Porno-Abmahnungen kosten Millionen

Von EBERHARD PH. LILIENSIEK

Die Schweinerei liegt auf der Hand: Die Pornoindustrie missbraucht neuerdings Staatsanwälte für ihre Zwecke. Denn die Hersteller kleiner Schmuddel-Filmchen erstatten Anzeige gegen jeden Internetnutzer, der sich für lau die Sex-Szenen aus einer Internet-Tauschbörse herunterlädt. Die Folge: Die juristische Maschinerie läuft an. Das kostet den Staat inzwischen Millionen. Die in den Sand gesetzt sind.

Alles was die Pornohersteller wollen: Sie sind lediglich an den Namen und den Anschriften der Internetnutzer interessiert – um sie dann abmahnen zu können. Um ihrerseits Geld zu kassieren. „Ein Riesenproblem“, sagt Peter Lichtenberg von der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf. Dort hatte sich ein Rechtsanwalt aus Regensburg darüber beschwert, dass seine Strafanzeigen in Wuppertal nicht bearbeitet werden.

Wozu auch, wurde er dort von der Staatsanwaltschaft gefragt: Ermittlungen seien nämlich „offensichtlich unverhältnismäßig“. Was auf den ersten Blick nur wie ein juristisches Gerangel wirkt, hat tatsächlich mit Geld zu tun, mit sehr viel Geld.

In den Tauschbörsen des Internets wimmelt es von Bildern und oft nur kurzen Sex-Filmen. Wer sich nun so etwas wie „Anal-Qual 7“ oder „Drunken zugeritten“ auf seinen heimischen Computer lädt („download“) und dann wieder anderen Teilnehmern zur Verfügung stellt („upload“), gerät in die Fänge von speziellen Fahndern. Es sind Firmen, die ständig diese Tauschbörsen beobachten. Und sofort dokumentieren, auf welchen Computer der Schmuddel-Film gelandet ist.

Diese „IP-Adressen“ melden sie dem Hersteller des Films. Der schaltet seinen Anwalt ein. Und der behauptet nun, der Streifen sei „eine persönliche geistige Schöpfung“, der „upload“ also ein Verstoß gegen das Urheberrechtsgesetz, folgerichtig eine Straftat. Doch einige Staatsanwaltschaften haben jetzt begriffen: Es geht gar nicht darum, einen mutmaßlichen Täter zu bestrafen. Nein, die Strafverfolger sollen lediglich ermitteln, wer hinter der „IP-Adresse“ steckt und ihr Ergebnis dem Anwalt mitteilen. Damit der vom vermeintlichen Sünder Schadensersatz fordern und ihn teuer abmahnen kann.

„Wir sollen letzlich nur zivilrechtliche Interessen bedienen“, heisst es bei der Staatsanwaltschaft Wuppertal, „dabei entstehen dem Staat hohe Kosten.“ Da ist einmal der Aufwand. Allein in Wuppertal hagelte es innerhalb von zwei Monaten 4.000 solcher Anzeigen. Bei der Staatsanwaltschaft Essen waren es innerhalb eines Quartals 10.000 Verfahren. In Düsseldorf wurden an die 2.700 gezählt. Im Jahr kommen so landesweit etliche zehntausend Verfahren zusammen.

Abgesehen von den – noch nicht ermittelten – Personalkosten für die Arbeiter, Angestellten und Staatsanwälte in der Justiz kostet die Ermittlung nur einer „IP-Adresse“ den Staat bis zu 50 Euro. Hochgerechnet allein für Düsseldorf, Essen und Wuppertal also 2.100.000 Euro. Das ist verlorenes Geld, weil die Staatsanwaltschaften es nicht von den Anwälten zurückfordern können. Die dagegen kassieren pro Abmahnung zwischen 200 und 300 Euro.

Ein offenbar einträgliches Geschäft, das auf dem Rücken der Steuerzahler entsteht. Die Flut der Strafanzeigen jedenfalls wertet die Staatsanwaltschaft Wuppertal süffisant so: „Dieselbe Pornoindustrie, die Jugendlichen zu leicht pornografisches Material zugänglich macht und sie zudem mit Abmahnungen überzieht“, die gaukele jetzt vor, „sich für den Jugendschutz stark machen zu müssen.“ Das sei wenig überzeugend.

