So dumm sind Instagrammer nicht

Das Oberlandesgericht Hamburg hält Instagrammer für schlau. Oder sagen wir, für schlau genug, dass sie problemlos durchschauen, wenn ihnen Influencer Werbebotschaften servieren. Genau deshalb, so das Gericht, müsse eine Influencerin mit 1,4 Millionen Abonnenten eventuelle Werbung auch nicht als Werbung kennzeichnen.

Thema das Rechtsstreits waren Postings, in denen die Influencerin zwar Produkte präsentiert und anpreist, aber dafür keine (direkte) Bezahlung erhält. Postings, für die sie Geld erhält, kennzeichnet die Hamburgerin ohnehin als Werbung.

Eine Irreführung der Verbraucher sehen die Richter nicht. Sie weisen darauf hin, dass auch die Redakteure von Printmedien Produkte besprechen und persönlich empfehlen. So lange hierfür kein Geld fließe, sei auch das nicht als Werbung kennzeichnungspflichtig. Überdies, so das Gericht, gehe es den Nutzern in sozialen Medien gerade darum, welche Produkte die Influencer empfehlen. Wieso das geschehe, sei für sie zweitrangig. Der kommerzielle (Gesamt-)Hintergrund sei insgesamt so offensichtlich, dass eine Kennzeichnung überflüssig ist.

Es gibt auch anderslautende Urteile, aber Ende letzten Monats hat das Oberlandesgericht München in einem anderen Fall ähnlich entschieden (Aktenzeichen 15 U 142/19).

Jobcenter: Reisekosten auch für Radfahrer

Das Jobcenter kann Leistungsempfänger zu Meldeterminen einbestellen. Fahrtkosten hierfür sind zu erstatten, so das Gesetz. Aber gilt das auch, wenn der Betreffende mit dem Fahrrad anreist? Diese Frage wollte ein Leipziger gerichtlich geklärt wissen.

Das Leipziger Jobcenter hatte Fahrtkosten für den Radfahrer, der auf einem betagten Fahrrad zu seinen Meldeterminen kam, kategorisch abgelehnt. Das ist nach Auffassung des Sozialgerichts nicht zulässig. Vielmehr müsse die Behörde grundsätzlich auch die Anfahrt mit dem Fahrrad entschädigen. Die Höhe stehe allerdings im Ermessen des Jobcenters. Dabei, so das Gericht, bestehe ein Erstattungsanspruch nur in Höhe der tatsächlichen Fahrtkosten. Erhöhte Aufwendungen für wetterfeste Kleidung, größeren Kalorienverbrauch oder Duschen gehörten nicht dazu, dies seien Kosten der individuellen Lebensführung.

Es bleibt also zunächst offen, in welcher Höhe der Kläger entschädigt wird. Anders ausgedrückt: Der nächste Rechtsstreit ist schon programmiert (Aktenzeichen S 17 AS 405/19).

Antwort oder Hose

Verbraucher sein ist nicht immer ein Vergnügen. Habe ich gerade mal wieder selbst erlebt.

Die Geschichte beginnt damit, dass ich bei einem amerikanischen Modelabel online eine Jeans bestellte. Weil die Hose zu kurz war, schickte ich sie zurück und hoffte darauf, dass ich den von mir gezahlten Betrag wieder erhalte. Das wären 36,95 € gewesen, dazu gleich noch mehr.

Der Widerruf des Kaufvertrags wurde bestätigt. Auf meinem Konto landeten aber nur 13,75 €, obgleich definitiv 36,95 € geflossen waren. Auf einen freundlichen Hinweis meldete sich der Kundendienst der Firma:

Sehr geehrter Herr Vetter,

laut meinen Unterlagen wurde der Auftrag retourniert und gutgeschrieben. Bei dieser Bestellung haben Sie einen Gutschein über 25,00 € genutzt. Diese Aktion ist an einem Mindesteinkaufwert gebunden, der nun unterschritten wird. Durch die zurückgesendete Hose beträgt Ihr Einkaufswert 29,05 €. Der abgezogene Gutschein wurde Ihrem Kundenkonto deshalb wieder belastet. Somit haben Sie nur 13,75 € erstattet bekommen.

