Wo die freie Gesellschaft verteidigt wird

Interessanter Artikel in der Welt über die Sorgen und Nöte, die unsere freie Gesellschaft plagen und darüber, wie wir immer darum ringen müssen, dass unsere offene und unbeschwerte Art zu leben nicht gefährdet wird. Es geht um die Tätigkeit des Deutschen Werberates, der vornehmlich Beschwerden über angeblich sexistische Werbung nachgeht.

Das mutmaßlich krasseste Beispiel für sexistische Werbung in dem Beitrag ist der „Süsse Arsch“ vom König-City an der Düsseldorfer Bolkerstraße. Ein Plakat, das schon so viele Jahre vor dem Lokal steht, dass es selbst gelegentliche Altstadtgänger schon gar nicht mehr wahrnehmen.

Aber auch ansonsten scheint sich die Empörung über sexistische Werbung bei uns in Grenzen zu halten. Für 182 Beschwerden fühlte sich der Werberat im 1. Halbjahr überhaupt nur zuständig. Ganze 29 Werbungen wurden letztlich beanstandet – wobei das keine rechtliche Verbindlichkeit mit sich bringt.

Der „Süsse Arsch“ bleibt übrigens. Der Wirt weigert sich, das Plakat zu entfernen. Auch weil sich, wie er sagt, gerade Frauen sehr gerne gegenseitig vor dem Schild ablichten. Dass das Plakat laut dem Werberat tatsächlich die Käuflichkeit der Frau und nicht die des angepriesenen Himbeerlikörs implizieren soll, bleibt also bis auf weiteres ungesühnt.

Bericht in der Welt

Transparente, die niemand sieht

Die Autobahn A 27 bei Bremen musste heute mit gerichtlichem Segen für eine halbe Stunde gesperrt werden, weil sich Umweltaktivistin von einer Autobahnbrücke abseilen und dabei Transparante vorzeigen wollten.

„Der klima- und umweltschädliche Autoverkehr ist tagtäglich für viele Menschen und Tiere tödlich und verletzend“, so die Botschaft der Demonstranten. Die Stadt Achim wollte die Aktion nicht genehmigen. Sie hielt es für ausreichend, wenn sich die Protestler auf der Autobahnbrücke versammeln und dort demonstrieren können. Außerdem hatte die Behörde – durchaus naheliegend – Sicherheitsbedenken gegen das Abseilen.

Dennoch musste die A27 heute tatsächlich gesperrt werden, denn mit einer Demo ist dem Demonstrationsrecht laut dem Verwaltungsgericht Stade heutzutage nicht mehr ausreichend gedient. Mit einer Kundgebung auf der Autobahnbrücke würden die Aktivisten nicht den „erstrebten Beachtungserfolg“ erzielen. Deshalb gebiete die Versammlungsfreiheit eine einstündige Sperrung der Autobahn.

Wer diese Entscheidung für reichlich abstrus hält, liegt juristisch möglicherweise falsch. Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg als Beschwerdeinstanz hat ebenfalls keine Probleme mit dieser doch reichlich neuen Protestform. Allerdings reduzierten die Richter die Sperrung auf eine halbe Stunde. Für diese Zeit wurde die Autobahn dann heute tatsächlich komplett gesperrt. Natürlich mit der Folge, dass praktisch niemand die Transparente gesehen hat.

Bericht

Berliner Polizei beschuldigt 12 Kollegen

Die Berliner Polizei hat den Katalog von Beschuldigten in Strafverfahren erweitert – um zwölf ihrer Kollegen. Die Beamten sollen gemeinsam einen Diebstahl in einer Kreuzberger Wache vertuscht haben. Es geht um Goldmünzen im Wert von 600 Euro. Die Münzen soll ein spielsüchtiger Polizist aus einem Dienstschrank entwendet haben.

Nach dem Verschwinden der Münzen war wohl allen Beteiligten klar, dass nur ein Kollege die Tat begangen haben konnte. Es fehlten nämlich Aufbruchspuren am Schrank. Der Dienststellenleiter soll die Sache angesprochen haben. Laut der Polizei lag ein Tatverdacht gegen einen Kollegen auf der Hand, dessen Spielsucht allen bekannt gewesen sein soll. Trotzdem sollen die Beamten keine Anzeige erstattet haben.

