Unter Umständen

Aus einer Mandatsanfrage:

… suche ich nach einem zuverlässigen Strafrechtsanwalt, welcher mein Anliegen in meinem Interesse bearbeitet. … Es ist anzumerken das die Bearbeitung meines Falles unter Umständen höchste Auswirkungen auf Sie und Ihr Privatleben haben kann.

Jetzt mal ehrlich, mich motivieren solche Andeutungen nicht besonders. Höchstens zu einer freundlichen Absage.

Kein Zeitdruck vor OP

Vor einer Operation muss der Patient aufgeklärt werden. Vor allem über die Risiken des Eingriffs. Dabei gibt es zum Schutz des Patienten auch zeitliche Vorgaben, wie eine aktuelle Entscheidung des Landgerichts Frankenthal zeigt.

Wegen ihrer Augenerkrankung wollte sich eine Frau eine Linse mit mehreren Sehstärken einsetzen lassen. Der Eingriff hatte allerdings ein negatives Ergebnis. Die Sehkraft der Frau nahm deutlich ab. Vor Gericht gab der Arzt an, er habe die Patientin erst am Operationstag aufgeklärt, etwa eine halbe Stunde vor dem Eingriff, und das auch noch im Rahmen der vorbereitenden Untersuchung.

Entsteht beim Patienten Zeitdruck, liegt laut dem Urteil grundsätzlich keine wirksame Aufklärung vor. Das sei hier zweifellos der Fall, zumal die Aufklärung mit der Untersuchung verbunden wurde. In dem Urteil klingt sogar an, dass ein Aufklärungsgespräch spätestens am Vortag des Eingriff stattfinden muss (Aktenzeichen 4 O 147/21).

Kurze Beratung

Strafrechtliche Beratung gehört für mich zum Tagesgeschäft. Allerdings ist damit keine Garantie verbunden, dass die Antwort auch zur vollständigen Zufriedenheit des Fragenden ausfällt.

Genau so war es im Fall einer Mandantin, die beim Gassigehen mit ihrem Hund in eine verbale Auseinandersetzung geriet. Es ging um die Leinenpflicht. Was hierzulande ja quasi mit der Garantie verbunden ist, dass sich die Sache aufschaukelt.

Am Ende der Debatte gab es wohl einige giftige Worte. Konkret erinnert sich die Mandantin aber nur an die Aussage ihres Kontrahenten, die da lautete:

Ich kann auch anders.

Mit diesem Satz im Ohr suchte die Mandantin die nächstgelegene Polizeiwache auf. Dort stieß sie zwar auf freundliche Beamte, aber kein Verständnis für ihr Anliegen. Eine Strafanzeige? Wegen Bedrohung? Die Aufnahme der Anzeige wurde abgelehnt, was die Mandantin dann zu mir führte.

Im Ergebnis haben die Beamten recht, es fehlt am Anfangsverdacht. Der Ausspruch „Ich kann auch anders“ ist sicher nicht freundlich, aber für sich gesehen (noch) keine Bedrohung im Sinne des § 241 StGB. Ganz abgesehen davon, dass die denkbare, vom Gesetz geforderte „rechtswidrige Tat“ überhaupt nicht greifbar ist, könnte mit „Ich kann auch anders“ auch ein rechtlich völlig einwandfreies Verhalten gemeint sein – etwa die Einschaltung des Ordnungsamtes.

Freut mich, dass ich helfen konnte.

Post

Das ist die an mich gerichtete Verteidigerpost eines Mandanten, der wegen einer Wirtschaftsstrafsache inhaftiert ist:

Aus den letzten zwei Tagen. Immerhin wird es so nie langweilig…

Der Beklagte

In meinem Beruf treibt man sich ja notorisch in Gerichtssälen rum. An sich hätte ich also heute keinerlei mulmiges Gefühl verspüren sollen, als ein Gerichtstermin anstand. Etwas war aber anders. Ich hatte das zweifelhafte Vergnügen, als Beklagter ins Gericht zu kommen. Mit meinem Anwalt, der mich doch bitteschön raushauen sollte.

