Mietkaution wächst auf 100.000 Euro

Mietverträge sind ja meist keine unterhaltsame Lektüre. Aber beim Auszug kann es sich für Mieter durchaus lohnen, mal einen Blick auf diverse Vertragsklauseln zu werfen. Insbesondere jene über die Mietkaution, wie ein vom Amtsgericht Köln aktuell entschiedener Fall zeigt. Nach dem Ende eines 60-jährigen Mietverhältnisses über eine ganz normale Wohnung ging es darum, ob die Kaution 600 Euro beträgt, was der Höhe nach zu erwarten gewesen wäre. Oder aber stolze 100.000 Euro.

Letzteren Betrag forderte die Tochter der verstorbenen Mieter als Erbin ein. Was zunächst mal abenteuerlich klingt, hat aber einen greifbaren Hintergrund. In dem Mietvertrag aus dem Jahr 1960 war nämlich festgelegt, dass die Vermieterin, eine Wohnungsgesellschaft, die Kaution nicht wie üblich auf ein Sparkonto einzahlt. Sie durfte die Kaution in Aktien anlegen, was auch geschah.

Bei einem Umzug in eine andere Wohnung der Vermieterin wurde die Kaution im Jahre 2005 umgeschrieben, über die Jahre zahlte die Firma immerhin die Aktiendividenden an die Mieter aus. Das waren bis 2017 rund 6000 Euro, die mit der Miete verrechnet wurden. Die Aktien wollte die Vermieterin zum Vertragsende aber nicht herausgeben. Sie berief sich darauf, dass ihr nach dem Vertrag ein Wahlrecht zusteht, lediglich 600 Euro wollte sie auszahlen.

Das Amtsgericht Köln gab der Erbin der Mieter recht. Zwar seien früher an sich nur Spareinlagen als Sicherheit zulässig gewesen, doch habe sich der Vertrag beim Umzug im Jahre 2005 erneuert. Zum damaligen Zeitpunkt war es aber schon zulässig, dass Mieter und Vermieter eine andere Anlageform für die Kaution vereinbaren. In jedem Fall, so das Amtsgericht, gelte aber der Rechtsgedanke des § 551 BGB in der heute gültigen Fassung. Danach steht ein Gewinn bei einer Kaution auf jedem Fall dem Mieter zu. Die Klägerin hat also Anspruch auf die rund 100.000 Euro, wobei das Urteil noch nicht rechtskräftig ist (Aktenzeichen 203 C 199/21).

Tippeldidipp

Keine richterliche Vernehmung ohne Protokoll. Meist sitzt eine Justizmitarbeiterin am Computer und schreibt mehr oder weniger fleißig mit.

So war es auch vor einigen Tagen bei einem Ermittlungsrichter im Ruhrgebiet. Meine Mandantin machte eine anderthalbstündige Aussage. Das ging recht flüssig, denn der Richter musste seiner Mitarbeiterin nichts diktieren. Die haute vielmehr freiwillig und ausdauernd in die Tasten. Offenbar ein eingespieltes Team.

Als die Mitarbeiterin das Protokoll ausdruckte, kam allerdings überraschend wenig Papier aus dem Drucker. Genau genommen war es nur der Textbaustein mit den Belehrungen und dem nüchternen Satz: „Zur Sache äußere ich mich wie folgt:“ Danach gähnende Leere – bis zum Unterschriftenfeld.

„Ich dachte, Sie schreiben mit“, sagte der Richterin zur Mitarbeiterin. Die wiederum schaute ihn an und sagte: „Und ich dachte, Sie diktieren mir, was ins Protokoll soll.“ Wie sich herausstellte, hatte die Dame in einem zweiten Bildschirmfenster Mails beantwortet und dienstliche Formulare ausgefüllt. War ja genug Zeit, da ihr der Richter nichts diktierte.

Der zweite Anlauf brauchte nur ungefähr die Hälfte der Zeit, dann hatten wir ein vernünftiges Protokoll. Das vermeintlich eingespielte Team trennte sich nach getaner Arbeit grußlos.

„Taschengeld“

Sex gegen Geld ist in Deutschland nicht verboten. Dennoch kann man sich natürlich strafbar machen, wenn die Anbieterin / der Anbieter noch nicht volljährig ist.