Der Diebstahl auf der Wache soll sich bereits im Jahr 2021 ereignet haben. Bekannt wurde die Sache, weil der mögliche Münzdieb mit einem anderen Polizisten gemeinsam im Jahr 2023 einen Autofahrer „kontrollierte“ und dem Autofahrer dann 57.000 Euro Bargeld abgenommen haben sollen. Bei den dortigen Ermittlungen wurden Chats beschlagnahmt, die jetzt wohl den Verdacht wegen des Diebstahls auf der Wache begründen.

Wer auf der Suche nach einer Drehbuch-Idee ist, kann sich gerne bedienen. Für alle anderen Leser noch mal der Hinweis: Wer schreibt, der bleibt. Telefonate sind vergänglich, Chats bleiben womöglich bis in die Unendlichkeit erhalten – und fallen Ermittlern oft aus komplett anderen Anlässen in die Hände. Nur in einem Punkt kann ich als Anwalt uneingeschränkt zum Schriftverkehr raten: Wenn es um Verabredungen zum Sex geht. Wenn am Ende unterschiedliche Auffassungen über die Freiwiligkeit bestehen, können Textnachrichten rettend sein.

Pressemeldung der Polizei

Ein ganz normaler Tag am Amtsgericht

Zu den Klassikerin im Anwaltsgeschäft gehört die Reise zu einer Hauptverhandlung, von der man als Verteidiger weiß, dass sie zwar stattfinden kann, aber irgendwann auf jeden Fall komplett wiederholt werden muss. Das ist immer der Fall, wenn das Gericht den sogenannten Eröffnungsbeschluss vergisst. Kommt gar nicht so selten vor, deshalb lohnt es sich immer darauf zu achten. Der fehlende Eröffnungsbeschluss führt ohne jedes Pardon zur Nichtigkeit der gesamten Hauptverhandlung – durch alle Instanzen.

Ich hatte nun mal wieder mit so einem Fall zu tun. Eine Ladung zum Termin gab es. Aber eben keinen Eröffnungsbeschluss. Allerdings hatte die Richterin den Fehler wohl bei der Vorbereitung des Falles noch bemerkt. Denn sie wies von sich aus darauf hin, verkündete salopp den Eröffungsbeschluss und wollte in die Verhandlung eintreten. Nun ja, flottes Tempo, aber was ist mit den Rechten des Angeklagten? Natürlich kannst du als Anwalt da brav die Klappe halten. Musst du aber nicht.

Fehlt der Eröffnungsbeschluss, sind nämlich die Ladungsfristen juristisch nicht eingehalten, auch wenn es eine schriftliche Ladung gibt. Denn wegen der fehlenden Zustellung des Eröffnungsbeschlusses, die zwingend vorgeschrieben ist, ist die Ladungsfrist (mindestens eine Woche) formal nicht in Gang gesetzt worden. Das hat zur Folge, dass der Angeklagte die Aussetzung der Hauptverhandlung verlangen kann. Über dieses Recht hätten wir sogar belehrt werden müssen, und erst dann hätten wir auf eine Einhaltung der Ladungsfrist verzichten können – wobei die Betonung wie gesagt auf können liegt.

So eine Situation ist natürlich ein guter Einstieg für ein Gespräch darüber, ob man die Sache nicht sozialverträglich erledigen kann. Zum Beispiel durch Einstellung des Verfahrens gegen Zahlung einer Geldauflage. Das hätte hier sogar nahegelegen. Aber wie so häufig stellte sich die Staatsanwaltschaft quer und legte Wert darauf, erst mal die Zeugen zu hören. Wie sich herausstellte, waren die fünf Zeugen bis auf einen aber gar nicht erschienen. Jetzt hätte man sowieso nur noch verhandeln können, wenn mein Mandant sich zur Sache äußert. Denn ohne Zeugen bzw. Geständnis natürlich keine Verurteilung. Ich lasse meinen Mandanten aber natürlich nichts sagen, wenn die Staatsanwaltschaft eine Einstellung des Verfahrens schon kategorisch abgelehnt hat. Damit war der Tag dann aber auch wirklich zu Ende.