Wow, was für eine kreative Auslegung. Ich schrieb zurück:

Vielen Dank für Ihre Mitteilung. Allerdings ist bei einem Widerruf der gesamte Kaufpreis für den retournierten Artikel zu erstatten. So sieht es das Gesetz vor.

Ich habe im übrigen auch die ganze Hose zurückgegeben. Falls Sie an Ihrer Auffassung festhalten, schlage ich vor, dass Sie die Hosenbeine in Höhe des Knies abschneiden und mir einen Teil zusenden. Möglichst den oberen. Darauf könnten wir uns einigen.

Ich bat um Antwort oder Hose bis zum 21.06, das war schon eine Frist von zwei Wochen. Ich erhielt die Antwort, die Problematik werde „in der zuständigen Fachabteilung“ geprüft (immerhin nicht in der Schneiderei). Als dann wieder Schweigen eintrat, fragte ich noch mal nach und deutete höflich an, dass ich die Angelegenheit auf jeden Fall geklärt haben möchte – notfalls unter Einschaltung eines Anwalts.

Nun kam ganz schnell eine Antwort:

Leider ist uns ein Fehler unterlaufen. Sie erhalten den Differenzbetrag von 23,20 € innerhalb der kommenden Woche auf Ihre Kreditkarte zurückerstattet.

Es passierte – nichts. Also noch eine Mail, diesmal kam die Antwort schneller:

Leider ist eine Rückzahlung auf Ihre Kreditkarte aus systemtechnischen Gründen nicht möglich. Teilen Sie uns bitte Ihre IBAN+BIC mit, Sie erhalten die Erstattung dann sofort auf Ihr Konto.

Also musste ich noch mal eine Mail mit den Daten schicken. Aber immerhin, jetzt erfolgte die Rückzahlung. Selbst als Anwalt, der sich den ganzen Tag mit rechtlichem Kram beschäftigt, bin ich nun etwas erschöpft. Ob die Firma vielleicht ein klitzekleines bisschen darauf setzt, dass Kunden irgendwann aufgeben und keine Lust mehr haben?

Affentheater

Aus einem Strafbefehl wegen Beleidigung:

Sie bezeichneten die Polizeikontrolle als „Affentheater“.

Nachdem ich die Gerichtsakte gelesen habe, möchte ich an sich niemandem zu nahe treten. Aber bei der Geschichte muss ich – wenn auch natürlich halb im Scherz – festhalten: Wir reden hier gar nicht über ein Werturteil. Sondern über eine Tatsachenbehauptung.

Mögen die Zeugen also gehört werden, die Lokalpresse freut sich schon…

Kommen wir irgendwie zusammen?

Man sollte sich nie zu früh aus der Deckung wagen. Das zeigt ein Anruf bei einer Staatsanwältin, den ich vor einigen Tagen machte. Das Gespräch verlief so:

Hallo Frau Staatsanwältin, Sie haben wegen Corona sicher viel zu tun. Deshalb wollte ich mal nachfragen, ob wir die Arbeit in der Sache Müller, Eduard nicht vereinfachen können. Kommen wir da irgendwie zusammen … ?

An dieser Stelle wollte ich vorschlagen, es bei einer kleinen Bewährungsstrafe um die sechs Monate zu belassen. Hätte ich persönlich schon in Ordnung gefunden. Der Mandant übrigens auch. Doch die Staatsanwältin übernahm gleich das Gespräch:

Ach, gut, dass Sie anrufen. Ich hatte die Akte gestern auf dem Tisch. Also, mein Gedanke wäre eine Geldstrafe, von mir aus auch etwas unter 90 Tagessätzen.

Die Grenze von 90 Tagessätzen kennen wir ja schon aus diversen Blogeinträgen. Bis zu dieser Höhe ist man zwar im technischen Sinne vorbestraft, darf sich aber als unvorbestraft bezeichnen. In einem Führungszeugnis für Firmen etc. steht die Vorstrafe auch nicht drin (wenn es die erste ist). Man hat also bei Bewerbungen eine weiße Weste.

Ich war natürlich heilfroh, dass die Staatsanwältin meinen Mitteilungsdrang gebremst hatte. Zwei Minuten später war die Sache in trocken Tüchern. Die etwas voreilige Idee mit der Bewährungsstrafe bleibt somit besser unter uns.

Haftgründe? Aber klar!

