Polizist und Richter in Personalunion

Gibt es Warnhinweise und Internetverbote für Nutzer auch bald in Deutschland? Eine aktuelle Studie des Bundeswirtschaftsministeriums nährt Spekulationen in diese Richtung. Das Papier lobt nämlich die Modelle anderer Staaten wie Frankreich, die schon heute bei Urheberrechtsverletzungen mit Ermahnungen und Internetsperren reagieren.

Welche Gefahren mit solchen Plänen verbunden sind, klammert die Untersuchung weitgehend aus. Das müssen dann wohl andere erklären. Der Verein Digitale Gesellschaft macht jetzt einen Anfang. Die DigiGes hat einen umfangreichen “Schattenbericht” erstellt (Download). Auch dieser stellt die rechtliche Situation in anderen Ländern dar und vergleicht die jeweiligen Modelle zum Schutz des Urheberrechts. Im Gegensatz zur offiziellen Studie geht das Papier der DigiGes aber auch auf die praktische Umsetzbarkeit der Pläne ein. Außerdem diskutiert sie die möglichen Konsequenzen, die weit über das Verhältnis des einzelnen Internetnutzers zu seinem Provider hinausgehen.

Markus Beckedahl, Vorsitzender der DigiGes, fasst das Ergebnis zusammen:

Die Einführung einer Warnmodell-Infrastruktur ist vollkommen unsinnig und schafft eine gefährliche Privatisierung der Rechtsdurchsetzung. Internetanbieter und Hoster werden damit gleichzeitig zu Richtern und Hilfspolizisten in Personalunion gemacht. Diese Maßnahme durchbricht ein ehernes Prinzip: der Internetanbieter ist nicht für die transportierten Inhalte haftbar und soll sich ausdrücklich nicht um diese kümmern. Die Post schickt Ihnen auch keinen Warnbrief, wenn Sie eine Kopie eines Zeitungsartikels verschicken.

Tatsächlich seien Rechteinhaber in Deutschland schon heute komfortabel geschützt. Sie könnten über Gerichte die Daten möglicher Urheberrechtsverletzer ermitteln. Es stehe ihnen frei, statt der heute üblichen teuren Abmahnungen zunächst Warnhinweise zu schicken, statt diese Aufabe nun an die Provider abzuwälzen. “Dass dies nicht stattfindet, ist nicht den Nutzern anzulasten”, sagt Beckedahl. “Offensichtlich haben die Rechteinhaber daran überhaupt kein Interesse.”

Existierende Warnmodelle in anderen europäischen Staaten zeigen laut dem Schattenbericht, dass die Maßnahme erhebliche grund- und datenschutzrechtliche Probleme aufwerfen. Das System in Irland sei aufgrund solcher Bedenken sowie Beanstandungen durch den Datenschutzbeauftragten wieder eingestellt worden. Auch die EU-Kommission habe in der Vergangenheit immer wieder betont, Internetprovider dürften keinen Einblick in die Inhalte der von ihnen transportierten Daten nehmen.

Zudem seien solche Systeme fehlerbehaftet. Private Firmen ermitteln IP-Adressen in Filesharing-Netzwerken, um die Inhaber dieser Adressen zu verwarnen. Doch die bloße Anwesenheit im Filesharing-Netz bedeute noch keine begangene Urheberrechtsverletzung. Auch sei der Inhaber eines Internet-Anschlusses nicht automatisch der Benutzer hinter einer IP-Adresse. In anderen Staaten seien dutzende Fälle bekannt geworden, bei denen Unschuldige zu Unrecht verwarnt wurden.

Einmal eingeführt, werde so ein System nicht bei Warnhinweisen Halt machen. Vielmehr sei dann zu erwarten, dass weitaus drakonischere Strafen folgen. Zudem biete das Modell natürlich auch die Möglichkeit, gezielt nach anderen Inhalten zu suchen. Möglich wäre eine ähnliche Zensurinfrastruktur, die auch bei den Netzsperren wegen Kinderpornografie aufgebaut worden wäre, hätte sich die Politik nicht eines Besseren besonnen.