Nächster Gerichtstermin: in einigen Monaten.

Weiter keine Anklagen wegen „döp-dödö-döp“

Ein weiterer „döp-dödö-döp“-Vorfall findet sein juristisches Ende. Die Staatsanwaltschaft Hannover sieht es nicht als strafbar an, dass Besucher eines Schützenfestes in Kleinburgwedel „Deutschland den Deutschen“ und „Ausländer raus“ gesungen haben.

Laut den Ermittlern erfüllen die Gesänge nicht den Tatbestand der Volksverhetzung. Denn, so die Begründung einer Sprecherin, „das alleinige Bestreiten des Aufenthaltsrechts von Ausländern“ stelle „noch keinen Angriff auf die Menschenwürde dar“. Eine Strafverfolgung setze eine „gesteigerte Feindseligkeit oder eine schwerwiegende Form der Missachtung gegenüber einem Teil der Bevölkerung“ voraus.

Es fehlen also die verschärfenden Umstände, welche erst einen Angriff auf die Menschenwürde begründen. Auch sei nicht zu Hass aufgestachelt oder zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen aufgefordert worden. Ausdrücklich weist die Staatsanwaltschaft darauf hin, die Äußerungen seien „im Rahmen einer ausgelassenen Partystimmung“ gefallen und von der Meinungsfreiheit in Deutschland gedeckt.

Ähnlich haben auch schon die Staatsanwaltschaften Augsburg und Neubrandenburg entschieden.

Bericht auf Apollo News

Geniale Klausr

Die Stichworte im aktuellen Beleidigungsfall zum Nachteil von Ricarda Lang lauten: Strafantragserfordernis. Meinungsfreiheit. Persönlichkeitsrecht. Tatsachenbehauptung. Ehre. Schmähkritik. Tatsachenkern. Freiheit des politischen Diskuses. Verfassungsrechtliche Abwägung.

Insgesamt wird daraus eine geniale Fortgeschrittenen-Klausur im Jurastudium. Die Bearbeitungszeit für die Studenten sollte allerdings um zehn Minuten verlängert werden, so eine Art Nachteilsausgleich wegen der unvermeidlichen Lachanfälle.

Bericht auf NIUS

Spanien: Gewalttätige Männer nutzen Transgesetze aus

Ihr erinnert euch an die Beteuerungen, dass es so gut wie nirgends in der Welt (juristische) Probleme gibt, wenn jeder sein Geschlecht selbst definieren darf:

Anfang der Woche konnte ein Mann aus dem andalusischen Sevilla, der wiederholt und seit Jahren seine mittlerweile Ex-Frau malträtierte, nicht im Kontext geschlechtsspezifischer Gewalt verurteilt werden, weil er zuvor sein Geschlecht umschreiben ließ und nun als „Transfrau“ gilt. Wenige Tage zuvor entging auch ein Beamter der baskischen Ertzaina-Regionalpolizei, der seine Frau und seine beiden Töchter mit einem Messer in San Sebastián angriff, der Verurteilung wegen geschlechtsspezifischer Gewalt, weil er sich zuvor offiziell als Frau ins Zivilregister eintragen ließ. In Madrid wurden im März sechs ähnliche Fälle bekannt.

Bericht auf OE24

Kein Niqab am Steuer

Auch in Rheinland-Pfalz dürfen muslimische Frauen am Steuer eines Autos keinen Gesichtsschleier (Niqab) tragen. Das Oberverwaltungsgericht Koblenz stellt in einem aktuellen Beschluss fest, dass das sogenannte Verhüllungsverbot nach § 23 Straßvenverkehrordnung Vorrang vor den Glaubensregeln des Koran hat.

