Passt schon

Fahndungspannen kommen vor. Die Frage ist, was man daraus macht. Die Internetüberwachung eines süddeutschen Landeskriminalamtes wählt einen bemerkenswerten Weg. Sie definiert die Panne einfach weg, um doch noch an einen Hausdurchsuchungsbeschluss zu kommen.

Wochen-, wenn nicht monatelang haben die Beamten aus der Abteilung “Internetrecherche” mit spezieller Software verfolgt, über welche deutschen Internetanschlüsse ein kinderpornografisches Video in Tauschbörsen eingestellt wurde. Zumindest im Falle meines Mandanten, dessen IP-Adresse nur ein einziges Mal geloggt wurde, gab es dabei ein hausgemachtes technisches Problem.

Als die Polizisten die Daten auswerteten, stellten sie fest, dass die Uhrzeit in ihrem Sicherungsserver falsch war. Die Systemzeit hinkte 5 Minuten und 28 Sekunden hinter der “Atomzeit” her. Kurz: Jemand hatte vergessen, die Serverzeit mit der Echtzeit zu synchronisieren.

Auf Basis der falschen Zeit wurden dann bei Internetprovidern die Namen und Adressen der Anschlussinhaber abgefragt. Die Provider gaben also Auskunft darüber, wem die IP-Adresse 5 Minuten und 28 Sekunden vor dem Zeitpunkt zugeteilt war, in dem das Angebot der kinderpornografischen Datei dokumentiert wurde.

Für die Internetexperten der Polizei ist das aber kein großes Problem. Sie weisen darauf hin, Router seien “üblicherweise” dauerhaft mit dem Internet verbunden und erhielten allenfalls durch eine Zwangstrennung diverser Provider eine neue IP-Adresse. Kabelanbieter würden ihren Kunden sogar wochenlang dieselbe IP-Adresse zuordnen. Überdies erhielten die meisten Kunden auch nach einer Neueinwahl wieder dieselbe IP-Adresse.

Ohnehin sei für das Filesharing eine “dauerhafte Verbindung mit dem Internet” erforderlich. Deshalb sei anzunehmen, dass die Internetverbindung auch nach 5 Minuten und 28 Sekunden noch für den gleichen Nutzer bestand. Es passt also alles, weshalb der Beamte schreibt:

Im Ergebnis ist festzuhalten, dass der Beauskunftete mit hoher Wahrscheinlichkeit der Verbreiter der kinderpornografischen Datei ist.

Ich hätte ja wenigstens erwartet, dass man mal beim Provider meines Mandanten nachfragt, wie der es mit der Vergabe von IP-Adressen hält. Oder ob vielleicht auch heute noch zu ermitteln ist, wem die IP-Adresse im richtigen Zeitpunkt zugeteilt war. Aber die Ermittler sind sich so sicher, dass sie es bei allgemeinen Spekulationen belassen – vielleicht auch wegen der Vielzahl der betroffenen Fälle.

Fast überflüssig zu erwähnen, dass ein Richter den Durchsuchungsbeschluss anstandslos unterschrieb. Und welche Überraschung, dass bei einer ersten Überprüfung der Computer meines Mandanten keine Kinderpornos gefunden wurden…

Richterliches Smartphoneverbot

An Bewährungsauflagen sollte man sich halten. Zumindest wenn man in einer kleineren Stadt wohnt, in der Polizeibeamte ihre Klientel regelmäßig gut im Auge haben. Im beschaulichen Tuttlingen missachtete ein 39-Jähriger genau dies. Er ließ sich mit einem Smartphone in der Stadtmitte ertappen – und löste damit eine Hausdurchsuchung bei sich aus.

Ein Gericht hatte den Mann nach Angaben der Tuttlinger Polizei wegen des Besitzes von Kinderpornografie verurteilt. Zu den Bewährungsauflagen gehörte auch, dass er kein internetfähiges Handy benutzt. Genau so ein Gerät sahen Kriminalbeamte aber letzte Woche bei ihm, als er durch die City schlenderte.

