„Hi, bist du da?“

„Hi, bist du da?“

Mein jugendlicher Mandant hatte eigentlich gedacht, ein Bekannter stellt ihm diese Frage auf ICQ. Aber der Fremde, der sich auf seine Antwort meldete, war auch ganz nett. Er habe da eine tolle Verdienstmöglichkeit. „Zum Großhandelspreis“ habe er günstig jede Menge Softwarelizenzen erworben und suche jetzt Leute, welche die Schlüssel weiter vertreiben. Ebay sei dafür ganz gut.

Mein Mandant ließ sich einwickeln und kaufte einige Lizenzen. Die Abrechnung erfolgte über Paysafecards. Die PIN-Codes der Prepaid-Karten ließ der Mandant seinem Geschäftspartner per ICQ zukommen. In vielen Internetshops können die PIN-Codes wie Bargeld eingesetzt werden. Im Gegenzug erhielt er über ICQ die Softwareschlüssel.

Die Lizenzen kosteten ihm rund ein Zwölftel des Ladenpreises. Also eine gute Ausgangsbasis für florierende Auktionen auf ebay. Tatsächlich gingen die Schlüssel zunächst auch ganz gut weg – bis die ersten Reklamationen eintrudelten.

Der Geschäftspartner, von dem die Lizenzen stammten, hatte zwar Kontakte zu Großhändlern. Aber nur zu solchen, die mit Adress- und Zugangsdaten handeln. In großem Stil holte er sich die Lizenschlüssel auf Softwareseiten – bezahlt wurde von den ahnungslosen Dritten, deren Telefonrechnung oder Kreditkarte belastet wurde.

Das blieb mittelfristig natürlich nicht unbemerkt. Prompt wurden viele Softwareschlüssel gesperrt und funktionierten nicht mehr, als sie mein Mandant bei ebay unter die Leute brachte. Seine Kunden reagierten entsprechend erbost, manche sogar mit Strafanzeigen.

So nahm das Unheil also seinen Lauf. Hunderte Endverkäufer soll der Anbieter geködert haben; gegen die meisten laufen mittlerweile Ermittlungsverfahren wegen Betrugs.

Nur die Hautpfigur ist trotz intensiver Ermittlungen nach wie vor unbekannt. Was ja, wenn man was Positives aus der Geschichte mitnehmen will, eine klare Empfehlung für die Paysafecard ist.

T-Mobile bleibt hart

Im Streit um die Modemnutzung des iPhone für Vertragskunden der 1. Generation bleibt T-Mobile zunächst hart. Hier die Antwort auf mein Schreiben, die ich nun für mehrere Mandanten gleichlautend erhalten habe:

Ihr Mandant telefoniert aktuell in den so genannten Complete Tarifen der 1. Generation. In diesen Tarifen können wir Tethering mit dem iPhone leider nicht anbieten.

Damit Sie nachvollziehen können warum dies so ist, hier ein kurzer Rückblick: Seit Mitte Juni 2009 wird Tethering in Deutschland mit dem iPhone 3G/3GS, ab der Software-Version 0S 3.0 angeboten. Erst zum 10. September 2009 hat T-Mobile die technischen Voraussetzungen für Tethering im T-Mobile Netz geschaffen und als Zusatzoption „Modem Nutzung“ im Rahmen der Complete Tarife der 2. Generation angeboten.

Vorher war Tethering im T-Mobile Netz mit dem iPhone nicht möglich. Daher gehört es auch nicht zum Leistungsumfang des T-Mobile Vertrags und es besteht kein vertraglicher Anspruch auf Tethering in den – nicht mehr angeboten – Complete Tarifen der 1. Generation.

Der Leistungsumfang des T-Mobile Vertrags Ihres Mandanten – im Complete Tarif der 1. Generation – ist unverändert. Eine einseitige Änderung des Vertrags durch T-Mobile ist nicht erfolgt. Es besteht auch kein Anspruch, dass T-Mobile das Mobilfunknetz anpasst, um in den älteren Complete Tarifen Tethering mit dem iPhone zu ermöglichen.

Die Nutzung von Tethering wird auch nicht durch T-Mobile mit dem aktuellen Software-Update für das iPhone gesperrt. Das von Ihnen freiwillig durchgeführte Software-Update für das Endgerät wird vom Hersteller Apple zur Verfügung gestellt und nicht von T-Mobile.