Die Frau hatte geltend gemacht, der Koran gebiete ihr das Tragen des Niqab in der Öffentlichkeit, wozu sie auch das Innere ihres Wagens zählt. Der Niqab verhüllt das Gesicht bis auf einen schmalen Sehschlitz. Laut dem Oberwaltungsgericht Koblenz gibt es gute Gründe dafür, dass Autofahrer am Steuer ihr Gesicht zeigen müssen. Die Richter nennen Radarfallen sowie die Gefahr der Sichtbehinderungen.

Die Frau hatte angeboten, ein Fahrtenbuch zu führen. Aber das halten die Richter nicht für ausreichend. Der Eingriff in die Religionsfreiheit der Frau betrachtet das Gericht als geringfügig. Die Frau werde nicht an der Ausübung ihres Glaubens gehindert, vielmehr müsse sie für diesen Glauben halt auf das Auto verzichten. „Das Führen eines Kraftfahrzeuges ist nicht ohne Weiteres zwingend oder alternativlos“, heißt es in der Entscheidung.

Ähnlich haben schon andere Gerichte entschieden, etwa in Nordrhein-Westfalen (Aktenzeichen 7 A 10660/23.OVG).

Keine Verfolgung, keine Bedrohung

Das Oberverwaltungsgericht Münster, in Asylverfahren zuständig für Nordrhein-Westfalen, stellt seine Rechtsauffassung zum politischen Asyl für Syrer in Deutschland sehr plastisch dar. Ich zitiere die offiziell veröffentlichten Leitsätze der Entscheidung vom 16. Juli 2024:

Syrern, die Syrien illegal verlassen haben, im westlichen Ausland einen Asylantrag gestellt haben und/oder sich seit längerem hier aufhalten, droht bei einer Rückkehr nach Syrien nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung (Fortführung der Senatsrechtsprechung).

Syrern droht in Syrien allein wegen ihrer Herkunft aus einem (ehemaligen) Oppositionsgebiet nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung (Fortführung der Senatsrechtsprechung).

Kurden als solchen droht in Syrien nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung (Fortführung der Senatsrechtsprechung).

Für Zivilpersonen besteht in Syrien keine ernsthafte, individuelle Bedrohung ihres Lebens oder ihrer körperlichen Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines bewaffneten innerstaatlichen Konflikts mehr.

Aktuell werden die weitaus meisten Asylanträge von syrischen Staatsbürgern gestellt, wie man auf der Seite des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge nachlesen kann.

Volksverhetzung im Brief ans Finanzamt?

Was viele vielleicht nicht wissen: Volksverhetzung (§ 130 StGB) ist nicht per se strafbar. Zu den Tatbestandsvoraussetzungen gehört auch, dass die Äußerung geeignet ist, „den öffentlichen Frieden zu stören“. In anderen Konstellationen kann es zwar ausreichen, wenn die Äußerungen „verbreitet“ oder „der Öffentlichkeit zugänglich“ gemacht werden. Aber immerhin, solche Einschränkungen stehen nicht grundlos im Gesetz. Gleichwohl werden sie von Staatsanwälten, leider aber auch Richtern gern überlesen. Über die Frage, wann eine Verbreitung vorliegt, denkt momentan der Bundesgerichtshof nach.

