Professionell und hoch angesehen

Gestern hatte ich mit einem Link auf eine neue Einrichtung im Land Sachsen-Anhalt hingewiesen. Dort nimmt eine zentrale Stelle ihre Arbeit auf, die nur für Beschwerden gegen die Polizei zuständig ist. Fünf Mitarbeiter sollen dort tätig sein. Die Beschwerdestelle gehört direkt zum Innenministerium, ist also über dem Polizeiapparat angesiedelt.

Ich hatte schon im Stillen überlegt, wie sich die Polizeigewerkschaften zu dieser einmaligen Einrichtung positionieren. Mein Tipp war: helle Begeisterung. Schließlich ist es doch toll, wenn sich nach einiger Zeit herausstellt, dass die Beschwerdestelle heillos überdimensioniert, ja sogar überflüssig ist.

Dem Bild entsprechend, das die Interessenvertretungen regelmäßig von der Polizeiarbeit zeichnen, dürften die Beschwerdemanager nämlich den ganzen Tag aus dem Fenster schauen. Bekanntlich ist die Polizei hochprofessionell, fair, bürgerorientiert – wer soll sich da überhaupt beschweren wollen? Endlich würde sich, der zentralen Bearbeitung und der daraus resultierenden Statistik sei Dank, einmal die 99,15-prozentige Zufriedenheit mit der Polizei belegen lassen.

Jetzt bin ich doch überrascht. Die Deutsche Polizeigewerkschaft findet die Beschwerdestelle nämlich nicht gut. Per Pressemitteilung nölt sie, so eine Einrichtung gebe es für keine andere Berufsgruppe.

Die Kritik geht aber noch weiter. Die Beschwerdestelle unterwerfe die Polizei sogar einem „Generalverdacht“. Zudem:

Die Polizei in Sachsen-Anhalt arbeitet professionell und genießt in weiten Teilen der Bevölkerung hohes Ansehen. Deshalb brauchen wir keine Sonderaufseher! Die Einrichtung einer Beschwerdestelle würde dem Misstrauen gegenüber der Polizei nur Vorschub leisten.

Das ist eine Argumentation, wie man sie auch häufiger in Ermittlungsakten liest. Klingt flüssig, entbehrt aber innerer Logik.

Selbst wenn die Polizei im Land Sachsen-Anhalt nicht nur leidlich, sondern sogar hoch angesehen sein sollte, was hat das damit zu tun, dass mit der Polizeiarbeit unzufriedene Menschen – und seien es noch so wenige – die Möglichkeit bekommen, sich auf einfachem Wege (sogar per Mail!) zu beschweren? Ist das Ansehen etwa ein Wert für sich, der von der Realität keineswegs gefährdet werden darf?

Wieso werden die Menschen der Polizei gegenüber misstrauisch, bloß weil es eine Beschwerdestelle gibt? Ist es nicht eher umgekehrt so, dass der Bürger es als vertrauensbildende Maßnahme sieht, wenn er seine Kritik an eine Stelle richten kann, die nicht unter demselben Präsidiumsdach sitzt wie die Polizeibeamten, mit denen er unzufrieden ist oder es vielleicht demnächst sein wird?

Ja, und dann das große Wort vom Generalverdacht. Wenn rund um die Uhr festgehalten wird, mit wem ich wann von wo aus telefoniere und wann ich mit welcher IP-Adresse online bin, wenn mein Autokennzeichen erfasst und mit einer Datenbank abgeglichen wird, bloß weil ich eine bestimmte Kreuzung passiere, wenn sich jeder Ordnungsamtsmitarbeiter über meine Bankverbindungen informieren kann – dann ist das aus Sicht der Polizeigewerkschaften notwendig, wg. Terrorismus etc. pp. Von einem Generalverdacht kann da selbstverständlich nicht die Rede sein.

Aber wenn es einem selbst etwas weh tut, weil man plötzlich nicht mehr unter Selbstaufsicht steht und womöglich die eine oder andere Sache nicht mehr so einfach im eigenen Haus unter den Teppich kehren kann, dann begründet das einen Generalverdacht? Nun ja, womöglich begründet die hier unverhohlen geäußerte Empfindlichkeit gegen eine (möglicherweise) funktionierende Kontrollinstanz weit mehr Misstrauen, als es die Beschwerdestelle selbst jemals könnte.