In einem Verfahren ging es darum, ob mein Mandant erkennen konnte, dass die von ihm aufgesuchte Frau noch nicht volljährig war. Viele Anhaltspunkte gab es dafür nicht. Die Anzeige der Frau in einem großen und doch eher seriösen Anzeigenportal war recht professionell gestaltet, zu ihrem Alter hatte sie in den Bestandsdaten für den Verlag kreativ geschummelt. Selbst die Polizistin, welche die Frau befragte, wollte sich nicht darauf festlegen, dass ein Kunde nach Aussehen und Verhalten die Minderjährigkeit der Frau hätte erkennen können.

Am Ende stützte die Anklagebehörde ihren Vorwurf im Kern nur noch auf einen Umstand. Hierzu fand das Amtsgericht im fast unausweichlichen Freispruch deutliche Worte:

Ausgehend von dem Text der Anzeige bestand für den Angeklagten keine Veranlassung, dass diese von einer Minderjährigen stammen könnte. Entgegen der Ansicht der Staatsanwaltschaft bedeutet der Ausdruck „Taschengeld“ in den einschlägigen Kontaktanzeigen auch nicht, dass der/die Anzeigende ein Kind oder ein/e Jugendliche/r ist. Vielmehr handelt es sich bei dem Ausdruck „Taschengeld“ um einen Hinweis darauf, dass der für die „Dienste“ gezahlte Betrag nicht versteuert werden soll und der/die Anzeigende kein/e Prostiuierte ist.

Fast überflüssig zu erwähnen: Die Staatsanwaltschaft hat Berufung eingelegt.

„Verwählt“

Heute morgen hatte ich eine sehr lange Besprechung, Mails habe ich in der Zeit nicht gelesen. Umso erstaunter war ich über eine stattliche Liste von Rückrufbitten. Nicht wegen der Anrufe, sondern wegen der Leute, die mit mir sprechen wollten. Nachlassgerichte, Amtspflegerinnen, ein Notar und etliche Leute, von denen ich noch nie etwas gehört habe, die aber – zum Beispiel – auf meinen Besuch in der Geschlossenen warten.

Wie sich herausstellte, hatte eine Anwaltskollegin ihre Anrufe auf eine andere Nummer umleiten wollen. Eine kleiner Zahlendreher, so kamen wir in den Genuss der Anrufe für Ihre Kanzlei. Immerhin ließ sich dann eruieren, um welche Juristin es wohl geht. Bevor wir aber Kontakt aufnehmen konnten, war sie auch schon in der Leitung und klärte das Versehen auf.

Ich habe ihr alle Anrufe für den Zeitraum, der knapp vier Stunden umfasste, weitergeleitet. Nach der Zahl der Anrufe scheint das Geschäft gut zu laufen. Nun habe ich etwas gut, wenn ich mal was über Erbrecht oder Familienrecht wissen möchte.

Die Freundin meint auch, es war ein Joint

Manche Strafanzeigen kommen wirklich von einem anderen Stern. Zum Beispiel jene einer Berufsschülerin, die ihren Lehrer beim Genuss eines Joints ertappt haben will. Im pandemiebedingten Online-Unterricht, zu Beginn der zweiten Schulstunde um 8.51 Uhr.

Als Beleg präsentierte sie auf der Polizeiwache einen sehr verwaschenen Screenshot. Dieser zeigt meinen Mandanten in der Tat mit etwas in der Hand, das man üblicherweise raucht. Sie sei sicher, das war ein Joint, erklärte die Zeugin dem Polizeibeamten. Ihre beste Freundin meine auch, es könne sich nur um Drogen gehandelt haben. Außerdem wisse sowieso jeder in der Schule, dass der Lehrer in zwielichtigen Lokalen verkehrt.

Gut, immerhin kam es nicht zu einer Hausdurchsuchung, vielleicht, weil das Geruchsfernsehen noch nicht erfunden und die sonstige „Beweis“kette doch eher große Löcher hat. Ich habe folgende Stellungnahme abgegeben:

Mein Mandant konsumiert keine Betäubungsmittel.

Es handelte sich um eine selbstgedrehte Zigarette.

Leider ist meinem Mandanten in der Situation entgangen, dass die Online-Übertragung für die zweite Schulstunde schon lief, deshalb war er ganz kurz mit der Zigarette zu sehen. Selbstverständlich achtet mein Mandant darauf, dass er während des Online-Unterrichts nicht rauchend zu sehen ist. Dass ihm dies gelingt zeigt sich ja auch daran, dass die Anzeigenerstatterin selbst nur einen Vorfall präsentiert; ansonsten hätte sie sicher mehr Screenshots präsentiert.