Eine Rechtsanwältin hatte in eigener Sache dem Finanzamt geschrieben. In ihrem 339 Seiten langen Fax äußerte sie auch volksverhetzende Dinge. Das ist eher wenig überraschend, die Frau ist schon mehrfach einschlägig verurteilt. Allerdings hatte das Landgericht München beim Fax ans Finanzamt Probleme mit der erforderlichen „Verbreitung“. Denn das Fax war ja zu einem konkreten Fall ans Finanzamt gerichtet. Er erreichte somit nur die zuständigen Beamten. Das führte zu einem Freispruch, den die Staatsanwaltschaft nicht hinnehmen möchte. Nach Auffassung der Strafverfolger ist auch bei Behördenpost stes mit einer „Kettenverbreitung“ zu rechnen, überdies könne die Absenderin den Empfängerkreis nicht kontrollieren. Hierzu verwies der Anwalt der Betroffenen nachvollziehbar auf das Steuergeheimnis. Auch ansonsten schickten Beamte vertrauliche Behördenpost eher selten unkontrolliert durch die Gegend.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs wird hoffentlich etwas mehr Klarheit bringen, wann man von einem Verbreiten gerade nicht sprechen kann. Klassische Beispiele sind persönliche Briefe oder auch Mails, Rundschreiben in Vereinen, Aushänge am Arbeitsplatz und vieles mehr. Wichtig ist in solchen Fällen aber wie schon gesagt, überhaupt ein Problembewusstsein für diese zusätzlichen Tatbestandsmerkmale zu schaffen. Ich hatte zum Beispiel neulich den Fall eines Mannes, der sich auf Facebook volksverhetzend geäußert haben soll. Allerdings ist sein Profil privat – und ihm folgen ganze drei Leute aus dem Freundeskreis. Nach dem Hinweis darauf, dass das Gesetz mit „Verbreiten“ doch wohl etwas mehr meinen dürfte, war dann wenigstens eine Verfahrenseinstellung möglich (Aktenzeichen des Bundesgerichtshofs: 3 StR 33/24).

Kokain sollte Ehe verbessern

Tiefste Einblicke in sein Privatleben musste ein Autofahrer geben, um seinen Führerschein zu retten. Weil er unter Kokaineinfluss von der Polizei angehalten wurde, verteidigte er sich wie folgt: Seine Frau habe ihm das Pulver am Vorabend heimlich verabreicht, um das gemeinsame Sexleben „spicy“ zu gestalten. Den größten Teil habe sie ihm in ein Glas Wein gemischt, den Rest beim Sex auf seinen Penis aufgetragen, ohne dass er dies bemerkte. Dabei sei seine Frau davon ausgegangen, dass er am nächsten Tag Homeoffice macht und es deshalb mit der Fahrtüchtigkeit keine Probleme gibt – was leider nicht der Fall war.

Die Ehefrau versicherte das sogar an Eides statt. Das Straßenverkehrsamt zeigte sich weniger beeindruckt. Wie beim Konsum harter Drogen üblich, musste der Mann den Führerschein abgeben. Er wehrte sich dagegen vor Gericht, jedoch vorläufig ohne Erfolg. Zwar gebe es „seltene Ausnahmen“ untergeschobener Drogen, sagt das Oberverwaltungsgericht Greifswald. In diesem Fall klinge die Geschichte jedenfalls plausibel. Aber, so das Gericht, das lasse sich nur im sogenannten Hauptsacheverfahren prüfen. Im vorläufigen Verfahren müsse abgewogen werden zwischen der naheliegenden Möglichkeit „unbewusster“ Drogenaufnahme und der Verkehrssicherheit. Die Verkehrssicherheit sei da wichtiger. Der Mann muss also vorläufig auf den Führerschein verzichten, kann aber natürlich weiter für sein Recht kämpfen.

Wir werden in einiger Zeit also noch mal von der Sache hören…

Aktenzeichen 1 M 166/24 OVG

Kiffen und Autofahren sind seit heute kein Widerspruch mehr

Die in der praktischen Umsetzung eher suboptimal gelaufene Cannabis-Legalisierung erreicht den Straßenverkehr. Seit Mitternacht gelten für Autofahrer neue Grenzwerte für den Cannabis-Wirkstoff THC. Kiffen und Autofahren sind kein Widerspruch mehr.

3,5 Nanogramm THC pro Milliliter Blut dürfen es maximal sein. Sonst droht ein Bußgeld von 500 Euro, zusätzlich ein Monat Fahrverbot. Mischkonsum mit Alkohol ist untersagt (1.000 Euro Geldbuße). Bei Autofahrern unter unter 21 Jahren und allen, die einen Führerschein auf Probe haben, gilt absolutes Cannabis-Verbot.