Immerhin, der gegen mich erhobene Vorwurf kam nicht von einem Mandanten. Es ging also nicht um eine wie auch immer geartete Verletzung meiner Berufspflichten. Das ist ja schon mal was. Vielmehr erhob eine dritte Person Vorwürfe. Ich will nicht zu viele Details schildern, um niemandem zu nahe zu treten. Kurz gefasst, ging es um den Brief eines Dritten an die Person, den ich lediglich auftragsgemäß per Fax weitergeleitet habe. Mit dem Schreiben, das wohlgemerkt gar nicht von mir stammt, soll ich tiefen Schmerz ausgelöst haben, der nur mit einer stattlichen Zahlung meinerseits wieder gut gemacht werden kann. 5.000 Euro soll mich das Ganze kosten, meinten die Klägerin und ihre Anwälte. Natürlich zuzüglich der gesamten Kosten für den Prozess.

Gut, man braucht kein erfahrener Zivilrechtler oder auch nur studierter Jurist zu sein um zu ahnen, von wem die Klägerin da tatsächlich über den Tisch gezogen wird. Aber auch diese – natürlich rein sachliche – Gesamtwertung sorgte bei mir nicht unbedingt für Wohlbefinden. Mir war ehrlich gesagt reichlich mulmig, bis das Gericht dann nach dem üblichen Prozedere signalisierte, dass mit der Klage – ich fasse zusammen – schon mangels Anspruchsgrundlage kein einziger Cent zu gewinnen sein wird.

Bei meinen nächsten Verfahren werde ich mich gerne an das Gefühl erinnern. Und mich um größtes Verständnis bemühen, wenn der Mandant momentan etwas angespannter wirkt, als es die Situation tatsächlich erfordert. Dafür habe ich jetzt doppelt gute Laune. Ich löse nämlich pünktlich zum Monatsende gleich die Rückstellung auf, die meine kleine Anwaltskanzlei bei Eingang der Klage gebildet hat.

Gewaltkriminalität auf Tiefstand

„Die Wahrscheinlichkeit, in Deutschland Opfer einer Straftat zu werden, insbesondere im Bereich der Gewaltdelikte, ist in den vergangenen Jahren geringer geworden. Das ist Fakt.“ Sagt nicht irgendwer, sondern Oliver Huth, Bundesvorstandsmitglied des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK). Anlass zu dieser Feststellung geben aktuelle Zahlen zur Kriminalitätsstatistik. Danach liegt die Zahl der Straftaten auf dem niedrigsten Stand seit 21 Jahren, wobei sich seit 2017 ein stetiger Rückgang zeigt.

Auch bei Einbrüchen und Straßenkriminalität werden weniger Delikte registriert. Einzelheiten kann man in einem Bericht der Legal Tribune Online nachlesen, der sich auf eine Antwort der Bundesregierung auf eine Parlementarische Anfrage der AfD bezieht.

Allerdings bedeuten die sinkenden Zahlen natürlich nicht, dass Kriminalität ein Auslaufmodell ist. So steigt die Cyberkriminalität an, hier ist von einer Verdopplung seit 2015 die Rede. Da ist was dran, das kann ich auch aufgrund der „Ausrichtung“ meiner eigenen Kundschaft bestätigen. Letztlich könnte Corona die insgesamt erfreuliche Entwicklung befördert haben. „Keine Kneipenschlägerei ohne Kneipe“, fasst der Kriminalbeamte Huthmann es schön zusammen.

Die AfD hat sich auch nach dem Anteil „nichtdeutscher Tatverdächtiger“ erkundigt. Dieser lag im Jahr 2000 bei knapp 26 Prozent, 2021 waren es 34 Prozent. Bei Gewaltdelikten waren 38 Prozent der Tatverdächtigen im Jahr 2021 ausländische Staatsangehörige. Als „nichtdeutsche Tatverdächtige“ stuft das BKA laut dem Bericht alle Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit ein, also auch EU-Bürger, Pendler und Touristen.