Bei der Kontrolle fanden die Beamten Kindepornos auf dem Handy. Ein Richter ordnete darauf eine Wohnungsdurchschung an, bei der weiteres einschlägiges Material gefunden wurde.

Dem Mann droht jetzt ein weiteres Verfahren.

Der nette Herr F.

Die Düsseldorfer Polizei fahndet nach einem mutmaßlichen Bankräuber. Nun hat sie das Fahndungsplakat neu gestaltet, und zwar aus einem bemerkenswerten Grund: In der bisherigen Fassung kam der Verdächtige einfach zu sympathisch rüber.

In der Tat zeigte das ursprüngliche Fahndungsplakat den Gesuchten Thomas F. als recht freundlichen Kerl:

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Möglicherweise gingen zu viele Verehrinnenmails auf der Polizeihotline ein. Oder gar Anfragen für Kuppelshows im Trash-TV. Jedenfalls sieht sich das Polizeipräsidium Düsseldorf zur Klarstellung veranlasst, dass auch Bilder täuschen können.

Der Beschuldigte sei keineswegs so nett und harmlos, wie er auf dem Foto wirke. Vielmehr sei er “bewaffnet und entschlossen”. Das belege auch ein Vorfall vom 9. Dezember letzten Jahres, bei dem der 46-Jährige in Krefeld auf der Flucht fast einen Polizeibeamten umgefahren habe.

Um die unfreiwillige Sympathiewerbung zu beenden, rückt die Polizei nun ein ganz anderes Foto an die erste Stelle des Fahndungsaufrufs. Es soll den Verdächtigen bei seinem letzten Banküberfall in Sachsen-Anhalt zeigen, wie etwa dieses weitere Bild aus der Überwachungskamera:

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Das neue Fahndungsplakat, mit deutlich sichtbarer Pistole, gibt es hier als PDF.

BKA wieder über Tor erreichbar

Das Bundeskriminalamt ist mit dem Versuch gescheitert, nur durch individuelle IP-Adressen ausgewiesene Besucher auf seine Seite zu lassen. Die Behörde hatte ihr Angebot für Anonymisierungsdienste gesperrt. Nach Informationen von heise online hat der Bundesdatenschutzbeauftragte hiergegen erfolgreich protestiert.

Rechtlich gesehen haben Anbieter von Onlineangeboten keinen Anspruch darauf, dass sich Nutzer durch eine individuelle IP-Adresse “ausweisen”. Das Telemediengesetz fordert in seiner aktuellen Fassung sogar, dass Angebote anonym oder unter Verwendung von Pseudonymen nutzbar sein müssen – die Bezahlung eventueller Dienstleistungen eingeschlossen.

Hierauf hat der Bundesdatenschutzbeauftragte das Bundeskriminalamt laut heise online hingewiesen, nachdem ihm im Sommer 2011 Beschwerden erreichten, wonach es nicht möglich war, etwa über den Anonymsisierungsdienst Tor die Webseite bka.de anzusurfen. Das Bundeskriminalamt habe erklärt, die betreffende IP-Range sei bereits in den Grundeinstellungen des Servers gesperrt gewesen. Die Blockade wurde dann aufgehoben.

Bereits früher war das Bundeskriminalamt dadurch aufgefallen, dass es seine Webseite als Honeypot benutzt. So wurde durch gezielte Veröffentlichungen versucht, Mitglieder der militanten gruppe auf die Seite zu locken und über ihre IP-Adressen zu identifizieren. Dabei wurden natürlich auch die IP-Adressen aller Nutzer gespeichert und womöglich kontrolliert.