Da es sich nicht um Betäubungsmittel handelte, hat sich mein Mandant sich nicht strafbar gemacht.

Im übrigen ist selbst der – sofortige – Konsum von Betäubungsmitteln nicht strafbar.

Die sonstigen lebhaften Spekulationen der Zeugin sollen nicht kommentiert werden. Sie sprechen für sich, auch wenn mein Mandant nicht weiß, was er der Zeugin getan hat.

Einstellung mangels Tatverdachts.

Kommt Zeit, kommt Rat

Manchmal erschreckt der Blick in den Terminkalender. Wie soll ich das alles schaffen? Oder sagen wir, das war einmal. Nach nun fast drei Jahrzehnten als Strafverteidiger kann ich es mit Fug und Recht so machen, wie es beispielsweise Airlines mit Überbuchungen halten. So wie (fast) niemals alle Passagiere erscheinen, so sicher fällt auch ein Drittel bis zur Hälfte der angesetzten Termine ohnehin kurzfristig aus.

Das liegt nicht nur an der Pandemie, auch wenn das Phänomen ein Turbo für die Aufhebungsquote war. Hier ein kleines Beispiel für einen typischen Ablauf. In einem Verfahren gegen zwei angebliche Schläger verteidige ich einen der Angeklagten. Fünf Tage vor dem Verhandlungstermin erfuhr ich über einen Verbindungsbeschluss, dass dem Verfahren andere Vorwürfe angehängt werden. Und zwar zwei Anklagen, die wohl auch noch gegen den anderen Angeklagten liefen. Diese sollen offenbar nun der Einfachheit halber mit erledigt werden.

Nun ja, wenn Verfahren verbunden werden, dann kann ich als Verteidiger nicht sagen: Gericht und Staatsanwaltschaft versichern dir, dass die neuen Vorwürfe gar nicht deinen Mandanten betreffen. Das muss ich schon selbst überprüfen – dafür gibt es ein Akteneinsichtsrecht. Außerdem soll ich ja die ganze Zeit dabei sitzen, wenn die anderen Sachen nun in unserem Verfahren verhandelt werden. Da würde ich schon gerne wissen, um was es geht. Ich verband meinen Verlegungsantrag natürlich mit einem Akteneinsichtsgesuch. Der Termin wurde wenig überraschend aufgehoben.

Eine knappe Woche vor dem Termin habe ich jetzt die Akte noch mal durchgesehen. Und stellte fest, dass ich immer noch keine Akteneinsicht erhalten habe. Da bleibt mir nichts anderes übrig, als das Versäumnis erneut zu rügen. Mit der Folge, dass mit einiger Sicherheit nicht verhandelt werden kann. Diesen Termin kann ich also schon mal in Gedanken abhaken. Die betreffende Woche sieht da schon deutlich weniger abschreckend aus, und morgen ist ja auch noch ein Tag…

Versager, Feiglinge, Dummköpfe, Faulenzer

Der Münchner Rechtsanwalt und frühere BGH-Vorsitzende Thomas Fischer nimmt sich das Enthüllungswerk eines Amtsrichters aus Dinslaken vor. Des Richters neues Buch heißt „Wo unsere Justiz versagt – Von Messerstechern, Kinderschändern und Polizistenmördern. Ein Richter deckt auf“. Es ist das Nachfolgewerk einer ersten Aufklärungsschrift des betreffenden Richters aus dem Jahr 2019. Diese trug den Titel „Urteil: ungerecht. Ein Richter deckt auf, warum unsere Justiz versagt“.

Fischer bricht das neu Buch und wohl auch gleichzeitig das alte, auf seinen wesentlichen Inhalt herunter:

Streng blickt Richter Schleif dem Feind ins Auge. … Das Landgericht Duisburg, das Herrn Amtsrichter Schleif instanzmäßig übergeordnete Gericht, besteht, soweit es seine Strafkammern betrifft, durchweg aus Versagern, Feiglingen, Dummköpfen und Faulenzern. Diese produzieren „gequirlte Scheiße“ ohne Unterlass, fördern das Verbrechen, statt es zu bekämpfen, und zerstören das Ansehen der Justiz. Ein letztes Bollwerk gegen das Chaos sind Richter Schleif und die ihm dankbare Polizei. Das wird man ja wohl noch sagen dürfen!

Auch ansonsten ist die Rezension zwar sehr lang, aber ebenso vergnüglich zu lesen: hier.

