Tod auf dem Bürgersteig

Der Fall klingt etwas nach Derrick, hat sich aber wirklich ereignet. Ein junger Mann ärgerte sich darüber, dass seine Mutter fremdging. Deshalb raste er mit seinem Auto auf den Bürgersteig, wo der Liebhaber seiner Mutter und eine Begleiterin entlang gingen. Beide wurden von hinten erfasst, der Mann starb, die Frau wurde verletzt. Ganze drei Jahre Jugendstrafe war dem Landgericht Aachen die Straftat wert. Doch der Bundesgerichtshof bewertet den Fall anders…

Juristisch spannend war vor allem die Frage, ob der Täter mit Mordvorsatz in Bezug auf den Mann handelte. Die nötige Heimtücke könnte gefehlt haben, weil er den Motor seines Autos laut aufheulen ließ – damit hätten die Opfer „vorgewarnt“ sein können. Allerdings kann man so die Heimtücke nicht einfach verneinen, meinen die Bundesrichter. Denn tatsächlich hätten die Opfer die Situation falsch eingeschätzt. Sie glaubten an einen missglückten Parkversuch, deshalb seien sie sorglos weitergelaufen und somit weiter arglos gewesen.

Die Sache muss jetzt neu verhandelt werden (Aktenzeichen 4 StR 15/24).

Berichtigung: Das Opfer starb nicht, es ging also um versuchten Totschlag oder Mord.

Gerichte: Geschäftsplan soll auf die Homepage

Der gesetzliche Richter ist ein wichtiger Verfahrensgrundsatz. Es muss grundsätzlich vorher feststehen, welches konkrete Gericht für ein Verfahren zuständig ist. Leider macht es die Justiz nicht immer einfach, an den sogenannten Geschäftsverteilungsplan zu kommen, denn der muss nicht online veröffentlicht werden. Das soll sich nun ändern.

Tatsächlich muss der Geschäftsverteilungsplan nach geltender Rechtslage nur im Gericht selbst ausgelegt werden, und zwar auf der Geschäftsstelle des Präsidiums. Das bedeutet: Anwälte und andere Verfahrensbeteiligte müssen im schlechtesten Fall tatsächlich quer durch die Republik reisen, nur um in den Geschäftsverteilungsplan schauen und die Zuständigkeit prüfen zu können.

Das Bundesjustizministerium will diese Regeln zeitgemäßer gestalten. Künftig sollen Gerichte den Geschäftsverteilungsplan auf ihrer Homepage veröffentlichen. Damit will man den „Möglichkeiten und Erwartungen“ der Bürger entsprechen. Es lohnt sich allerdings immer, schon jetzt auf der Homepage eines Gerichts zu suchen. Viele Gerichte stellen den Plan nämlich schon online. Im übrigen gibt es auch nette Gerichte, die den Plan auf Nachfrage zusenden.

Heiße Flirts

Eine 44-jährige Griechin soll Brände gelegt haben, um mit Feuerwehrmännern flirten zu können. Die Frau wurde wegen Brandstiftung zu 36 Monaten Gefängnis und 1.000 Euro Geldstrafe verurteilt.

An zwei aufeinander folgenden Tagen soll die Beschuldigte auf landwirtschaftlichen Flächen im griechischen Tripolis gezündelt haben. Laut dem Portal „Greekreporter“ soll die Frau aufgefallen sein, weil sie bei den Bränden anwesend war, die Einsätze beobachtete und auffällig mit den Feuerwehrleuten flirtete.

Ob das Gericht diese besonderen Umstände strafmildernd oder -erhöhend bewertete, wird leider nirgends überliefert.