Winkender Aushilfsblogger

So, das war’s dann mit dem Aushilfsgeblogge im law blog. Ich ziehe mich wieder zurück ins heimische Wohnzimmer und hoffe, daß die Reinigungskraft (in unserem Blog würde ich von Putzfrau sprechen ;-) ) nicht allzu viel zu tun hat, wenn ich hier weg bin.

Diejenigen, die zu faul waren, sich an was Neues zu gewöhnen, werden wem-auch-immer danken, daß Udo Vetter wohl behalten aus seinem Urlaub zurück ist. Bei den anderen, die sich einfach so auf ihren Chefblogger freuen, hoffe ich, daß ich ein wenig zur Unterhaltung beitragen konnte.

Macht’s gut und Danke für den Fisch die freundliche Aufmerksamkeit,

… sagt freundlich winkend … der Aushilfsblogger.

Nachdem ich wieder da bin, auch von mir ein riesiges Dankeschön an den Berliner Kollegen Carsten R. Hoenig, der hier fast drei Wochen die Stellung gehalten hat. Bitte vergesst nicht, dass es von Carsten auch künftig täglich was zu lesen gibt. Auf seinem eigenen Blog, das ich hiermit allen Interessierten noch mal gern ans Herz lege. U.V.

Verunglimpfung

Bundespräsident Christian Wulff hat gegen einen Facebbok-Nutzer Strafanzeige wegen „Verunglimpfung des Bundespräsident“ (§ 90 StGB) gestellt.

berichtete gestern Rechtsanwalt Dr. Martin Bahr in seinen Rechtsnews.

In dem Verfahren vor dem Landgericht Dresden am 11. Januar 2012 geht es um ein Foto, auf dem das Präsidenten-Ehepaar zu sehen sein soll; die Frau Gemahlin mit nach oben ausgestrecktem rechten Arm – dem nach § 86a StGB strafbaren Hitlergruß; riecht ein wenig nach Photoshop.

Egal ob montiert oder nicht: Die Veröffentlichung dieses Fotos auf Facebook stellt nach Ansicht des Bundespräsidenten und der Staatsanwaltschaft eine Straftat nach § 90 StGB dar: Die relativ selten angeklagte „Verunglimpfung des Bundespräsidenten“.

Denn neben diesem Foto soll auch noch durch entsprechende (blödsinnige) Bildunterschriften eine Verbindung zwischen der Frau und dem Dritten Reich hergestellt worden sein.

Daß es sich insgesamt nicht um einen Ritt über den Ponyhof handelt, erkennt der Laie schon daran, daß es die Staatsschutzkammer des Landgerichts ist, die über diese Sache verhandelt. Was vor dieser Kammer sonst noch so Thema ist, kann man sich in § 74a GVG zu Gemüte führen.

Ob dieses Verfahren, was der BPräs. mit seiner „Ermächtigung“ (eine Art qualifizierter Strafantrag) losgetreten hat, tatsächlich so sinnvoll ist, scheint mir zweifelhaft. Und zwar nicht nur hinsichtlich des Streisand-Effekts (ohne den dieser Beitrag heute nicht geschrieben worden wäre).

Die Verunglimpfung ist eine Spezialität der Beleidigung nach § 185 StGB. Speziell ist beispielsweise die Strafandrohung: Mindestens 3 Monate Kerker.

Es gibt ein paar Probleme, ich mal so aus der Ferne sehe.

Unmittelbar betroffen wurde die Präsidenten-Gattin, nicht der Gatte selbst. Bereits an dieser Stelle kann man diskutieren, ob mit der … sagen wir mal … Karikatur der Schutzbereich der Norm berührt wird.

Geschützt ist der Bundespräsident in Person, nicht aber sein Vertreter nach Art. 57 GG. Dies folgt aus dem Wortlaut, der Entstehungsgeschichte und dem Charakter des § 90 als Sondervorschrift; zudem gewähren die §§ 185 ff. dem Stellvertreter ausreichenden strafrechtlichen Schutz.

liest man beispielsweise im Münchener Kommentar. Da ist also durchaus Spielraum für eine (Freispruch-) Verteidigung des Facebook-Freunds.

