Keine Online-Werbung mit Ex-Angestellten

Arbeitgeber schmücken sich mitunter gern mit ihren (hochqualifizierten) Angestellten. Zum Beispiel auf der firmeneigenen Homepage. Was passiert aber, wenn der Arbeitnehmer ausscheidet? Nach Auffassung des Hessischen Landesarbeitsgerichts müssen dann nicht nur Name und Foto des Mitarbeiters von der Homepage gelöscht werden. Auch die Erwähnung in einem “News Blog” der Firma, in dem die Neuanstellung vermeldet werde, ist zu entfernen.

Geklagt hatte eine Rechtsanwältin, die für drei Monate in einer Anwalts- und Steuersozietät tätig war. Mit ihrem Einverständnis wurde sie mit Arbeitsbeginn auf der Homepage vorgestellt. Außerdem meldete die Sozietät den personellen Neuzugang in ihrem News Blog. Nach ihrem Ausscheiden verlangte die Anwältin, dass alle Daten gelöscht werden. Die Arbeitgeber entfernten aber nur den Eintrag auf der Webseite, jedoch nicht im News Blog.

Auch diese Veröffentlichung greift nach Auffassung der Arbeitsrichter unzulässig in das Persönlichkeitsrecht der Anwältin ein. Das im News Blog veröffentlichte Profil habe werbenden Charakter. Bewusst würden durch Foto und Text die individuelle Persönlichkeit und die berufliche Qualifikation der Klägerin herausgestellt. Es entstehe der unzutreffende Eindruck, die Anwältin arbeite nach wie vor in der Sozietät. Dies führe unmittelbar zu Wettbewerbsnachteilen der Anwältin in ihrer Position als Rechtsanwältin.

Das Hessische Landesarbeitsgericht bestätigte damit eine einstweilige Verfügung gegen die Sozietät.

Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 24. Januar 2012, Aktenzeichen 19 Sa Ga 1480/11

Auch chinesische Anwälte sind bockig

Besuchergruppen im Gerichtssaal sind normalerweise ein Grauen für Verteidiger. Meist handelt es sich um Schulklassen. Man darf schon sagen, dass nicht wenige Richter und Staatsanwälte bei jugendlichen Zuschauern innerlich wie äußerlich Haltung annehmen und einen verschärften Kurs fahren. Schließlich soll die junge Generation ja nicht den Eindruck kriegen, dass die Justiz Angeklagte nur im Weichspülgang behandelt.

Heute blieb es am Amtsgericht jedoch nicht dabei, dass eine größere Schulklasse im Zuschauerraum Platz nahm. Nein, kurzfristig stellte sich dann auch noch heraus, dass uns eine rund 25-köpfige Delegation aus China beehren würde. Und zwar nicht irgendwer, sondern allesamt Richter aus dem Reich der Mitte. Die Juristen schauen sich gerade auf offizielle Einladung hin in der nordrhein-westfälischen Justiz um und sollen auch einen Eindruck bekommen, wie Strafverfahren in Deutschland ablaufen.

Wir mussten sogar in einen größeren Saal umziehen. Selbst dort war der Zuschauerraum vollgepackt, als die Verhandlung begann. Die Gäste aus China saßen freundlich und aufmerksam in den ersten drei Reihen, die Schüler dahinter.

Anfänglich gab es einige Scharmützel zwischen dem Richter und mir, die allerdings nur die Schüler belustigten. Das wollte ich dann doch mal hinterfragen. Ich nutzte eine Verhandlungspause und kam mit zweien der Juristen ins Gespräch. Englisch ging, deutsch sprachen die beiden aber nicht, ich wiederum kein Chinesisch. Auch die anderen Mitglieder der Delegation sprechen nicht deutsch, wie mir die beiden verrieten.

Auch in China seien Anwälte mitunter bockig, lachte einer der Gesprächspartner. Ich hätte das Thema natürlich gern vertieft, aber leider mussten wir zurück in den Gerichtssaal.