Besonders gefällt mir allerdings der Hinweis, so eine Einrichtung gebe es für keine andere Berufsgruppe. Ich habe schnell im Telefonbuch nachgesehen. Die Rechtsanwalts-, Ärzte-, Apotheker- und Notarkammern stehen noch drin.

Zum Schluss möchte ich allerdings ausrufen: Wer nichts zu verbergen hat, kann sich auch kontrollieren lassen.

Zu wirklich jedem Thema

Zitat aus einem Kommentar:

Je mehr Beiträge ich hier von Anwalt V. lese (der ne Menge Zeit zu haben scheint, sich wirklich zu jedem Thema ellenlange Ergüsse auszudenken, obwohl doch der Tag eines Anwalts ausgefüllt genug sein müsste)…

Ich lüfte, mal gar nicht weit ausholend, das Geheimnis. Keine Familie. Kein ausschweifender Sex. Keine Partys. Putzfrau.

Übersetzte Nazi-Parolen nicht immer strafbar

Verbotene Nazi-Parolen sind unter Umständen dann nicht strafbar, wenn sie in eine andere Sprache übersetzt worden sind. Der Bundesgerichtshof hob deshalb die Verurteilung eines Mannes auf, der T-Shirts mit dem Slogan „Blood & Honour“ und anderen NS-Sprüchen vertreiben wollte.

Das Gericht meint, der fremdsprachige Gebrauch einer NS-Parole unterfalle nicht dem Straftatbestand des § 86 a StGB. Diese Vorschrift stelle nicht jedes Bekenntnis zu einer NS-Organisation – was hier fraglos vorliege – unter Strafe, sondern nur die Verwendung von Kennzeichen dieser Organisationen, etwa ihrer Parolen, Abzeichen, Fahnen etc.

Gleichermaßen strafbar ist auch der Gebrauch von Symbolen, die den Originalen zum Verwechseln ähnlich sind. Eine Verwechslungsgefahr liege jedoch nur dann vor, wenn die Nachahmung und das Original in wesentlichen Vergleichspunkten übereinstimmen, was bei leichten Abwandlungen des Originalsinnbilds regelmäßig der Fall ist.

Durch die Übersetzung in eine andere Sprache erfahre eine NS-Parole, die nicht nur durch ihren Sinngehalt, sondern ebenso durch die deutsche Sprache ihre charakteristische Prägung erfahren habe, jedoch eine grundlegende Verfremdung, die der Tatbestand des § 86 a StGB nicht erfasse.

Der Angeklagte kann sich, so das Gericht, jedoch gleichwohl wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen strafbar gemacht haben, wenn er den Namen der in Deutschland verbotenen Vereinigung „Blood & Honour“ symbolhaft verwendet hat. Erfahre der Name einer verbotenen Organisation eine gestalterische Ausformung, etwa durch eine besondere Schriftgebung, köne ihm die Funktion eines Kennzeichens zukommen.

Ob ein Symbol vorliegt, hat die Vorinstanz jedoch nicht geprüft. Ebenso wenig hat sie untersucht, ob sich der Angeklagte durch das Vorrätighalten der mit einem aggressiv-kämpferischen Text bedruckten T-Shirts wegen Verbreitens von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen (§ 86 StGB) oder wegen Unterstützens des organisatorischen Zusammenhalts der verbotenen Vereinigung „Blood & Honour“ nach § 85 StGB strafbar gemacht hat.

Diese Fragen müssen nun in einer neuen Verhandlung geklärt werden.

Urteil vom 13. August 2009

Fotografin will nicht klagen

Die Fotografin des Schäuble-Wahlplakates wird nicht juristisch gegen netzpolitik.org vorgehen. Hatte sie gestern noch die Löschung der Plakat-Satiren verlangt, erklärte sie heute der taz, sie werde nicht vor Gericht ziehen:

Ich habe Besseres zu tun. Ich bin aber nicht erfreut darüber, dass meine Bilder diffamiert werden. Ich finde es schade, dass meine Urheberrechte nicht akzeptiert werden, dass es keinen Respekt vor meiner Arbeit zu geben scheint.

Gut, man könnte sich seine Statements vorher überlegen. Muss man nicht, dann kommen solch heitere Sentenzen zustande. Welcher der Remixe diffamiert denn die Fotos der werten Menschenabbilderin? Dreh- und Angelpunkt sind doch die auf dem Bild gezeigte Person und die CDU – und insbesondere deren politisches Wirken.

