Wieder eingehängt

Eilig! Wichtig! Sofort vorlegen! Nun gut, ich las mir die Unterlagen zu dem neuen Fall durch und wollte schon zum Telefon greifen, um den möglichen Mandanten anzurufen. Da sah ich in den Anlagen ein Blatt, das dort wohl reingerutscht war. Der Faxverteiler für die Anfrage. Auf der Liste standen um die 40 Fachanwälte für Strafrecht.

Ich habe wieder eingehängt. An Pitches beteilige ich mich nur ganz selten, und dann auch nur in bestimmten Fällen. Dieser gehört mit Sicherheit nicht dazu.

Immens wichtiges Feedback

Unter dem Titel „Was die Polizei so alles lächerlich findet“ hatte ich gestern in den Links 305 auf eine Pressemeldung des Polizeipräsidiums Südhessen hingewiesen. Diese ist mittlerweile aus dem Netz verschwunden, deshalb hier noch mal der Text:

18.11.2008 | 11:57 Uhr
POL-DA: Weiterstadt: „Ohne meinen Anwalt, sage ich nichts…“ | Temposünder fehlen die Worte

Weiterstadt (ots) – Man könnte darüber spekulieren, ob die berühmten Worte mit dem Verweis auf die Vertretung in Sachen Rechtsangelegenheiten in manchen Fällen eher floskelhaft Verwendung finden und in Situationen verdrießlicher Sprachlosigkeit als Lückenfüller herhalten müssen.
Jedenfalls machte ein 30-jähriger Autofahrer Montagabend (17.11.) um 22 Uhr auf der A 5 ausgiebig von jener Willensäußerung gebrauch, nachdem er von einer Zivilstreife der Zentralen Fahndung und Verkehrsüberwachung zu schnell im Baustellenbereich gemessen wurde. Mit sage und schreibe 89 km/h zu viel auf dem Tacho, muss sich der Raser nun auf ein Fahrverbot von drei Monaten und ein sündhaft teures Bußgeld einstellen. Dem Frankfurter fehlten, bis auf jene berühmten natürlich, schlichtweg die Worte.

law blog – Leser Dirk Große-Allermann fand den Text auch weniger witzig. Er schrieb folgende Mail ans Polizeipräsidium Südhessen:

… mit Erstaunen habe ich Ihre Pressemeldung unter http://www.presseportal.de/polizeipresse/pm/4969/1303876/polizeipraesidium_suedhessen
zur Kenntnis genommen.

Das Aussageverweigerungsrecht als ein zentrales Recht eines Beschuldigten einer Ordnungswidrigkeit oder Straftat scheint mir vom Verfasser der Meldung nicht mit dem gebotenen Ernst gesehen, ja sogar ins Lächerliche gezogen zu werden. Umso befremdlicher, eine solche Laxheit in einer Pressemeldung der Polizei zu lesen. Muss ich davon ausgehen, dass der Tenor dieser Meldung den praktischen Umgang der Polizei Hessen mit den Rechten Beschuldigter widerspiegelt, oder war diese Meldung lediglich der missglückte Versuch, unterhaltsam auf Kosten rechtsstaatlicher Prinzipien zu formulieren?

Dazu nahm die Polizei jetzt Stellung:

… zunächst einmal möchte ich mich für Ihre Mail bedanken. Es ist gut zu wissen, dass die Pressmitteilungen auch außerhalb der Zeitungs-, Rundfunk- und Fernsehredaktionen von fachkundigen und interesseirten Bürgerinnen und Bürgern verfolgt und kritisch bewertet werden. Nur auf diese Weise erhält die Polizei das auch für eine Behörde immens wichtige Feedback, welches zur Optimierung ihrer Arbeit unerlässlich benötigt wird.

