Wer zahlt fürs Sperma?

Wenn ein biologischer Mann sich auf Kosten der gesetzlichen Krankenkasse zur Frau umwandeln lässt, kann er vorher Spermien von sich einfrieren lassen – um später einen Kinderwunsch über künstliche Befruchtung zu erfüllen. So weit, so gut. Die Frage ist, ob dafür auch die Krankenkasse zahlen muss. Die Entscheidung des Bundessozialgerichts liegt nun vor.

Die sogenannte Kryo-Konservierung ist gesetzlich geregelt. Wenn wegen einer Erkrankung und der damit verbundenen Therapie einem Mann Zeugungs- oder einer Frau Empfängnisunfähigkeit (sogenannte Keimzellenschädigung) droht, können diese ihre Spermien oder Eizellen auf Kosten der Krankenkasse einfrieren lassen. Bei einer anstehenden Geschlechtsumwandlung ist das mit der Erkrankung aber fraglich. Immerhin beruht die Transition auf einem eigenen, freien Entschluss. Die Vernichtung der von Geburt vorhandenen Keimzellen ist somit nicht Folge, sondern gerade Ziel einer Geschlechtsangleichung.

Die Vorinstanz wies die Klage des früheren Mannes genau mit dieser Begründung ab. Doch das Bundessozialgericht sieht es ganz anders. Das Recht auf Kryo-Konservierung trage dem Bedürfnis Rechnung, die eigene Fortpflanzungsfähigkeit zu erhalten, und zwar unabhängig von der geschlechtlichen Identität. Die Anpassung Mann -> Frau ändere nichts am möglichen Kinderwunsch, und dieser mögliche spätere Wunsch muss laut den Richtern auch von den Beitragszahlern vorfinanziert werden.
Die Krankenkasse muss die Kryo-Konservierung nun zahlen. Es ging um 693,77 € (Aktenzeichen B 1 KR 28/23 B).

Klimakleber in der Strafspirale

Juristisch wird die Luft dünner für Klimakleber. Das Amtsgericht Tiergarten hat einen Aktivisten zu einem Jahr und neun Monaten Freiheitsstrafe verurteilt – ohne Bewährung. Dem 65-Jährigen wurden insgesamt 40 Taten zur Last gelegt, darunter auch Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte.

Bei dem Mann häuften sich die angeklagten Taten in einem Verfahren. Bei anderen Klimaklebern sind es mittlerweile die Vorstrafen oder die Vielzahl getrennter, paralleler Verfahren. Gerade bei letzteren dreht sich die Sanktionsspirale im Strafrecht immer schneller. Werden die ersten Taten noch eingestellt, folgen dann Arbeitsstunden oder Geldstrafen. Später folgen aus gleichartigen Taten Haftstrafen, die erst mal zur Bewährung ausgesetzt werden. Aber dann halt nicht mehr. Neue und alte Verurteilungen werden aus gesetzlichen Gründen meistens zu sogenannten Gesamtstrafen zusammengezogen. Auch wenn hier nicht blind addiert werden darf, schaukelt sich das Strafmaß hoch. Das ist eine Dynamik, die gerade junge Klimakleber vielleicht gar nicht kennen – und die ihnen von ihren Finanziers und Einpeitschern auch verschwiegen wird.

Fast schon tragisch am Berliner Fall: Das Gericht hat dem Angeklagten eine Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung angeboten, wenn er die Taten einräumt. Das hat der Mann über seine Anwälte abgelehnt, weil die Justiz angeblich sowieso nur „Feindstrafrecht“ anwendet.

Mauschelei in NRW ist noch nicht vom Tisch

Das Oberverwaltungsgericht Münster hat weiter keinen Präsidenten. Seit nun mehr als drei Jahren. Das Bundesverfassungsgericht gab nun der Beschwerde eines unterlegenen Bewerbers statt. Der Bundesrichter hatte sich auf die Stelle beworben, scheiterte aber gegen eine Kandidatin aus dem Innenministerium von Nordrhein-Westfalen. Nach wie vor steht der Verdacht im Raum, dass der grüne Justizminister bei der Auswahlentscheidung gemauschelt hat.