Aber nun ja, damit ist wenigstens ein bisschen Klarheit hergestellt. Und dass die Macher von netzpolitik.org auch vor der ins Spiel gebrachten Phalanx namhafter Medienanwälte nicht eingeknickt sind, sollte ihnen hoch angerechnet werden.

Weiterer Bericht auf Spiegel online.

Offenes Gespräch

Gestern bin ich beim Bundeskriminalamt an einen spröden Polizisten im Dauerdienst, der gehobenen Telefonzentrale, geraten. Heute ein erneuter Versuch der Kontaktaufnahme, diesmal mit der zuständigen Staatsanwältin in Frankfurt.

Freundliche Dame, nach eigenem Bekunden gerade dabei, einige Asservate der gestrigen Razzien zu sichten. Sogar die Frage, ob es gegen meinen Mandanten einen Haftbefehl gibt, haben wir in aller Offenheit erörtert.

So geht es also auch – sicher nicht zum Schaden beider Seiten.

Schnell zurückpfeifen

Innenminister Wolfgang Schäuble, das schicke ich vorweg, ist bestimmt unschuldig am Wirbel um sein Wahlplakat. Er hat in den letzten Jahren viel Kritik abbekommen, aber selbst die drastische Schäublone nicht dazu genutzt, die nicht immer freundlich geführte politische Debatte mit rechtlichen Schritten zu beeinflussen. Ein Beleidigungsverfahren gegen einen Mann, der die Schäublone aufs Auto geklebt hatte, ist eingestellt worden. Wie man hört schon deswegen, weil Schäuble keinen Strafantrag gestellt hat.

Auch Familienministerin Ursula von der Leyen zeigt in ähnlicher Frage durchaus demokratische Qualitäten. Das „Zensursula“-Label hat ihr einen hoffentlich wenig schmeichelhaften Textkasten in jeder digitalen Politik-Unterrichtseinheit künftiger Schülergenerationen gesichert. Doch sie lobt das Ganze als „pfiffige Aktion“ und freut sich auch in der Zukunft auf „spannende Debatten“.

Es spricht also im Moment wenig dafür, dass bei der CDU jemand um den Erfolg der Plakataktion bangte und auf die glorreiche Idee gekommen ist, die Fotografin der Motive als Verfechterin des Urheberrechts vorzuschicken. Wenn ja, war es keine glückliche Entscheidung. Das gilt auch, falls die Fotografin nicht mit der CDU abgesprochen hat, dass sie von netzpolitik.org die Löschung der kreativ verfremdeten Plakate verlangen wird.

Die Fotografin liegt nämlich falsch. Sie kann die Löschung nicht verlangen.

Der erste diskussionsfähige Punkt ist, ob die Remixer überhaupt ein Werk der Fotografin verfremden. Sie nehmen nämlich nicht nur das Foto, sondern das im Auftrag der CDU von einer Werbeagentur erstellte Wahlplakat. Dieses Plakat besteht nicht nur aus dem Bild, sondern auch aus Text und einer grafischen Gestaltung.

Das Plakat dürfte also schon selbst wiederum ein eigenständiges Werk sein. Zum Beispiel ist es nicht verboten, ein Kochbuch zu fotografieren, auf dessen Titelseite eine Tomate prangt, und dieses Foto vom Kochbuch zu veröffentlichen. Auch wenn das Foto des Kochbuchs natürlich auch die Tomate zeigt, ist das Urheberrecht des Tomatenfotografen nicht verletzt.

Lasssen wir das mal offen, denn es gibt eindeutigere Punkte. Zunächst hat die Fotografin in einem Punkt recht. Das Urheberrecht für die Fotos liegt bei ihr. Schon deswegen, weil man das Urheberrecht nicht übertragen kann. Was man als Inhaber des Urheberrechts allerdings übertragen kann, sind die Nutzungsrechte. Wie weit diese im vorliegenden Fall jedenfalls gehen, lässt sich auf der Homepage der CDU nachlesen, wo es auch die Plakate zum Download gibt:

Alle Bilder auf www.bilder.cdu.de können für redaktionelle Zwecke unter Angabe des Bildnachweises (Foto: www.bilder.cdu.de) sowie des Fotografen (soweit genannt) kostenlos verwendet werden.