Mit Bargeld beworfen

In der Gemeinde Pfinztal (Landkreis Karlsruhe) wurde im September 2021 ein Lokalpolitiker attackiert. Mitten in der Sitzung des Gemeinderates warf ein Mann Gegenstände auf den CDU-Politiker und traf ihn nach dessen Angaben „mit einer ziemlichen Wucht“. Besonders an dem Fall ist das Tatwerkzeug. Der Angreifer warf mit säuberlich gebündelten 20.000 Euro.

Etwas überraschend stellte die Polizei fest, bei den Geldscheinen handelt sich um echtes Geld. Dass das Bargeld dem Täter rechtmäßig gehört, steht ebenso außer Frage. Wie der Lokalpresse zu entnehmen ist, ist das Motiv des Mannes unklar. Er soll psychisch auffällig sein, so dass es in dem Prozess um eine Unterbringung gehen dürfte. Ansonsten müssten eine weitgehend folgenlose Körperverletzung und ein möglicher Hausfriedensbruch kaum vor dem Landgericht verhandelt werden.

Juristisch interessant ist, was mit den Geldscheinen passiert. Die sind recht unzweifelhaft ein Tatwerkzeug, und Tatwerkzeuge können nach aktuellem Recht ziemlich problemlos eingezogen bzw. hier im wahrsten Sinne des Wortes einkassiert werden. Der Protest könnte also deutlich teurer werden, als es sich der Betroffene vielleicht ausgemalt hat. Aber vielleicht hilft dem Verdächtigen noch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (§ 74f StGB). Die Einziehung darf nämlich nicht zu einer übermäßigen Härte führen. Das wiederum kann man natürlich so, aber auch ganz anders sehen.

Wechselwirkung

Wenn das Gericht gegen den Angeklagten Sicherungsverwahrung verhängt, muss es zumindest über eine niedrigere Freiheitsstrafe nachdenken. Laut einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs besteht zwischen Strafe und Sicherungsverwahrung eine Wechselwirkung, die „in den Blick genommen“ werden müsse.

Wegen Vergewaltigung einer 11-jährigen, bei der er eine Wolfsmaske trug, war ein Mann vom Landgericht München zu zwölf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden, zuzüglich Sicherungsverwahrung. Im Urteil finden sich aber keine Ausführungen dazu, in welchem Verhältnis die Anordnungen stehen. Das sei aber erforderlich, so das Karlsruher Gericht. Fehle die Abwägung, sei nicht auszuschließen, dass die Strafe zu hoch ausfalle. Die Rechtsfolgen des Urteils müssen nun vom Landgericht München neu festgesetzt werden (Aktenzeichen 1 StR 455/21).

Muss man einen Ausweis dabei haben?

Heute rief mich ein Mandant an, der eine Diskussion mit einem Bundespolizisten hatte. Der Beamte wollte meinen Mandanten am Hauptbahnhof kontrollieren, aber der hatte seinen Perso nicht dabei. Und auch kein sonstiges Ausweispapier. Das gehe so nicht, erfuhr mein Mandant. Er könne von Glück reden, dass er nicht wegen Verstoßes gegen die Ausweispflicht aufgeschrieben werde, denn das könne teuer werden.

Nun ja, der Mandant wirkte offenbar nicht so wahnsinnig verdächtig. Er durfte einfach so gehen. Doch das mit der angeblichen Ausweispflicht ging ihm nicht aus dem Sinn, so dass er lieber mal bei mir nachfragte.

Ich will es kurz machen. Tatsächlich gibt es in Deutschland eine Ausweispflicht. Das heißt, jeder muss ein gültiges Ausweispapier vorzeigen können. Das sind bei Deutschen entweder Personalausweis oder Reisepass, bei Ausländern deren Papiere aus dem Heimatstaat oder ggf. ein Ausweisersatzpapier (Duldung etc.).

Die Ausweispflicht bedeutet aber entgegen landläufiger Meinung nicht, dass man außerhalb der eigenen vier Wände stets Perso oder Pass dabei haben muss. Das heißt, es ist keine Straftat, wenn man ohne Papiere angetroffen wird. Es ist auch keine Ordnungswidrigkeit, das heißt es kann nicht mal ein Bußgeld dafür geben. Einige Ausnahmen gibt es allerdings für diverse Berufe, zum Beispiel bei Arbeitnehmern in Schwarzarbeitsdomänen, etwa Gastronomie und Bau.