Dann haben wir noch die Grundrechte aus Art. 5 Abs. 1 und 3 GG, Meinung und Kunst.

Je nach Fallgestaltung kommt noch die Frage nach der Täterschaft hinzu, wenn nicht feststeht, wer zur Zeit der Veröffentlichung des „Beitrags“ hinter dem Rechner gesessen hat.

Alles in Allem ein paar Unwägbarkeiten, die im worst case (aus Sicht des Herrn Präsidenten) zu einem blamablen Prozeßende führen könnten.

Und überhaupt: Wenn ich in den vergangenen 2 1/2 Wochen hier im Weblog jede Verunglimpfung des Aushilfsbloggers durch so einige Kommentatoren zur Anzeige gebracht hätte … ganze Horden von Strafverteidigern hätten sich davon ihr Altenteil finanzieren können. ;-)

Kann es sein, daß der Herr Bundespräsident über ein nur sehr dünnes Fell verfügt?

… fragt sich der verunglimpfte Aushilfsblogger.

Rausschmiss nach fast 30 Jahren

Als Müller 1981 in den Freiburger Knast einfuhr, gab es im Osten Deutschlands noch die DDR, da gab es noch Schreibmaschinen, man telefonierte mit Wählscheibe. Als Müller vergangenes Jahr entlassen wurde, kaufte er sich als Erstes ein Mobiltelefon von E-Plus, hier, in diesem Hamburger Einkaufscenter, das ihm vorkam wie eine gigantische Zeitmaschine. Im Mai 2010 hatte Müller in seiner Zelle gehört, wie Claus Kleber im heute-journal verkündete, dass Sicherungsverwahrte wie er nun freikämen, das hätten die Richter in Straßburg entschieden. Müller, der bis dahin fest davon überzeugt war, dass er »nur noch mit den Füßen zuerst rauskommt«, bat um ein halbes Jahr Vorbereitungszeit. Drei Wochen später war er frei.

Das Dossier der Zeit berichtet über einen Menschen, der nach fast 30 Jahren quasi von jetzt auf gleich aus der „SV“ entlassen wurde. Ohne Vorbereitung auf den Alltag und auf das, was ihn „draußen“ erwartet.

Ein bemerkenswerter Bericht über die Konsequenzen einer jahrzehntelange Fehlentwicklung im deutschen Strafprozeß und über die Widerwärtigkeit der Berichterstattung durch den Boulevard-„Journalismus“ …

… meint der Aushilfsblogger.

Versteckte Kostenhinweise

Arbeit muß entlohnt werden, darüber dürfte Einigkeit bestehen. In unserer Kanzlei handhaben wir es möglichst einfach. Wir vereinbaren mit unseren Mandanten die Höhe der Vergütung. Dazu bieten wir drei Modelle an: Zeithonorar, Pauschalen oder eine Mischung aus beidem. Grundlage ist jeweils eine runde Zahl, zum Beispiel die Zahl 100.

Keine versteckten Kosten, keine Sternchenhinweise, keine in Worte gefaßte Zahlen im Fließtext neben einem Anmeldeformular. Also einfach und auch bei einem flüchtigen Blick überschaubar.

Sobald aber der Staat, also der öffentliche Dienst, auf den Plan kommt, fangen die Schwierigkeiten an: Wenn wir 100 Euro einnehmen, müssen wir die darin enthaltene Umsatzsteuer abführen. Ohne elektronische Helferlein geht da schon gar nichts mehr. Versuchen Sie’s mal: 84,0336134453 Euro bleiben bei uns, 15,9663865546 Euro – die 19 % USt., gerundet(!) – gehen an das Finanzamt.

In den meisten Fällen wird das Anwaltshonorar aber nach einem Gesetz abgerechnet. Nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz. Auf 62 Seiten (PDF) wird jedes kleinste Detail detailliert geregelt.