Im vorliegenden Fall möchte ich Ihnen versichern, dass es fern jedeweder Absicht war, die Rechte eines Betroffenen oder Beschuldigten ins Lächerliche zu ziehen oder eine Person zu diffamieren. Jedoch garantieren rein geradlinige Formulierungen und unkommentierte Tatasachenschilderungen nicht per se unantastbare Objektivität. Gerade aus polizeilich präventiver Sicht kann eine auf solche Art verfasste Pressemitteilung nicht die erdachte Wirkung erzielen oder in Ausnahmefällen sogar kritische Fragen aufwerfen.

In Bezug auf meine Pressmitteilung vom 18.11.08 verstehe ich den Anstoß, den die Formulierung bei Ihnen hervorgebracht hat. Selbstverständlich steht es jedem Betroffenen oder Beschuldigten in unserem Rechtsstaat zu, sich nicht zur Sache zu äußern und sich anwaltlich vertreten zu lassen. Die Polizei in Hessen wahrt und achtet diese Rechte und arbeitet nach professionellen Leitlinien.

Die Art meiner Darstellung der Geschehnisse dieser Verkehrskontrolle rechtfertigt ihre Kritik. Für den bei Ihnen hervorgerufenen Unmut darüber möchte ich mich entschuldigen. Die Löschung der Mitteilung habe ich in die Wege geleitet.

Ich bin sicher nicht der einzige, den diese Reaktion extrem positiv überrascht.

Die Meldung ist nicht mehr abrufbar.

Striptease

Es geht um knapp 900 Euro. Das Gericht hat einen Schriftsachverständigen beauftragt, der eine Unterschrift überprüfen soll. Hierzu fordert der Sachverständige – und der meint das ernst – folgende Vergleichsunterlagen von meiner Mandantin an:

Unterschriften, wie z.B. Fax-Vorlagen, Arbeits-, Kauf-, Miet-, Versicherungs- oder Leasingverträge, Zeugnisse, Reparaturaufträge, Korrespondenz, Studien- oder Bankunterlagen, Unterlagen des Arbeitsplatzes oder Geschäftsbetriebs, Anträge, Korrespondenz mit Ämtern bzw. Vollmachten. … Kopien von Reisepass, Personalausweis, Führerschein, EC-Karte, Kreditkarte, Versicherungskarte, Mitgliedsausweise.

Ich werde anbieten, dass meine Mandantin im Rahmen eines Ortstermins beliebige Schriftproben erstellt. Und die Originale ihrer Ausweise und Bankkarten zum Vergleich vorlegt. Den restlichen Striptease werden wir verweigern. Persönlichkeitsrechte und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gelten, so hoffe ich zumindest, auch im Zivilprozess.

Was Staatsanwälte verteidigen

Wer mit kritischen Staatsanwälten und Strafverteidigern spricht, weiß, dass das geflügelte Wort von der „objektivsten Behörde“ eine Illusion ist, die allenfalls dazu taugt, naiven Studenten davon zu erzählen.

Die gesetzliche Regel stellt schon lange die Ausnahme dar. Die Mehrzahl der Staatsanwälte verteidigt nicht das Recht, sondern allein die Anklage: rein taktisch wird mehr angeklagt, als die Sache hergibt …, die U-Haft wird zur Aussagegewinnung missbraucht, Belastungszeugen werden geschont und Entlastungszeugen hart attackiert.

Die Unschuldsvermutung und der Verfahrensgrundsatz „in dubio pro reo“ verwandeln sich oft ins Gegenteil (vor allem, wenn Aussage gegen Aussage steht). Eine entschlossen geführte Verteidigung wird als persönlicher Angriff und ein Freispruch als Niederlage empfunden. Kurz: Professionelle Distanz gehört innerhalb der Staatsanwaltschaft kaum noch zum Berufsethos.

Dr. Holm Putzke, Zeitschrift für die Anwaltspraxis (ZAP), Nr. 22/2008.

Ohne weitere Benachrichtigung

Ich habe einige neue Unterlagen durchgesehen. Darunter auch Korrespondenz zu einer Beschwerde vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Der Beschwerdeführer hatte um eine Fristverlängerung gebeten. Diese wurde ihm gewährt. Allerdings nur mit einer deutlichen Warnung:

Sollten Sie die erforderlichen Unterlagen nicht innerhalb dieser Frist einreichen, wird die Akte ohne weitere Benachrichtigung zerstört.