Zwischen Tür und Angel drückte ich den Gästen noch meine Hochachtung aus, dass sie trotz der Sprachprobleme so aufmerksam lauschten. Dabei erwähnte ich auch, dass das Gericht leider nur in deutscher Sprache verhandeln darf, weil unser Gesetz das so vorschreibt. Ich weiß nicht, ob es den Richtern schon vorher klar war, dass wir nicht auf mal Englisch hätten switchen können, selbst wenn das jemand im Gerichtssaal erwogen hätte.  

Interessant war, dass der Delegationsleiter dem Richter ein Gastgeschenk ins Beratungszimmer brachte. Der Staatsanwalt und ich dachten im gleichen Augenblick natürlich an die Causa Wulff. Ein kleines gemeinsames juristisches Brainstorming ergab, dass die Gefahr einer Vorteilsgewährung schon wegen der räumlichen Distanz wohl eher gering sein dürfte.

Es sei denn natürlich, ein Delegationsmitglied schlägt in der sicher kargen Freizeit während der Dienstreise so über die Stränge, dass es ein Fall für eben diesen Strafrichter wird. Aber so viel präventives Denken wollten wir dem Delegationsleiter nicht unterstellen. Außerdem wird der deutsche Dienstherr das Gastgeschenk ohnehin genehmigt haben.

Die Richter hielten übrigens noch gut drei Stunden im Sitzungssaal aus, dann stand für sie der nächste Termin an. Die Schüler blieben noch eine ganze Zeit bis zum Urteil, das für meinen Mandanten leider eine bittere Pille war. Allerdings keine unerwartete – die Möglichkeit einer Verständigung hat heute ausnahmsweise mal mein Mandant ausgeschlagen.

Nr. 5 und Nr. 8

Ich predige immer, von den eigenen Rechten Gebrauch zu machen. Dazu gehört, nicht vorschnell mit der Polizei zu reden. An diesen Ratschlag hat sich ein Mandant gehalten, der eine kleinere Sache im Straßenverkehr angestellt haben sollte. Sein Fall ist ein schönes Beispiel dafür, dass sich der Rat auszahlen kann.

Zum Beschuldigten wurde mein Mandant, weil er Halter des Fahrzeugs ist, dessen Nummernschild sich eine Zeugin aufgeschrieben hat. Auch dem Polizisten war offensichtlich klar, dass die Tatsache, dass jemand Halter eines Autos ist, noch lange nicht belegt, dass er auch der Fahrer war. Aber immerhin, so heißt es in der Ermittlungsakte:

Da die Halterdaten in den Punkten “GESCHLECHT” und “ALTER” mit der Personenbeschreibung des Fahrers zur Tatzeit übereinstimmen, hat der Halter den Status “BESCHULDIGTER” erhalten.

Diese messerscharfe Schlussfolgerung brachte meinem Mandanten eine Vorladung zur erkennungsdienstlichen Behandlung. Er musste sich fotografieren lassen. Auch dabei hielt er sich an meinen Rat, kein Wort zur Sache zu sagen.

Der Zeugin wurden später Bilder von acht Personen vorgelegt. Sieben Bilder hat ein Computerprogramm generiert, Nr. 4 war mein Mandant. Die Zeugin erkannte jedoch nur Nr. 5 und Nr. 8 wieder, und auch die nur mit mageren 40 bzw. 60 Prozent. Erfreuzlich. Die Bildvorlage offensichtlich ohne sanfte Beeinflussung durch den Polizisten verlaufen; in dieser Richtung habe ich auch schon anderes erlebt.

Mit dem Ergebnis der Bildvorlage hat sich die Vermutung Halter = Fahrer zerschlagen. Der Fall wird wohl nicht aufzuklären sein. Hätte mein Mandant gleich zu Anfang mit der Polizei geredet, wäre die Sache womöglich anders ausgegangen. Zumindest, wenn er doch der Fahrer war.

Was ich allerdings auch nicht weiß.

Mails, Einsprüche und Fristen

Zu den unliebsamen Beschäftigungen gehört Steuerkram. Der bleibt bei vielen deshalb gerne etwas länger liegen. Und auch bei manchen Einspruch wird schon mal getrödelt, obwohl nach Untersuchungen ein großer Teil der Steuerbescheide Fehler aufweist. Wer die einmonatige Einspruchsfrist verpasst hat, muss sein Geld nicht unbedingt abschreiben. Ein Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts zeigt nämlich, dass so manche vermeintlich verpasste Rechtsbehelfsfrist noch gar nicht verstrichen ist.