Um das verstehen und richtig anwenden zu können, braucht man geballten Sachverstand und dicke Bücher: Auf 2.116 Seiten beschreibt Rechtsanwalt Detlef Burhoff, Richter am OLG a.D., wer was wann bekommt bzw. zu zahlen hat. In Straf- und Bußgeldsachen. Über die Vergütung in den anderen Rechtsgebieten (Zivilrecht, Verwaltungsrecht …) muß man sich an anderer Stelle informieren.

Bitte jetzt nicht die Umsatzsteuer (s.o.) vergessen. Diese Rechnerei kommt auch beim gesetzlichen Honorar hinzu.

Aber es geht noch besser: Die Vergütung eines Beamten. Auch Beamte arbeiten und müssen entlohnt werden. Selbstverständlich ist die Höhe gesetzlich geregelt. Man ahnt, was jetzt kommt.

Die Aufzählung der Vorschriften, die das Gehalt eines Beamten regeln, würde die Kapazitäten des Servers, auf dem das law blog läuft, an seine Grenzen führen. Es gibt Rechtsanwälte, die sich auf „Beamtenrecht“ spezialisiert haben und ein ganzes Berufsleben lang nichts anderes machen, als das Gehalt von Beamten auszurechnen.

Und wenn dann irgendwann einmal die Höhe des Gehalts feststeht, wird irgend eine Vorschrift geändert und man beginnt wieder von vorne. Dann bekommt der Beamte erst einmal Post, in Berlin von der Senatsverwaltung für Inneres und Sport, nämlich eine Information zum neuen Besoldungsrecht ab 01.08.2011. 10 Seiten Umfang für die Mitteilung: Die Höhe des Gehalts ändert sich nicht.

Mich würde nicht wundern, wenn es eine Vorschrift gibt, die die Vergütung – oder die 14 Tage Freistellung vom Dienst – des Beamten regelt, die er für das Studium dieser Änderungsmitteilung benötigt.

Warum er kein Beamter geworden ist, weiß ganz genau …

… der Aushilfsblogger.

Wochenendurlaub auf Kosten der Landeskasse

Volksfeststimmung auf der Straße des 17. Juni. Großes Gedränge bei den Getränken. Musik aus der Konserve, Singen, Schunkeln und alles, was angetrunkene, gut gelaunte Menschen so machen. Party eben. Fußballfans.

Dann pötzlich ein lauter Knall. Ein Feuerwerkskörper explodiert in der Nähe eines behaarten, aber unbehosten Männerbeins. Das tut erst dem Bein, dann dessen Besitzer weh. Deswegen dreht sich er sich um und sieht eine Gruppe von Biertrinkern, 14 Mann, gelb-schwarze T-Shirts. Dortmunder. 13 davon haben einen Becher Bier in der Hand. Also kann es ja nur einer gewesen sein, der den Feuerwerkskörper geworfen hat.

Die zwei Polizeibeamten haben den Knall auch gehört; sie brachten noch einen Sanitäter mit, der sich um die Brandwunde und die versengten Haare an dem Männerbein kümmerte. Während dessen schilderte der Versengte Tat … und „Täter“. Die Beamten stellten ihn in der Nähe des Zapfhahns und anschließend seine Personalien fest.

Es wurde nicht viel geredet, aber der „Täter“, unser Mandant, erinnert sich noch genau daran, daß er deutlich mitgeteilt hat, er habe keinen Feuerwerkskörper geworfen. Außerdem sei er Nichtraucher und habe auch kein Feuer bei sich. Und überhaupt: Die Borussen da hinten haben alles gesehen …

Sechs Wochen später lag häßliches Altpapier bei unserem Mandanten im Briefkasten. Der Polizeipräsident schreibt:

Ihnen wird zur Last gelegt … bla … gefährliche Körperverletztung … bla … § 163a StPO … Gelegenheit zur Stellungnahme … bla .. Frist.

