Nur noch in der Zelle

Das Amtsgericht Düsseldorf schließt, wie so viele Gerichte, weitgehend seine Pforten. Haftsachen werden aber weiter bearbeitet. Was viele meiner (künftigen) Mandanten sicher für verantwortungslos halten.

Aber Scherz beiseite, auch im Hausgefängnis brechen neue Zeiten an. Der Anwalt wird Festgenommenen definitiv noch nicht verweigert. Aber für uns Anwälte heißt es etwas zusammenrücken – mit den eigenen Mandanten. Ich zitiere aus der Anordnung des Gerichts:

Der Besprechungsraum in der Haftabteilung wird geschlossen. Ggf. notwendige Besprechungen müssen daher in der Zelle durchgeführt werden.

Ab sofort also gefahrgeneigte Arbeit, sozusagen.

Sportstudio zu, Beitrag läuft weiter?

Auf Grund der strengen behördlichen Anweisungen in Zeiten der Coronakrise finden momentan so gut wie keine kulturellen oder sonstigen Veranstaltungen mehr statt. Fällt die einmalige Veranstaltung, zum Beispiel ein Konzert oder Theaterstück, aus, kann man vom Veranstalter den Ticketpreis zurückverlangen. Insoweit ist die Rechtslage klar.

Wie sieht es aber bei Mitgliedschaften mit Laufzeit aus, zum Beispiel im Fitnessstudio oder beim Kochkurs? Diese sind ja auch vom Shutdown betroffen, der sich wohl heute noch einmal verschärfen wird.

Juristisch gilt Folgendes: Pausiert die Mitgliedschaft notgedrungen, handelt sich auch ohne Verschulden des Anbieters um einen Fall der sogenannten „Unmöglichkeit“ (§ 275 BGB). Da KundInnen nicht für diese Unmöglichkeit verantwortlich sind, entfällt der Anspruch der Betreiber auf Zahlung (§ 326 BGB).

Das sehen Anbieter natürlich eher ungerne und kommen auf kreative Ideen. Die bundesweit größte Fitnesskette RSG Group (McFit, John Reed) hat bereits ein Statement veröffentlicht. Danach soll die gesamte Dauer der jetzigen Schließung am Ende der Mitgliedschaft beitragsfrei ersetzt werden. Mit anderen Worten: Der Kunde soll den jetzigen Ausfall erst einmal selbst tragen und kriegt am Ende den zeitlich entsprechenden Beitrag erlassen. McFit will sich die Krisenkosten also vom Kunden stunden lassen. Darauf kann man sich einlassen, muss es aber nicht, denn auch für Fitnessclubs gelten die klaren gesetzlichen Regeln, die da lauten: „Kein Geld ohne Leistung.“

Für den Kunden bedeutet so ein Vorschlag nun zusätzlichen Aufwand. Er muss sich beim Studio beschweren und auf anteilige Erstattung pochen. Wer weniger Lust auf nervige Diskussionen hat und die Sache nicht aus den Augen verlieren will, kann jeweils am Monatsende zu viel abgebuchte Beiträge bei der Bank zurückbelasten lassen. Das geht im Lastschriftverfahren problemlos. Und das Studio dürfte schon ahnen, warum zurückgebucht wird.

Einen kundenfreundlicheren Weg geht beispielsweise der Urban Sports Club, über den man in einer Vielzahl von Studios trainieren kann. Kunden können dort mit sofortiger Wirkung eine Corona-Pause aktivieren. Der Urban Sports Club sagt zu, dass nichts bezahlt werden muss, so lange in der Region des Kunden die Sportstudios behördlich geschlossen sind.

Vertragspause ist ohnehin ein gutes Stichwort. Genau diese Vertragspause sehen nämlich mittlerweile viele Sportstudios vor, um im Wettbewerb bestehen zu können. Gut möglich also, dass sich im Kleingedruckten ein eleganter Weg versteckt, um ohne großen Begründungsaufwand nicht mit den monatlichen Kosten belastet zu werden.

Auch bei Dauerkarten, etwa für den Fußball, gilt das oben Gesagte. Man kann das gezahlte Geld für die Saison anteilig zurückverlangen, wenn bestimmte Spiele nicht stattfinden. So sieht es auch die Verbraucherzentrale.