Mietkaution wächst auf 100.000 Euro

Mietverträge sind ja meist keine unterhaltsame Lektüre. Aber beim Auszug kann es sich für Mieter durchaus lohnen, mal einen Blick auf diverse Vertragsklauseln zu werfen. Insbesondere jene über die Mietkaution, wie ein vom Amtsgericht Köln aktuell entschiedener Fall zeigt. Nach dem Ende eines 60-jährigen Mietverhältnisses über eine ganz normale Wohnung ging es darum, ob die Kaution 600 Euro beträgt, was der Höhe nach zu erwarten gewesen wäre. Oder aber stolze 100.000 Euro.

Letzteren Betrag forderte die Tochter der verstorbenen Mieter als Erbin ein. Was zunächst mal abenteuerlich klingt, hat aber einen greifbaren Hintergrund. In dem Mietvertrag aus dem Jahr 1960 war nämlich festgelegt, dass die Vermieterin, eine Wohnungsgesellschaft, die Kaution nicht wie üblich auf ein Sparkonto einzahlt. Sie durfte die Kaution in Aktien anlegen, was auch geschah.

Bei einem Umzug in eine andere Wohnung der Vermieterin wurde die Kaution im Jahre 2005 umgeschrieben, über die Jahre zahlte die Firma immerhin die Aktiendividenden an die Mieter aus. Das waren bis 2017 rund 6000 Euro, die mit der Miete verrechnet wurden. Die Aktien wollte die Vermieterin zum Vertragsende aber nicht herausgeben. Sie berief sich darauf, dass ihr nach dem Vertrag ein Wahlrecht zusteht, lediglich 600 Euro wollte sie auszahlen.

Das Amtsgericht Köln gab der Erbin der Mieter recht. Zwar seien früher an sich nur Spareinlagen als Sicherheit zulässig gewesen, doch habe sich der Vertrag beim Umzug im Jahre 2005 erneuert. Zum damaligen Zeitpunkt war es aber schon zulässig, dass Mieter und Vermieter eine andere Anlageform für die Kaution vereinbaren. In jedem Fall, so das Amtsgericht, gelte aber der Rechtsgedanke des § 551 BGB in der heute gültigen Fassung. Danach steht ein Gewinn bei einer Kaution auf jedem Fall dem Mieter zu. Die Klägerin hat also Anspruch auf die rund 100.000 Euro, wobei das Urteil noch nicht rechtskräftig ist (Aktenzeichen 203 C 199/21).

Tippeldidipp

Keine richterliche Vernehmung ohne Protokoll. Meist sitzt eine Justizmitarbeiterin am Computer und schreibt mehr oder weniger fleißig mit.

So war es auch vor einigen Tagen bei einem Ermittlungsrichter im Ruhrgebiet. Meine Mandantin machte eine anderthalbstündige Aussage. Das ging recht flüssig, denn der Richter musste seiner Mitarbeiterin nichts diktieren. Die haute vielmehr freiwillig und ausdauernd in die Tasten. Offenbar ein eingespieltes Team.

Als die Mitarbeiterin das Protokoll ausdruckte, kam allerdings überraschend wenig Papier aus dem Drucker. Genau genommen war es nur der Textbaustein mit den Belehrungen und dem nüchternen Satz: „Zur Sache äußere ich mich wie folgt:“ Danach gähnende Leere – bis zum Unterschriftenfeld.

„Ich dachte, Sie schreiben mit“, sagte der Richterin zur Mitarbeiterin. Die wiederum schaute ihn an und sagte: „Und ich dachte, Sie diktieren mir, was ins Protokoll soll.“ Wie sich herausstellte, hatte die Dame in einem zweiten Bildschirmfenster Mails beantwortet und dienstliche Formulare ausgefüllt. War ja genug Zeit, da ihr der Richter nichts diktierte.

Der zweite Anlauf brauchte nur ungefähr die Hälfte der Zeit, dann hatten wir ein vernünftiges Protokoll. Das vermeintlich eingespielte Team trennte sich nach getaner Arbeit grußlos.