Es geht um Warenbetrug. Packstationen spielen eine Rolle. Die Polizei hat meinen Mandanten an so einer Packstation festgenommen, als er – möglicherweise – eine Sendung abholen wollte, die so nicht für ihn gedacht war.

Aber darum geht es nur am Rande. Der Kripobeamte in dem eher beschaulichen hessischen Ort war so angetan von seinem Ermittlungserfolg, dass er meinen Mandanten unbedingt in Haft sehen wollte. Das jedenfalls machte er in seinem Abschlussvermerk sehr deutlich:

Aufgrund des Tatverdachts gemäß § 152b StGB liegt im vorliegenden Fall schon grundsätzlich wegen der Schwere der Tat ein Haftgrund vor.

Polizeibeamte sind keine Juristen. Aber sie haben natürlich Tag für Tag mit Paragrafen zu tun. Vor allem mit denen der Strafprozessordnung. Definiert diese doch weitgehend die „Spielregeln“ für die tägliche Arbeit der Beamten, zumindest im Bereich der Strafverfolgung. Hier scheint der Polizist, vorsichtig gesagt, eher rudimentäre Kenntnisse zu haben.

Das Gesetz (§ 112 StPO) fordert für die Untersuchungshaft zwei Dinge: Dringenden Tatverdacht – und einen Haftgrund. Von wenigen schweren Delikten wie Mord und einigem Dingen aus dem Bereich der Sexualstraftaten begründet „die Tat“ also solche gerade keinen Haftgrund, sondern ist Teil der erstgenannten Voraussetzung. Der Haftgrund ist etwas komplett anderes. Die klassischen Haftgründe sind Flucht oder Fluchtgefahr, Verdunkelungsgefahr und die Wiederholungsgefahr.

Es handelt sich beim Tatverdacht und den Haftgründen also um komplett unterschiedliche Dinge. Diese darf man nicht in einen Topf werfen. Vielmehr müssen die betreffenden Voraussetzungen a) dringender Tatverdacht und b) Haftgrund in aller Regel gemeinsam vorliegen. Die Straftat kommt allerdings beim Haftgrund der Fluchtgefahr allerdings ein klein wenig indirekt ins Spiel. Denn nach Auffassung vieler Gerichte begründet eine hohe Straferwartung (so ab 3 Jahre 6 Monate) auch einen hohen Fluchtanreiz.

Von so einer exorbitanten Straferwartung konnte man im vorliegenden Fall aber nun wirklich nicht ausgehen – es ging wie gesagt nur um eine fragwürdige Sendung mit zwei Cargoshorts von Zalando.

Langer Rede, kurzer Sinn. Nicht mal der Staatsanwalt hat beantragt, dass mein Mandant zum Haftrichter muss. Das Verfahren ist übrigens mittlerweile auch beendet – mit einem Freispruch. Und wenn es nach den Wünschen des Polizeibeamten gegangen wäre? Das hätte meinem Mandanten zumindest den Job gekostet, wenn nicht die komplette Existenz.

Er will einen Anwalt? Schuldig!

Das Landgericht Berlin hat einen Mann wegen Mordes verurteilt. Die Tat liegt lange zurück, außer einer unklaren DNA-Mischspur gibt es kaum Beweise gegen den Angeklagten. Deshalb ließ es sich das Landgericht nicht nehmen, seine Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten unter anderem darauf zu stützen, dass der Angeklagte bei seiner Festnahme keinen „Unmut“ geäußert habe.

Nun ja, jeder Jeck ist anders. Darauf weist – in geschliffeneren Worten – der Bundesgerichtshof hin, der das Urteil nun aufgehoben hat. Es gebe schlicht keinen „Satz der Lebenserfahrung“, dass jemand aufgebracht reagieren muss, wenn er mit einem Mordvorwurf konfrontiert wird.

Fast noch schlimmer ist allerdings, dass das Landgericht Berlin dem Angeklagten sogar den (offenbar frühen) Zeitpunkt ankreidete, zu dem er nach einem Anwalt verlangte. Daraus wird eine Art Schuldbewusstsein konstruiert, was in einem Rechtsstaat natürlich nicht geht. Der Bundesgerichtshof:

Nach § 136 Abs. 1 S. 2 und § 163a Abs. 4 StPO darf der Angeklagte unbefangen darüber entscheiden, ob und wann er die Hilfe eines Verteidigers in Anspruch nimmt. Diese zwar nicht im nemo-temetur-Grundsatz, jedoch im Rechtsstaatsprinzip verankerte Verhaltensmöglichkeit des Angeklagten im Ermittlungsverfahren würde durch beweiswürdigende Zugriffe entwertet.