Die große Frage ist jetzt natürlich, ab wann die 3,5 Nanogramm im Blut erreicht sind. Wer auf Nummer sicher gehen will, sollte sich frühestens 12 Stunden nach dem letzten Joint ans Steuer setzen, sagen Mediziner. Einig sind sich die Experten aber auch, dass viele Menschen THC viel schneller abbauen. Schon nach drei bis fünf Stunden könne der Grenzwert unterschritten sein. Die 3,5 Nanogramm gelten als strenger Wert. Ursprünglich hatten Experten 7 Nanogramm für unproblematisch gehalten. Der neue Grenzwert wird mit etwa 0,2 Promille Bulalkohol verglichen. Aber es wird auch darauf hingewiesen, dass die Abbaurate von Alkohol wesentlich zuverlässiger berechenbar ist.

Bei Kontrollen will die Polizei vornehmlich auf Vortests setzen. Dazu werden die Beamten eine Speichelprobe verlangen. Allerdings ist man zu so einem Speicheltest nicht verpflichtet, auch zu einem der bekannten Wischtests für andere Drogen kann man nicht gezwungen werden. Dann allerdings bleibt immer das Risiko, dass man zur Blutprobe muss. Auf der anderen Seite muss der Polizeibeamte natürlich auch immer entscheiden, ob tatsächlich was für einen Tatverdacht spricht. Im Zweifel wird der Kontrollierte dann auch gern mal durchgewunken. Wer dagegen freimütig einräumt, das berühmte Glas Bier getrunken oder einen Joint geraucht zu haben, zwingt den Beamten praktisch zu einer intensiveren Kontrolle. Im Zweifel ist es also besser, gar nichts zu sagen.

Straftäter darf nach Hause, obwohl ihm Sicherungsverwahrung droht

Die Frankfurter Gerichte haben einen pädophilen Straftäter aus der Untersuchungshaft entlassen – obwohl dem Mann Sicherungsverwahrung droht. Die Schuld gibt das Oberlandesgericht Frankfurt am Main den Kollegen am Bundesgerichtshof, dem höchsten deutschen Strafgericht. Der dortige Strafsenat habe die Revisionen des Mannes verschleppt, werfen die Richter ihren Kollegen vor. Und zwar so, dass nur noch die Freilassung des Mannes bleibe.

Tatsächlich ist der Mann wegen vielfachen Kindesmissbrauchs schon rechtskräftig verurteilt, zuletzt lautete das Strafmaß acht Jahre und neun Monate. Über seine Schuldfähigkeit wird aber nach wie vor gestritten, der Bundesgerichtshof hob die Urteile im Strafmaß schon zwei Mal auf. Der Betroffene sitzt seit 2018 hinter Gittern, hat also schon fast sieben Jahre seiner möglichen Strafe abgesessen – obwohl sein Strafmaß noch nicht festgelegt ist. Wegen der Zweifel an der Schuldfähigkeit des Mannes rechnet das Oberlandesgericht Frankfurt nur noch mit einer Strafe von maximal acht Jahren, so dass nach Anrechnung der Untersuchungshaft derzeit noch zwischen 10 und 20 Monate Gefängnis im Raum stehen.

Ausdrücklich stellt das Oberlandesgericht Frankfurt fest, dass vor allem beim Bundesgerichtshof getrödelt wurde. Obwohl dort die erforderlichen Stellungnahmen bereits im Juli 2022 vorgelegen hätten, habe sich der Strafsenat bis Ende Oktober 2023 mit der Entscheidung Zeit gelassen. Schriftlich habe das Urteil erst Mitte Januar 2024 vorgelegen. Das sei unzumatbar lang, zumal der Bundeserichtshof auch schon bei der ersten Revision sehr lange gebraucht habe.

Brisant wird der Fall aber durch den Umstand, dass für den Angeklagten auch Sicherungsverwahrung angeordnet wurde. Ob die Voraussetzungen für eine Sicherungsverwahrung heute noch vorliegen, sollen gesonderte Gutachten ergeben. Diese sind bislang aber nur in Auftrag gegeben. Es kann also durchaus sein, dass der Verurteilte weiter gefährlich ist und in Sicherungsverwahrung muss. Aber dennoch lassen ihn die Richter am Oberlandesgericht Frankfurt ihn heute frei – in Kenntnis der möglichen Gefahren. Das ist zwar ein schöner Erfolg für die Strafverteidigung, aber nüchtern betrachtet trotzdem ein Punkt, der eher nicht auf Begeisterung stoßen dürfte (Aktenzeichen 1 Ws 159/24).