Ein Steuerpflichtiger hatte seinen Einspruch Wochen zu spät ans Finanzamt geschickt. Der Einspruch wurde, wie zu erwarten, als unzulässig verworfen. Doch der Betroffene, na ja, wahrscheinlich eher sein Anwalt, schaute sich den Briefkopf des Finanzamtes und die Rechtbehelfsbelehrung genau an und stellte fest, dass da so einiges nicht zusammenpasst.

Das Finanzamt gab auf dem Briefbogen seine E-Mail-Adresse an. In der Rechtsbehelfsbelehrung wurde aber lediglich erwähnt, Einsprüche seien schriftlich oder zu Protokoll zu erkären. Von E-Mail kein Wort, obwohl die Finanzverwaltung mittlerweile Einsprüche per E-Mail akzeptiert, sofern das Finanzamt eine offizielle E-Mail-Adresse auf seinem Briefkopf nennt.

Obwohl er selbst seinen Einspruch auf Papier geschickt hatte, argumentierte der Steuerpflichtige nun clever: Eine Rechtsbehelfsbelehrung, die nicht auf die Möglichkeit des Einspruchs per Mail hinweise, sei unvollständig. Und für unvollständige Belehrungen sieht die Abgabenordnung vor, dass sich die Einspruchsfrist verlängert. Der Einspruch ist dann nicht nur einen Monat, sondern ein ganzes Jahr zulässig.

Dieser Auffassung schloss sich das Niedersächsiche Finanzgericht an. Wenn in der Belehrung “schriftlich” stehe, sei eine E-Mail schon vom allgemeinen Verständnis nicht umfasst. Genau das hatte das Finanzamt aber behauptet.

Bei einer unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung verlängert sich die Einspruchsfrist aber auf ein Jahr, unabhängig davon, ob sich der Fehler tatsächlich auf den konkreten Fall ausgewirkt hat. Was hier ja nicht der Fall war, weil der Betroffene selbst gar keine Mail geschickt hatte. Das Gericht hielt den Einspruch also für noch rechtzeitig.

Bei angeblich verspäteten Einsprüchen kann es sich also ein Blick darauf lohnen, ob das eigene Finanzamt eine E-Mail-Adresse nennt und die Einspruchsmöglichkeit per Mail auch in der Rechtsbehelfsfbelehrung erwähnt.

Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 24. November 2011, Aktenzeichen 10 K 275/11

Erfolgreiche Klage gegen Facebook

Facebook verstößt mit dem Freundefinder und seinen Geschäftsbedingungen gegen deutsches Verbraucherrecht. Dies entschied heute das Landgericht Berlin. Die Richter gaben einer Klage des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (vzbv) statt.

Beim Freundefinder kritisiert das Gericht, dass Facebook-Mitglieder dazu verleitet werden, Namen und E-Mail-Adressen von Freunden zu importieren, die selbst nicht bei Facebook sind. Die Freunde erhalten daraufhin eine Einladung, ohne dazu eine Einwilligung erteilt zu haben.

Das Gericht urteilt, die Nutzer müssten klar und deutlich informiert werden, dass durch den Freundefinder ihr gesamtes Adressbuch zu Facebook importiert und für Freundeseinladungen genutzt wird. Dies findet nach Angaben der Verbraucherzentralen bislang nicht statt.

Zwar habe Facebook die Anwendung inzwischen leicht modifiziert. Nach Auffassung des vzbv ist dies allerdings nicht ausreichend. „Dass man Facebook sein komplettes Adressbuch überlässt, ist nach wie vor nicht ohne Weiteres erkennbar“, kritisiert vzbv-Vorstand Gerd Billen.

Weiterhin urteilt das Gericht, Facebook dürfe sich in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht ein umfassendes weltweites und kostenloses Nutzungsrecht an Inhalten einräumen lassen, die Nutzer in ihr Profil einstellen. Vielmehr bleiben die Mitglieder Urheber ihrer selbst komponierten Musiktitel oder eigenen Bilder. Facebook darf diese Werke somit nur nach Zustimmung der Nutzer verwenden.