Beckedahl: “Warnhinweise und Strafen sind vom selben Geist wie die auf Eis gelegte US-Gesetzgebung SOPA und und das ACTA-Abkommen geprägt: Statt Nutzer zu bestrafen, sollte die Energie lieber in den Aufbau  niedrigschwelliger und attraktiver Angebote für Konsumenten gelegt werden.”

Kurzfassung der DigiGes-Studie

Rückschlag fürs Geschäftsmodell Partnerbörse

Ein Verleger soll mal gefragt worden sein, wie er darauf reagiert, dass seine Qualitätsmedien keinen Gewinn mehr abwerfen. “Mein Verlag war so klug”, sagte er, “eine Online-Partnerbörse zu gründen.” Aber auch den boomenden Lebenspartnervermittlern wird das Geldverdienen nicht leichtgemacht – wie ein aktuelles Urteil des Landgerichts Hamburg zeigt.

Die Partnervermittlungen ElitePartner und AcademicPartner haben ihren Kunden zwar das gesetzliche Widerrufsrecht eingeräumt. Trotzdem hielten sie die Hand auf, sofern Neumitglieder den Service doch nicht wollten und widerriefen (was ohne Begründung möglich ist). 99 Euro sollten auch die abspenstigen Kunden zahlen. Für eine Persönlichkeitsanalyse. Die Partnerbörsen beriefen sich darauf, die Analyse sei eine individuelle Leistung für den Kunden.

Richtig ist, dass das Widerrufsrecht für individuell nach Kundenwunsch angefertigte Produkte an sich nicht gilt. Auf diese Regelung haben sich früher auch Computerversender berufen, sobald der Kunde bei der Bestellung über die Größe des Arbeitsspeichers und der Festplatte entscheiden konnte. Das hatten Gerichte aber ausgebremst, denn nach ihrer Ansicht sind modularmäßig aufgebaute Computer keine individuelle Leistung im Sinne des Gesetzes.

Im Fall von ElitePartner und AcademicPartner hat das Landgericht nun die Klausel verboten, nach der das Persönlichkeitsprofil auch bei Widerruf bezahlt werden muss. Geklagt hatte die Verbraucherzentrale Hamburg. Sie argumentierte, die Partnervermittlung und Analyse seien keine zwei getrennten Geschäfte. Die Aufspaltung führe zu einer Aushöhlung des Widerrufsrechts. Der Kunde solle nach dem Widerruf nämlich ohne finanzielle Einbuße da stehen; hier zahle er immerhin 99 Euro.

Dem schloss sich das Landgericht Hamburg. Die Institute dürfen die Klausel nicht mehr verwenden, sofern das Urteil rechtskräftig wird. Partnervermittler Parship hatte übrigens ein ähnliches Geschäftsmodell. Parship gab aber außergerichtlich eine Unterlassungserklärung ab, berichtet die Verbraucherzentrale Hamburg.

Landgericht Hamburg, Urteil vom 31. Januar 2012, Aktenzeichen 312 O 93/11

Laufende Vernichtung

Nachricht aus der Asservatenkammer eines Polizeipräsidiums:

Aufgrund laufender BTM-Vernichtung kam es zu Rückständen bei der BTM-Asservierung.

Irgendwie sehe ich da eine riesige Wolke aus dem Keller des Gebäudes ziehen. Aber mit der Realität hat das natürlich nichts zu tun.

Regeln für Sozialdetektive

Für “Sozialdetektive” brechen härtere Zeiten an. Das Bundessozialgericht zeigt den Mitarbeitern von Jobcentern und ARGEN deutliche Grenzen auf, wenn sie sich bei anderen Leuten über Sozialleistungsempfänger erkundigen. Ohne Einverständnis der Betroffenen darf die Behörde nicht ohne weiteres offenbaren, dass jemand zum Beispiel Hartz IV bezieht.

Mit den Beziehern von Arbeitslosengeld II stritt das Jobcenter darüber, ob eine Kaution für eine Wohnung zu übernehmen ist. Das Ehepaar war in seiner alten Wohnung gekündigt worden. Bei der früheren Vermieterin hatten die Leistungsempfänger noch aus eigenen Mitteln eine Kaution geleistet.