Unser Angebot: Ihr Mandant wechselt kostenfrei – ohne Verlängerung der Laufzeit Ihres Vertrags – in einen Complete Tarif der 2. Generation und beauftragt die Zusatzoption „Modem Nutzung“.

Wenn Sie hierzu weitere Fragen haben, sind wir gern für Sie da.

Ich denke, die Fragen sind mittlerweile längst beantwortet. Und die jetzt von T-Mobile etwas lieblos vorgebrachten Argumente scheinen mir wenig geeignet, die einseitige Einschränkung des Angebots zu rechtfertigen. Vor allem der Verweis auf Apple ist hanebüchen. Bekanntermaßen setzt Apple lediglich die Vorgaben des Telefonanbieters um. Ansonsten wäre es ja auch kaum möglich, dass Kunden, die sich für die kostenpflichtige Datenoption in den neuen Verträgen entschließen, ihr iPhone mit der Software 3.1 künftig als Modem nutzen dürfen.

Es gibt nun im Kern zwei Möglichkeiten: Fristlose Kündigung des Vertrages oder Klage gegen T-Mobile auf Ermöglichung der Modemnutzung.

Geht das überhaupt?

In der Verhandlung ging es nur um das Strafmaß. Der Bundesgerichtshof hatte auf die Revision hin ein Urteil des Landgerichts aufgehoben, in dem eine Gesamststrafe gebildet worden war. Gesamtstrafe bedeutet, dass das Gericht nicht nur über den bei ihm angeklagten Fall entscheidet, sondern auch eine frühere Verurteilung – hier sechs Jahre und sechs Monate Gefängnis, ebenfalls eine Gesamtstrafe – mit einbezieht. Heraus kamen dann zunächst insgesamt neun Jahre.

Mein Mitverteidiger und ich plädierten auf jeweils fünf Jahre, also weniger, als es schon im ersten Urteil gab. Aus guten Gründen, wie wir meinten. Der Vorsitzende war über diesen Antrag jedoch so verblüfft, dass er mich im Plädoyer unterbrach. Ob ich wirklich meine, das Gericht könne die erste Strafe von sechs Jahren und sechs Monaten sogar unterschreiten? Die erste Strafe sei doch rechtskräftig.

Ich habe gleich darauf geantwortet und dargelegt, dass zur Bildung sämtliche Einzelstrafen „aufgelöst“ werden müssten, selbstverständlich auch die dies ersten Urteils, auch wenn dieses an sich rechtskräftig ist. Denn die Gesamtstrafenbildung ist nun mal einer der wenigen Fälle, in denen sich rechtskräftig verhängte Strafen noch ändern können.

So ganz schien mir das Gericht nicht zu glauben. Doch in der Urteilsverkündung wies der Vorsitzende, wahrscheinlich nach ausgiebigem Blick in die Kommentare, ausdrücklich darauf hin, dass wir Verteidiger „formal“ recht hätten. Tatsächlich sei es denkbar, bei der erforderlichen „Auflösung“ alller Strafen sogar den Strafrahmen des ersten Urteils zu unterschreiten. Allerdings betonte er, noch von keinem Fall gehört zu haben, in dem das geschehen ist.

Leider schien dem Gericht unsere Angelegenheit auch nicht geeignet für eine Premiere. Es ließ zwar etwas vom Strafmaß runter, aber längst nicht so viel, wie wir Verteidiger und der Angeklagte erhofft hatten.

Abgesehen vom Erlebnis, einen Richter mit einem juristischen Argument wirklich handfest zu verblüffen, nehme ich aus der Verhanldung also einen neuen Auftrag mit. Wir gehen erneut in Revision.

Was dürfen 844 MB Daten kosten?

Vor einiger Zeit hatte ich an T-Mobile geschrieben und für einen Mandanten gegen eine Rechnung über 7.590,86 € protestiert. Der Mandant sollte für 844 MB zahlen, die er ohne Datentarif heruntergeladen haben soll.

T-Mobile hat nun mitgeteilt, man habe die Forderung niedergeschlagen. Nicht mal auf mein Angebot zur Güte, dem Mandanten rückwirkend eine Flatrate zu berechnen, wollte man eingehen.

Leider schreibt T-Mobile nicht, warum man auf die Forderung verzichtet. Ich halte es aber für gut möglich, dass man das exorbitante Preisgefälle lieber nicht vor Gericht diskutieren möchte.