Rechtswidrig ist nach Auffassung der Richter ferner die Einwilligungserklärung, mit der die Nutzer der Datenverarbeitung zu Werbezwecken zustimmen. Zudem muss Facebook sicherstellen, dass es über Änderungen der Nutzungsbedingungen und Datenschutzbestimmungen rechtzeitig informiert.   

Landgericht Berlin, Urteil vom 06. März 2012, Aktenzeichen 16 O 551/10

Zentralisierungshölle

Mein Mandant bekommt einen Brief. Absender ist die Kreispolizeibehörde Mettmann, Adalbert-Bach-Platz 1, 40822 Mettmann. So steht es jedenfalls kleingedruckt über dem Adressfeld.

Rechts oben auf dem Briefbogen, unter dem Landeswappen, steht allerdings ein anderer Absender. Nämlich das Kriminalkommissariat Velbert. Das gehört zwar auch zur Kreispolizeibehörde Mettmann, sitzt aber an der Nedderstraße 52 in 42549 Velbert. Wohl deshalb ist diese Anschrift dann als eigentliche Absenderadresse aufgeführt.

Zur Vernehmung vorgeladen wird mein Mandant zwar vom Kriminalkommissariat Velbert. Die Vernehmung findet aber weder in Mettmann noch in Velbert statt, sondern “bei Kreispolizeibehörde Mettmann Polizeiwache Ratingen Düsseldorfer Straße 45, 40878 Ratingen”. So steht es dann weiter unten im eigentlichen Brieftext.

Wäre mal interessant, wie viele der Angeschriebenen, die sich tatsächlich auf eine Vernehmung einlassen wollen, beim ersten Versuch auf der falschen Dienststelle aufschlagen.

Gut gemeint

“Ich habe es doch nur gut gemeint”, wird eine 58-jährige Gemeindeangestellte nach ihrer Gerichtsverhandlung geseufzt haben. Geholfen hat es ihr nicht. Das Amtsgericht Rosenheim verurteilte sie wegen übler Nachrede zu einer Geldstrafe. Die Frau hatte aufgeschnappte Gerüchte weitergetragen, wonach es in einer Familie zu Gewalttaten komme.

Die Informationen über Schläge und mögliche Gefährdung der Kinder sollen von Dritten gekommen sein. Von wem sie das alles gehört haben will, wollte die Angeklagte dem Gericht nicht sagen. Fest stand aber, dass sie selbst die betroffene Familie gar nicht näher kannte. Trotzdem sprach sie von sich aus eine Mitarbeiterin des Kindergartens an, den der Nachwuchs des angeblich gewalttätigen Ehemanns besuchte.

Die Kindergärtnerin wiederum informierte das Jugendamt, das gleich einen Besuchstermin wegen “Partnerschaftsgewalt” ankündigte. Es fanden sich aber keinerlei Belege dafür, dass die von der 58-Jährigen behaupteten Probleme tatsächlich bestehen. 

Das Amtsgericht betrachtete die Äußerungen, es gebe Partnerschaftsgewalt und das Kindeswohl sei gefährdet, als Tatsachenbehauptungen. Diese Behauptungen hätten sich als falsch herausgestellt. Auch der unbestrittene Wunsch der Angeklagten, mögliche Probleme in der betroffenen Familie zu verhindern, rechtfertige die Äußerungen nicht.

Wenn überhaupt, so das Gericht, hätte sich die Angeklagte an das Jugendamt wenden und den Zeugen benennen müssen, von dem sie die Informationen hatte. Das Jugendamt hätte dann entscheiden können, ob es dem Zeugen und möglicherweise auch der Angeklagten Anonymität zusichert.

Die Äußerung gegenüber der Kindergärtnerin sei somit der falsche Weg gewesen. Wenn die Angeklagte nun ihrerseits nicht belegen könne, dass ihre Angaben doch wahr sind, liege üble Nachrede vor. Die Kinder der Betroffenen Familie würden durch die entstandenen Gerüchte nämlich nun ausgegrenzt, die Eheleute selbst seien isoliert.