Die CDU räumt also das Recht ein, sämtliches Material für redaktionelle Zwecke zu verwenden. Wir müssen die Frage nicht beantworten, ob die Einschränkung auf redaktionelle Zwecke zulässig ist. Denn netzpolitik.org ist mittlerweile eine wichtige, viel beachtete und seriös geführte Online-Publikation.

Längst ist auch geklärt, dass derjenige, der Pressematerial zur Verfügung stellt, keine Einschränkungen zur inhaltlichen Verwendung machen kann. Nach dem Motto: Sie dürfen das Material nur nutzen, wenn positiv berichtet wird oder keine Veränderungen vorgenommen werden. Das ist mit der Presse- und Meinungsfreiheit nicht vereinbar.

Insoweit geht das Argument der Fotografin, sie wolle ihre Bilder nicht für Kampagnen oder Diffamierungen verwendet wissen, ins Leere. Jedenfalls so lange, wie die Remixe nicht gegen die allgemeinen Gesetze verstoßen, also zum Beispiel beleidigen. Dann wäre aber wiederum nicht die Fotografin am Zug. Sondern Wolfgang Schäuble. Oder seine Partei.

Nun könnte es so sein, dass die Fotografin schlauer ist als die CDU – und mit der Partei einen Knebelvertrag abgeschlossen hat. Möglicherweise hat sie der CDU gar nicht gestattet, ihre Fotos für Plakate zu verwenden, die dann wiederum als Pressematerial frei im Internet abgerufen werden können. Die CDU würde also Nutzungsrechte einräumen, die sie gar nicht hat.

Man kann sich denken, wie realistisch dieses Szenario ist.

Die Remixe auf netzpolitik.org sind also von den Nutzungsrechten, welche direkt von der CDU eingeräumt werden, gedeckt.

Wir brauchen also nur noch akademisch weiter zu denken. Was wäre, wenn die CDU ihr Pressematerial nicht so freigiebig streute? Die Antwort ergibt sich schon aus § 24 Urheberrechtsgesetz:

Ein selbständiges Werk, das in freier Benutzung des Werkes eines anderen geschaffen worden ist, darf ohne Zustimmung des Urhebers des benutzten Werkes veröffentlicht und verwertet werden.

Es ist also keineswegs so, dass sich Dritte nicht an fremden Werken bedienen dürfen. Es ist gestattet, wenn sie ein selbständiges Werk schaffen. Die Remixe sind jeweils ein eigenständiges Werk in Form der Satire. Satire ist gekennzeichnet durch die „antithematische Auseinandersetzung“. Dabei wird der Kritisierte mit den eigenen Mitteln geschlagen. Bei den Schäuble-Remixen entlarvt eine Sprechblase die andere. Der prozesserfahrene Plakat-Pionier Klaus Staeck lässt übrigens grüßen.

Überdies gibt es viele gerichtliche Ansagen durch alle Instanzen, dass gerade die politische Auseinandersetzung besonders frei geführt werden muss, noch dazu in Wahlkampfzeiten. Die Remixe sind also nicht nur von der Kunst-, sondern auch von der Meinungsfreiheit geschützt.

Wenn die CDU klug ist, bleibt sie locker wie Wolfgang Schäuble und Ursula von der Leyen und behindert nicht, zumindest indirekt, die politische Diskussion im Land. Dazu gehört, die Fotografin ganz schnell zurückzupfeifen.

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Unsere neuen Supercops

Ich hatte Gelegenheit, beim Bundeskriminalamt anzurufen. Laufende Ermittlungen. Konkret: Beamte haben bei meinem Mandanten, der nicht zu Hause war und auch nicht vorhat, nach Hause zu gehen, durchsucht. Jetzt sitzen sie im Auto vor seinem Haus. Ich nehme an, sie warten nicht auf den Pizzaservice.

Da sich in der zuständigen Abteilung niemand meldet, werde ich zum Dauerdienst im Bundeskriminalamt durchgestellt. Der dortige Diensthabende möchte zuerst wissen, von wem ich weiß, dass seine Kollegen vor der Haustüre stehen. Das fragt er drei Mal, in einem jovialen Tonfall zwischen Pilawa und Jauch; ich fühle mich aber trotzdem nur marginal in meiner Ehre als Strafverteidiger gekränkt.