Echte Richter raten von Klagen ab

Das ZDF lässt Richter mit Bürgern in kurzen Sendungen über deren konkrete Rechtsprobleme sprechen – ohne dass die Gegenseite an Bord ist. Was wie Rechtsberatung klingt, darf allerdings keine sein. Denn Rechtsberatung ist ein Quasi-Monopol der Anwaltschaft (danke dafür). beck-aktuell bringt das Dilemma des neuen Formats, das ab Mittwoch in der Mediathek abrufbar ist, auf den Punkt:

„Ich darf Ihnen keinen Rechtsrat geben.“ Diesen Satz wiederholen die drei bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Und er ist natürlich wahr: Eine Rechtsberatung darf nach dem RDG nur von Anwältinnen und Anwälten durchgeführt werden. Für die Protagonisten der Serie ist das aber furchtbar unbefriedigend. Sie kommen mit einem speziellen Problem, die Richterinnen und Richter dürfen dagegen nur über die allgemeine Rechtslage reden.

Am besten ist allerdings das Fazit:

Die Richterinnen und Richter empfehlen fast ausschließlich außergerichtliche Lösungen. Eine Klage? Das sei zu teuer, zu langwierig, wenig erfolgversprechend. … Stattdessen verweisen die Fernseh-Richterinnen und -Richter auf Schlichtungsstellen, raten Betroffenen, sich gegenseitig zu helfen, oder es schlicht gut sein zu lassen.

Ich kann nicht mehr vor lachen.

Sachsen: Stimmzettel wurden überklebt

Wahlfälschung war bislang eher ein Thema für Jurastudenten. Anhand der einschlägigen Paragrafen lassen sich viele Delikte abfragen, denn es gibt natürlich große Berührungspunkte zu Urkundenfälschung, Falschbeurkundung undsoweiterundsofort. Gerichtsurteile gibt es eher wenige. Das ändert sich jetzt möglicherweise. Bei der Wahl in Sachsen sollen viele Stimmzettel zu Gunsten der Freien Sachsen manipuliert worden sein. Die Polizei ermittelt.

Es geht um Briefwahlunterlagen, bei denen die eigentlichen Stimmen „professionell“ überklebt worden sein sollen. Stattdessen wurden Kreuze bei den Freien Sachsen, einer rechten Partei, gemacht, berichtet die Bild-Zeitung. Bislang seien rund 100 verfälschte Briefwahlzettel aufgetaucht, und zwar im Bezirk Dresden-Langebrück. Jetzt sollen Stimmbezirke überprüft werden, in denen die Freien Sachsen überdurchschnittlich abschnitten.

So eine Wahlfälschung (§ 107a Strafgesetzbuch) ist kein Kavaliersdelikt. Sie kann mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft werden. Eine Wahlfälschung kann übrigens auch begehen, wer Stimmberechtigten über das zulässige Maß hinaus hilft. Durch eine Gesetzesreform kann behinderten und sonst eingeschränkten Menschen bei der Stimmabgabe seit 2019 geholfen werden, etwa durch Begleitung in die Wahlkabine, Erklärung des Stimmzettels oder Assistenz beim Ankreuzen. Was zum Beispiel nicht geht, ist die komplette Übernahme der Briefwahl für einen eingeschränkten Wähler. Hier gibt es viele Graubereiche.

Klaps auf den Po als Kompliment

Heute mal ein aktueller, aber juristisch doch eher einfacher Fall aus dem Arbeitsrecht:

Auf einer Betriebsfeier schlug der Kläger einer vorbeigehenden Kollegin auf den Po. Als diese seine Hand wegstieß, zog er sie an sich und sagte, sie solle das als Kompliment betrachten.

Der Arbeitgeber hatte den Angestellten schon mal abgemahnt. Wegen unflätigen Verhaltens und Alkoholkonsums auf Arbeit.

Das Arbeitsgericht Siegburg hat – wenig überraschend – die fristlose Kündigung bestätigt. Der Spruch mit dem Kompliment bestätige die sexuelle Motivation des Klapses. Außerdem sei das Festhalten der Kollegin ein nicht hinnehmbarer Eingriff in ihre Freiheit. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig (Aktenzeichen 3 Ca 387/24).