Auch ich höre immer mal wieder die Fragen: Soll ich es nicht zuerst ohne Anwalt probieren? Wird es mir nicht negativ ausgelegt, wenn ich Sie einschalte? Vom Tisch wischen darf man diese Bedenken jedenfalls nicht, wie das Urteil des Landgerichts Berlin leider zeigt (Aktenzeichen 5 StR 109/20).

Gelöscht ist gelöscht

Wer mit einem übervollen Punktekonto in Flensburg zu kämpfen hat oder einmal haben wird, sollte eine aktuelle Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts kennen. Danach dürfen Punkte auf keinen Fall mehr berücksichtigt werden, wenn sie gelöscht sind. Bislang haben Bußgeldstellen und Gerichte das in gewissen Konstellationen anders gesehen.

Dabei wurden den Betroffenen Punkte zum Beispiel bei Anordnung einer Nachschulungsauflage oder gar einer Entziehung der Fahrerlaubnis noch angerechnet, obwohl die Löschfrist zum Zeitpunkt der Anordnung bereits abgelaufen war. Zur Begründung wurde darauf verwiesen, dass es auf den Zeitpunkt des letzten Verstoßes ankomme, nicht auf den (logischerweise späteren) Zeitpunkt der behördlichen Maßnahme.

Dem erteilt das Bundesverwaltungsgericht nun eine Absage: Gelöscht sei gelöscht, maßgeblich sei dabei der Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung. Im entschiedenen Fall hatte das zur Folge, dass dem Autofahrer vier Punkte nicht mehr angerechnet werden konnten. Somit war sein Führerschein gar nicht weg. Je länger sich ein Bußgeldverfahren also nach dem Tattag hinzieht, desto genauer sollte man künftig hinschauen, ob die die Löschungsfrist richtig beachtet wurde (Aktenzeichen 3 C 14.19).

Kirchenasyl ist kein Rechtsmissbrauch

Wenn sich ein Asylbewerber im offenen Kirchenasyl aufhält, hat er nach 18 Monaten dennoch Anspruch auf erhöhte Sozialleistungen. Dies hat das Landessozialgericht Darmstadt in einem Eilverfahren entschieden.

Ein Mann aus Äthiopien war 2015 nach Deutschland gekommen, sein Asylantrag wurde abgelehnt. Im Februar 2017 schützte ihn eine Frankfurter Gemeinde vor der Abschiebung, indem sie dem Mann Kirchenasyl gewährte. Das wurde der Stadt Frankfurt auch mitgeteilt. Diese unternahm im weiteren Verlauf nichts weiter. Sie wollte dem Mann aber nach 18 Monaten nicht die erhöhten Leistungen gewähren, weil er seinen Aufenthalt rechtsmissbräuchlich sichere.

Das Gericht verweist dagegen darauf, dass die Behörden normalerweise Kirchenasyl respektieren, obwohl sie weiter in der Lage seien, den Aufenthalt zu beenden. Wenn es sich wie hier um offenes Kirchenasyl handele, also der Aufenthaltsort des Betroffenen stets bekannt sei, sei das Kirchenasyl nicht mit einem Untertauchen gleichzusetzen. Verzichte der Staat auf eine Abschiebung und toleriere den Aufenthalt, könne er dem Asylbewerber nicht gleichzeitig Rechtsmissbrauch vorwerfen (Aktenzeichen L 4 AY 5/20 B ER)

„Günstiger und schneller als der Anwalt“

Ein Vertragsgenerator ist keine unzulässige Konkurrenz für Anwälte, sondern ein zulässiges Verlagsprodukt. Hierüber belehrt das Oberlandesgericht Köln die Hanseatische Anwaltskammer. Die Kammer hatte gegen den Vertragsgenerator geklagt, weil dieser verbotene Rechtsberatung leiste.