Dann kommt der übliche Spruch, er wisse ja nicht, wer ich bin, deshalb könne er mir nichts zu einem laufenden Verfahren sagen. Ich erkläre, dass ich gar nichts von ihm wissen will, sondern ihm nur gern das mir mittlerweile bekannte Aktenzeichen und meine Mobiltelefonnummer durchgeben möchte. Verbunden mit der Bitte, seine im Auto wartenden Kollegen zu kontaktieren und ihnen anzubieten, mich doch mal anzurufen. Wenn sie denn wollen. Was ja sein könnte.

Der Beamte erklärt, dafür bräuchte der Beschuldigte keinen Anwalt. Der Beschuldigte solle sich doch bitte selbst melden. Langsam ringe ich doch um Fassung, schaffe es aber noch freundlich zu fragen, ob er denn nun meine Telefonnummer notieren möchte. Noch mal: unverbindlich, nur für den Fall, dass seine Kollegen vor Ort mit mir sprechen und vielleicht ihre Wartezeit abkürzen wollen.

„Nö.“ Dann legt er auf.

So viel zu unseren neuen Supercops.

Am liebsten ein Leitz-Ordner

Der Bundestagsabgeordnete Jörg Tauss hat kinderpornografisches Material besessen. Das streitet er nicht ab. Aber, sagt Tauss, seine Aktivitäten in einem Tauschring seien nicht strafbar gewesen. Er habe im Rahmen seiner Tätigkeit als Abgeordneter gehandelt und versucht, sich über die Thematik aus erster Hand zu informieren.

Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornografischer Schriften sind in § 184b Strafgesetzbuch geregelt. Absatz 5 der Vorschrift enthält eine Ausnahmeregelung. Diese Klausel ist verständlich formuliert:

Die Absätze 2 und 4 gelten nicht für Handlungen, die ausschließlich der Erfüllung rechtmäßiger dienstlicher oder beruflicher Pflichten dienen.

In der eher dürftigen strafrechtlichen Literatur zu dem knappen Satz wird ausdrücklich erwähnt, dass die Vorschrift nicht nur verdeckte Ermittlungen der Polizei erfasst. Vielmehr sei auch die Tätigkeit von Anwälten, Sachverständigen, Ärzten oder Wissenschaftlern umfasst, bei denen der Umgang mit der Kinderpornografie unerlässlich sei.

Die Aufzählung ist nicht abschließend. Das ist unschwer zu erkennen. Wie steht es also um einen Bundestagsabgeordneten?

Der Abgeordnete ist zunächst Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur seinem Gewissen unterworfen (Artikel 38 Grundgesetz). Das ist ein ganzer Tick mehr als bei den gemeinhin als ziemlich frei angesehenen Richtern. Diese sind zwar auch unabhängig, aber immerhin „dem Gesetz unterworfen“ (Artikel 97 Grundgesetz).

Aus der Verpflichtung nur gegenüber dem Volk darf man jetzt nicht schließen, der Abgeordnete müsse keine Gesetze achten. Die Gesetze gelten auch für ihn. Sehr wohl kann man aber daraus schließen, dass er einen „dienstlichen“, nämlich einen verfassungsrechtlichen Auftrag hat, dem Volk im Rahmen des parlamentarischen Systems zu dienen. Wobei der Abgeordnete in erster Linie an der Gesetzgebung mitwirkt, also zum Beispiel auch an der Ausgestaltung des Strafrechts. Also zum Beispiel auch an der Frage, ob und wie Vertrieb, Erwerb und Besitz von Kinderpornografie bestraft werden muss.

Dass einem freien Abgeordneten dann auch zugestanden werden muss, sich über die Themen möglichst lebensnah zu informieren, zu denen er Gesetze erlässt, halte ich für naheliegend. Offensichtlich haben auch die Ermittler in Karlsruhe, die gegen Jörg Tauss vorgehen, nicht (mehr) die Neigung, die Ausnahmevorschrift zu ignorieren. Im an den Spiegel geleakten Abschlussbericht, ob von der Polizei oder der Staatsanwaltschaft bleibt offen, soll stehen, man habe keine Hinweise gefunden, dass das aufgefundene Material im Zusammenhang mit der Abgeordnetentätigkeit von Tauss stehe.

Da stellt sich die Frage, wie solche Hinweise denn nach den Vorstellungen eines Staatsanwalts auszusehen hätten. Ein ordentlich ins Abgeordnetenbüro eingestellter Leitz-Ordner wäre gut, eine Spannmappe mit der Aufschrift „Kinderporno-Ermittlungen“ sollte es aber zumindest sein?