Anwältin vergisst Schlüssel im Büro

Aus einem alltäglichen Missgeschick kann ein Fall werden, mit dem sich am Ende der Bundesgerichtshof beschäftigen muss. Eine Anwältin hatte sich aus der eigenen Kanzlei ausgesperrt, obwohl sie bis 23.59 Uhr eine Berufung einlegen musste.

Nachdem sie sich wegen Schwindels rund vier Stunden zu Hause ausgeruht hatte, wollte die Anwältin zurück ins Büro. Allerdings hatte sie den Kanzleischlüssel auf ihrem Schreibtisch liegen gelassen – Kollegen und Mitarbeiter waren nicht mehr da.

Zuerst hat die Anwältin eine Kollegin angerufen, sagt sie selbst. Die Kollegin sei jedoch auf einem auswärtigen Termin gewesen und habe nicht helfen können. Jetzt wird’s aber interessant: Telefonnummern weiterer Kollegen oder auch der Sekretärin habe sie nicht in ihrem Handy gespeichert gehabt, erklärte die Juristin. Deshalb habe sie die Berufung letztlich nicht schreiben und formgerecht einreichen können.

Diese Begründung reicht dem Bundesgerichtshof nicht. Wenn ein Anwalt Fristen ausreizt, muss er laut dem Gericht auch „das damit verbundene Risiko“ beachten und „erhöhte Sorgfalt“ anwenden. Zu folgenden Fragen vermisste der Bundesgerichtshof eine Antwort:

– Warum hat die Anwältin den Schlüssel nicht bei der Kollegin abgeholt, die einen Außentermin hatte?
– Wieso konnte die Anwältin die Kollegin nicht nach den Telefonnnummern der Kanzleimitarbeiter oder anderer Anwälte aus dem Büro fragen?
– Warum hat sie keinen Schlüsseldienst gerufen?

Bei so vielen Fragezeichen gewährte das Gericht keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Es ging um 45.000 Euro. Diesen Betrag muss jetzt möglicherweise die Haftpflichtversicherung der Anwältin ersetzen (Aktenzeichen IX ZB 31/23).

Paddelboot hat keinen Namen: Bußgeld

Die Polizei in Brandenburg schreibt Paddelboote auf, wenn diese keinen Namen haben. 55 Euro musste jetzt ein 25-Jähriger zahlen, weil auf seinem aufblasbaren Schlauchboot außen kein „Name“ steht.

Jonas S. dachte erst an eine Alkoholkontrolle, als er von der Polizei auf den Gewässern im Spreewald herausgewunken wurde. Doch dann erfuhr er, so berichtet die B.Z., dass kleine Boote ohne amtliches Kennzeichen und – Achtung – sogar aufblasbare Schwimmtiere einen Namen haben müssen und im Boot auch der Name des Eigentümers stehen muss. Das steht tatsächlich so in § 34 der Verordnung für die Schifffahrt auf den schiffbaren Gewässern des Landes Brandenburg (Landesschifffahrtsverordnung – LSchiffV).

Im Ordnungswidrigkeitengesetz (§ 47 OWiG) steht allerdings auch, dass die Polizei nach pflichtgemäßen Ermessen zu entscheiden hat, ob ein Bußgeld erforderlich ist. Sie kann auch darauf verzichten. Manchmal bietet sich auch eine kostenfreie Verwarnung an, statt den Bürger zur Kasse zu bitten. Der betroffene „Bootsführer“ hat die 55 Euro gezahlt. Sein Fahrzeug hat er „Speedy“ getauft. Recht und Ordnung sind wiederhergestellt.

Bericht in der B.Z.

Neues Lesezeichen

Ich speichere das als Lesezeichen. Kann es ab Montag gut brauchen, wenn ich ansonsten unbescholtene Neukunden des Bundeskriminalamts verteidige, bloß weil diesen bei einem Post auf Facebook oder X mal die Hutschnur geplatzt ist.