Kommentar-Updates

Kommentar von Florian Holzhauer

Keine Panik, ihr könnt die politische Rhetorik diesmal stecken lassen, obwohl das Posting wieder aus dem Maschinenraum ist ;)

Ich habe eben die Kommentarfunktionalität hier im Blog etwas umgebaut – wie z.B. von Spreeblick bekannt gibt es nun ordentliche Reply-To-Funktionalität. Im Zuge der Umbauten sind auch verschiedene Text-Formatierungs-Möglichkeiten wieder dazu gekommen.
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Gut geblufft

Gegen die Kündigung des Mandanten war nichts zu machen. Wohl aber dagegen, dass ihm seine Chefs für die letzten zwei Monate kein Gehalt zahlten. Also Fax an die Firma mit Zahlungsaufforderung. Keine Antwort. Auf die Mahnung kam immerhin ein Schreiben des Steuerberaters. Die Geschäftsführer seien im Urlaub; nächste Woche werde abgerechnet.

Die nächste Woche ging ins Land. Ich telefonierte mit dem Steuerberater. Der war ganz erstaunt. „Hat ihr Mandant das Arbeitgeberdarlehen nicht erwähnt?“ Hatte er nicht. Mit dem Kredit seien nämlich die letzten beiden Gehälter verrechnet worden. „Ihr Mandant sollte lieber die Füße still halten, dann verzichten wir auf die noch offenen 200 Euro.“

Ich rief also den Mandanten an. Der versicherte hoch und heilig, keine Schulden bei seinen Chefs zu haben. Ich glaubte ihm uneingeschränkt, zumal nach drei Tagen das vom Steuerberater angekündigte Fax mit dem Kreditvertrag noch nicht da war.

Also Klage. Kaum war Gütetermin beim Arbeitsgericht anberaumt, kam ein Schreiben des Steuerberaters. Mit kompletter Gehaltsabrechnung für die offenen Monate und der Bitte, den Gütetermin abzusagen, wenn das Geld auf unserem Konto ist.

Von einem Darlehen kein Wort. Ich würde nur gern wissen, ob der Steuerberater wirklich so gut blufft. Oder ob er von seinen eigenen Mandanten hinters Licht geführt wurde.

Zu keinem Zeitpunkt

Aus einer Anklageschrift:

Tatsächlich existierte die Firma F. B. Ltd. jedoch zu keinem Zeitpunkt. Vielmehr handelte es sich um eine bloße Briefkastenfirma.

Der Rest des Textes ist logischer. Leider.

Alles wird teurer…

Das Schreiben unserer Telefonfirma drückt auf die Tränendrüse:

Seit unserer letzten Preiserhöhung vom 1. Januar 2007 sind die Kosten in vielen Bereichen des unternehmerischen Handelns gestiegen, sei es bei den Energie-, Material- oder Personalkosten. Im Interesse unserer Kunden konnte bislang durch gezielte Einsparungsmaßnahmen unsererseits eine weitere vertragliche Gebührenanpassung vermieden werden.

Aufgrund der hohen Steigerung in den genannten Bereichen, insbesondere bei den tariflichen Erhöhungen der Löhne, sind wir in diesem Jahr gezwungen, die Gebühren, wie unten aufgeführt, zum 01.10.2009 anzupassen. Wir bitten um Verständnis.

Unsere Telefonanlage kostet monatlich nicht mehr 45,00 €. Sondern 45,38 €.

Ich habe das Gefühl, die Gewerkschaften haben schlecht verhandelt.

Familientragödie um Sorgerecht

Bei einer Familientragödie ist vorgestern in Greven ein 65-jähriger Großvater vom Vater seines Enkelkindes getötet worden. Der Hintergrund der Gewalttat ist offenbar ein Streit um das Sorgerecht des eineinhalbjährigen Kindes.

Dere 40-Jährige hatte seine Tochter aus Münster zu sich nach Greven geholt. Von dort wollte es die Mutter mit Unterstützung ihrer Eltern am Samstag wieder abholen. „Unter einem Vorwand verschaffte man sich dann Zugang zum Keller des Hauses und stellte den Strom ab, damit der 40-Jährige gezwungen war, in den Keller zu kommen,“ so schildert es Kriminalhauptkommissar Franz Richter, Leiter der Mordkommission.