Allerdings: Gerade bei Veranstaltungen aus dem Kleinkunstbereich oder beim inhabergeführten Sportstudio um die Ecke kann man sich auch überlegen, ob man das bereits gezahlte nicht lieber als Investition in die hoffentlich rosige Zukunft sieht, indem man etwas finanziellen Druck von den Anbietern nimmt. Dabei sollte man aber auch ins Auge fassen, ob die betreffenden Unternehmen auch ihren oftmals „freien“ und nun beschäftigungslosen Mitarbeitern (z.B. Trainer, Servicekräfte) angemessen unter die Arme greifen. RAin Jennifer Leopold

Ruf! Sofort! An!

Wenn eine dringlich klingende E-Mail bei uns eingeht, kontaktieren wir die (potenziellen) MandantInnen natürlich umgehend, um das weitere Vorgehen abzusprechen. Heute erreichte uns so eine Rückrufbitte. Die juristische Angelegenheit schien – so klang zumindest die Telefonnotiz – mit großen finanziellen sowie gesundheitlichen Folgen verbunden. Kurz gesagt: Weltuntergang.

Also nahm ich sogleich den Hörer in die Hand und wählte die mitgeteilte Rufnummer. Die nun folgende automatische Ansage hatte ich so vorher auch noch nicht gehört:

Der gewünschte Gesprächspartner möchte zur Zeit keine Anrufe entgegennehmen. Bitte haben Sie dafür Verständnis.

Verständnis habe ich sicherlich, aber dann wird die Angelegenheit vielleicht auch nicht ganz so dringend gewesen sein. Mal sehen, ob und wann der Anrufer wieder zu Gesprächen aufgelegt ist. RAin Jennifer Leopold

Widerrufsrecht gilt auch für Bahncard

Falls ihr wegen Corona derzeit keine Verwendung für eure Bahncard habt oder ihr in die beliebte Verlängerungsfalle getappt seid, wird euch dieses Urteil des Europäischen Gerichtshofs interessieren. Alle Kunden, welche die Bahncard online gekauft haben, genießen ein Widerrufsrecht – und müssen hierüber informiert werden.

Bislang ging die Bahn davon aus, dass auch für die Bahncard Sonderregelungen gelten. Diese Vorschriften schließen das gesetzliche Widerrufsrecht bei Zug- und Bustickets aus, aber auch bei Zeitungsabos, Konzertkarten etc. Doch die Bahncard ist kein Zugticket, sondern eine Rabattkarte, befindet der Europäische Gerichtshof. Eine Rabattkarte sei im Ergebnis ein „Dienstleistungsvertrag“. Folge: Das gesetzliche Widerrufsrecht gilt auch für die Bahncard.

Geklagt hatte die Verbraucherzentrale Berlin. Das Oberlandesgericht Frankfurt hatte den Europäischen Gerichtshof um eine Vorabentscheidung gebeten. Da diese eindeutig ausfällt, wird der Bahn kaum etwas übrig bleiben, als das Widerrufsrecht für die Bahncard anzuerkennen. Da Kunden bislang nicht über ihr Widerrufsrecht belehrt wurden, ist ein Widerruf grundsätzlich noch möglich. Denn die Frist hierfür beginnt erst mit der rechtlich einwandfreien Belehrung (Aktenzeichen C-583/18).

Kölner Polizei muss bei Demo Kameras verhüllen

Fest installierte Überwachungskameras der Polizei müssen bei Demonstrationen verhüllt werden. So sieht es jedenfalls das Verwaltungsgericht Köln in einem Eilbeschluss. Konkret ordnet das Gericht an, dass die fest installierten Überwachungskamera am Wiener Platz in Köln bei der für morgen (14.03.) geplanten „Demonstration gegen Repression“ abgedeckt werden.

Die Kameras haben an sich nichts mit der Demonstration zu tun. Die Kölner Polizei fährt seit Dezember 2019 auf dem Wiener Platz eine durchgehende Überwachung im Rahmen der Kriminalitätsbekämpfung. Die Polizei war bereit, die Kameras für die Dauer der geplanten Zwischenkundgebung auf dem Wiener Platz abzuschalten, weil, so sieht es auch die Polizei, friedliche Demonstranten regelmäßig nicht vorsorglich gefilmt werden dürfen. Auf die Zusage mochten die Veranstalter jedoch nicht vertrauen und verlangten den Abbau der Kameras, hilfsweise deren Verhüllung.