AG Rosenheim, Urt. v. 03.11.2011 – 1 Cs 420 Js 18674/11 / Das Heymanns Strafrecht Online Blog zum gleichen Thema

Barfuß

Aus einem Einsatzbericht der Polizei:

Herr Z. war mit der Beschlagnahme seiner Schuhe nicht einverstanden. Er zeigte sich wenig kooperativ. Grund war, dass er kein zweites paar Schuhe habe und nun “ohne Schuhe dastehen” würde. Jetzt müsse er nachher barfuß zur Schule gehen.

Die Schuhe wurden mündlich beschlagnahmt.

Vorzugsbehandlung

Womöglich wird man bald Post von Christian Wulffs Anwalt erhalten, wenn man mit Blick auf den heutigen Tag in Großburgwedel das Wort Hausdurchsuchung in den Mund nimmt. Denn offenbar versuchen alle Seiten geradezu krampfhaft, das Unvermeidliche nicht mit einer richterlich angeordneten Zwangsmaßnahme zu verbinden. Trotzdem passierte heute nachmittag  etwas: Freundliche Ermittler besuchten ohne Durchsuchungsbeschluss die Wulffs zu Hause und erhielten nach Medienberichten freiwillig Dokumente, Computer und Festplatten ausgehändigt.

Ein Durchsuchungsbeschluss sei nicht nötig gewesen, heißt es in den bisherigen Eilmeldungen. Danach waren die Visite der Ermittler und damit wohl auch ihre Befugnisse nicht nur abgesprochen, sondern es wurde alles auch terminlich flexibel gehandhabt – fast so wie ein Meeting in Geschäftskreisen. Eigentlich habe man sich sogar schon gestern in Wulffs Haus treffen wollen, die Sache dann aber wegen großen Medienauflaufs auf heute verschoben. Wulff habe sich komplett kooperativ gezeigt.

Als Strafverteidiger bin ich hellauf begeistert von so viel behördlichem Fingerspitzengefühl. Hier wird dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz einmal in höchstem Maße Genüge getan. Und es wird vor allem respektiert, dass ein Beschuldigter auch freiwillig das gesuchte Material herausgeben kann, um eine Durchsuchung abzuwenden.

Nachdenklich stimmt mich nur, dass diese Rücksichtnahme ausgerechnet gegenüber einem Mann geübt wird, der mal die Nr. 1 im Lande Niedersachsen war. An einen Zufall kann ich da nicht so recht glauben, dafür ist das Verhalten der Staatsanwaltschaft Hannover doch zu weichgespült. Selbst wenn man berücksichtigt, dass der Beschuldigte schon längere Zeit von Ermittlungen weiß. Denn das tun andere sehr häufig auch.

Die tägliche Praxis, auch in Wirtschaftsverfahren, sieht jedenfalls anders, als es die Gentlemen unter den Strafverfolgern jetzt demonstrieren. Da lässt es sich praktisch kein Staatsanwalt nehmen, unangekündigt in Privaträumen und Büros des Beschuldigten nach Beweismitteln zu suchen. Und das nach Möglichkeit unter Ausnutzung des gerade noch möglichen Überraschungseffekts. Was heißt, die Aktion findet auch dann um halb sieben Uhr morgens statt, selbst wenn der Betroffene eben nicht ahnungslos ist.

Auf einen richterlichen Beschluss wird schon gar nicht verzichtet. Man stelle sich nur mal vor, der Beschuldigte schaltet während des Besuchs auf Verweigerung und verweist die Ermittler des Hauses. Auf Gefahr im Verzuge werden diese sich dann nicht berufen können. Sie hatten ja genug Zeit, sich einen Beschluss zu besorgen…

Vor allem lassen sich Ermittler normalerweise auch nicht so lange Zeit. Wulffs Rücktritt liegt jetzt schon mehr als zwei Wochen zurück. Seitdem hatten die Ermittler die Möglichkeit, bei ihm vorbeizuschauen. Das ist ein fast absurd langer Zeitraum. Schon deswegen, weil auch bei einem Bundespräsidenten a.D. nun mal nicht ausgeschlossen werden kann, dass er Dokumente frisiert oder verschwinden lässt.