Der Mandant schreibt der Polizei, daß er es nicht war und seine Kumpels das auch bezeugen können. Damit war das eigentlich für ihn erledigt.

Weitere acht Wochen später bekommt unser Mandant erneut Post, die Zustellung der Anklage;eben wegen der gefährlichen Körperletzung. Mindestfreiheitsstrafe: 6 Monate. Beweismittel: „Ihre Einlassung“, das behaarte Bein, also dessen Besitzer, der Sani und die beiden Polizeibeamten.

Noch im Zwischenverfahren teilen wir dem Gericht die Namen der 13 Zeugen mit, die bestätigen werden, daß unser Mandant damit beschäftigt war, das Bier ranzuschaffen und es gerade verteilt hatte, als es knallte. Unsere Anträge wurden abgelehnt, die Anklage zugelassen und ein Termin zur Hauptverhandlung anberaumt. Geladen waren die in der Anklageschrift genannten Zeugen. Die Kumpels nicht.

Unsere Nachfrage beim Gericht brachte die Information, daß die Kumpels nicht benötigt werden. Wir waren optimistisch.

Der Mandant wiederholte seine Einlassung, die er bei der Polizei abgegeben habe. Der Geschädigte wurde gehört, dann der Sani, die beiden Polizeibeamten … und dann wollte der Richter die Beweisaufnahme schließen. Er signalisierte, daß er eine Freiheitsstrafe von 8 Monaten für „tat- und schuldangemessen“ halte; Bewährung sei aber kein Problem. Dem Kollegen, der die Verteidigung im Termin übernommen hatte, ist die Kinnlade auf die Tastatur gefallen.

Erst ein Beweisantrag, nach allen Regeln der Kunst schriftlich formuliert, brachte das Gericht dazu, die Verhandlung zu unterbrechen und die 13 Jungs als Zeugen zu laden. Die hatten natürlich richtig Spaß, eine Woche später freitags nach Berlin zu kommen, erst zum Gericht und dann auf die Piste, um den Freispruch gebührlich zu feiern.

Satz 2 des Richters bei der Urteilsverkündung lautete:

Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten trägt die Landekasse.

Berlin finanziert die Sauferei von gelb-schwarzen Fußballfans. Unglaublich!

… findet der Aushilfsblogger.

Interview mit einem Verteidiger

Der Verteidiger von Beate Zschäpe, Rechtsanwalt Wolfgang Heer, stellt sich den Fragen von Spiegel online.

In dem Interview wird die Stellung und die Funktion des Verteidigers in einem (spektakulären) Strafverfahren sehr gut beschrieben. Im Nachgang zu der Diskussion hier im Blog um die Verteidigung eines Angeklagten, dem man gewerbsmäßigen Betrug durch den Betrieb einer sogenannten „Abofalle“ verwirft, eine durchaus lohnende Lektüre …

… meint der Aushilfsblogger, bei dem dazu auch noch ein paar Sätze zu lesen sind.

Die Strafbarkeit der Nutzer von kino.to

Ein Richter am Amtsgericht Leipzig soll Medienberichten zu Folge das Nutzen der Angebote von Streaming-Portalen für strafbar halten. In einem Bericht der Süddeutschen Zeitung vom heutigen Tage heißt es:

Wer illegale Streams im Internet nutzt, macht sich strafbar, da rechtsverletzende Verbreitung und Vervielfältigung stattfindet.

In der mündlichen Begründung des Urteils gegen einen früheren Mitarbeiter des Filmportals kino.to soll der Richter den Begriff der „Vervielfältigung“ extensiv ausgelegt haben. Der Gesetzgeber habe damit „Herunterladen“ gemeint. Auch das zeitweilige Herunterladen, das beim Streaming stattfände, sei eine Vervielfältigung im Sinne des § 106 UrhG. Das sukzessive Herunterladen von Daten sei eben eine sukzessive Vervielfältigung. Das Gericht hält also die (ehemaligen) Nutzer von kino.to für sozusagen sukzessive strafbar.