Beim Verwaltungsgericht Köln fanden die Ausrichter Gehör. Schon die Möglichkeit staatlicher Beobachtung wirke abschreckend und einschüchternd auf Versammlungsteilnehmer, heißt es in dem Beschluss. Für Demonstranten sei nicht erkennbar, ob die Kameras ausgeschaltet seien. An der faktischen Wirkung ändere die Zusage der Polizei nichts.

Die Polizei hatte argumentiert, die Verhüllung der Kameras sei eine „kaum zu bewältigende logistische Herausforderung“, immerhin müsse ein Hubwagen angemietet werden. Der Aufwand und die Kosten wiegen aber keinesfalls schwerer als das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit, so das Gericht. Dass die Kameras auch nach der Demo noch einige Zeit außer Betrieb bleiben, müsse ebenfalls hingenommen werden. Die Polizei habe ja die Möglichkeit, auch anders für Sicherheit auf dem Wiener Platz zu sorgen, etwa durch verstärkte Streifen.

Eine sehr grundrechtsfreundliche Auffassung, die das Verwaltungsgerichts Köln hier vertritt. Die große Frage ist, ob sie von anderen Gerichten geteilt wird (Aktenzeichen 20 L 453/20).

Wetterinfos gibt’s nicht gratis

Der Deutsche Wetterdienst (DWD) darf in seiner App „WarnWetter“ zwar vor Unwettern warnen, aber nicht gleichzeitig kostenlos detaillierte Wetterberichte und Hintergrundinformationen zum „normalen“ Wetter anbieten. Auf die Klage eines privaten Wetterdienstes verbot der Bundesgerichtshof das kostenlose Angebot.

Geklagt hatte die WetterOnline GmbH. Die Firma fürchtet um ihr Geschäftsmodell, denn sie bietet ihre Wetterinfos mit Werbefinanzierung oder als Bezahl-App an. Das Angebot des DWD, einer Behörde, sah die Firma als unlautere Konkurrenz. Zu Recht, befindet der Bundesgerichtshof.

Der Wettbewerbssenat verweist auf die klare Rechtslage: Nach dem Deutschen Wetterdienstgesetz (DWDG) muss der Wetterdienst grundsätzlich eine Gebühr für seine Dienstleistungen verlangen. Davon ausgenommen sind, aus gutem Grund, lediglich Unwetterwarnungen. Mit einer kostenlosen Wetter-App, die weit mehr bietet als Warnungen, überschreite der DWD seine gesetzliche Befugnis. Die Einschränkungen hätten gerade auch den Sinn, private Mietbewerber vor staatlicher Konkurrenz zu schützen. Dementsprechend muss sich der DWD auch künftig auf Wetterwarnungen beschränken und für weitere Infos Kosten berechnen (Aktenzeichen I ZR 126/18).

Fehlende Begründungstiefe

Für eine Welle der Empörung sorgte der Tod eines (nicht im Dienst befindlichen) Feuerwehrmannes auf dem Augsburger Weihnachtsmarkt. Eine Zeitlang schien es, als sei er von sieben Personen gemeinsam und grundlos totgeprügelt worden. Doch der Fall hat deutlich mehr Nuancen als gedacht. Das zeigt jetzt auch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu Untersuchungshaft eines Mit-, nicht des Hauptverdächtigen.

Nachdem das Amtsgericht Augsburg die jungen Männer in Untersuchungshaft geschickt hatte, wertete das Landgericht die Sache völlig anders: Es konnte wenigstens in Bezug auf die Personen, die definitiv nicht tödlich zugeschlagen haben, keinen dringenden Tatverdacht erkennen – auch nicht auf Beihilfe zum Totschlag. Diese Entscheidung revidierte das Oberlandesgericht München, es ließ wiederum alle Beschuldigten verhaften.

Hiergegen erhob einer der Beschuldigten nun Verfassungsbeschwerde und erzielte einen Teilerfolg. Die Karlsruher Richter sehen in dem Beschluss des OLG München nicht nur krasse Bewertungs-, sondern auch handfeste handwerkliche Fehler; sie ordnen deshalb eine Neuprüfung an.