Es ist also kaum damit zu rechnen, dass die Wulffsche Vorzugsbehandlung, nennen wir sie mal Ehren-Hausdurchsuchung, demnächst auch dem einfachen Volk zu Gute kommt. Um so trauriger, dass er sie erfährt.

Früherer Beitrag zum Thema

E WIE ERBÄRMLICH

Werbung muss in Grenzbereiche vorstoßen, wenn sie wahrgenommen werden will. Genau das haben bestimmt auch die Macher einer Kampagne des Stromanbieter E WIE EINFACH gedacht. Aber wer übers Limit geht, muss halt auch mit Kritik, Spott und Häme rechnen. Bei einem Spot der Firma geht es auf Youtube derzeit jedenfalls rund…

Der Clip zeigt ein attraktives Pärchen im Bett. Da das Video wohl vorhin auf privat geschaltet worden ist, hier ein alternativer Link zu Vimeo. Zum Inhalt: Sie wälzt sich herum und beklagt sich bei ihrem Partner. Der hat ein simples Rezept gegen Schlaflosigkeit. Eine derbe Kopfnuss, welche die Frau bewusstlos zusammenbrechen lässt. Alles eben E WIE EINFACH – oder doch nur sexistisch, gewaltverherrlichend und strunzdämlich? Letzteres meinen jedenfalls die meisten Kommentatoren auf Youtube.

Leser haben gefragt, ob der Spot nicht nur geschmacklos ist, sondern vielleicht auch strafbar ist. Einige Vorschläge für Straftatbestände, die erfüllt sein könnten: Beleidigung, Volksverhetzung, Anleitung zu Straftaten, Gewaltdarstellung. Ich sag’s in aller Kürze mal so: Ein Staatsanwalt müsste sich schon sehr verbiegen, um den Clip unter ein Strafgesetz zu zwängen. Das Strafrecht ist halt – zum Glück – nicht dafür da, alles Unerfreuliche aus der Welt zu schaffen. 

Gleiches gilt übrigens auch für den für den umstrittenen Kalender der Deutschen Polizeigewerkschaft (der Link führt zu allen Motiven).

Kleine Geldstrafe kostet Beamtenjob

Ein Polizist, der wegen Beihilfe zur Ausübung der verbotenen Prostitution verurteilt wird, darf aus dem Dienst entfernt werden. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg bestätigt mit diesem Urteil eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Stuttgart. 

Streitpunkt in dem Verfahren war (auch) der Umstand, dass die Strafe für den Bundespolizisten nicht sonderlich hoch ausgefallen war. Er musste lediglich eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen á 20 Euro zahlen. Zwingend endet das Dienstverhältnis eines Beamten nur, wenn dieser zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt wird. Hier war also noch deutlich Luft nach oben.

Hinzu kommt, dass die Ausübung der verbotenen Prostitution nichts mit Zuhälterei oder Gewaltdelikten zu tun hat. Es geht hier (lediglich) darum, dass dem Gewerbe innerhalb eines Sperrbezirks oder zu Uhrzeiten nachgegangen wird, für die das Ordnungsamt Prostitution untersagt hat.

Dennoch meint der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, der Beamte sei untragbar. Er habe ein außerdienstliches Dienstvergehen begangen, das nach den Umständen des Einzelfalles in besonderem Maße geeignet sei, Achtung und Vertrauen in einer für sein Amt oder das Ansehen des Beamtentums bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen.

Die Allgemeinheit erwarte von einem Polizeibeamten Gesetzestreue. Damit sei es unvereinbar, dass er sich aktiv durch Förderung der verbotenen Prostitution im Rotlichtmilieu betätige und strafrechtlich auffalle.

Außerdem legt der Verwaltungsgerichtshof dem Betroffenen neue Umstände zur Last. So habe er vertrauliche dienstliche Unterlagen über ihm bekannte Personen zu Hause aufbewahrt und seinen Dienstausweis nicht zurückgegeben. Zudem habe er sich vertraglich als Kleindarsteller für einen Pornofilm verpflichtet, ohne eine Nebentätigkeitsgenehmigung zu haben.

VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27. Februar 2012, Aktenzeichen DB 13 S 2533/11