Das Jobcenter verweigerte eine darlehensweise Gewährung der neuen Kaution mit der Begründung, das Ehepaar könne auch die alte Kaution einsetzen. Allerdings wiesen die Leistungsempfänger darauf hin, dass die alte Kaution frühestens in sechs Monaten fällig sei – so lange darf der Vermieter die Auszahlung zurückhalten.

Das Jobcenter schrieb darauf selbst an die erste Vermieterin und fragte, wann die Kaution fällig sei. Außerdem telefonierte der Sachbearbeiter mit dem Haus- und Grundbesitzerverein und dem Ehemann der Vermieterin. Die Vermieterin erfuhr erst jetzt davon, dass ihre bisherigen Mieter Sozialleistungen beziehen. Hierauf habe ihre Familie die Betroffenen mit Hohn und Spott überzogen.

Das Ehepaar verklagte das Jobcenter wegen Verletzung des Sozialgeheimnisses. In den ersten beiden Instanzen hatten sie keinen Erfolg. Anders beim Bundessozialgericht. Die Richter verweisen darauf, dass nach den geltenden datenschutzrechtlichen Vorschriften jeder Anspruch darauf hat, dass die ihn betreffenden Sozialdaten von den Leistungsträgern nicht unbefugt erhoben, verarbeitet oder genutzt werden.

Das Jobcenter könne das das Offenbaren der Sozialdaten hier nicht damit rechtfertigen, dass dies erforderlich gewesen sei, um die eigenen Aufgaben zu erfüllen. Es habe in jedem Fall die schutzwürdigen Interessen der Kläger beachten müssen. Zu diesem Zweck hätte das Jobcenter die Kläger erst mal um ihr Einverständnis bitten müssen.

In der Praxis müssen Leistungsempfänger jetzt also künftig gefragt werden, wenn die Behörde sich an Dritte wenden will.

Bundessozialgericht, Urteil vom 25. Januar 2012, Aktenzeichen  B 14 AS 65/11 R

Böser Mensch, guter Mensch

Die Polizei Wuppertal berichtet eine wirklich nicht alltägliche Geschichte:

Am 25. Januar besuchte ein 68-Jähriger Wuppertaler die “boot” in Düsseldorf. An der Kasse bemerkte er, dass er kurz zuvor seinen Geldbeutel, Bargeld, persönlichen Papiere und Bankkarten verloren hatte.

Kurz darauf wurden mit seiner Kreditkarte insgesamt 1.500.- EUR vom Konto abgehoben. Der Geschädigte erstattete Strafanzeige bei der Polizei. Am 1. Februar erhielt der Elberfelder ein anonym versandtes Päckchen. Inhalt: sein Geldbeutel mit allen Karten und Papieren. Außerdem lagen 1.520.- EUR Bargeld bei.

Im Begleitschreiben formulierte der Absender:  "Ich weiß nicht welcher Teufel mich geritten hat so einen Blödsinn zu machen. Ich hoffe, dass sie mir verzeihen können. Ich habe noch 20 EUR für Zinsen und Gebühren beigelegt, damit Ihnen wirklich kein Schaden entsteht – Ein reuiger Finder".

Auch wenn der Täter Einsicht zeigt, ermittelt die Wuppertaler Polizei doch weiter wegen Fundunterschlagung.

Monitor und Tastatur

Die Wohnung meines Mandanten wurde gründlich durchsucht. Insbesondere hatten es die Beamten auf Datenträger abgesehen. Sie nahmen ein Notebook, mehrere USB-Sticks, eine externe Festplatte und etliche DVDs mit.

Im Durchsuchungsbericht heißt es, auf dem Schreibtisch hätten sich ein Monitor und eine Tastatur befunden. Der “dazugehörige PC” sei jedoch nicht auffindbar gewesen. Auf die Mitnahme des Monitors und der Tastatur habe man verzichtet.

Der iMac hat also durchaus Vorzüge.