Mit freundlichen Grüßen

Rechtsreferentin

Falsche Ankündigung

Aus einer Strafanzeige:

Nach Auffassung der Anzeigenerstatterin haben die Angezeigten durch den Aufruf auf ihrer Internetseite die Tatbestände der Anstiftung zur falschen Verdächtigung, des Aussspähens von Daten und des Geheimnisverrats verwirklicht (vgl. Verweis auf zwei Aufsätze in der Neuen Juristischen Wochenschrift).

Es ist natürlich jeden unbenommen, sich kurz zu fassen. Dann sollte man sich aber auch die Zwischenüberschrift II. Rechtliche Würdigung sparen.

Die Razzia ist nur einen Klick entfernt

Ein Klick auf einen Link kann zur Hausdurchsuchung führen? Wer es nicht glaubt, wird durch diesen Satz aus einer Ermittlungsakte belehrt:

Herr S. steht im dringenden Tatverdacht, am 18.01.2006 auf die Datei 1116916/PTN.rar.html auf der Seite rapidshare.de zum Zwecke des Herunterladens zugegriffen zu haben. Im Original handelt es sich dabei um einen Film mit kinderpornografischem Inhalt, der jedoch zuvor vom LKA BW gegen Daten ohne Kinderpornografie ausgetauscht wurde.

Wir halten fest:

– Es handelt sich um eins der beliebtesten Downloadportale.

– Der Link hat einen nichtssagenden Namen.

– Der Inhalt der Datei ist manipuliert.

Über die Folgen von Hausdurchsuchungen für die private und berufliche Existenz habe ich schon häufiger berichtet. Der Beschuldigte kann sich wenig davon kaufen, wenn nach Monaten festgestellt wird, dass seine Datenträger sauber sind. Dann liegen die private und berufliche Existenz häufig schon in Scherben.

Die oben beschriebene Konstellation macht überdies deutlich, wie gering die Anforderungen an einen Tatverdacht mittlerweile sind. Übrigens ist es auf dieser Grundlage ein Kinderspiel, sich seine Beschuldigten beliebig selbst zu basteln.

Umsatzsteuer geschenkt

Wir haben für eine Firma einen Unfallschaden reguliert. Die gegnerische Versicherung hat unsere Kosten bezahlt. Inklusive Umsatzsteuer. Obwohl wir in die Rechnung reingeschrieben haben, dass unsere Mandantin die Vorsteuer abziehen kann und somit lediglich der Nettobetrag zu zahlen ist.

(Trotzdem schicke ich immer eine Bruttorechnung, weil es dann nicht noch mal eine neue Rechnung produzieren muss, um beim Mandanten die Umsatzsteuer anzufordern. Prügel von Steuerexperten nehme ich für diese Praxis demütig entgegen.)

Jetzt überlege ich natürlich, ob ich die Versicherung informieren muss. Ich denke eher nicht, immerhin ist unsere Rechnung eindeutig. Wenn die Versicherung die Umsatzsteuer trotzdem zahlt, darf ich das doch als freundliche Geste betrachten. Falls reklamiert wird, erstatten wir den Betrag natürlich.

Der Mandantin ist es sowieso egal, Stichwort: durchlaufender Posten.

Mit dem law blog zum nächsten Date

Ich hoffe, es wird nicht langweilig. Aber ich habe mal wieder was zu verschenken. Jemand, ich nehme an der Verlag, hat mir das Buch „Traced!“ von Barbara Goldmann und Michail Borchewski zugesandt. Untertitel: So googlen Sie Schuldner, Nachbarn, Bewerber oder Ihr nächstes Date.