Der unterlegene Richter hatte im Gerichtsverfahren erklärt, Justizminister Benjamin Limbach habe ihm schon früh signalisiert, er habe im Ergebnis praktisch keine Chance . Limbach soll das „Vorsprung“ genannt haben und auch das Geschlecht der Konkurrentin ins Spiel gebracht haben. Eine Rolle spielen auch schriftlich niedergelegte höchst positive Bewertungen von Limbach bzw. seinem Ministerium über die Kandidatin („hervorragend geeignet“). Limbach räumte ein, dass er mit der Frau „vielleicht drei Mal“ essen gewesen sei, sieht darin aber keine übertriebene Nähe.

Während sich die Vorinstanzen skeptisch zeigten und das Verfahren stoppten, winkte das Oberverwaltungsgericht Münster – also das Gericht, dem der Präsident fehlt – , Limbachs Entscheidung durch. Die Begründung zusammengefasst: Die angebliche Voreingenommenheit des Ministers sei schon gar nicht belegt.
So einfach kann man es sich aber nicht machen, heißt es nun vom Bundesverfassungsgericht. Jeder Bewerber für ein öffentliches Amt habe Anspruch auf ein faires Auswahlverfahren. Der unterlegene Bewerber habe hier belastbare Umstände vorgetragen, aus denen man auf eine Voreingenommenheit schließen könne – wenn die Behauptungen zutreffen. Das hätte vom Gericht aufgeklärt werden müssen, so die recht nachvollziehbare Argumentation aus Karlsruhe.

Die Sache geht also weiter. Das Oberverwaltungsgericht Münster wird derzeit vom Vizepräsidenten geleitet. Dieser hat sich, soweit bekannt, nicht um die Stelle beworben (Aktenzeichen 2 BvR 418/24).

Das Grundgesetz ist nicht in Stein gemeißelt

Bitte lasst euch nicht erzählen, das Grundgesetz sei in Stein gemeißelt. Es wurde seit 1949 schon 67-mal umgeschrieben, wobei rund 200 Artikel geändert wurden (viele mehrfach).

Die sogenannte Ewigkeitsgarantie gilt nur für die Achtung der Menschenwürde sowie einige naturgemäß eher schwammige Rechtsstaatsprinzipien (zum Beispiel Demokratieprinzip, Gewaltenteilung, Sozialstaatsprinzip). Sogar die Grundrechte – ja, die Grundrechte – können mit Zwei-Drittel-Mehrheit geändert oder sogar aufgehoben werden.

Das gewählte Parlament hat die Macht – auch über das Grundgesetz. Alles andere stimmt einfach nicht.

Einwegkunststoffverbotsverordnung (EWKVerbotsV)

Man witzelt schon mal gerne, aber letztlich hat alles seinen knallharten juristischen Hintergrund:

Am 30.07.2024 und 15.08.2024 sollten insgesamt 1.854.000 Stück Strohhalme über das Zollamt Hamburg in den freien Warenverkehr abgefertigt werden. Die Zollbeamtinnen und -beamten guckten sich aber die in Taiwan und Vietnam hergestellten Halme genauer an, da der Verdacht bestand, dass sie aus umweltschädlichem Kunststoff bestanden. Das Bezirksamt Hamburg-Mitte als zuständige Marktüberwachungsbehörde bestätigte die Feststellungen des Zolls. Die Trinkhalme dürfen nun gemäß der Einwegkunststoffverbotsverordnung (EWKVerbotsV) nicht nach Deutschland eingeführt werden.

Hauptzollamt Hamburg

Wo die freie Gesellschaft verteidigt wird

Interessanter Artikel in der Welt über die Sorgen und Nöte, die unsere freie Gesellschaft plagen und darüber, wie wir immer darum ringen müssen, dass unsere offene und unbeschwerte Art zu leben nicht gefährdet wird. Es geht um die Tätigkeit des Deutschen Werberates, der vornehmlich Beschwerden über angeblich sexistische Werbung nachgeht.

Das mutmaßlich krasseste Beispiel für sexistische Werbung in dem Beitrag ist der „Süsse Arsch“ vom König-City an der Düsseldorfer Bolkerstraße. Ein Plakat, das schon so viele Jahre vor dem Lokal steht, dass es selbst gelegentliche Altstadtgänger schon gar nicht mehr wahrnehmen.