Falls Ramelow verurteilt wird, lösche ich das Lesezeichen gerne.

Wahllokale: Zuschauer sind erwünscht

Die Auszählung von Wahlstimmen ist in Deutschland öffentlich. Das heißt, jeder darf im Wahllokal die Wahl, die Auszählung und die Feststellung des Ergebnisses beobachten, und zwar unabhängig vom eigenen Stimmrecht. Man darf nur nicht stören.

Auf den Seiten vieler Wahlbehörden werden die Vorteile der Wahlbeobachtung extra erwähnt:

1. Wahlbeobachtung erhöht die Transparenz des demokratischen Prozesses. 2. Sie fungiert als zusätzliche Sicherheitsmaßnahme gegen potenzielle Manipulationen. 3. Sie stärkt das Vertrauen der Bürger in die Integrität des Wahlsystems.

Fünfeinhalb Jahre später…

Ihr erinnert euch an die „Mutter aller Autokorsos“? Am 22. März 2019 soll eine Hochzeitsgesellschaft mit Sportwagen die A 3 blockiert haben. Dabei soll auch mit einer Pistole geschossen worden sein. Die Justiz hat den Fall immer noch nicht erledigt. Nach über fünf Jahren gab es jetzt einen Gerichtstermin. Herausgekommen ist: nichts.

Seinerzeit haben Polizeibeamte in Zivil, die sich zufällig hinter dem Korso befanden, die Aktion gefilmt. So soll es ein Video geben, in dem ein Angeklagter im Brautfahrzeug Donuts auf der A 3 dreht. Es wurden dann auch die Mobiltelefone der Hochzeitsgäste einkassiert und ausgewertet.

Nach fünfeinhalb (!) Jahren gab es nun die erste Verhandlung. Den angeklagten Männern wird gemeinschaftliche Nötigung und Waffenmissbrauch vorgeworfen. Viel herausgekommen ist im ersten Prozesstermin nichts. Der Angeklagte, der geschossen haben soll, erschien nicht.

Das Gericht macht einen neuen Anlauf im Januar nächsten Jahres. Noch eine kleine Information zum Schluss: Es ist bereits der vierte Versuch, die Sache zu verhandeln. Alle bisherigen Termine scheiterten ebenfalls (Aktenzeichen 401 Ls 35/21).

Auch Demente können ein Testament machen

Auch demente Menschen können ein Testament errichten – das ergibt sich aus einer Entscheidung des Landgerichts Frankenthal.

Eine Frau hatte im Alter von 90 Jahren beim Notar ihr Testament gemacht. Darin schenkte sie dem Sohn einer Freundin ihr wertvolles Haus in Ludwigshafen. Der Testamentsvollstrecker ging gegen das Testament vor. Er verwies auf Arztberichte. Diese erwähnten eine „beginnende demenzielle Entwicklung“ und eine „bekannte Demenz“.

Laut den Richtern muss auch bei einer Demenz geprüft werden, ob der Erblasser trotz seiner Erkrankung noch ein klares Urteil über die Tragweite seiner Anordnungen treffen kann. Und ob er frei von Einflüssen Dritter entscheiden kann.

Zumindest eine beginnende oder leichtgradige Demenz mache ein Testament regelmäßig nicht unmöglich, heißt es in dem Beschluss. Den Begriff der Testierunfähigkeit definieren die Richter also streng und fordern für ein Testament nicht unbedingt den „Vollbesitz“ geistiger Kräfte (Aktenzeichen 8 O 97/24).

Anwalt? Brauchen wir nicht…

Am Anfang stand eine Geldstrafe, am Ende Haft: Das Bundesverfassungsgericht befreit im Wege der einstweiligen Verfügung einen Mann aus dem Knast. Der Betroffene war vom Landgericht Frankfurt in Abwesenheit und ohne Anwalt zu zwei Jahren Gefängnis ohne Bewährung verurteilt wurde.