Ausgepresste Orangen

“90 Millionen suchen einen Käufer” lautete die Überschrift eines älteren Eintrags im law blog. Er berichtete darüber, dass die Abmahnkanzlei Urmann + Collegen Käufer für Forderungen sucht, die sich aus Filesharing-Abmahnungen ergeben sollen. Die Kanzlei kündigte die Auktion mit vielen Details auf ihrer Homepage an. So ließen sich einige Zahlen abschätzen. Bis zu 90 Millionen Euro sollten die Forderungen demnach Wert sein, die gegen die Inhaber von Internet-Anschlüssen wegen möglicherweise illegaler Downloads geltend gemacht werden.

Wie es aussieht, haben U + C zumindest ein Inkassobüro gefunden, das – meine Sicht – dumm genug für den Versuch ist, aus schon mehrfach ausgepressten Orangen etwas rauszuholen. Bundesweit erhalten Mandanten Schreiben der Debcon GmbH. Diese beginnt den altbekannten Mahnungsreigen wieder von vorn, indem sie “letztmalig außergerichtlich” zur Zahlung eines Betrages von 1.286,80 Euro auffordert.

Sicherlich am unangenehmsten ist der letzte Absatz des Briefes. Darin droht Debcon damit, die Sache der Schufa zu melden, “soweit die Forderung nicht ausgeglichen wird und die Weitergabe der Daten zur Wahrung unserer berechtigten Interessen oder der eines Dritten erforderlich ist.”

Die Formulierung ist geschickt gewählt, denn sie entspricht im Kern dem Gesetz. Dieses sagt aber auch: Wenn der Betroffene der Forderung inhaltlich widersprochen hat, dürfen Forderungen erst an die Schufa gemeldet werden, wenn sie rechtskräftig durch ein Gericht bestätigt sind.

Wer sich also bereits bereits gegen die Abmahnungen der Rechtsanwälte U + C schriftlich gewehrt und Gründe angegeben hat, warum er die Zahlung verweigert, darf nun auch von Debcon nicht an die Schufa gemeldet werden. Sollte Debcon dies trotzdem tun, kann man bei der Schufa widersprechen. Die Schufa reagiert hier meist sehr schnell und sperrt die Einträge. Außerdem kann man bei Gericht eine einstweilige Verfügung gegen das Inkassobüro erwirken und so dafür sorgen, dass die Meldung zurückgezogen wird.

Man sollte sich also nicht durch die Schufa-Drohung aus der Ruhe bringen lassen. Das gilt aber nur dann, wenn man, wie gesagt, schon bei U + C inhaltlich argumentiert hat. Wer Schreiben von U + C ignoriert hat, kann jetzt natürlich auch noch gegenüber Debcon widersprechen.

Ansonsten ist es nicht erforderlich, jetzt gegenüber Debcon alle Argumente zu wiederholen. Vielmehr muss das Inkassbüro schon wissen, was zum Beispiel an U + C geschrieben wurde. Debcon kann sich hier nicht dumm stellen. Genau in diese Richtung gehen aber die Formulierungen, nach Angaben der Rechteinhaber habe der Betroffen bislang nicht auf die Anschreiben von Urmann + Collegen reagiert. Da U + C aber praktisch immer mit mehreren Mahnungen auf Zahlungsablehnungen geantwortet haben, wird man gegebenfalls leicht das Gegenteil beweisen können.

Debcon macht die Forderungen auch nicht im eigenen Namen geltend. Vielmehr schreibt das Inkassbüro im Namen der ursprünglichen Plattenfirmen und Filmstudios, welche schon U + C beauftragt haben. Anscheinend sind die Rechte also doch nicht verkauft, sondern Debcon ist nur mit dem Einzug beauftragt worden.

Wenn man auf Debcons Forderungen nicht eingeht, kann das Inkassobüro selbst auch nicht klagen – sofern so etwas überhaupt beabsichtigt ist. Wenn geklagt werden soll, hätte es ja eher nahegelegen, wenn die bereits beauftragten Rechtsanwälte das selbst übernehmen. Debcon bzw. die Rechteinhaber müssten für ein Gerichtsverfahren nämlich sowieso wieder Anwälte beauftragen, sofern der Betroffene zum Beispiel einem Mahnbescheid widerspricht (was er durch ein einfaches Kreuzchen auf einem Formular machen kann).