Aber auch ansonsten scheint sich die Empörung über sexistische Werbung bei uns in Grenzen zu halten. Für 182 Beschwerden fühlte sich der Werberat im 1. Halbjahr überhaupt nur zuständig. Ganze 29 Werbungen wurden letztlich beanstandet – wobei das keine rechtliche Verbindlichkeit mit sich bringt.

Der „Süsse Arsch“ bleibt übrigens. Der Wirt weigert sich, das Plakat zu entfernen. Auch weil sich, wie er sagt, gerade Frauen sehr gerne gegenseitig vor dem Schild ablichten. Dass das Plakat laut dem Werberat tatsächlich die Käuflichkeit der Frau und nicht die des angepriesenen Himbeerlikörs implizieren soll, bleibt also bis auf weiteres ungesühnt.

Bericht in der Welt

Transparente, die niemand sieht

Die Autobahn A 27 bei Bremen musste heute mit gerichtlichem Segen für eine halbe Stunde gesperrt werden, weil sich Umweltaktivistin von einer Autobahnbrücke abseilen und dabei Transparante vorzeigen wollten.

„Der klima- und umweltschädliche Autoverkehr ist tagtäglich für viele Menschen und Tiere tödlich und verletzend“, so die Botschaft der Demonstranten. Die Stadt Achim wollte die Aktion nicht genehmigen. Sie hielt es für ausreichend, wenn sich die Protestler auf der Autobahnbrücke versammeln und dort demonstrieren können. Außerdem hatte die Behörde – durchaus naheliegend – Sicherheitsbedenken gegen das Abseilen.

Dennoch musste die A27 heute tatsächlich gesperrt werden, denn mit einer Demo ist dem Demonstrationsrecht laut dem Verwaltungsgericht Stade heutzutage nicht mehr ausreichend gedient. Mit einer Kundgebung auf der Autobahnbrücke würden die Aktivisten nicht den „erstrebten Beachtungserfolg“ erzielen. Deshalb gebiete die Versammlungsfreiheit eine einstündige Sperrung der Autobahn.

Wer diese Entscheidung für reichlich abstrus hält, liegt juristisch möglicherweise falsch. Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg als Beschwerdeinstanz hat ebenfalls keine Probleme mit dieser doch reichlich neuen Protestform. Allerdings reduzierten die Richter die Sperrung auf eine halbe Stunde. Für diese Zeit wurde die Autobahn dann heute tatsächlich komplett gesperrt. Natürlich mit der Folge, dass praktisch niemand die Transparente gesehen hat.

Bericht

Berliner Polizei beschuldigt 12 Kollegen

Die Berliner Polizei hat den Katalog von Beschuldigten in Strafverfahren erweitert – um zwölf ihrer Kollegen. Die Beamten sollen gemeinsam einen Diebstahl in einer Kreuzberger Wache vertuscht haben. Es geht um Goldmünzen im Wert von 600 Euro. Die Münzen soll ein spielsüchtiger Polizist aus einem Dienstschrank entwendet haben.

Nach dem Verschwinden der Münzen war wohl allen Beteiligten klar, dass nur ein Kollege die Tat begangen haben konnte. Es fehlten nämlich Aufbruchspuren am Schrank. Der Dienststellenleiter soll die Sache angesprochen haben. Laut der Polizei lag ein Tatverdacht gegen einen Kollegen auf der Hand, dessen Spielsucht allen bekannt gewesen sein soll. Trotzdem sollen die Beamten keine Anzeige erstattet haben.

Der Diebstahl auf der Wache soll sich bereits im Jahr 2021 ereignet haben. Bekannt wurde die Sache, weil der mögliche Münzdieb mit einem anderen Polizisten gemeinsam im Jahr 2023 einen Autofahrer „kontrollierte“ und dem Autofahrer dann 57.000 Euro Bargeld abgenommen haben sollen. Bei den dortigen Ermittlungen wurden Chats beschlagnahmt, die jetzt wohl den Verdacht wegen des Diebstahls auf der Wache begründen.