In dem Verfahren ging es um zwei Geldstrafen, die gegen den Angeklagten getrennt verhängt worden waren. Gegen diese Verurteilungen legte neben dem Angeklagten auch die Staatsanwaltschaft Berufung ein, was dann auch eine härtere Strafe denkbar machte. Der Angeklagte kam nicht zu seiner Berufungsverhandlung. Er sei krank, ließ er über seinen Anwalt mitteilen. Der Verteidiger erschien ebenfalls nicht. Am Ende verhandelte das Landgericht nur die Berufung der Staatsanwaltschaft – und verhängte geschlagene zwei Jahre ohne Bewährung.

Nun herrschte eigentlich Einigkeit darüber, dass so eine hohe Strafe nicht ohne Verteidiger geht. Ab einer Straferwartung von einem Jahr geht es ohne Anwalt schlicht nicht mehr, so der rechtsstaatliche Grundsatz. Von daher wundert sich das Verfassungsgericht erkennbar darüber, dass das Oberlandesgericht die Revision des Angeklagten trotz der offenkundigen Verstöße als „unzulässig“ verwarf.

Da der Mann bereits seine Strafhaft angetreten hat, setzt das Verfassungsgericht mit seinem Beschluss vom 19. Juli die Vollstreckung vorläufig aus. Der Angeklagte darf also erst mal nach Hause, in der kommenden Neuauflage des Prozesses wird der Anwalt sicher nicht vergessen werden (Aktenzeichen 2 BvR 829/24).

Sorry Grüne, ich bin unmoralisch

„Die Grünen moralisieren gar nicht!“

Diesem Clickbait des Zeit-Journalisten Bernd Ulrich konnte ich nicht widerstehen. Immerhin muss diese These ja jedem, der schon ein bisschen Lebenserfahrung hat und das notgedrungen auch mit den Grünen im Fernsehen und im real life beim unvermeidlichen Elternabend, mörderisch steil erscheinen. Immerhin: Der Autor widerlegt sich mit vielen putzigen Zeilen selbst. Doch reichen für Faule schon zwei Zitate, um Ulrichs Denkfehler zu erkennen.
Beginnen wir damit, wie Ulrichs Mustergrüner die Welt sieht:

Fast alle Fässer sind mittlerweile so voll, dass jeder weitere Tropfen sie zum Überlaufen bringt. Der epochale Wechsel besteht genau darin: Was bis vor Kurzem noch kein Gegenstand von Moral zu sein brauchte, weil die Folgen für Dritte unerheblich waren, und was darum als reine Betätigung individueller Freiheit erlebt und beansprucht wurde, das verwandelt sich nun in einen moralischen Tatbestand, weil die Folgen für Dritte bereits jetzt gravierend sind und alsbald katastrophal werden könnten. Fleischessen, Fliegen, Autofahren, Massentourismus sind in die Sphäre der Moral eingetreten. Das ist ganz schlicht ein moralischer Tatbestand, der auch nicht aus der Welt, den Gewissen und den Hinterköpfen verschwinden würde, wenn die Grünen das Reden komplett einstellen würden.

Das ist die Essenz des grünen Moralins. Früher war Grün ein leicht benebelndes Eau de Cologne (Joschka Fischer), heute ist es längst ein schweres Eau de Parfum (Robert Habeck). Aber ich will Bernd Ulrich ja gar nicht wegnehmen, dass seine Leute heute jedes private Handeln, vor allem aber jedes Vergnügen und sogar jede Unsinnigkeit nur noch auf den CO2-Ausstoß reduzieren und somit am Ende schon deine und meine Existenz als Zumutung ansehen.

Kennen wir, akzeptieren wir.