Beanstandet wurden auch die Werbeaussagen „Günstiger und schneller als der Anwalt“ sowie „Rechtsdokumente in Anwaltsqualität“. Die Kölner Richter schauten sich das Produkt an und stellten wenig überraschend fest, dass es sich dabei lediglich um ein Formularbuch 2.0 handelt. Das Programm fragt die juristische Ausgangssituation Schritt für Schritt ab und setzt diese dann in Klauseln um. So kennt man es ja auch von den üblichen Einkommenssteuerprogrammen.

Jedem Nutzer sei klar, dass das Ergebnis von der Qualität der Textbausteine, ihren logischen Verknüpfungen und der richtigen Eingabe durch den Nutzer abhänge. Also genau die gleiche Konstellation, wie wenn sich jemand aus einem Formularbuch, wie es seit Urzeiten angeboten wird, die richtigen Klauseln heraussucht. Das sei schon keine Rechtsberatung im Sinne des Gesetzes, so das Gericht.

Kein Thema in dem Rechtsstreit waren Programme, die tatsächlich mit Künstlicher Intelligenz arbeiten und nicht nur nach einem schematischen Ja-Nein-Code. Wenn so was auf den Markt kommt, kann die Hamburger Anwaltskammer ihr Glück ja vielleicht noch mal versuchen (Aktenzeichen 6 U 263/19).

Missglückte Blondierung

Missglückte Friseurbesuche gibt es täglich in großer Zahl. Was die Kundin eines Friseursalons ins Köln allerdings erlebte, geht weit über einen unbefriedigenden Haarschnitt hinaus. Bei der Blondierung ihres Haares erlitt die Frau in einem handtellergroßen Bereich des Hinterkopfes durch die Blondiercreme Verbrennungen und Verätzungen 1. bis 2. Grades.

Es folgte eine monatelange Schmerz- und Infektionsbehandlung, dann ein aufwendiger dermatologisch-operativer Eingriff. Dennoch blieben der Frau nicht nur dauerhafte Schmerzen, die sie mit Medikamenten bekämpfen musste. Auf dem Hinterkopf behält sie außerdem eine haarlose Stelle. Sein Verschulden mochte der Friseur bis zuletzt nicht einsehen. Er bot der Kundin lediglich einen Friseurgutschein.

So landete der Fall vor Gericht. Das Landgericht Köln sprach der Klägerin 4.000 Euro Schmerzensgeld zu, sie selbst hatte 10.000 Euro verlangt. Das Oberlandesgericht Köln erhöhte die Summe jetzt auf 5.000 Euro. Die gravierenden Folgen rechtfertigten diesen Betrag. Keine Rolle spielt nach Auffassung des Gerichts der Umstand, dass der Friseur eine Haftpflichtversicherung hat. Aus diesem Grund hatte die Klägerin einen Aufschlag gefordert (Aktenzeichen 20 U 287/19).

Unter einer Gangbang-Party versteht man …

Jeder Verstoß gegen die Coronaschutzverordnung muss natürlich gerichtsfest begründet sein. Deshalb lässt es sich das Ordnungsamt auch nicht nehmen, in seinem Bußgeldbescheid einleitend erst mal zu erklären, was eine Gangbang-Party ist:

Unter einer Gangbang-Party versteht man eine besondere Form des Gruppensex, für den eine extreme Überzahl dominanter bzw. aktiv-penetrierender Teilnehmer und die abwechselnde Penetration weniger submissiver bzw. passiv-rezeptiver Teilnehmer charakteristisch ist.

Die juristischen Probleme des Falles liegen allerdings nicht in dieser grandiosen Definition. Aber davon erzähle ich besser erst nach dem Gerichtstermin.

Verlobt und schweigsam

Strafverteidiger mögen Verlöbnisse. Nicht unbedingt wegen der Romantik. Sondern wegen der sofort greifbaren Auswirkungen, die ein sogenanntes „Eheversprechen“ juristisch hat. War ein – mögliches – Opfer gerade noch als Zeuge aussagepflichtig, besitzt es ab Verlobung mit dem mutmaßlichen Täter, also möglicherweise sofort, ein umfassendes Schweigerecht. Wie das Ganze funktioniert, zeigt ein aktueller Fall aus Bonn.