Wer auf der Suche nach einer Drehbuch-Idee ist, kann sich gerne bedienen. Für alle anderen Leser noch mal der Hinweis: Wer schreibt, der bleibt. Telefonate sind vergänglich, Chats bleiben womöglich bis in die Unendlichkeit erhalten – und fallen Ermittlern oft aus komplett anderen Anlässen in die Hände. Nur in einem Punkt kann ich als Anwalt uneingeschränkt zum Schriftverkehr raten: Wenn es um Verabredungen zum Sex geht. Wenn am Ende unterschiedliche Auffassungen über die Freiwiligkeit bestehen, können Textnachrichten rettend sein.

Pressemeldung der Polizei

Ein ganz normaler Tag am Amtsgericht

Zu den Klassikerin im Anwaltsgeschäft gehört die Reise zu einer Hauptverhandlung, von der man als Verteidiger weiß, dass sie zwar stattfinden kann, aber irgendwann auf jeden Fall komplett wiederholt werden muss. Das ist immer der Fall, wenn das Gericht den sogenannten Eröffnungsbeschluss vergisst. Kommt gar nicht so selten vor, deshalb lohnt es sich immer darauf zu achten. Der fehlende Eröffnungsbeschluss führt ohne jedes Pardon zur Nichtigkeit der gesamten Hauptverhandlung – durch alle Instanzen.

Ich hatte nun mal wieder mit so einem Fall zu tun. Eine Ladung zum Termin gab es. Aber eben keinen Eröffnungsbeschluss. Allerdings hatte die Richterin den Fehler wohl bei der Vorbereitung des Falles noch bemerkt. Denn sie wies von sich aus darauf hin, verkündete salopp den Eröffungsbeschluss und wollte in die Verhandlung eintreten. Nun ja, flottes Tempo, aber was ist mit den Rechten des Angeklagten? Natürlich kannst du als Anwalt da brav die Klappe halten. Musst du aber nicht.

Fehlt der Eröffnungsbeschluss, sind nämlich die Ladungsfristen juristisch nicht eingehalten, auch wenn es eine schriftliche Ladung gibt. Denn wegen der fehlenden Zustellung des Eröffnungsbeschlusses, die zwingend vorgeschrieben ist, ist die Ladungsfrist (mindestens eine Woche) formal nicht in Gang gesetzt worden. Das hat zur Folge, dass der Angeklagte die Aussetzung der Hauptverhandlung verlangen kann. Über dieses Recht hätten wir sogar belehrt werden müssen, und erst dann hätten wir auf eine Einhaltung der Ladungsfrist verzichten können – wobei die Betonung wie gesagt auf können liegt.

So eine Situation ist natürlich ein guter Einstieg für ein Gespräch darüber, ob man die Sache nicht sozialverträglich erledigen kann. Zum Beispiel durch Einstellung des Verfahrens gegen Zahlung einer Geldauflage. Das hätte hier sogar nahegelegen. Aber wie so häufig stellte sich die Staatsanwaltschaft quer und legte Wert darauf, erst mal die Zeugen zu hören. Wie sich herausstellte, waren die fünf Zeugen bis auf einen aber gar nicht erschienen. Jetzt hätte man sowieso nur noch verhandeln können, wenn mein Mandant sich zur Sache äußert. Denn ohne Zeugen bzw. Geständnis natürlich keine Verurteilung. Ich lasse meinen Mandanten aber natürlich nichts sagen, wenn die Staatsanwaltschaft eine Einstellung des Verfahrens schon kategorisch abgelehnt hat. Damit war der Tag dann aber auch wirklich zu Ende.

Nächster Gerichtstermin: in einigen Monaten.

Weiter keine Anklagen wegen „döp-dödö-döp“

Ein weiterer „döp-dödö-döp“-Vorfall findet sein juristisches Ende. Die Staatsanwaltschaft Hannover sieht es nicht als strafbar an, dass Besucher eines Schützenfestes in Kleinburgwedel „Deutschland den Deutschen“ und „Ausländer raus“ gesungen haben.