„Taschengeld“

Sex gegen Geld ist in Deutschland nicht verboten. Dennoch kann man sich natürlich strafbar machen, wenn die Anbieterin / der Anbieter noch nicht volljährig ist.

In einem Verfahren ging es darum, ob mein Mandant erkennen konnte, dass die von ihm aufgesuchte Frau noch nicht volljährig war. Viele Anhaltspunkte gab es dafür nicht. Die Anzeige der Frau in einem großen und doch eher seriösen Anzeigenportal war recht professionell gestaltet, zu ihrem Alter hatte sie in den Bestandsdaten für den Verlag kreativ geschummelt. Selbst die Polizistin, welche die Frau befragte, wollte sich nicht darauf festlegen, dass ein Kunde nach Aussehen und Verhalten die Minderjährigkeit der Frau hätte erkennen können.

Am Ende stützte die Anklagebehörde ihren Vorwurf im Kern nur noch auf einen Umstand. Hierzu fand das Amtsgericht im fast unausweichlichen Freispruch deutliche Worte:

Ausgehend von dem Text der Anzeige bestand für den Angeklagten keine Veranlassung, dass diese von einer Minderjährigen stammen könnte. Entgegen der Ansicht der Staatsanwaltschaft bedeutet der Ausdruck „Taschengeld“ in den einschlägigen Kontaktanzeigen auch nicht, dass der/die Anzeigende ein Kind oder ein/e Jugendliche/r ist. Vielmehr handelt es sich bei dem Ausdruck „Taschengeld“ um einen Hinweis darauf, dass der für die „Dienste“ gezahlte Betrag nicht versteuert werden soll und der/die Anzeigende kein/e Prostiuierte ist.

Fast überflüssig zu erwähnen: Die Staatsanwaltschaft hat Berufung eingelegt.

„Verwählt“

Heute morgen hatte ich eine sehr lange Besprechung, Mails habe ich in der Zeit nicht gelesen. Umso erstaunter war ich über eine stattliche Liste von Rückrufbitten. Nicht wegen der Anrufe, sondern wegen der Leute, die mit mir sprechen wollten. Nachlassgerichte, Amtspflegerinnen, ein Notar und etliche Leute, von denen ich noch nie etwas gehört habe, die aber – zum Beispiel – auf meinen Besuch in der Geschlossenen warten.

Wie sich herausstellte, hatte eine Anwaltskollegin ihre Anrufe auf eine andere Nummer umleiten wollen. Eine kleiner Zahlendreher, so kamen wir in den Genuss der Anrufe für Ihre Kanzlei. Immerhin ließ sich dann eruieren, um welche Juristin es wohl geht. Bevor wir aber Kontakt aufnehmen konnten, war sie auch schon in der Leitung und klärte das Versehen auf.

Ich habe ihr alle Anrufe für den Zeitraum, der knapp vier Stunden umfasste, weitergeleitet. Nach der Zahl der Anrufe scheint das Geschäft gut zu laufen. Nun habe ich etwas gut, wenn ich mal was über Erbrecht oder Familienrecht wissen möchte.

Die Freundin meint auch, es war ein Joint

Manche Strafanzeigen kommen wirklich von einem anderen Stern. Zum Beispiel jene einer Berufsschülerin, die ihren Lehrer beim Genuss eines Joints ertappt haben will. Im pandemiebedingten Online-Unterricht, zu Beginn der zweiten Schulstunde um 8.51 Uhr.

Als Beleg präsentierte sie auf der Polizeiwache einen sehr verwaschenen Screenshot. Dieser zeigt meinen Mandanten in der Tat mit etwas in der Hand, das man üblicherweise raucht. Sie sei sicher, das war ein Joint, erklärte die Zeugin dem Polizeibeamten. Ihre beste Freundin meine auch, es könne sich nur um Drogen gehandelt haben. Außerdem wisse sowieso jeder in der Schule, dass der Lehrer in zwielichtigen Lokalen verkehrt.