Aber für Privatleute sieht das Gesetz keine Sanktionen vor, wenn man sich nicht ausweisen kann. Das Risiko besteht allenfalls darin, dass man ggf. mit auf die Wache kommen muss, dann werden die Personalien dort geprüft. Datenbanken gibt es ja genug. Das Ganze kann natürlich einige Zeit dauern. Die Beamten können einen auch nach Hause kutschieren, wenn der Ausweis dort liegt. Dann kann ihn der Betreffende die Papiere zeigen – und zwar vor seiner Wohnungstür.

Ausweispflicht also ja, aber es gibt keine Mitführungspflicht für die Personalpapiere. Ich berechne dem Mandanten nichts, immerhin lieferte er mir die Idee für diesen Blogeintrag.

Die sehr geheime Bankverbindung

Mein Mandant soll bei der Ausfahrt aus einem Parkhaus die Schranke beschädigt haben. Angeblich vorsätzlich, deshalb erstattete die Firma eine Strafanzeige. Allerdings kann man ja auch fahrlässig was kaputt machen – und fahrlässige Sachbschädigung ist interessanterweise nicht strafbar.

Das sah offensichtlich auch der zuständige Strafrichter. Er gab sich nach meiner schriftlichen Stellungnahme salomonisch. Sein Vorschlag: Mein Mandant ersetzt den Schaden, das Verfahren wird daraufhin ohne Komplikationen eingestellt. Keine schlechte Idee auch für meinen Auftraggeber. Immerhin lösen sich damit auch die eventuellen Schadensersatzansprüche der Firma in Luft auf. Eventuelle Zivilsache also sofort miterledigt.

Die Sache wäre nun schnell ad acta zu legen gewesen – wenn mein Mandant sein Geld loswerden könnte. Auf der Internetseite der Firma wird die Bankverbindung nicht genannt. Auch Google findet nichts. Ich rief also bei der Firma an. Und scheiterte wirklich kläglich. Zwar verband mich die Zentrale mit insgesamt drei Mitarbeitern. Einmal Buchhaltung, einmal Controlling und ganz zum Schluss mit dem Parkplatzwärter vor Ort, weil sich in der Geschäftsführung niemand meldete. Keiner hatte jedoch die Chuzpe, mir die Bankverbindung zu sagen. Dafür weiß ich jetzt viel über hausinterne Vorschriften, Datenschutz und dass man ja nicht wissen könne, wer ich jetzt genau bin und was ich mit einer IBAN alles anstelle könnte.

Das klang irgendwie stark danach, dass auch ein Brief von mir im Zweifel unbeantwortet bleibt. Damit sich die Sache jetzt noch nicht Monate zieht, habe ich den Richter gebeten, dass er die Attacke mit amtlichem Briefkopf und Dienstsiegel führt. Ich schätze seine Erfolgsaussichten auf etwa 50 %.

Freispruch – aber nicht schriftlich

Ein Freispruch ist immer eine erfreuliche Sache. Jedenfalls für den Angeklagten und seinen Verteidiger. Auch wenn das Urteil am Ende der Hauptverhandlung verkündet und vom Richter (mündlich) begründet wird, werden sich die meisten Angeklagten natürlich auch für die schriftliche Begründung interessieren, ebenso der Verteidiger. Das bedeutet aber keineswegs, dass der Angeklagte die schriftlichen Urteilsgründe erhält. Im Gegenteil…

… gibt es interessanterweise keine Regelung, welche das Gericht oder eine andere Stelle verpflichtet, dem freigesprochenen Angeklagten die schriftliche Urteilsbegründung zukommen lassen. Selbst dann nicht, wenn die Staatsanwaltschaft und eventuell sogar ein Nebenkläger Berufung oder Revision eingelegt haben und das Rechtsmittelverfahren damit munter läuft.

Seltsamerweise muss der freigesprochene Angeklagte auch nicht darüber informiert werden, ob die Staatsanwaltschaft oder ein Nebenkläger Rechtsmittel eingelegt haben. In der Praxis passiert das auch dann meist nicht. Wenn der Angeklagte also nicht aktiv nachhakt, kann es sein, dass das Rechtsmittelverfahren munter im Hintergrund läuft – während er sich noch über seinen Freispruch freut. Es kann Monate dauern, bis dann überraschend die Ladung zu einer Berufungsverhandlung eintrudelt. Oder das Revisionsgericht dem Angeklagten die Revisionsbegründung der Staatsanwaltschaft zustellt – mit der vom Gesetz widerum sehr üppig bemessenen Stellungnahmefrist von einer Woche.