Dann wären wieder U + C oder andere Anwälte am Zug. Viel Sinn macht das Ganze also nicht. Außer man betrachtet es als weiteren Akt der psychologischen Kriegsführung gegenüber Abgemahnten. Da aber U + C schon beharrlich mahnten und durchaus auch markige Worte fanden, stellt sich die Frage, wer sich wirklich von solchen Schreiben beeindrucken lässt.

Wobei wir wieder bei den ausgepressten Orangen wären.

Ach so, Herr Heveling

Der CDU-Abgeordnete Ansgar Heveling hat im Handelsblatt gestern eine Streitschrift veröffentlicht, die es an markigen Worten nicht fehlen lässt. Ach was, in Wirklichkeit handelt es sich um grobschlächtige Kriegsrhetorik, womöglich inspiriert durch die kolportierte Hybris des Bundespräsidenten, er gehe derzeit durch ein “Stahlgewitter”.

Heveling spricht vom “Kampf”, den sein Gegner, die “Netzgemeinde”, schon verloren habe. Es stelle sich nur noch die Frage, wie viel “digitales Blut” im  “Endkampf” (immerhin hat er sich den Endsieg verkniffen) über die “Helden von Bits und Bytes” vergossen werden müsse.

Der Abgeordnete bezeichnet seine selbst erwählten Kontrahenten als “digitale Horden”, bestehend aus “digitalen Maoisten” und “kapitalstarken Monopolisten”. Diese sieht er als fähig und offenbar auch willens an, die heutige Gesellschaft auf “ruinenhafte Stümpfe” zu reduzieren, so dass die Überlebenden am Ende “auf die verbrannte Erde unserer Kultur schauen müssen”.

Das sind nur einige Highlights aus einem Text, der vorrangig Aggression atmet, die Apokalypse beschwört und schlichtweg keine Argumente enthält. Ich war sicher nicht der einzige, der das Pamphlet zunächst für eine verunglückte Büttenrede hielt. Allerdings hätte es hierfür noch eines bekoksten Redakteurs bedurft, der so was auf die Kommentarseite des Handelsblatts hievt. Zu viel der Zufälle, und so stand bald fest, der CDU-Hinterbänkler meint das alles ernst.

Hierüber kann man schon erschüttert sein. Was mich aber wirklich umhaut, ist die Dreistigkeit, mit der Heveling heute die sicherlich heftigen Reaktionen als Bestätigung seiner Thesen wertet:

Wer sich kritisch äußert, erlebt Aggression statt Argumentation.

Manches Kontra auf Heveling war sicher kein freundlicher Akt. Gerade das Defacement seiner Webseite hätte man sich sparen können. Allerdings vergisst der gute Herr Heveling in diesem Zusammenhang, wer angefangen hat. Seine Suada ist nicht nur ein Ausbruch an sich unverständlichen Hasses, sondern auch eine offene Kriegserklärung an einen wenigstens in Teilen identifizierbaren Gegner.

Natürlich könnten sich die Nutzer des Web 2.0 zurückhalten. Aber warum sollten sie, wenn ihnen einer auf so unfasslich bräsige Weise das Recht ihrer virtuellen Existenz abspricht? Jedes Wort gegen Heveling war demnach nicht nur richtig, sondern auch wichtig. Das gilt auch für die unsachlichen, teilweise abgrundtief bösen Erwiderungen. Allerdings habe ich keine gelesen, die es an Schäbigkeit mit Hevelings Beitrag auch nur ansatzweise aufnehmen können.

Und was die fehlenden Argumente betrifft: Heveling darf gerne den ersten Stein werfen, sofern er in seinem Text auch nur ein einziges findet, von tragfähigen will ich gar nicht reden.

Natürlich wäre es von so einer Persönlichkeit wie Heveling zu viel verlangt, dass sie nach einer Welle (auch sachlicher) Kritik in einen Dialog eintritt. Stattdessen legt der Politiker heute nach und erklärt seine Auffassungen für bestätigt – und den Krieg quasi schon für gewonnen. Unter anderem mit folgender Feststellung:

Ich glaube, dass es schon bald eine Generation geben wird, die mit dem Internet ganz anders umgeht. Blogger haben dann keine Relevanz mehr.