Gut, immerhin kam es nicht zu einer Hausdurchsuchung, vielleicht, weil das Geruchsfernsehen noch nicht erfunden und die sonstige „Beweis“kette doch eher große Löcher hat. Ich habe folgende Stellungnahme abgegeben:

Mein Mandant konsumiert keine Betäubungsmittel.

Es handelte sich um eine selbstgedrehte Zigarette.

Leider ist meinem Mandanten in der Situation entgangen, dass die Online-Übertragung für die zweite Schulstunde schon lief, deshalb war er ganz kurz mit der Zigarette zu sehen. Selbstverständlich achtet mein Mandant darauf, dass er während des Online-Unterrichts nicht rauchend zu sehen ist. Dass ihm dies gelingt zeigt sich ja auch daran, dass die Anzeigenerstatterin selbst nur einen Vorfall präsentiert; ansonsten hätte sie sicher mehr Screenshots präsentiert.

Da es sich nicht um Betäubungsmittel handelte, hat sich mein Mandant sich nicht strafbar gemacht.

Im übrigen ist selbst der – sofortige – Konsum von Betäubungsmitteln nicht strafbar.

Die sonstigen lebhaften Spekulationen der Zeugin sollen nicht kommentiert werden. Sie sprechen für sich, auch wenn mein Mandant nicht weiß, was er der Zeugin getan hat.

Einstellung mangels Tatverdachts.

Kommt Zeit, kommt Rat

Manchmal erschreckt der Blick in den Terminkalender. Wie soll ich das alles schaffen? Oder sagen wir, das war einmal. Nach nun fast drei Jahrzehnten als Strafverteidiger kann ich es mit Fug und Recht so machen, wie es beispielsweise Airlines mit Überbuchungen halten. So wie (fast) niemals alle Passagiere erscheinen, so sicher fällt auch ein Drittel bis zur Hälfte der angesetzten Termine ohnehin kurzfristig aus.

Das liegt nicht nur an der Pandemie, auch wenn das Phänomen ein Turbo für die Aufhebungsquote war. Hier ein kleines Beispiel für einen typischen Ablauf. In einem Verfahren gegen zwei angebliche Schläger verteidige ich einen der Angeklagten. Fünf Tage vor dem Verhandlungstermin erfuhr ich über einen Verbindungsbeschluss, dass dem Verfahren andere Vorwürfe angehängt werden. Und zwar zwei Anklagen, die wohl auch noch gegen den anderen Angeklagten liefen. Diese sollen offenbar nun der Einfachheit halber mit erledigt werden.

Nun ja, wenn Verfahren verbunden werden, dann kann ich als Verteidiger nicht sagen: Gericht und Staatsanwaltschaft versichern dir, dass die neuen Vorwürfe gar nicht deinen Mandanten betreffen. Das muss ich schon selbst überprüfen – dafür gibt es ein Akteneinsichtsrecht. Außerdem soll ich ja die ganze Zeit dabei sitzen, wenn die anderen Sachen nun in unserem Verfahren verhandelt werden. Da würde ich schon gerne wissen, um was es geht. Ich verband meinen Verlegungsantrag natürlich mit einem Akteneinsichtsgesuch. Der Termin wurde wenig überraschend aufgehoben.

Eine knappe Woche vor dem Termin habe ich jetzt die Akte noch mal durchgesehen. Und stellte fest, dass ich immer noch keine Akteneinsicht erhalten habe. Da bleibt mir nichts anderes übrig, als das Versäumnis erneut zu rügen. Mit der Folge, dass mit einiger Sicherheit nicht verhandelt werden kann. Diesen Termin kann ich also schon mal in Gedanken abhaken. Die betreffende Woche sieht da schon deutlich weniger abschreckend aus, und morgen ist ja auch noch ein Tag…

Versager, Feiglinge, Dummköpfe, Faulenzer

Der Münchner Rechtsanwalt und frühere BGH-Vorsitzende Thomas Fischer nimmt sich das Enthüllungswerk eines Amtsrichters aus Dinslaken vor. Des Richters neues Buch heißt „Wo unsere Justiz versagt – Von Messerstechern, Kinderschändern und Polizistenmördern. Ein Richter deckt auf“. Es ist das Nachfolgewerk einer ersten Aufklärungsschrift des betreffenden Richters aus dem Jahr 2019. Diese trug den Titel „Urteil: ungerecht. Ein Richter deckt auf, warum unsere Justiz versagt“.