In diesem Moment wollte die Mutter ihr Kind aus einem oberen Stockwerk holen. Im Keller aber kam es zu einem Streit zwischen dem Vater und dem Großvater. Der 40-jährige erstach laut Oberstaatsanwalt Wolfgang Schweer den 65-jährigen mit einem Messer: „Der Täter macht keine Angaben zu den Einzelheiten; wir beschuldigen ihn des Totschlags“. (pbd)

Beissreflexe einer Mailingliste

Kommentar von Florian Holzhauer

Unter Lernen versteht man den absichtlichen und den beiläufigen, individuellen oder kollektiven Erwerb von geistigen, körperlichen, sozialen Kenntnissen und Fertigkeiten. Aus lernpsychologischer Sicht wird Lernen als ein Prozess der relativ stabilen Veränderung des Verhaltens, Denkens oder Fühlens aufgrund von Erfahrung oder neu gewonnenen Einsichten und des Verständnisses aufgefasst.

(Wikipedia)

Mitleser in eher „IT-Nahen“ Medien dürften schon häufig Zeuge einiger kruder Rituale geworden sein: Ein Posting oder eine Mail zu einem eher kontroversem Thema erscheint, und innerhalb kürzester Zeit erscheinen die immer wieder gleichen Diskussionsstile. Der eine beschimpft den anderen als Troll, die Kompetenz, Intelligenz, Weitsicht oder Erfahrung des Gegenübers wird in Frage gestellt. Irgendwann wird dann ein Verstoss gegen krude innerhalb der Gruppe definierten Regeln festgehalten, und nach einiger weiterer inhaltsfreier Beschimpfung schläft die Diskussion ein. Sobald das nächste Mal das Thema aufkocht, werden die selben Diskussionsteilnehmer mit den gleichen Argumenten eine ähnlich gelagerte Auseinandersetzung beginnen, die auch ähnlich endet.
Im Laufe der Zeit ist ein Beobachter normalerweise in der Lage, schon vorab zu erraten, was welcher Debattant in seine Tastatur tippen wird. Wer sich unter diesen Diskussions-Stilen nichts vorstellen kann, dem sei an dieser Stelle das Heise-Forum empfohlen, Themen zu Betriebssystemen oder Programmiersprachen dürften besonders aussagekräftig sein.

So weit, so traurig, so normal. Interessant scheint hier, dass Menschen die sich vermutlich als eher intelligent bezeichnen würden, zumindest nach aussen hin nur minimales Lern- und Reflektionsvermögen zeigen – eine Studie, ob zur Inter-Nerd-Kommunikation ausschliesslich die Amygdala benutzt wird, steht leider noch aus.

Vor ziemlich genau drei Jahren hat sich in Berlin eine Partei gegründet, die gerne auch als Nerd-Partei bezeichnet wird. Sie selbst nennt sich die Piratenpartei Deutschland. Über deren Ziele, Probleme, Inhalte wurde und wird viel geschrieben und viel diskutiert – und eines fällt dabei deutlich auf: Die „Nerd-Partei“ macht in Sachen Lernfähigkeit ihrem Spitznamen alle Ehre. Statt Reflektion, vielleicht einmal dem Eingeständnis eines Fehlers, und produktiver Diskussion, wie man Fehler in Zukunft verhindern könne hagelt es Beissreflexe und Arroganz, oder, um es mit den Worten des Pressesprechers der Piratenpartei zu formulieren: „Wer zurückrudert, kann nur verlieren.“. Alternativ kann man natürlich auch den Kritikern mangelnden IQ unterstellen, und sie als Trolle beschimpfen. Mailinglisten-Grundregeln. Siehe oben.

Ob dieses Verhalten der Sache dienlich ist, ob es dafür sorgt, als Gesprächspartner ernst genommen zu werden, ob man so politische Kompetenz gewinnt? Sehr fraglich. Politik ist keine Mailingliste, und Beissreflexe helfen nicht. Krisenkommunikation, Diskussion auf Augenhöhe mit dem Gegenüber, Lernfähigkeit, Mut zur Einsicht – all das, was man auch von den etablierten Parteien gerne hätte.