Das OLG München weigerte sich in seiner Haftentscheidung recht deutlich, die einzelnen Tatbeiträge der Beteiligten zu prüfen. Vielmehr stellten die Richter ein „besonderes gruppendynamisches Gepräge des Taggeschehens in den Vordergrund“. Sie konstatieren anhand der Videoaufnahmen, die sieben Verdächtigen seien „in einer provozierenden und bedrohlich wirkenden Weise als Gruppe aufgetreten“, eine „Zerlegung des Geschehens in zahlreiche Einzalakte individueller Verdächtiger“ werde dem Tatbild nicht gerecht.

Das sieht das Verfassungsgericht deutlich anders. Die Richter weisen darauf hin, der Tatverdacht müsse für jeden Beschuldigten individuell geprüft werden. Voraussetzung sei eine konkrete Tat oder Tatbeteiligung des Beschuldigten. Die physische Präsenz an einem Tatort reiche keinesfalls aus. Hinsichtlich einer Tat des Beschwerdeführers fehle es in dem Beschluss des Oberlandesgerichts aber an jeder tragfähigen Feststellung – obwohl es ja Videaufnahmen gibt. Auf diese nimmt das Oberlandesgericht aber nur pauschal Bezug, aber nur zum Nachteil des Inhaftierten.

Recht deutlich sprechen die Karlsruher Richter hier von einer fehlenden „Begründungstiefe“. Das ist eine mehr als deutliche Kritik, weil sich natürlich die Frage anschließt, ob die Münchner Richter vielleicht an der Begründung deswegen gespart haben, um das gewünschte Ergebnis nicht zu gefährden.

Das Oberlandesgericht München muss nun erneut über die Haftfrage entscheiden – und dabei die Rechtsauffassung des Bundesverfassungsgerichts berücksichtigen (Aktenzeichen 2 BvR 103/20).

Gerichtstermin? Maske!

Wer am Amtsgericht Hagen bei der 10. Zivilabteilung einen Verhandlungstermin hat, der versucht wohl besser, eine (seit Tagen ausverkaufte) Atemschutzmaske herbei zu schaffen: Ein Richter besteht nämlich auf das Tragen derselbigen in seinem Gerichtssaal.

Die möglichen Rechtsfolgen, die einen bei der Weigerung erwarten, sind tatsächlich interessant. Ebenso wie die Frage, ob diese Verfügung wohl noch von der sitzungspolizeilichen Gewalt des Vorsitzenden gemäß § 176 GVG getragen werden kann und was die Beteiligten tun sollen, wenn sie nicht zur Gruppe der „Prepper“ gehören und entsprechend unvorbereitet ohne Atemschutzmaske zum Termin erscheinen müssen.

Von KollegInnen hört man, dass der Richter aber tatsächlich im Ernstfall bereit ist, Masken aus seinem persönlichen Vorrat zur Verfügung zu stellen. Die Frage ist nur, wie lange der jetzt noch reicht und natürlich auch, ob Anwälte bereit sind, das Angebot dankend anzunehmen. Beklagtenvertreter haben es am Zivilgericht ja meist eher nicht eilig. Zumindest für sie dürfte die Perspektive einer Vertagung bis auf weiteres durchaus verlockend sein. RAin Jennifer Leopold

Vielen Dank an den Kollegen Rechtsanwalt Botsaris für das Foto.

Bitte richtig rechnen

Wer länger Krankengeld bezieht, wird sich vielleicht für dieses Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf interessieren. Eine Krankenkasse hatte dem Versicherten weiteres Krankengeld versagt, weil dieser die Folgebescheinigung über seine Arbeitsunfähigkeit angeblich einen Tag zu spät eingereicht hatte. Dabei ist es allerdings die Krankenkasse, die nicht rechnen kann.

Die Wochenfrist zur Vorlage der Bescheinigung beginnt nämlich, so das Sozialgericht Düsseldorf, nicht schon mit dem ersten Tag der weiteren Arbeitsunfähigkeit. Vielmehr sehe die gesetzliche Regelung im Sozialgesetzbuch – den Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuches folgend – einen Fristbeginn erst zum Ablauf des ersten Tages der Arbeitsunfähigkeit vor. Anders ausgedrückt: Der erste Tag der weiteren Arbeitsunfähigkeit zählt bei der Wochenfrist nicht mit. Nach diesem Maßstab hatte der Kläger seine Bescheinigung noch rechtzeitig vorgelegt, wenn auch am letzten möglichen Tag (Aktenzeichen S 9 KR 589/19).