Anders gefragt: Sind fehlende Bezüge zur Abgeordnetentätigkeit ein Beleg dafür, dass Tauss privat Kinderpornos gesammelt hat? Oder müsste ihm nicht eher eben dies positiv nachgewiesen werden? Was zählt, wenn es eben in die eine oder andere Richtung keine eindeutigen Belege gibt, letztlich das Wort von Tauss? Und welche Rolle spielt ganz am Ende, wenn es eben nur magere Indizien in die eine wie die andere Richtung gibt, der auch für den Abgeordneten gültige Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“?

Kaum tauglich scheint das ebenfalls erwähnte Argument, es gebe keine Belege, dass Tauss die Ergebnisse seiner Tätigkeit veröffentlichen wollte. Natürlich wäre es für Tauss sehr entlastend, wenn sich in seinem Computer der Entwurf eines Berichts an wen und für wen auch immer zu dem Thema gefunden hätte. Aber ist das Fehlen eines solchen Veröffentlichungswillens (Tauss sagt selbst, er wollte nichts veröffentlichen) ein Beleg dafür, dass Tauss nicht „dienstlich“ handelte?

Die Strafverfolger in Karlsruhe bewegen sich offensichtlich auf dünnem Eis. Natürlich kann es halten. Sie können aber auch ganz schnell eine frostige Erfahrung machen. Und am Ende als diejenigen dastehen, die nicht nur durch Ermittlungen, sondern auch durch dreiste, kampagnenartige Öffentlichkeitsarbeit einen Menschen ins Abseits gedrängt haben.

Eine im Spiegel erwähnte Tatsache spricht jedenfalls eher für den Abgeordneten Jörg Tauss. 356 Bilder und 59 Videoclips sind nicht die Menge, die man gemeinhin bei Kinderpornokonsumenten findet. Das ist, im Vergleich zu „normalen“ Fällen, wenig. Darauf weist Tauss‘ Anwalt zu Recht hin.

Nicht übereinstimmende Daten

Der Portierungsauftrag für meine Handynummer war ein schönes Stück Arbeit. Alte Vertragsunterlagen raussuchen, zwischen Kunde und „Rechnungsempfänger“ unterscheiden, die Angaben exakt übertragen. Immerhin ist ja bekannt, dass der alte Anbieter, der die Nummer abgeben soll, gern kleinkariert agiert.

Dass Vodafone, wo ich die Nummer gekündigt habe, allerdings noch ein wenig weiter geht, hätte ich nicht gedacht. Obwohl ich die Daten wirklich fehlerlos in den Umzugsantrag eingetragen hatte, kriegte der neue Anbieter eine Absage von Vodafone. Angeblich stimmten die Daten nicht überein; die Portierung wurde abgelehnt.

Ich rief also am Samstag die Vodafone-Hotline an. Mit einer freundlichen Dame ging ich die Vertragsdaten haarklein durch. Ergebnis: Es gibt keine Abweichung. Mit dem Versprechen, die Sache noch mal an die Fachabteilung zu geben, gab ich mich nicht zufrieden. Vielmehr setzte ich noch eine kleine Mail ab, in der ich den Sachverhalt schilderte und eines klar stellte:

Sollte die Portierung nicht bis spätestens 11. August 2009 bestätigt werden, kündige ich auch noch ohne jede weitere Diskussion die bei Ihnen verbliebene, von meiner Kollegin genutzte Rufnummer unseres Büros (0172-245….).

Heute, am Montag, ging um neun Uhr ging die Nachricht des neuen Anbieters ein: Vodafone hat der Portierung zugestimmt, die Rufnummer wird pünktlich zum Ablauf der Kündigungsfrist umgeschaltet.

Angeblich nicht übereinstimmende Daten waren anscheinend plötzlich kein Thema mehr.

Sinnfreier Raum

Das Internet – ein „rechtsfreier Raum“? Ein Glanzlicht in der Debatte gab es heute morgen im ZDF-Morgähnfernsehen zu bewundern. Kerstin Kullmann vom Spiegel fasste den aktuellen Spiegel-Titel ebenso wirr zusammen, wie er geschrieben ist.

„Ich muss jetzt in die Tiefgarage“

Rechtsanwalt Christian Kah, der sich selbst für „bekannt“ hält und sich als „Scheidungspapst“ tituliert, bevor er demnächst die Weltherrschaft übernimmt, hat nach eigenen Angaben schon eintausend Scheidungen gemacht. Eintausend! Wer das Familienrecht kennt, weiß: So was färbt ab, da hilft auch nichts von Ratiopharm.