Schaut man sich so zum Beispiel die alte Geschichte um Bodo Thiesen und die Piratenpartei an: Da steht eine Person auf einem Bundesparteitag der Piratenpartei zur Wahl für einen Posten innerhalb der Partei auf dem Podium, und aus dem Publikum wird erzählt, dass da ein „Skandal“ hochkochen würde, und wie diese Person zu dem Vorwurf des Geschichtsrevisionismus stehen würde. „Leugung des Holocaustes“, wie man kurz darauf erfährt. Und diese Person sagt nicht klar „Nein, mache ich nicht“, sondern stattdessen „wer glaubt, das ich das tue, soll mich anzeigen“. Bei jeder anderen ernstzunehmenden Partei wären hier alle roten Lampen angegangen. Bei den Piraten nicht. Der Epilog der Geschichte war dann jede Menge Medienschelte und ein Parteiausschluss. Dass so eine Geschichte passieren musste, ist ärgerlich, kann man aber durchaus mit mangelndem politischem Einfühlungsvermögen, Welpenschutz oder schlichter Naivität erklären.

Nun kocht diese Tage ein neues Thema hoch: Der Piraten-Vize Andreas Popp gibt einer Zeitung, die sich in eher rechtslastigen Gefilden des politischen Weltbildes bewegt, ein Interview. Offensichtlich, wie sich rausstellt, weil er nicht vorab geklärt hat, welche Zeitung das eigentlich ist. Auch das kann man erstmal unter Naivität verbuchen, auch wenn man in Presseschulungen eigentlich sehr früh lernt, dass man immer zuerst klären sollte, wer da mit einem reden will.

Aber nun kocht dieser Konflikt hoch, die ersten Medien berichten, eine sicherlich nicht komplett unparteiische taz-Autorin wirft der Partei etwa „mangelnde Distanz zum rechten Rand“ vor. Spätestens jetzt sollten einmal mehr alle roten Lampen gehen. Insbesondere, weil sich in den nächsten Stunden herausstellen wird, dass auch der Parteivorstand Jens Seipenbusch gegenüber der selben Zeitschrift einen „Fragebogen“ beantwortet hat – weil also dem Parteivorstand klar sein sollte, dass da noch mehr nachkommen wird. Stattdessen wird lediglich anerkannt, dass das Interview „nicht politisch klug im Sinne eines Politik-Marketing-Ansatzes“ gewesen sei.

Lernerfolg aus den bisherigen Desastern? Null. Im Chaos Computer Club, einer Institution ohne parteipolitischen Ambitionen, aber mit ähnlichem Nerd-Anteil und ähnlich skurrilen Mailinglisten, kochte vor einigen Jahren eine vergleichbare Diskussion. Eine Diskussion, die nicht nennenswert von Medienaufmerksamkeit begleitet wurde, sondern grösstenteils nur intern stattfand. Trotzdem resultierte diese Diskussion in die Bekanntgabe einer klar formulierten Unvereinbarkeitserklärung, die auf der offiziellen Seite deutlich kommuniziert wurde. In der Piratenpartei hingegen meint ein Pressesprecher: „Aber das Magazin sei ja nur rechtskonservativ, daran könne man nichts Schlimmes finden.“ – selbst andere eher Nerd-nahe Institutionen, siehe Beispiel CCC, können da die Krisenkommunikation besser.

Um noch einmal sinngemäss Wikipedia zu bemühen: „Lernen wird als ein Prozess der relativ stabilen Veränderung des Verhaltens, aufgrund von Erfahrung oder neu gewonnenen Einsichten und des Verständnisses aufgefasst.“ Eine Partei, die sich Wissensgesellschaft und Bildungspolitik auf die Fahnen schreibt, selbst aber offenkundig nicht lernfähig ist, sollte sich nicht beklagen, wenn sie als unwählbar bezeichnet wird.

Stattdessen sollte sie vielleicht versuchen, endlich dazu zu lernen, und von trainiertem Mailinglistenverhalten wegzukommen.

Schlafzimmer darf nicht stinken

Wenn Schlafzimmermöbel auch mehr als ein Jahr nach dem Kauf noch einen unangenehmen Chemikaliengeruch verströmen, dann kann der Käufer vom Vertrag zurücktreten. Dabei ist es ohne Belang, ob die Gerüche auch gesundheitsschädlich sind.