Wer das noch eingeschweißte Buch haben möchte, schreibt bitte einen Kommentar mit gültiger E-Mail-Adresse. Beim Gewinner frage ich dann über diese E-Mail-Adresse (und keine andere, Gruß an den Trickser vom letzten Mal) die Postanschrift ab.

Heute nehme ich Rücksicht auf die arbeitende Bevölkerung. Kommentare können bis 22 Uhr abgegeben werden.

Nachtrag: Der Zufallszahlengenerator hat sich für die 121 entschieden. Herzlichen Glückwunsch an oldmanmoses.

Auf der Jagd nach…

Vorhin fragte ich einen neuen Mandanten nach seiner Telefonnummer. Er kannte sie nicht und konnte sie auch nicht im Speicher seines Handys finden. Sein Begleiter hatte die Nummer zwar im Handy gespeichert, aber das Telefon zu Hause vergessen.

Ich hatte eine Idee. „Rufen Sie doch einfach mal hier an. Dann schreibe ich Ihre Nummer aus dem Display ab.“ Das ging aber auch nicht. Auf der Handykarte war kein Guthaben mehr.

Er will mir die Telefonnummer mailen. Ich bin gespannt.

Doppelt zahlen, ein Drittel bekommen

1 GB über UMTS für 9,90 Euro im Monat. Wenn ich so was lese, frage ich mich schon , warum ich bei Vodafone mit 19,90 Euro doppelt so viel bezahle, dafür aber mit 300 MB nicht mal ein Drittel des Datenvolumens bekomme.

Der immer wieder herausgestellte „Datenturbo“ HSDPA ist für mich als Multimedia-Muffel jedenfalls nicht so wichtig. Was sich ja schon daran zeigt, dass ich die 300 MB bislang noch nicht überschritten habe.

Mein letzter Willi

Ein mit „Mein letzter Willi!“ überschriebenes Testament muss kein Scherz sein. (Leitsatz der law blog – Redaktion)

Manche Anwälte sind sich für kein Argument zu schade. Das Landgericht Düsseldorf bewahrt aber die Contenance und argumentiert rechtsmittelsicher:

Das Testament ist wirksam. Soweit das Testament mit „Mein letzter Willi!“ überschrieben ist, handelt es sich offensichtlich um ein Versehen.

Der letzte Buchstabe des Wortes „Willi“ kann ohne weiteres auch als ein „e“ interpretiert werden. Die Erblasserin hat teilweise den Buchstaben „e“ nämlich wie ein „i“ ohne i-Punkt geschrieben, also den Bogen des Buchstabens „e“ so schmal gefasst, dass er mit dem Schriftzug eines in Schreibschrift verfassten „i“ ohne den Punkt erscheint, so zum Beispiel im Testament bei den Worten „meinem“, „Meine“ und „Enkel“.

Es spricht alles dafür, dass die Erblasserin augenscheinlich über dem als „e“ zu interpretierenden letzten Buchstaben des Wortes „Willi“ offensichtlich nur versehentlich einen i-Punkt gesetzt hat.

Es sind keinerlei Anhaltspunkte vorgetragen oder sonst ersichtlich, die dafür sprechen könnten, dass dieses Testament nur als Scherz gemeint war.

(Landgericht Düsseldorf, Beschluss vom 7. November 2008, 19 T 130/08)

Im Innenverhältnis

Ich musste vor einiger Zeit einen Verteidiger beauftragen, meinen Mandanten in der Untersuchungshaft zu besuchen. Der Mandant war sehr weit weg festgenommen worden. Ich hatte keine Möglichkeit, ihn kurzfristig zu sprechen.

Der Kollege machte das auch sehr schön. In seine E-Mail, mit der er mir über den Besuch berichtete, schrieb er allerdings:

Der gemeinsame Mandant hat die Tat übrigens im Innenverhältnis eingeräumt.

Und das in einem Fall, in dem Telefone überwacht wurden. Nun ja, die Sache ist jetzt schon länger erledigt. Falls jemand in der Justiz von der E-Mail Kenntnis hatte, hat er es sich jedenfalls nicht anmerken lassen.