Fischer bricht das neu Buch und wohl auch gleichzeitig das alte, auf seinen wesentlichen Inhalt herunter:

Streng blickt Richter Schleif dem Feind ins Auge. … Das Landgericht Duisburg, das Herrn Amtsrichter Schleif instanzmäßig übergeordnete Gericht, besteht, soweit es seine Strafkammern betrifft, durchweg aus Versagern, Feiglingen, Dummköpfen und Faulenzern. Diese produzieren „gequirlte Scheiße“ ohne Unterlass, fördern das Verbrechen, statt es zu bekämpfen, und zerstören das Ansehen der Justiz. Ein letztes Bollwerk gegen das Chaos sind Richter Schleif und die ihm dankbare Polizei. Das wird man ja wohl noch sagen dürfen!

Auch ansonsten ist die Rezension zwar sehr lang, aber ebenso vergnüglich zu lesen: hier.

Mit Bargeld beworfen

In der Gemeinde Pfinztal (Landkreis Karlsruhe) wurde im September 2021 ein Lokalpolitiker attackiert. Mitten in der Sitzung des Gemeinderates warf ein Mann Gegenstände auf den CDU-Politiker und traf ihn nach dessen Angaben „mit einer ziemlichen Wucht“. Besonders an dem Fall ist das Tatwerkzeug. Der Angreifer warf mit säuberlich gebündelten 20.000 Euro.

Etwas überraschend stellte die Polizei fest, bei den Geldscheinen handelt sich um echtes Geld. Dass das Bargeld dem Täter rechtmäßig gehört, steht ebenso außer Frage. Wie der Lokalpresse zu entnehmen ist, ist das Motiv des Mannes unklar. Er soll psychisch auffällig sein, so dass es in dem Prozess um eine Unterbringung gehen dürfte. Ansonsten müssten eine weitgehend folgenlose Körperverletzung und ein möglicher Hausfriedensbruch kaum vor dem Landgericht verhandelt werden.

Juristisch interessant ist, was mit den Geldscheinen passiert. Die sind recht unzweifelhaft ein Tatwerkzeug, und Tatwerkzeuge können nach aktuellem Recht ziemlich problemlos eingezogen bzw. hier im wahrsten Sinne des Wortes einkassiert werden. Der Protest könnte also deutlich teurer werden, als es sich der Betroffene vielleicht ausgemalt hat. Aber vielleicht hilft dem Verdächtigen noch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (§ 74f StGB). Die Einziehung darf nämlich nicht zu einer übermäßigen Härte führen. Das wiederum kann man natürlich so, aber auch ganz anders sehen.

Wechselwirkung

Wenn das Gericht gegen den Angeklagten Sicherungsverwahrung verhängt, muss es zumindest über eine niedrigere Freiheitsstrafe nachdenken. Laut einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs besteht zwischen Strafe und Sicherungsverwahrung eine Wechselwirkung, die „in den Blick genommen“ werden müsse.

Wegen Vergewaltigung einer 11-jährigen, bei der er eine Wolfsmaske trug, war ein Mann vom Landgericht München zu zwölf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden, zuzüglich Sicherungsverwahrung. Im Urteil finden sich aber keine Ausführungen dazu, in welchem Verhältnis die Anordnungen stehen. Das sei aber erforderlich, so das Karlsruher Gericht. Fehle die Abwägung, sei nicht auszuschließen, dass die Strafe zu hoch ausfalle. Die Rechtsfolgen des Urteils müssen nun vom Landgericht München neu festgesetzt werden (Aktenzeichen 1 StR 455/21).