„Herr Transfrau“ geht nicht, wenn im Ausweis weiblich steht

Das Nachrichtenportal NIUS darf eine Person – ich verwende das Wort Person normalerweise nicht, aber hier finde ich es mehr als praktisch – nicht mehr als „Herr Transfrau“ und „Herrn in Damenkleidung“ bezeichnen. Außerdem darf NIUS nicht mehr so über die Person unter Nennung persönlicher Details und insbesondere mit Fotos identifizierend berichten. Es handelt sich um eine einstweilige Verfügung, also eine vorläufige Entscheidung.

Der Beschluss des Landgerichts Frankfurt ist insoweit nicht überraschend, weil die Person dem Landgericht Frankfurt glaubhaft machen konnte, dass sie seit August 2021 rechtlich eine Frau sei – was sich insbesondere aus ihrem geänderten Personalausweis ergebe. Ab November hat sich das Thema dann ja ohnehin juristisch erledigt. Nach dem neuen Selbstbestimmungsgesetz ist es bußgeldbewehrt, nach einer Änderung des Geschlechtseintrags das frühere Geschlecht zu erwähnen. In den Berichten von NIUS ging es darum, dass die Person Zugang zu einem Damenfitnessstudio begehrte und hierbei von der Antidiskriminierungsbeauftragten der Bundesregierung unterstützt wurde. Die Beauftragte wollte ebenfalls die Berichterstattung über das Thema untersagen, verlor aber gegen NIUS.

Interessant ist, in welchen Punkten das Gericht die einstweilige Verfügung gegen NIUS ablehnte. So wollte die Person die Aussage verbieten lassen, dass nur (biologische) Frauen Mitglieder eines Fitnessstudios sein sollten. Dies ist laut dem Landgericht Frankfurt (nach wie vor) eine zulässige Meinungsäußerung, über solche Fragen dürfe es auch eine öffentliche Diskussion geben. Ebenso sei der Hinweis auf äußere Geschlechtsmerkmale zulässig, sofern dem Betroffenen hierdurch nicht seine neue „Geschlechtsidentität“ abgesprochen werde. Deshalb ließ das Landgericht auch das Wortspiel „Mit-Glied-Schaft“ durchgehen. Außerdem habe die Antragstellerin in dem Streit mit dem Studio selbst angeboten, nur in Badehose zu duschen – über die Gründe hierfür darf laut dem Gerichtsbeschluss dann auch gesprochen werden (Aktenzeichen 2-03 O 275/24).

Alter Anwalt wollte nicht mehr versichert sein

Rechtsanwälte müssen auch dann eine Haftpflichtversicherung haben, wenn sie aus Altersgründen nicht mehr praktisch tätig sind.

Die Rechtsanwaltskammer Nürnberg hatte einem 73-jährigen Anwalt die Zulassung entzogen, weil dieser seine Haftpflichtversicherung nicht mehr bezahlte. Der Anwalt berät sich darauf, dass er überhaupt keine Fremdenmandate mehr bearbeite. Deshalb bestehe auch kein Risiko, das mit einer Haftpflichtversicherung abzudecken sei.

Darauf kommt es nach Auffassung des Anwaltsgerichtshofs Bayern aber nicht an. Nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes seien Anwälte in jedem Stadium ihrer beruflichen Tätigkeit verpflichtet, eine Haftpflichtversicherung zu haben. Es genüge schon, dass der Anwalt berechtigt ist, den Rechtsanwaltsberuf auszuüben. Die bloße Behauptung des Betroffenen, er habe schon seit 2019 keine Fremdenmandate mehr betreut, spiele keine Rolle. Er könne ja auch jederzeit neue Mandate annehmen (Aktenzeichen BayAGH I-1-6/21).