Ein Telefonat. Pro Monat.

Mein Mandant sitzt in Untersuchungshaft. Eine Staatsanwaltschaft in Bayern hat mir 1 (in Worten: ein) unüberwachtes Telefonat mit meinem Mandanten genehmigt.

Pro Monat.

Die Justizvollzugsanstalt hat sich übrigens komplett quergestellt. Tenor: Telefonate mit Verteidigern – wo kommen wir denn dahin? Insoweit muss ich der Staatsanwältin danken, die sich sogar ins Zeug gelegt hat. Halt im Rahmen ihrer Möglichkeiten.

Allerdings gibt es auch Bundesländer, die Telefonate mit dem Verteidiger deutlich liberaler als Bayern handhaben. So gut wie alle anderen, um genau zu sein.

Bloß viel zu schnell – oder schon Straftäter?

Wer sich mitunter flott im Straßenverkehr bewegt, sollte an eins denken: Mit der Einführung des „Raserparagrafen“ (§ 315d StGB) drohen längst nicht mehr nur Fahrverbot und happige Bußgelder, sondern auch Gefängnisstrafen – ohne dass irgendjemand konkret gefährdet oder gar verletzt wurde.

Das Landgericht Köln bejaht beispielsweise einen dringenden Tatverdacht gegen einen Autofahrer, der im unmittelbaren Bereich von Schulen 72 km/h statt der erlaubten 30 km/h gefahren sein soll – wenn auch mit abgefahrenen Reifen. Dem Mann wird nun die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen und er muss sich einem Strafverfahren stellen. Höchststrafe: 2 Jahre Gefängnis.

Knackpunkt ist in diesem Fällen die Frage, ob so jemand tatsächlich gehandelt hat, ob er tatsächlich „grob verkehrswidrig und rücksichtslos“ gehandelt hat und überdies, „um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen“. Dies fordert das Gesetz. Die Überschrift des Paragrafen lautet – sicher nicht ohne Grund – „Verbotenes Autorennen“. Die bloße Geschwindigkeitsüberschreitung kann also nicht ausschlaggebend sein. Darauf wird auch immer wieder hingewiesen, etwa von Krumm im Anwaltskommentar StGB:

Strafbar soll sein, wer „objektiv und subjektiv ein Kraftfahrzeugrennen nachstellt“.* Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Kraftfahrzeugverkehr und ein Überholvorgang regelmäßig dem „möglichst“ schnellen Vorankommen dient, so dass zum bloßen zügigen Überholen ein Fahren mit Renncharakter hinzukommen muss. Ein Renncharakter ist gegeben, wenn der Fahrer sein Fahrzeug bis an die technischen und physikalischen Grenzen ausfährt. Nach hier vertretener Ansicht wird es kaum ausschließlich um das Erreichen der höchstmöglichen Fahrzeuggeschwindigkeit gehen können. Es wird wohl auf die zur Tatzeit auf der Fahrstrecke überhaupt aus Tätersicht ohne Unfallverursachung erzielbare Höchstgeschwindigkeit abzustellen sein.

Die Entscheidung des Landgerichts Köln geht aber eindeutig in die Richtung, dass bloßes „Rasen“ ausreicht, um nicht nur den Führerschein zu riskieren, sondern auch eine strafrechtliche Verurteilung (Aktenzeichen 101 Qs 8/20).

Nachtrag: Das Amtsgericht Villingen-Schwenningen hält den neuen Raserparagrafen für verfassungswidrig, weil zu unbestimmt. Es hat die Vorschrift deshalb dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vorgelegt, siehe auch diesen Beitrag in der Legal Tribune Online. Danke an die zahlreichen Leser, die mich auf den Vorlagebeschluss hingewiesen haben.

Explosion in der Hosentasche

Wenn deine E-Zigarette in der Hosentasche explodiert, ist das unerfreulich. Nach dem ersten Schreck stellt sich natürlich die Frage, wen man dafür zur Kasse bitten könnte – möglicherweise die gesetzliche Unfallversicherung? Genau das versuchte die Mitarbeiterin einer Firma in Nordrhein-Westfalen, allerdings mit mäßigem Erfolg.