Diese Ansicht scheint sehr von den wirtschaftlichen Interessen der Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen (GVU) geprägt zu sein.

Wie das aus Sicht eines Strafverteidiger beurteilt wird, kann man nachlesen …

… beim Aushilfsblogger.

Totschlag trotz Internetrecherche

„Liquid Ecstasy“. Die potentiell letale Dosis lag bei ca. 7 ml. Die Frau hat sich 15 bis 25 ml gegeben. Weil der Mann sich von ihr trennen wollte.

Er veranlasste die Geschädigte, sich zu erbrechen; gleichwohl wurde sie kurz darauf bewusstlos. Der Angeklagte unterließ weitere Rettungshandlungen, obwohl er erkannte, dass die Geschädigte sich in einem akut lebensbedrohlichen Zustand befand. Er führte längere Zeit Internetrecherchen nach möglichen Gegenmaßnahmen sowie zu Todesanzeichen durch. Schließlich verließ er die Wohnung, ohne Hilfsmaßnahmen einzuleiten.

Das hielten die Richter am Landgericht Trier für höchst unanständig. Und verurteilten ihn wegen Totschlags durch Unterlassen zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren. Der Bundesgerichtshof schloß sich mit Urteil vom 21. Dezember 2011 – 2 StR 295/11 – dieser Ansicht an.

Quelle: Mitteilung der Pressestelle des Bundesgerichtshofs vom 21. Dezember 2011.

Manchmal ist die Google-Suche einfach wenig hilfreich …

… meint der Aushilfsblogger.

Schwarze Hüte und Holzspielzeug

Wie die Kanzlei Dr. Bahr am 22.12.2011 bereits mitteilte, wurden die Betreiber des Online-Shops „holzspielzeug-discount.de“ erpresst,

5.000,- EUR zu zahlen, andernfalls wird ihnen eine Abwertung bei Google durch eine massenhafte Spam-Verlinkung angedroht.

Der Erpresser soll am 6. Dezember 2011 telefonisch damit gedroht haben, massenhaft Badlinks von Adressen, die Google nicht gefallen würden, zu setzen. Dadurch würde der Shop im Ranking auf eine schlechtere Position fallen und deutlich weniger Kunden haben.

Eine spaßige Idee, mal eben eine freundliche „Erpressung mit Blackhat-Methoden“ vom heimischen Rechner aus zu veranstalten und – vielleicht – 5.000 Euro zu bekommen.

Bekommen könnte man aber dafür auch bis zu 15 Jahre Freiheitsstrafe, je nachdem wie dusselig man sich dabei anstellt.

Das lohnt nicht …

… meint der Aushilfsblogger.

Beschluß-Tapete

Bestraft wird nur, wer schuldig ist. Nulla poena sine culpa, wie der alte Lateiner sagt. Dieser Grundsatz gilt auch im Straßenverkehr, also z.B. bei Verkehrs-Ordnungswidrigkeiten.

Wenn jemand sein Auto falsch parkt, wird der Falschparker mit einem Verwarnungsgeld belegt. Und wenn nicht ermittelt werden kann, wer das Auto dorthin gestellt hat, hat man auch keinen „Schuldigen“. Dann kann auch kein Verwarnungsgeld verhängt werden. Ganz einfach, oder?

Das fanden aber die Ordnungshüter nicht in Ordnung. Deswegen erfanden sie den Aufwandsersatz. Und gossen das Ganze in ein Gesetz, in den § 25a StVG. Danach konnten dem Halter des Kraftfahrzeugs die Kosten des Verfahrens auferlegt werden, wenn man den Fahrer (also den Falschparker) nicht überführen konnte.