Blogger sind für Heveling wohl all jene, die einfach so ins Internet schreiben. Soziale Netzwerke und insbesondere Twitter hat er ja auch schon gestern im Handelsblatt erwähnt. Insbesondere mokiert sich Heveling in seinem heutigen Nachklapp darüber, “dass es im Internet eine Gruppe gibt, die die Meinungsführerschaft für sich beansprucht”. Anscheinend sind es jene, die er ausgemerzt sehen möchte, bevor sie unsere Kultur zerstören. Leute mit Meinungen! Ja, das ist wohl Hevelings eigentliche Gegnerschaft. Menschen, die ohne Mandat sagen, was sie denken.

Ich frage mich nur, wie Heveling darauf kommt, dass künftige Generationen bald (!) keine Lust mehr darauf haben sollten, ihre Erfahrungen, Ansichten und Einsichten auf Facebook und in Blogs zu posten. Oder sie gar bei Twitter in 140 Zeichen zu pressen.

Warum sollten wir alle die so einmalige und unverhofft durch das Internet geschaffene Möglichkeit, sich Gehör zu verschaffen, zu kommunizieren und, ja, den gesellschaftlichen Diskurs wieder maßgeblich mitzugestalten, einfach aus der Hand geben? Auch wer ins Internet schreibt, hat im übrigen noch genug Zeit, legale MP3s zu erwerben. Daran kann sollte es also letztlich nicht scheitern. 

Wieso, frage ich Herrn Heveling, sollten wir plötzlich den Spaß an der neuen Meinungsfreiheit verlieren? Ist es nicht ganz im Gegenteil so, Herr Heveling, dass die weitaus meisten Menschen die Möglichkeiten hierzu gerade erst jetzt erkennen? Auch jene nämlich, die Sie noch als internetabstinent wähnen.

Diese Menschen drängen doch gerade, wo Sie dem Web 2.0 den Kampf ansagen, in die sozialen Netzwerke. Sie schreiben dort vielleicht nicht alle korrektes Deutsch – aber sie schreiben ihre Meinung! Und das ist es, was Sie stört? Ich verstehe…

Aber zurück zur eigentlichen Frage. Sie glauben also im Ernst, dass Schülerin Trine, Friseuse Gerda und Opa Hans als Newcomer im Web 2.0 die Lust am Chatten, Vernetzen und Publizieren schnell wieder verlieren? Das glauben Sie echt, Herr Heveling? Darauf hätte ich jetzt gerne eine Antwort.

Kommen Sie etwas näher, ich kann Sie nicht hören. So, jetzt ist es besser. Das haben Sie nicht so gemeint. Sie haben nicht sagen wollen, dass es bald eine Generation gibt, die freiwillig ganz anders mit dem Internet umgeht. Von “freiwillig” war nie die Rede.

Ach so, Herr Heveling. Jetzt habe ich Sie verstanden.

Verbotene Bilder in der U-Bahn – Festnahme

Weil er sich in der U-Bahn kinderpornografische Bilder ansah, ist ein 33-Jähriger in Nürnberg vorläufig festgenommen worden.

Der Mann saß nach Angaben der Nürnberger Polizei am vergangenen Freitag im ersten Wagen der U-Bahn. Im Blickfeld des Fahrers vertrieb er sich an der Halstestelle Hauptbahnhof die Zeit, indem er sich Bilder auf seinem Tablet-PC anschaute. Der U-Bahn-Fahrer vermutete Kinderpornos und rief die Polizei. Diese nahm den Fahrgast dann auch gleich fest.

Da sich bei Kontrolle des Tablets der Verdacht erhärtete, kam es auch noch zu einer Hausdurchsuchung. Auf einem weiteren Rechner des 33-Jährigen wurde weiteres Material gefunden, das kinderpornografisch sein soll. Die Polizei geht von mehreren hundert einschlägigen Bildern aus.

Die Computer sollen jetzt genau ausgewertet werden. Dann entscheidet die Staatsanwaltschaft, ob sie Anklage erhebt.