Die Arbeitnehmerin argumentierte so: Sie müsse in der Firma den Müll rausbringen. Dazu habe sie den Dienstschlüssel in ihre Hosentasche gesteckt. Dort befand sich auch der Ersatzakku ihrer E-Zigarette. Durch den Kontakt mit dem Schlüssel soll ein Kurzschluss entstanden sein, in dessen Folge sich der Akku entzündete und die Hose der Betroffenen (nicht die Betroffene selbst) in Brand setzte.

Das Sozialgericht Düsseldorf konnte hier keinen Arbeitsunfall erkennen. Der Schlüssel sei zwar mitursächlich für den Brand gewesen, doch von ihm sei keine Gefahr ausgegangen. Denn Schlüssel ließen sich nicht anzünden. Die Brandgefahr sei lediglich vom Akku ausgegangen, und diesen habe die Klägerin aus rein privaten Gründen dabei gehabt. Ein Arbeitsunfall liege deshalb nicht vor (Aktenzeichen S 6 U 491/16).

Ferienzeit

Ich wusste, mir etwas entfallen. Nämlich die Mitteilung, dass ich wie jedes Jahr die Karnevalszeit für einen Urlaub nutze.

Das hole ich jetzt gerne nach. Spätestens ab Donnerstag, 5. Freitag, 6. März, ist wieder mit neuen Beiträgen zu rechnen. Bis dahin.

Ein Obstkorb

Manche Mandatsanbahnungen sind, nun ja, etwas kompliziert. Zum Beispiel soll ich jemanden in einem Prozess vor dem Amtsgericht vertreten. In Norddeutschland. Dazu erreicht mich folgende Nachricht:

Ich möchte Ihnen die erfreuliche Mitteilung machen, dass ich auf Ihren Namen für Sie Hotel C. buchen werde, und ein geniales Frühstück dazu. In Ihrer Suite erwartet sie ein Obstkorb und Getränke, um Ihnen einen gemütlichen Aufenthalt zu gewähren. Die Kosten übernehme ich selbstverständlich!

Das ist ja sehr nett, ein Obstkorb und Getränke sind wirklich auch was sehr Schönes, gerade wenn man eine lange Anfahrt hinter sich hat. Dennoch vermisse ich eine Aussage dazu, ob ich auch mit der Zahlung meines Honorars rechnen kann – und nicht nur eines Teils der Spesen. Da werde ich wohl noch mal höflich nachhaken müssen…

Je höher der Schaden, desto besser

Jemand baut großen Mist, dann kann das durchaus passieren: eine „Kumulation von Schadensersatzansprüchen“. Diese prasseln dann etwa auf eine Firma nieder, beuteln diese juristisch und letztlich auch finanziell. Wie zum Beispiel die Volkswagen AG, von der man nach einer Vielzahl von Gerichtsurteilen wohl sagen kann, dass sie mit den Abschaltvorrichtungen in ihren Dieselfahrzeugen nach Strich und Faden betrogen hat.

Um sich der daraus resultierenden Haftung zu entziehen, beruft sich Volkswagen in laufenden Prozessen auf die schon erwähnte „Kumulation von Schadensersatzansprüchen“. Aus dieser interessanten Rechtsfigur leitet das Unternehmen her, man müsse schon deshalb nichts bezahlen, weil es am Ende teuer wird. Oder, zu Ende gedacht, VW vielleicht sogar in die Pleite treibt.

Eine etwas weinerliche Argumentation, aber womöglich fällt der Firma mittlerweile auch nichts Besseres mehr ein. Bei den Gerichten scheint allerdings wenig Neigung zu bestehen, über das von VW hingehaltene Stöckchen zu springen. So weist jetzt das Oberlandesgericht Koblen in einem aktuellen Urteil eher knapp auf folgendes hin: Es sei widersinnig, dass ein Schädiger sich ausgerechnet mit dem Hinweis entlasten könnte, dass er viele Betroffene geschädigt hat.

Außerdem merken die Richter an, dass bislang eher wenige betrogene VW-Kunden geklagt hätten. Sowohl die Einzelklagen als auch die Beteiligten an der Sammelklage machten nur einen geringen Teil der Kunden aus, die potenziell betroffen sind. Das Gericht spielt damit auf die harte und damit abschreckende Haltung ab, die VW bislang in den weitaus meisten Prozessen gezeigt hat. Auch hier besteht offenbar keine Bereitschaft, VW davon auch noch profitieren zu lassen (Aktenzeichen 10 U 731/19).