Und doch: Es gibt noch keine einheitliche Haltung der Strafverfolger im Lande. Während die in Wuppertal und – wie zu hören ist – auch die in Duisburg sich verweigern, sind die in Düsseldorf und Kleve fleißig mit von der Partie. Denn ihre Arbeit wird, wie das Justizministerium auf Anfrage bestätigt, durch ein internes Personalbedarfsberechnungssystem („Pebb§y“) belohnt.

Ihre Ermittlungen bringen mehr Stellen. Aber deswegen nicht mehr Anklagen. Denn die Verfahren werden zum Schluß durchweg – sang- und klanglos – eingestellt. Entweder weil die Tat nicht nachzuweisen ist (wer weiß schon, wer innerhalb einer Familie die Tauschbörse besucht hat?). Oder die Schuld ist zu gering. Zigtausende dieser Akten verstauben schließlich in den Kellern. (pbd)

Hintergrund

Das Tauschen von Sex-Filmen im Internet („filesharing“) kann strafbar sein. Die Urheber solcher Filme können zwar feststellen, von welchem PC aus jemand ihre Rechte verletzt hat – nicht aber, wem der PC gehört. Denn die jeweiligen Internet-Anbieter müssen keine Auskunft geben. Deswegen erstatten die Urheber ihre Anzeigen bei den 19 Staatsanwaltschaften in NRW. Denen muss Auskunft gegeben werden. Die Strafverfolger aber reagieren neuerdings unterschiedlich auf Anzeigen insbesondere aus der Porno-Industrie. Die einen lehnen Ermittlungen von vornhein ab, weil sie sich ausschließlich als Beschaffer von Personalien für die Porno-Industrie erkannt haben. Die anderen leiten zunächst Verfahren ein, ermitteln auch die gewünschten Personalien und geben sie weiter, klagen aber die angezeigten Tausch-Börsianer nicht an. Unterm Strich bleibt: Die allermeisten Verfahren werden eingestellt. Eine Lösung erhofft sich die NRW-Justiz vom Bundesverfassungsgericht. Das hatte kürzlich, wie berichtet, in einem vorläufigen Beschluss entschieden: Die Personalien dürfen an Strafverfolgungsbehörden nur bei besonders schweren Delikten herausgegeben werden. Wozu die Urheberrechtsverletzung nicht gehört. Ein endgültiges Urteil steht allerdings noch aus. (pbd)

Kalte Füße

Sehr interessant an über den Bekanntenkreis vermittelten Kleingartenfällen ist, dass man es auf der anderen Seite in der Regel mit anwaltlichem Urgestein zu tun hat. Die Briefe mit Dellen auf der Rückseite (von den Typen der Schreibmaschine), Durchschläge aus Butterbrotpapier, keine E-Mail-Adresse auf dem Briefbogen.

Leider korreliert mit all dem häufig auch eine gewisse Halsstarrigkeit. Diese äußert sich nicht nur im Ton der Korrespondenz, sondern auch in abenteuerlichen Schlussfolgerungen zur Rechtslage. Bei denen kann man nur hoffen, dass es bis zur vorvorvorletzten Zivilrechtsreform vielleicht wirklich noch so geregelt war.

Immerhin ist die Sache gut ausgegangen. Fragt sich nur, wer kalte Füße bekommen hat. Der Anwalt. Oder seine Mandantin. Ich tippe auf die Mandantin.

Zeithonorar

Die Veranstaltung heute dauert drei bis fünf Minuten, kündigte ich dem Mandanten an. Das ist schon großzügig geschätzt, für eine Scheidung zweier Erwachsener, die sich nicht streiten und keine Kinder haben.

Obwohl ein kleiner Vergleich zu protokollieren war, lagen wir gut in der Zeit. Vor diesem Hintergrund kann ich gut verstehen, dass der Mandant sich für ein Zeithonorar entscheiden wollte…

Aber das soll meine Kollegin mit ihm klären. Ich war nur die Vertretung.

Stille

„Gehen Sie nicht mehr ans Telefon?“ möchte meine Sekretärin wissen. Ziemlich genau zu dem Zeitpunkt, als ich sie fragen will, warum Sie mir ständig Rückrufbitten mailt. Obwohl ich zum Zeitpunkt der Anrufe brav im Büro sitze und nicht telefoniere.

Aus irgendeinem Grund sprang der Lautsprecher im Telefon nicht mehr an. Jetzt geht das Telefon wieder. Ob das Kabelwackeln geholfen hat oder der Schlag aufs Gehäuse, ich weiß es nicht.