Wenn man als Angeklagter nicht auf die Nase fallen will, sollte man im Falle eines Freispruchs also am Ball bleiben. Und eine Kopie der Urteilsgründe beantragen. Auf Antrag muss das Urteil dann nämlich übersandt werden, und das sogar gratis. Ohnehin kann es ja nicht schaden, wenn man es auch für die Zukunft schwarz auf weiß hat, dass sich die Anklage im positiven Sinne erledigt hat.

Handy´s sind so viel mehr

Als Richter bzw. Justizverwaltung hat man halt auch die Deutungshoheit darüber, was was ist und was Besucher nicht ins Gerichtsgebäude mitbringen dürfen. So heißt es im Begleitschreiben zu einer Terminsladung etwa:

Ist halt alles Auslegungssache. Über die Schreibweise von „Handy`s“ in einem Formular, das täglich wahrscheinlich dutzende Male verschickt wird, schweigen wir ohnehin besser. Wenn der Zusatz verschwindet, ist die Corona-Pandemie übrigens offiziell vorbei.

Punktlandung

Wenn ich am Landgericht Düsseldorf Termine habe, bin ich nicht aufs Auto angewiesen. Die Straßenbahn fährt bei uns direkt vor der Tür ab, und sie spuckt mich nach Minuten am Oberbilker Markt aus, wo das Gericht nun schon etliche Jahre angesiedelt ist. So musste einige Zeit vergehen, damit ich mitbekomme, dass man es mit dem Feierabend gerade im angeschlossenen Parkhaus sehr ernst nimmt.

Pünktlich um 19 Uhr gibt’s dort für „normale“ Kunden keinen Zugang mehr. Was ich neulich schmerzhaft zu spüren bekam, weil sich eine Verhandlung bis weit nach 20 Uhr streckte. Ich war ausnahmsweise mit dem Auto da, fand aber das Parkhaus verrammelt und verriegelt vor. Immerhin rettete mich und die anderen Zuspätgekommenen der Protokollführer unserer Verhandlung. Der hat als Mitarbeiter einen Chip, mit dem er jederzeit ins Parkhaus gelangen kann.

Heute hatte ich einen ähnlichen Termin, für kurz nach 18 Uhr war die Urteilsverkündung angesetzt. Nach fünf Verhandlungstagen lag es durchaus nahe, dass der Vorsitzende einige Zeit für die Begründung braucht. Ich fragte deshalb vorher nach, ob er noch zehn Minuten warten kann, bis ich mein Auto umgeparkt habe. Nicht nötig, meinte er. Und hielt dann tatsächlich auch Wort. Um 18.46 Uhr war er mit der Begründung fertig.

So lässt sich’s arbeiten.

Gerichte: Strafzinsen sind unzulässig

Zu den größten Ärgernissen für Sparer gehört derzeit der Umstand, dass Bankguthaben von selbst schrumpfen. Denn die meisten Banken berechnen neuerding auf Guthaben ein sogenanntes „Verwahrentgelt“, also einen Strafzins von meist 0,5 % pro Jahr. Die Freibeträge betragen mitunter gerade mal 5.000 €. Doch die Banken spüren auch juristischen Gegenwind. Nach dem Landgericht Berlin hat auch das Landgericht Düsseldorf den Strafzins für unwirksam erklärt (Aktenzeichen 12 O 34/21).

Der Verbraucherzentrale Bundesverband hatte gegen ein Verwahrentgelt der Volksbank Rhein-Lippe geklagt – und bekam nun recht. Die Richter halten den Strafzins neben den normalen Kontoführungsgebühren für unzulässig. Die Bank erbringe nur eine Leistung, verlange aber faktisch eine doppelte Gegenleistung. Den Kunden bleibe auch keine Wahl, ob sie die „Zusatzleistung“ des Verwahrentgelts annehmen oder nicht.

Auch das Landgericht Berlin hat Verwahrentgelte schon beanstandet, nämlich die der Sparda-Bank (Aktenzeichen 16 O 43/21),. Auch hier hatten die Verbraucherschützer geklagt. Die Urteile aus Düsseldorf und Berlin sind noch nicht rechtskräftig, andere Gerichte haben Strafzinsen auch schon als möglich eingestuft. Am Ende wird wohl der Bundesgerichtshof Klarheit schaffen müssen. Bis dahin dürfte aber noch einige Zeit vergehen.