Statt des Parkverbotsknöllchens in Höhe von 10 Euro gab es fortan einen Kostenbescheid über 20 Euro. Die Bezahlquote bei den Knöllchen sprang sprunghaft nach oben. Das ist seit langen Jahren bekannt.

Nun haben wir hier in Berlin die Umweltzone. Dorthinein darf man nur fahren, wenn vorne rechts ein grünes Pickerl (wie der Österreicher sagt) an der Scheibe klebt. Es soll Autofahrer geben, die fahren auch ohne solche Umweltplaketten in die Stadt und parken dort. Das ist verboten. Dafür bekommt der Schuldige ein Bußgeld und als Zugabe ein Flens (BKat. Nr. 153).

Parken in Umweltzone hat mit dem Parken im Parkverbot etwas gemeinsam: Der – schuldige – Fahrer ist meist schlecht ermittelbar. Es gilt der obige Grundsatz: Kein Bußgeld ohne Schuld, wie der Kreuzberger sagt.

Das fanden aber die Ordnungshüter nicht in Ordnung. Und sie griffen in die Trickkiste. Immer wieder verschickten sie Kostenbescheide nach § 25a StVG. Aber immer wieder hoben die Gerichte diese Kostenbescheide auf, wenn man sich dagegen zur Wehr setzt.

AG Tiergarten, 323 OWi 1216/11

Falls jemand Weihnachten seine Wohnung tapezieren will: Von solchen Beschlüssen haben wir hier ausreichend.

Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, daß nicht auch dem hinterletzten Ordnungshüter in den Behörden diese Rechtslage bekannt ist. Trotzdem werden diese Kostenbescheide immer noch versandt. Ist das nicht auch verboten?

… fragt der Aushilfsblogger.

Kein Sternchenhinweis auf faires Verfahren

Es ist nur eine Kleinigkeit. Zwei Sternchen. An der richtigen Stelle – oder an der falschen?

Dieser Vernehmungsbogen ist bei der Berliner Polizei im Einsatz. Dem Griechen, ein Auszubildender, der vor 20 Jahren in der Türkei geboren wurde und nun in Berlin lebt, wird eine Straftat vorgeworfen. Ihm wird Gelegenheit gegeben, sich zur Sache zu äußern. Dazu gibt man ihm dieses Formular:

Sternchenhinweis der Berliner Polizei

Das Formular enthält den Hinweis auf § 111 OWiG und darauf, daß der Beschuldigte „zur Angabe dieser Daten verpflichtet“ ist. Soweit, so zutreffend.

Welche Daten? Die Daten, auf die das Sternchen hinweist. Und § 111 OWiG:

Vor-, Familien- oder Geburtsnamen, den Ort oder Tag seiner Geburt, seinen Familienstand, seinen Beruf, seinen Wohnort, seine Wohnung oder seine Staatsangehörigkeit

Dem Azubi fallen zwei weitere Sternchen auf:

  • Bei der Frage, ob die Tat zugegeben wird: Ja/Nein*
  • Bei der Fragen hinsichtlich der außergerichtlichen Einziehung: Ja/Nein*

In einer kleineren Schrift am Rande steht nun geschrieben: „Nicht-Zutreffendes bitte streichen“. Ist der Beschuldigte nun verpflichtet zu streichen? Muß er sich dazu äußern, ob er die im zur Last gelegte Tat einräumt oder nicht?

Wenn die Polizei es ernst meinen würde mit dem fairen Verfahren, wenn sie es akzeptieren würde, daß ein Beschuldigter sich verteidigen können muß, ohne getäuscht und ausgetrickst zu werden, hätte sie auf ein Sternchen hinter diese beiden Fragen schlicht verzichten können müssen.

Angaben zur Sache muß der Beschuldigte nämlich nicht machen. Das wäre „freiwillig“. Auf diese (Grund-)Recht weist kein Sternchen hin.

… reklamiert der Aushilfsblogger.