Jetzt bin ich wieder erreichbar. Die Stille war aber auch ganz schön.

Neue Kapazitäten

Können Staatsanwaltschaften es künftig ablehnen, als Hilfssheriffs der Musik- und Filmindustrie Internetnutzer zu ermitteln? Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar zieht gegenüber der Nachrichtenagentur AP diesen Schluss aus der heutigen Eilentscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Vorratsdatenspeicherung.

Damit wären mit einem Schlag nicht nur ungezählte Ermittlungsverfahren einstellungsreif (wobei sie ja später ohnehin eingestellt werden). Es wären auch etliche Staatsanwälte und Polizisten beschäftigungslos. Ich korrigiere: für wichtige Dinge einsetzbar.

Trotz Kennwort anonym?

Rätselhafte Steuerbescheide verschicken in diesen Tagen die Finanzämter. Sie bitten die Empfänger („Ihre Meinung ist uns wichtig“) darin auch um Teilnahme an einer Bürgerbefragung im Internet. Die, so wird versichert, ist anonym. Andererseits ist dazu ein Kennwort notwendig, das im persönlichen Steuerbescheid steht.

Einen Widerspruch sieht die Pressesprecherin des Finanzministeriums nicht. Stephie Hagelüken erklärt, die Finanzämter schickten ihren Bescheid an das zentrale Rechenzentrum. Dort werde das Kennwort aus einem Zufallsgenerator gewonnen und auf den Bescheid übertragen. Damit sei sichergestellt, dass nicht irgendwer seine Meinung sagt: „Wir wollen ja nur Menschen fragen, die auch mit dem Finanzamt zu tun haben, nicht den 16-Jährigen, der bei Mama wohnt“.

Die Umfrage („Wir möchten unsere Serviceleistung im Sinne einer bürgernahen Verwaltung verbessern“) ist gerade angelaufen. Wann sie beendet ist, konnte Hagelüken nicht sagen. Unterdessen prüft die Landesbeauftragte für den Datenschutz, ob die Aktion tatsächlich anonym ist. (pbd)

Erfolg gegen Vorratsdatenspeicherung

Erfolg für die Gegner der Vorratsdatenspeicherung. Das Bundesverfassungsgericht hat es heute per einstweiliger Anordnung untersagt, auf die gesammelten Daten zuzugreifen. Eine Ausnahme gilt nur bei schweren Straftaten.

Aus der Pressemitteilung:

Der Antrag der Beschwerdeführer, §§ 113a, 113b TKG im Wege der
einstweiligen Anordnung bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde außer Kraft zu setzen, hatte teilweise Erfolg. Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts ließ die Anwendung von § 113b TKG, soweit er die Verwendung der gespeicherten Daten zum Zweck
der Strafverfolgung regelt, bis zur Entscheidung in der Hauptsache nur
modifiziert zu.

Aufgrund eines Abrufersuchens einer Strafverfolgungsbehörde hat der Anbieter von Telekommunikationsdiensten die verlangten Daten zwar zu erheben und zu speichern. Sie sind jedoch nur dann an die Strafverfolgungsbehörde zu übermitteln, wenn Gegenstand
des Ermittlungsverfahrens eine schwere Straftat im Sinne des § 100a Abs. 2 StPO ist, die auch im Einzelfall schwer wiegt, der Verdacht durch bestimmte Tatsachen begründet ist und die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise wesentlich erschwert oder aussichtslos
wäre (§ 100a Abs. 1 StPO). In den übrigen Fällen ist von einer Übermittlung der Daten einstweilen abzusehen. Zugleich wurde der Bundesregierung aufgegeben, dem Bundesverfassungsgericht zum 1. September 2008 über die praktischen Auswirkungen der Datenspeicherungen und der vorliegenden einstweiligen Anordnung zu berichten. Im Übrigen
lehnte der Erste Senat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ab; insbesondere lehnte er die Aussetzung des Vollzugs von § 113a TKG, der allein die Speicherungspflicht für Daten regelt, ab.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

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Verteidiger-Alarm

Gerade mit der Schwester eines mir bislang unbekannten jungen Mannes telefoniert, der heute morgen festgenommen wurde. Im Hintergrund höre ich Papa, die Brüder. Alle reden am Handy auf andere Verteidiger ein. Ich hänge manchmal in der Leitung, weil die aktuelle Situation abgestimmt werden muss („Die Anwältin ist beim Gericht, fährt aber nachher bestimmt zur Polizei – ist deiner Fachanwalt?“).