Ulrichs eigentlicher Denkfehler ergibt sich aus dem nächsten Satz. Dieser bezieht sich auf jeden, welcher der grünen Lehre nicht anhängt:

Schließlich ist auch die Behauptung, man dürfe trotz kumulativer und exponentieller Effekte so weitermachen wie bisher, ein ziemlich großformatiges moralisches Statement, genauer gesagt eine moralische Anmaßung.

Nein, das Leben der Anderen, der Nichtgrünen, ist genau das Gegenteil. Es ist zwar ein großformatiges, man könnte auch sagen hoffentlich geiles Statement, aber letztlich eben ein unmoralisches Statement. Der Andere, der Nichtgrüne, formuliert ein lakonisches, gerne auch durch einen CO2-Ausgleich abgemildertes Scheißegal, was zum Beispiel den Beitrag seines Teneriffa-Flugs zum Armageddon betrifft. Letztlich nimmt sich der Andere aber trotz hochgezogener Augenbrauen unter blauen Haaren des grünen Zeitgenossen das Recht, diesen Planeten zu plündern – so wie es seit dem ersten Höhlenmenschen der Fall gewesen ist. Der Andere ist ganz bewusst ein letztlich schlechter Mensch – aber eben nur in Klimakleber-Kategorien. Der Andere bricht bei seinen Sünden nicht in Tränen aus. Nicht mal in Deutschland. Im Rest der Welt weiß sowieso niemand, wovon Ulrich schreibt.

Das heftigste und nervigste Moralisieren der Grünen besteht somit darin, allen Nichtgrünen Moral aufzwingen zu wollen, welche diese gar nicht haben und schon mal gar nicht haben wollen. Der Versuch zieht bei mir nicht, obwohl Joschka eine coole Socke war.

Widerruf: Probieren schadet nicht

Auch wenn alle bekannten Vorurteile über Gebrauchtwagenhändler natürlich nicht stimmen, begegnete meine Mandantin der buchstäblichen Ausnahme. Das Ekelpaket kaufte über eine Online-Plattform den Gebrauchtwagen meiner Mandantin. Das ist ja alles auch sehr praktisch und vor allem so reibungslos. Aber dann ging der Ärger los.

Als es um die Abholung des Wagens und die avisierte Barzahlung ging, wollte der Käufer plötzlich vom vereinbarten Kaufpreis nichts mehr wissen. Er habe sich die Bilder vom Auto noch mal angesehen. Und – natürlich – einen angeblichen Vorschaden entdeckt. Außerdem sei da was an der Radaufhängung, undsoweiterundsofort. Dreitausend Euro müsse meine Mandantin auf jeden Fall vom Preis runtergehen. Er habe gute Anwälte, fügte der Käufer an.

Die Mandantin war ziemlich aufgelöst, weil mit Druck kann sie nicht gut umgehen. Ich bin bekanntlich kein Zivilrechtler, aber dennoch habe ich mal schnell ins Gesetz geguckt. Dort stieß ich auf ein Widerrufsrecht, wenn der Vertrag ausschließlich online oder telefonisch geschlossen wird (Fernabsatzvertrag). Hier waren allerdings die Rollen vertauscht. Aber es steht im Gesetz jedenfalls nicht ausdrücklich, dass der Verbraucher Käufer und der Unternehmer Verkäufer sein muss.

Ich riet der Mandantin also zum Vorgehen streng nach Gesetz. Also Widerruf per Einzeiler – ohne jede Begründung. Der Käufer tobte zwar in einer Mail und kündigte Post von seinen tollen Anwälten an. Aber am nächsten Tag kam von ihm nur eine kurze Nachricht: „Die Sache ist für mich erledigt. Weitere Vertragsanfragen werden wir von Ihrer Seite künftig ignorieren.“

Die Idee war also wirksam. Ich hoffe, sie stimmt auch mit der Rechtslage überein. Das habe ich nämlich nicht geprüft.