Das entschied das Landgericht Coburg, bestätigt durch das Oberlandesgericht Bamberg, und verurteilte den Verkäufer zur Rückzahlung des Kaufpreises von rund 6.200 €. Der Geruch und die damit verbundene nachvollziehbare Sorge der Käuferin, dass dadurch ihre Gesundheit gefährdet werde, verhindern nach Auffassung der Gerichte einen ungestörten Gebrauch der Schlafzimmereinrichtung.

Rund ein Drittel seiner Lebenszeit verbringt der Mensch schlafend, so dass das Schlafzimmer regelmäßig der am längsten genutzte Raum ist. In ihrem Refugium wollte es die Klägerin daher gemütlich haben und kaufte beim Beklagten eine Einrichtung in Esche massiv für rund 6.200 €. Doch auch Monate nach dem Kauf verströmten die Möbel einen unangenehmen Chemikaliengeruch. Die Klägerin monierte das, der Verkäufer konnte aber keine Abhilfe schaffen. Als eine Raumluftanalyse eine auffällige Häufung flüchtiger organischer Verbindungen ergab, trat die Klägerin vom Kauf zurück und klagte auf Rückzahlung des Kaufpreises.

Mit Erfolg, denn das Landgericht Coburg gab ihrer Klage statt. Auch noch 13 Monate nach der Anlieferung ging von der Schlafzimmereinrichtung ein störender Geruch aus. Unabhängig von der Frage, ob es für die organischen Verbindungen einen verbindlichen Grenzwert gibt und dieser überschritten war, eignen sich die Möbel nicht für die gewöhnliche Verwendung, also das Schlafen in dem mit ihnen ausgestatteten Raum, und sind deshalb mangelhaft.

Denn, so das Gericht, auch ohne besondere Vereinbarung kann ein Käufer solcher Möbel erwarten, dass sie geruchsneutral sind oder Geruchsentwicklungen, die wegen der Lackierung unvermeidbar sind, zumindest alsbald nach dem Aufstellen verschwinden.

Fazit (der Pressestelle des Landgerichts Coburg): In Schlafzimmermöbeln, die einem buchstäblich stinken, muss man nicht in seine Träume sinken.

(LG Coburg, Urteil vom 13.5.2009, Az: 21 O 28/09; OLG Bamberg, Beschlüsse vom 13.7. und 7.8.2009, Az: 6 U 30/09; rechtskräftig)

„Einfühlungsverhältnis“

Lehnen wir uns zurück und stellen uns folgende Situation vor:

„Sie könnten gut zu uns passen“, sagt der Personalchef am Ende des Vorstellungsgespräches und schaut die Bewerberin wohlwollend an. „Wären Sie denn zunächst zu einem kurzen, äh, Einfühlungsverhältnis bereit?“

Die junge Frau ist entrüstet, steht auf, knallt dem Personalchef die rechte Hand ins Gesicht und verlässt schnellen Schrittes das Büro.

Peng. Gerade hat sie sich um eine Jobchance gebracht. Und das nur, weil sie das Wort „Einfühlungsverhältnis“ falsch verstanden hat. Damit beschreiben Juristen einen besonderen Probevertrag zwischen einem potenziellen Arbeitnehmer und einem Arbeitgeber.

Für lau soll der Kandidat für ein paar Tage oder Wochen in den Betrieb kommen und die Arbeit als auch die Kollegen kennen lernen. Auf Neudeutsch könnte man sagen: Er soll mal gucken, wie sich das anfühlt. Im Gesetz sucht man sowohl den Begriff als auch diese Tätigkeit vergebens. „Einfühlungsverhältnis“ ist eine reine Erfindung von Arbeitsrechtlern.

Dass es dafür kein Geld gibt, haben mehrere Gerichte schon abgenickt. Dann darf das Unternehmen aber auch keine Arbeitsleistung fordern und Weisungen geben. Tut es das doch, kann nachträglich Lohn gefordert werden. Das Arbeitsgericht Weiden (Bayern) urteilte dazu, dass wer erprobt wird, zwangsläufig Anweisungen befolgen muss – also Lohnanspruch (Az: Ca 64/08 C, Volltext).

Manche Personalchefs sind von solchen Urteilen möglicherweise schon so erschrocken, dass sie freiwillig ein bisschen Geld anbieten. Aber stellen uns dann das eingangs beschriebene Szenario vor mit einem Personalchef, der sagt:
„Wir wäre es mit einem Einfühlungsverhältnis – ich zahle Ihnen auch was dafür!“