Ich bin ehrlich, bei mir führt das zu einer allergischen Reaktion. In Form einer freundlich vorgebrachten, aber nicht diskutablen Vorschussforderung. Wenn das Geld auf dem Tisch liegt, können wir gern weiter reden. Wenn nichts kommt, erspare ich mir die Demütigung an der Pförtnerloge des Polizeipräsidiums: „Drinnen warten schon vier Anwälte…“

Halber Tag Urlaub

„Muss der Antragsteller vorgeführt werden?“, möchte das Familiengericht in einer Scheidungssache wissen. Im Scheidungsantrag hatte ich angegeben, der Antragsteller sei gerade rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden; er sitze seine Strafe ab.

Es juckt mir in den Fingern, unter Hinweis auf die Anfrage des Familiengerichts einen halben Tag Hafturlaub zu beantragen. Obwohl die Erfolgsaussichten bei knapp 13 Jahren, die der Mandant noch vor sich hat, doch eher bescheiden sind.

Die allgemeine Rüge

Es gibt Anwälte, die halten sich für abgöttisch gut. Wie jener Kollege aus einer anderen Großstadt am Rhein. Er meinte vor einigen Monaten, das Gericht erster Instanz mit einem Hinweis beeindrucken zu müssen. „Ich schreibe nicht gern Revisionen“, sagte er in der Hauptverhandlung. „Nicht, dass Sie glauben, ich kann das nicht. Ich kann es – sogar sehr gut. Und wehe, wenn ich loslege…“

Mit seinen Sprüchen verband er die Ansage: „Alles, was über zwei Jahre mit Bewährung hinausgeht, wird nicht rechtskräftig.“ Das Gericht hatte, wie bei den sonstigen Wortschwällen des Kollegen auch, die Ohren längst auf Durchzug gestellt. Das geht problemlos als Notwehr durch. Am Ende kriegte der Angeklagte deutlich mehr als das, was seinem Verteidiger vorschwebte.

Vor diesem Hintergrund habe ich die Revisionsbegründung mit Spannung erwartet. Sie liegt jetzt vor und hat folgenden Wortlaut:

Ich rüge die Verletzung des materiellen Rechts.

Erst vermutete ich, der Kollege sammelt seine Kräfte und lässt zum Ablauf der Frist seine todbringenden Argumente prasseln. Doch wie ich nunmehr erfahre, ist es bei diesem Alibisatz, auch allgemeine Sachrüge genannt, geblieben. Dementsprechend beantragt der Generalbundesanwalt auch nur bündig, die Revision des Angeklagten zu verwerfen.

Jetzt tut mir der Mandant des Kollegen fast ein wenig leid. Drei, vier Punkte aus dem Urteil hätte man wirklich aufgreifen können. Das Ergebnis wäre wahrscheinlich gleich geblieben. Aber immerhin hätte es nicht so peinlich gewirkt. Wobei das ja wiederum nur den Anwalt trifft, den aber so was von.

Ende der Durchsage

Sehr geehrte Deutsche Inkassostelle GmbH,
sehr geehrter Geschäftsführer Udo Polzin,

Sie können mir für Ihre Mandantin Swiss Einkaufsgemeinschaft AG so viele bräsige Mahnungen und unvollständig ausgefüllte Entwürfe von Mahnbescheidsanträgen zusenden, wie Sie wollen.

Ich habe mich nicht auf der Abzockseite condome.tv angemeldet. Deshalb werde ich auch nicht zahlen. Ende der Durchsage.

(Und jetzt bin ich leidlich gespannt, ob der angeblich schon beantragte Mahnbescheid tatsächlich kommt.)

Mit ansonsten gelangweilten Grüßen

U. Vetter

Schlanker Bildschirm

Der schlanke Bildschirm am Landgericht steht in angenehmem Kontrast zum 50er-Jahre-Mobiliar. Unter dem Tisch summt ein neuer, schwarzer PC. Auf einem Beistelltisch wartet ein solider Laserdrucker auf seinen Einsatz.

Doch er wartet vergebens. Der Protokollführer schreibt nach wie vor alles mit der Hand.

So viel zur verstärkten Nutzung der Informationstechnologie, im Anschluss an den letzten Beitrag.