Ursprünglich hatte ich den verwegenen Plan, Christian Kah selbst zu befragen. Doch dann fehlte mir der Mut, weil ich eben nicht weiß, in welche Richtung so was abfärbt.

Zum Glück kam Leah Hirschfelder, wer auch immer das sein mag, und stellte ein Interview mit Christian Kah als Pressemitteilung auf dessen Homepage. Leider war es fürs law blog nicht möglich, noch schnell die Exklusivrechte an dem bahnbrechenden Gespräch zu erwerben.

Dennoch möchte ich den Lesern nicht vorenthalten, wie großartig man sich als Anwalt fühlt, wenn einen der eine oder andere erkennt und ein persönliches Gespräch wünscht. Bis zum ersten Kniefall ist dann auch nicht mehr weit. Mein ausdrücklicher Dank gilt der überaus couragierten Leah, verbunden mit der Hoffnung, dass es nichts Ansteckendes war.

Ich rufe also aus sicherer Distanz Außenreporterin Leah, die mit Christian „The Divorce Pope“ Kah auf dem Schlossplatz einer deutschen Mittelstadt steht und versucht, vor Aufregung nicht zu zittern.

“Herr Rechtsanwalt Kah, Sie reisen heute extra aus Jena zum Gerichtstermin nach Karlsruhe an. Lohnt sich der weite Weg?”

RA Kah:
“Der Weg ist nicht entscheidend. Ich begleite jeden Termin persönlich, wenn es die Zeit zulässt. Viele Mandanten legen gerade auf die persönliche Betreuung großen Wert.”

“Sie sind mittlerweile in Deutschland sehr bekannt und werden mit Anfragen sicher überhäuft. Wie gehen Sie mit den vielen persönlichen Anfragen um?”

RA Kah:
“Uns erreichen jeden Tag viele Anfragen, die ich stets persönlich beantworte. Manche Antworten werden durch mich diktiert und dann an den Mandanten versandt. Andere Anfragen werden von mir ganz persönlich eingetippt.”

“Wie wirkt sich Ihre plötzliche Popularität auf die tägliche Arbeit aus. Gibt es Veränderungen in Ihrem Leben?”

RA Kah:
“Es hat sich im Grunde nichts geändert. Ich liebe meinen Beruf und versuche, jede Scheidung möglichst ohne Streit durchzuführen. Es ist schon schmeichelhaft, wenn der ein oder andere mich erkennt und ein persönliches Gespräch wünscht. Am liebsten trete ich aber ohne weiteres Aufsehen auf.”

“Wir danken Ihnen für das kurze Gespräch hier in Karlsruhe und wünschen Ihnen alles Gute für den weiteren beruflichen Werdegang.”

RA Kah:
“Viele Dank. Jetzt muss ich aber in die Tiefgarage unterm Schlossplatz. Die 30 Grad Celsius heute reichen schließlich. Ich hoffe, wir sehen uns demnächst wieder.”

Das Interview fand auf dem Karlsruher Schlossplatz statt.

Einen Tick zu viel getrickst

Der Anspruch auf ein faires Verfahren ist ein wesentliches Element des Rechtsstaats. Egal was dem Täter vorgeworfen wird, der Staat darf ihn nicht menschenunwürdig behandeln und ihn nicht austricksen. Nicht übermäßig austricksen, füge ich hinzu. Wo die Grenzen vermeintlich pfiffiger Ermittler überschritten sind, zeigt ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs. Leider belegt die Entscheidung auch, in welchem Umfang für manchen Strafverfolger der Zweck mittlerweile die Mittel heiligt.

Ein Mann marokkanischer Herkunft saß in Untersuchungshaft. Er wurde verdächtigt, seine Geliebte umgebracht zu haben. Da diese aber spurlos verschwunden und die Beweislage entsprechend dürftig war, kamen Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht auf eine besondere Idee: Entgegen allen Regeln der Untersuchungshaft sollte ausgerechnet dieser Beschuldigte sonderbehndelt werden, und zwar überraschenderweise besonders freundlich. Ihm wurde erlaubt, mit seiner Ehefrau allein und auf marokkanisch zu sprechen.