Vor dem Landgericht muss sich eine 33-Jährige verantworten, weil sie ihrem Freund mit einem Messer nach dem Leben getrachtet haben soll. War der Mann bislang sogar als Nebenkläger aufgetreten, berief er sich nun am zweiten Verhandlungstag im Zeugenstand auf seine tiefe Liebe zur Angeklagten, berichtet der Express. Die Zuneigung wird wohl auch erwidert, denn nach Angaben des Zeugen bestand das in Rede stehende Verhältnis schon vor dem Gerichtstermin.

Der Verteidiger soll nichts gewusst haben, der Vorsitzende war wohl einigermaßen baff. Aber immerhin überwog laut dem Bericht die Rührung über das unvermittelte Happy End. Vielleicht mit Ausnahme des Anwalts des Frischverlobten. Der verlor nämlich sein Mandat, weil sein Auftraggeber natürlich auch noch gleich die Nebenklage cancelte.

Jetzt muss das Landgericht Bonn sehen, wie es mit der Situation umgeht. Ein Opfer, das nicht aussagt und gar keine Strafe mehr will, das wird sicher zu einem erheblichen Rabatt führen. Trotzdem bin ich mir sicher, die Beteiligten hätten den Verteidiger einweihen sollen. Der hätte der Sache mit einem kleinen Trick noch etwas mehr Drive verleihen können. Mehr sage ich an dieser Stelle aber nicht, wir Anwälte wollen uns ja nicht überflüssig machen.

Verbotene Liebe im Knast

In Rheinland-Pfalz muss die Mitarbeiterin einer Justizvollzugsanstalt den Dienst quittieren. Sie soll eine mehrmonatige Liebesbeziehung zu einem Gefangenen eingegangen sein.

Bei einer Postkontrolle wurden zahlreiche Briefe aufgefunden, welche die Beamtin dem Gefangenen unter falschem Namen geschickt hatte. Darin soll sie von einem gemeinsamen Leben nach der Haft gesprochen haben. Außerdem hatte die Beamtin Nacktfotos von sich beigelegt. Im Gegenzug gab ihr der Inhaftierte ein T-Shirt von sich, das die Frau mit nach Hause nahm.

Das Oberverwaltungsgericht Koblenz betrachtet die Beamtin als untragbar. Die Frau habe gegen das Distanzgebot im Strafvollzug verstoßen. Die Briefe belegten unzweifelhaft eine Liebesbeziehung. Hierdurch, aber insbesondere durch die Nacktaufnahmen, habe sie sich erpressbar gemacht. Besonders kreidet das Gericht, wie schon die Vorinstanz, der Mitarbeiterin auch an, dass sie sogar nach der Verlegung des Gefangenen versucht habe, mit ihm über Dritte Kontakt zu halten. Dass es keine intime Beziehung gab, sei nicht glaubhaft (Aktenzeichen 3 A 11024/19.OVG).

Dresdner klagt gegen Regenbogenfahne

Zum Christoper Street Day hisste das Sächsische Gleichstellungsministerium in Dresden die Regenbogenflagge. Dagegen zog ein Bürger vor Gericht. Er verlangte, dass die Flagge sofort wieder abgehängt wird.

Der Antragsteller sieht in der Schwulen- und Lesbenbewegung eine Weltanschauung, für diese dürfe der Staat nicht werben, ohne seine Neutralitätspflicht zu verletzen. Das Verwaltungsgericht Dresden vermochte dagegen keine unzulässige Bedrohung des herkömmlichen Familienbildes durch eine Flagge zu erkennen. Die Regenbogenfahne drücke nach aktuellem Verständnis Toleranz und Akzeptanz aus und betone die Vielfalt der Lebensformen. Es handele sich um ein überparteiliches Symbol, das keiner politischen Richtung exklusiv zuzurechnen sei. Auch habe der Antragsteller keinen Anspruch darauf, nicht mit Meinungen konfrontiert zu werden, die er nicht teilt.

Etwas hakeliger war wohl ein formales Argument des Antragstellers. Die Verwaltungsvorschrift zur Beflaggung von Dienstgebäuden lasse die Regenbogenfahne gar nicht zu. Ob das der Fall ist, wollte das Gericht allerdings nicht entscheiden. Es handele sich lediglich um eine interne Verwaltungsvorschrift. Diese gebe dem Antragsteller keine eigenen Rechte (Aktenzeichen 6 L 402/20).