nämlich in Richtung Selbständigkeit erzogen werden (Aktenzeichen 4 O 662/19).