Galaxy Tab 10.1 bleibt in Deutschland verboten

Samsung darf in Deutschland weiterhin sein Galaxy Tab 10.1 nicht verkaufen. Gleiches gilt für das Galaxy Tab 8.9. Das Oberlandesgericht Düsseldorf bestätigte heute auf Antrag der Firma Apple ein bereits seit längerem bestehendes Vertriebsverbot. Nicht betroffen ist das von Samsung neu gestaltete Galaxy Tab 10.1 N, das derzeit in den Läden steht.

Die Entscheidung ist allerdings nicht in allen Punkten ein Sieg für Apple. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hält das Geschmacksmustergesetz nämlich nicht für verletzt. Das Landgericht Düsseldorf hatte noch darauf abgestellt, Samsung kopiere das von Apple geschützte Design.

Das sehen die Richter am Oberlandesgericht Düsseldorf nicht so. Schon der Schutzbereich des Apple-Geschmacksmusters sei eingeschränkt. So weise eine ältere US-Patentanmeldung, das sogenannte „Ozolins-Design“, das von einem anderen Unternehmen für einen Flachbildschirm beantragt worden sei, bereits einen rahmenlosen Flachbildschirm auf.

Im übrigen unterscheide sich das „Galaxy Tab 10.1“ ausreichend deutlich von dem von Apple angemeldeten Geschmacksmuster. So bestehe das angemeldete Geschmacksmuster ästhetisch wahrnehmbar aus zwei Bauteilen, einer Schale und einer sie abdeckenden Frontseite. Das „Galaxy Tab 10.1“ sei hingegen dreiteilig aufgebaut, es bestehe aus einer Vorderseite, einer Rückseite und aus einem verklammernden Rahmen.

Allerdings sieht das Oberlandesgericht nun das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb verletzt. Das Galaxy Tab 10.1 ahme das iPad in unlauterer Weise nach. Samsung beute damit das herausragende Ansehen und den Prestigewert des iPad aus. Das gelte auch für das Galaxy Tab 8.9, weshalb der Vertrieb dieses Modells ebenfalls untersagt sei.

Großer Vorteil für Samsung ist: Das Wettbewerbsrecht, auf welches sich das neue Urteil stützt, gilt nur für die Bundesrepublik Deutschland. Damit ist ein vom Landgericht Düsseldorf noch ausgesprochenes (fast) europaweites Verbot vom Tisch.

Apple wehrt sich auch weiter gegen das Galaxy Tab 10.1 N. Ob das optisch umgestaltete Modell weiter in Deutschland verkauft werden kann, entscheidet das Landgericht Düsseldorf am 9. Februar.

Was Megaupload-Kunden befürchten müssen

Nach dem unfreiwilligen Ende von Megaupload stellt sich für viele Nutzer die Frage, ob sie Abmahnungen oder gar Ärger mit der Polizei zu befürchten haben. Eine Boulevardzeitung schürt aktuell Panik, indem sie im Zusammenhang mit der Verhaftung von Kim Dotcom Schmitz von einer Abmahnwelle erzählt, die – angeblich – Deutschland überrollt.

Das mit der Abmahnwelle ist richtig. Aber sie hat mit Megaupload oder anderen Filehostern nichts zu tun.

Tatsächlich mahnt die Contentindustrie schon seit Jahren massenhaft ab. Aber praktisch nur Nutzer, die in Tauschbörsen wie Gnutella oder eMule aufgefallen sind. Tauschbörsen sind dezentrale Netzwerke, in dem ein Download meist nur möglich ist, wenn man gleichzeitig Inhalte zum Upload bereit hält. Die beteiligten Rechner identifizieren sich im Netzwerk der Tauschbörse immer über ihre IP-Adresse. Diese wiederum kann von Überwachungsfirmen geloggt und dann zur Identifizierung des Anschlussinhabers verwendet werden. Genau so gehen die Abmahner vor.

Filehoster funktionieren anders, und an ihrem System beißen sich Contentanbieter bislang die Zähne aus. Filehoster sind Unternehmen, die riesige Speicherkapazitäten zur Verfügung stellen. Jeder Nutzer kann auf den Festplatten der Filehoster Daten hinterlegen. Für jede gespeicherte Datei erhält er einen Link. Über diesen Link können dann Dritte, die den Link kennen, die Datei ebenfalls herunterladen.