Laut den Ermittlern erfüllen die Gesänge nicht den Tatbestand der Volksverhetzung. Denn, so die Begründung einer Sprecherin, „das alleinige Bestreiten des Aufenthaltsrechts von Ausländern“ stelle „noch keinen Angriff auf die Menschenwürde dar“. Eine Strafverfolgung setze eine „gesteigerte Feindseligkeit oder eine schwerwiegende Form der Missachtung gegenüber einem Teil der Bevölkerung“ voraus.

Es fehlen also die verschärfenden Umstände, welche erst einen Angriff auf die Menschenwürde begründen. Auch sei nicht zu Hass aufgestachelt oder zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen aufgefordert worden. Ausdrücklich weist die Staatsanwaltschaft darauf hin, die Äußerungen seien „im Rahmen einer ausgelassenen Partystimmung“ gefallen und von der Meinungsfreiheit in Deutschland gedeckt.

Ähnlich haben auch schon die Staatsanwaltschaften Augsburg und Neubrandenburg entschieden.

Bericht auf Apollo News

Geniale Klausr

Die Stichworte im aktuellen Beleidigungsfall zum Nachteil von Ricarda Lang lauten: Strafantragserfordernis. Meinungsfreiheit. Persönlichkeitsrecht. Tatsachenbehauptung. Ehre. Schmähkritik. Tatsachenkern. Freiheit des politischen Diskuses. Verfassungsrechtliche Abwägung.

Insgesamt wird daraus eine geniale Fortgeschrittenen-Klausur im Jurastudium. Die Bearbeitungszeit für die Studenten sollte allerdings um zehn Minuten verlängert werden, so eine Art Nachteilsausgleich wegen der unvermeidlichen Lachanfälle.

Bericht auf NIUS

Spanien: Gewalttätige Männer nutzen Transgesetze aus

Ihr erinnert euch an die Beteuerungen, dass es so gut wie nirgends in der Welt (juristische) Probleme gibt, wenn jeder sein Geschlecht selbst definieren darf:

Anfang der Woche konnte ein Mann aus dem andalusischen Sevilla, der wiederholt und seit Jahren seine mittlerweile Ex-Frau malträtierte, nicht im Kontext geschlechtsspezifischer Gewalt verurteilt werden, weil er zuvor sein Geschlecht umschreiben ließ und nun als „Transfrau“ gilt. Wenige Tage zuvor entging auch ein Beamter der baskischen Ertzaina-Regionalpolizei, der seine Frau und seine beiden Töchter mit einem Messer in San Sebastián angriff, der Verurteilung wegen geschlechtsspezifischer Gewalt, weil er sich zuvor offiziell als Frau ins Zivilregister eintragen ließ. In Madrid wurden im März sechs ähnliche Fälle bekannt.

Bericht auf OE24

Kein Niqab am Steuer

Auch in Rheinland-Pfalz dürfen muslimische Frauen am Steuer eines Autos keinen Gesichtsschleier (Niqab) tragen. Das Oberverwaltungsgericht Koblenz stellt in einem aktuellen Beschluss fest, dass das sogenannte Verhüllungsverbot nach § 23 Straßvenverkehrordnung Vorrang vor den Glaubensregeln des Koran hat.

Die Frau hatte geltend gemacht, der Koran gebiete ihr das Tragen des Niqab in der Öffentlichkeit, wozu sie auch das Innere ihres Wagens zählt. Der Niqab verhüllt das Gesicht bis auf einen schmalen Sehschlitz. Laut dem Oberwaltungsgericht Koblenz gibt es gute Gründe dafür, dass Autofahrer am Steuer ihr Gesicht zeigen müssen. Die Richter nennen Radarfallen sowie die Gefahr der Sichtbehinderungen.

Die Frau hatte angeboten, ein Fahrtenbuch zu führen. Aber das halten die Richter nicht für ausreichend. Der Eingriff in die Religionsfreiheit der Frau betrachtet das Gericht als geringfügig. Die Frau werde nicht an der Ausübung ihres Glaubens gehindert, vielmehr müsse sie für diesen Glauben halt auf das Auto verzichten. „Das Führen eines Kraftfahrzeuges ist nicht ohne Weiteres zwingend oder alternativlos“, heißt es in der Entscheidung.

Ähnlich haben schon andere Gerichte entschieden, etwa in Nordrhein-Westfalen (Aktenzeichen 7 A 10660/23.OVG).