Was man dem hocherfreuten Beschuldigten nicht gesagt hat: Das Besuchszimmer, in das er sich mit seiner Frau zurückziehen durfte, war verwanzt. Die aufgenommenen Gespräche dienten im Prozess als Beweismittel gegen den Mann.

Solche Tricksereien gehen dann doch zu weit, urteilt der Bundesgerichtshof:

Die Ermittlungsbehörden haben sich aber in einer Situation, in der dem Angeklagten ein Ausweichen auf ein von ihm selbst gewählten Gesprächsort nicht möglich war, nicht darauf beschränkt, die Gespräche des Angeklagten zu seiner Ehefrau akustisch zu überwachen. Sie haben vielmehr bewusst eine von den üblichen Abläufen in der Untersuchungshaft derart abweichende Besuchssituation geschaffen, dass nicht lediglich ein Irrtum des Angeklagten ausgenutzt wurde.

Vielmehr wurde, anders kann man das Vorgehen nicht verstehen, die Situation – gezielt – zur Erlangung einer gerichtsverwertbaren Selbstbelastung des Angeklagten herbeigeführt. Im Rahmen ihres Vorgehens haben die Ermittlungsbehörden mit mehreren aufeinander abgestimmten Maßnahmen dem Angeklagten den Eindruck vermittelt, er erhalte nun eine Sonderbehandlung und dürfe sich völlig ungestört und ohne jegliche Überwachung mit seiner Ehefrau – noch dazu in marokkanischer Sprache – unterhalten. …

Angesichts dieser Einwirkung auf das Vorstellungsbild des Angeklagten, die ihn zu der Fehlvorstellung gelangen ließ, die Besuche würden nicht überwacht, ist das Vorgehen der Ermittlungsbehörden unter gezielter Ausnutzung der besonderen Situation des Untersuchungshaftvollzuges zur Erlangung einer prozessverwertbaren Selbstbelastung des Angeklagten schon vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlich verankerten Verbots eines Zwangs zur Selbstbelastung („nemo tenetur se ipsum accusare“) bedenklich.

Die Tonbänder dürfen nun nicht verwertet werden. Dennoch, ein Schaden für den Rechtsstaat bleibt. Man muss sich nur vergegenwärtigen, diese Aktion hat nicht etwa ein übereifriger Polizist allein durchgezogen. Vielmehr wurde sie über die gesamte befasste Justizkette – vom Polizeipräsidium, über die Staatsanwaltschaft, den Ermittlungsrichter bis zu den Verantwortlichen der Justizvollzugsanstalt – ausgetüftelt, abgesegnet und tatkräftig umgesetzt. Niemand hatte offenbar Zweifel an dem, was er tut. Oder, vielleicht noch schlimmer, nicht den Mut nein zu sagen.

(Urteil vom 29. April 2009, 1 StR 701/08)

NRW-Justiz räumt mal wieder auf

„Massive Fehler“ und „schwerwiegende persönliche und organisatorische Versäumnisse“ bei der Staatsanwaltschaft Mönchengladbach hat Nordrhein-Westfalens Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU) eingeräumt. Sie bestätigt damit eine fünf Jahre lange Pannenserie.

Heinrich F., der ehemalige und inzwischen versetzte Behördenleiter, habe jahrelang Pfuschereien geduldet und unter der Decke gehalten. Während gegen ihn und eine beteiligte Staatsanwältin nur Disziplinarverfahren eingeleitet werden, muss sich eine Justizangestellte strafrechtlich verantworten. Ihr wird Strafvereitelung im Amt vorgeworfen, weil auch durch ihre Fehler ein verurteilter Kinderschänder nicht in Haft kam und ein mutmaßlicher Sexualstraftäter aus der Untersuchungshaft entlassen wurde.

Um derlei zu verhindern, soll sich eine Sonderdezernentin künftig speziell um mutmaßliche Sexualstraftätter kümmern. Heinrich F. wird nicht mehr nach Mönchengladbach zurückkehren, wenn doch, allenfalls in seiner Stammrolle als karnevalistische Ulkfigur „Balderich“: „Der Wechsel an der Behördenspitze und die konsequente Aufarbeitung von Fehlern aus der Vergangenheit sind der einzig richtige Weg, um das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in unsere funktionierende Justiz zu erhalten“, sagte die Ministerin.

Es ist allerdings offen, wann die Ermittlungen abschlossen sind. (pbd)

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