Beim Filehoster geht also nicht um Tausch, sondern ausschließlich ums Rauf- und wieder Runterladen (über einen genau definierten Link). Die IP-Adresse des Nutzers taucht im Gegensatz zu einer Tauschbörse an keiner Stelle auf, wo Rechteinhaber sie einfach abgreifen können. Deshalb bleiben die Nutzer von Filehostern normalerweise anonym. Und genau aus der Erkenntnis, dass man mit den heutigen technischen Möglichkeiten an die Nutzer nicht herankommt, fordert zum Beispiel nun die deutsche GVU, Filehostern das Haftungsprivileg für die bei ihnen hinterlegten Inhalte zu entziehen

Die einzig praktisch relevante Quelle für die IP-Adresse von Kunden eines Filehosters sind momentan dessen eigene Datenbanken. Aber muss man davon ausgehen, dass Megaupload oder andere Dienste wirklich so dumm sind und genau festhalten, über welche IP-Adresse welche Dateien gezogen wurden?

Das wären nämlich genau jene Daten, die (möglicherweise) belegen, dass der allergrößte Teil des Traffic mit urheberrechtlich geschütztem Material geschieht. Beweismittel also, die den Verfolgern vom FBI und ihren Kollegen Freudentränen in die Augen treiben dürften.

Filehoster handeln also schon im eigenen Interesse, wenn sie möglichst keine Verbindungsdaten speichern. Dieses Interesse dürfte nicht geringer geworden sein, seitdem die mutmaßlichen Köpfe hinter Megaupload im Gefängnis sitzen und ihre Auslieferung an die USA befürchten müssen.

Razzien bei Filehostern dürften also kaum bergeweise Verbindungsprotokolle ergeben. Hinzu kommt, dass die meisten Provider in Deutschland die Verbindungsdaten bei dynamischen IP-Adressen nur für einen begrenzten Zeitraum speichern. Mit Ablauf dieses Zeitraums ist es dem Provider nicht mehr möglich, die eventuell beim Filehoster gespeicherte IP-Adresse einem deutschen Nutzer zuzuordnen.

Eine Vorratsdatenspeicherung würde hieran übrigens auch nichts ändern. Denn das bloße Runterladen von urheberrechtlich geschütztem Material ist kein so schweres Delikt, welches nach der Rechtsprechung des  Bundesverfassungsgerichts einen Rückgriff auf Verbindungsdaten zulässt.

Eine Möglichkeit gibt es aber dennoch, deutsche Nutzer von Filehostern zu ermitteln. Der Weg führt über die Buchhaltung. Wer, wie so viele, für einen Premiumzugang beim Filehoster mit Kreditkarte, PayPal oder Bankeinzug bezahlt, hinterlässt klare Datenspuren. Diese Datenspuren sind auch nicht einfach so aus der Welt zu kriegen.

Aber was folgt aus der bloßen Tatsache, dass jemand für einen Premiumzugang beim Filehoster zahlt? Reicht das für einen Anfangsverdacht wegen gewerblicher Urheberrechtsverletzung? Nur auf diesen könnte ja zum Beispiel eine Hausdurchsuchung durch die Polizei gestützt werden, bei der sich möglicherweise “Beweismittel” finden. (Sony oder Universal dürfen ja zum Glück – noch – nicht einfach so zu Hause vorbeischauen.)

Nach meiner Meinung kann man aus einem Premiumzugang keinen Anfangsverdacht herleiten. Vom Grundsatz her sind Filehoster nämlich legale Dienste. Firmen nutzen sie, um große Datenmengen zu bewältigen. Und natürlich steht es jedermann frei, selbst geschaffenes oder freies Material über Filehoster zu vertreiben. Von daher lässt sich kaum schlussfolgern, dass jeder Premiumkunde eines Filehosters auch ein “Raubkopierer” sein muss.

Selbst wenn also Listen zahlender Kunden in die Hände der Ermittlungsbehörden gelangen, werden diese sehr sorgfältig überlegen müssen. Zumal Kunden, die auch Filme und Musik geladen haben, bis dahin ohnehin genug Zeit gehabt haben dürften, ihre Festplatten zu bereinigen.