Keine Verfolgung, keine Bedrohung

Das Oberverwaltungsgericht Münster, in Asylverfahren zuständig für Nordrhein-Westfalen, stellt seine Rechtsauffassung zum politischen Asyl für Syrer in Deutschland sehr plastisch dar. Ich zitiere die offiziell veröffentlichten Leitsätze der Entscheidung vom 16. Juli 2024:

Syrern, die Syrien illegal verlassen haben, im westlichen Ausland einen Asylantrag gestellt haben und/oder sich seit längerem hier aufhalten, droht bei einer Rückkehr nach Syrien nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung (Fortführung der Senatsrechtsprechung).

Syrern droht in Syrien allein wegen ihrer Herkunft aus einem (ehemaligen) Oppositionsgebiet nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung (Fortführung der Senatsrechtsprechung).

Kurden als solchen droht in Syrien nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung (Fortführung der Senatsrechtsprechung).

Für Zivilpersonen besteht in Syrien keine ernsthafte, individuelle Bedrohung ihres Lebens oder ihrer körperlichen Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines bewaffneten innerstaatlichen Konflikts mehr.

Aktuell werden die weitaus meisten Asylanträge von syrischen Staatsbürgern gestellt, wie man auf der Seite des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge nachlesen kann.

Volksverhetzung im Brief ans Finanzamt?

Was viele vielleicht nicht wissen: Volksverhetzung (§ 130 StGB) ist nicht per se strafbar. Zu den Tatbestandsvoraussetzungen gehört auch, dass die Äußerung geeignet ist, „den öffentlichen Frieden zu stören“. In anderen Konstellationen kann es zwar ausreichen, wenn die Äußerungen „verbreitet“ oder „der Öffentlichkeit zugänglich“ gemacht werden. Aber immerhin, solche Einschränkungen stehen nicht grundlos im Gesetz. Gleichwohl werden sie von Staatsanwälten, leider aber auch Richtern gern überlesen. Über die Frage, wann eine Verbreitung vorliegt, denkt momentan der Bundesgerichtshof nach.

Eine Rechtsanwältin hatte in eigener Sache dem Finanzamt geschrieben. In ihrem 339 Seiten langen Fax äußerte sie auch volksverhetzende Dinge. Das ist eher wenig überraschend, die Frau ist schon mehrfach einschlägig verurteilt. Allerdings hatte das Landgericht München beim Fax ans Finanzamt Probleme mit der erforderlichen „Verbreitung“. Denn das Fax war ja zu einem konkreten Fall ans Finanzamt gerichtet. Er erreichte somit nur die zuständigen Beamten. Das führte zu einem Freispruch, den die Staatsanwaltschaft nicht hinnehmen möchte. Nach Auffassung der Strafverfolger ist auch bei Behördenpost stes mit einer „Kettenverbreitung“ zu rechnen, überdies könne die Absenderin den Empfängerkreis nicht kontrollieren. Hierzu verwies der Anwalt der Betroffenen nachvollziehbar auf das Steuergeheimnis. Auch ansonsten schickten Beamte vertrauliche Behördenpost eher selten unkontrolliert durch die Gegend.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs wird hoffentlich etwas mehr Klarheit bringen, wann man von einem Verbreiten gerade nicht sprechen kann. Klassische Beispiele sind persönliche Briefe oder auch Mails, Rundschreiben in Vereinen, Aushänge am Arbeitsplatz und vieles mehr. Wichtig ist in solchen Fällen aber wie schon gesagt, überhaupt ein Problembewusstsein für diese zusätzlichen Tatbestandsmerkmale zu schaffen. Ich hatte zum Beispiel neulich den Fall eines Mannes, der sich auf Facebook volksverhetzend geäußert haben soll. Allerdings ist sein Profil privat – und ihm folgen ganze drei Leute aus dem Freundeskreis. Nach dem Hinweis darauf, dass das Gesetz mit „Verbreiten“ doch wohl etwas mehr meinen dürfte, war dann wenigstens eine Verfahrenseinstellung möglich (Aktenzeichen des Bundesgerichtshofs: 3 StR 33/24).