Mehr können sie nicht

Ich kann es gut verstehen, wenn Polizeibeamte einen besoffenen Beschuldigten nicht vernehmen wollen. So ging es jetzt einem Mann, der mit 4,4 Promille auf der Polizeiwache in Daun erschien. Er wurde wieder weggeschickt, weil ihn die Beamten – zu Recht – als vernehmungsunfähig einstuften.

Was an der dazu gehörigen Meldung von Spiegel online aber auffällt und vielleicht mal wieder zu einer kleinen Klarstellung Anlass gibt, ist folgender Satz:

Der Mann muss nun erneut auf dem Revier vorstellig werden – dann allerdings nüchtern.

Dem Betroffenen wird nach dem Bericht zur Last gelegt, schwer angesäuselt Mofa gefahren zu sein. Das ist eine Straftat, deshalb hat der Mann den Status eines Beschuldigten. Ein Beschuldigter muss aber gar nichts. Er muss nicht mit der Polizei sprechen, wenn er nicht will. Und schon gar nicht muss er auf einer Wache erscheinen, wenn die Polizei ihn befragen möchte.

Gleiches gilt übrigens auch für Zeugen. Auch Zeugen müssen nicht mit der Polizei reden – auch wenn Beamte nach meiner Erfahrung oft den gegenteiligen Eindruck erwecken. Als Zeuge muss man nur bei der Staatsanwaltschaft aussagen, nicht aber bei der Polizei.

Zurück zum Fall. Es kann natürlich sein, dass der Mann sich zu dem Tatvorwurf äußern will. Das ist sein gutes Recht. Aber richtiger wäre es dann zu schreiben, dass die Beamten den Mann gebeten haben, beim nächsten Mal nüchtern zu kommen.

Mehr können sie nämlich nicht.

(Danke an Alexander S. für den Hinweis)

Letzter Aufruf

Vor kurzem habe ich auf eine einfache Möglichkeit hingewiesen, den finanziell klammen Piraten im Wahlkampf mit einer konkreten Aktion zu helfen. Es gibt die Möglichkeit, ein Großplakat für Schleswig-Holstein oder Nordrhein-Westfalen zu spenden, das dann an mehr oder weniger prominenter Stelle in der Stadt die Waschmittelwerbung ersetzt.

Zunächst vielen Dank an alle, die bereits mitgemacht haben. Die Zahl der Buchungen ging über Tage steil nach oben; es werden sogar Plakate nachgedruckt.

Für Schleswig-Holstein (Landtagswahl am 6. Mai) nähert sich jetzt die Deadline für Plakatbuchungen. Es sind noch Plätze frei, die bis allerspätestens Montag, 15 Uhr, zu haben sind. Die Plakate kosten zwischen 60 und 400 Euro. Alle Plakate werden bis zur Wahl hängen, so dass optimale Wirkung garantiert ist. Die Piraten haben eine Liste der noch freien Locations veröffentlicht, die “Most Wanted” sind gesondert markiert.

Gebucht werden können die steuerlich absetzbaren Last-Minute Spenden hier, natürlich auch noch für die Landtagswahl in NRW am 13. Mai.

Ständig über die Schulter schauen?

Dieser Satz fehlt in keiner Filesharing-Abmahnung:

Selbst wenn Sie die Urheberrechtsverletzung nicht selbst begangen haben, haften Sie als sogenannter Störer. Es ist nämlich Ihre Aufgabe als Anschlussinhaber, darauf zu achten, dass Dritte über Ihren Internetanschluss keine Urheberrechtsverletzungen begehen…

Das wird gern mit dem Hinweis auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (“Sommer unseres Lebens”) untermauert, in der das Vorstehende höchstrichterlich festgelegt sein soll. Nur – was die Abmahnanwälte behaupten, stimmt schlicht nicht.

Das erfahren wir nun aus dem Penthaus der deutschen Justiz. Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts ist nämlich die Frage, ob und wie der Inhaber eines Internetanschlusses andere Nutzer kontrollieren muss, gerade noch nicht höchstrichterlich geklärt. Deswegen verweist das höchste deutsche Gericht einen Rechtsstreit zurück an das Oberlandesgericht Köln, damit man sich dort noch mal Gedanken macht.

Die Kölner Richter hatten einen Polizisten wegen einer Urheberrechtsverletzung verurteilt, die er gar nicht selbst begangen hatte. Vielmehr hatte der 20-jährige Sohn seiner Lebensgefährtin Songs aus einer Tauschbörse geladen.

Das Oberlandesgericht Köln verweigerte dem Beklagten die Revision zum Bundesgerichtshof. Zu Unrecht, wie das Bundesverfassungsgericht nun feststellt. Die Karlsruher Richter zählen die bisher ergangenen Urteile von Oberlandesgerichten zur Haftung des Anschlussinhabers auf. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass es widersprüchliche Ansichten gibt, ob und in welchem Umfang der Anschlussinhaber den Internetzugang überwachen muss.

Mit dem erwähnten Urteil “Sommer unseres Lebens”, das vom Bundesgerichtshof und damit aus der höchsten Zivilrechtsinstanz stammt, kann das Verfassungsgericht nichts anfangen. Diese Entscheidung passe überhaupt nicht zur Fragestellung, denn sie beschäftige sich nur mit der Sicherung des WLANs nach außen. Ob und inwieweit ein Anschlussinhaber für Familie, Freunde und Besucher einstehen muss, die er wissentlich seinen Anschluss nutzen lässt, sei eine ganz andere Thematik.

Wegen der offenen Rechtsfrage habe das Oberlandesgericht Köln die Revision nicht ausschließen dürfen, befindet das Verfassungsgericht. Nun ist es wahrscheinlich, dass die Revision tatsächlich zugelassen wird.

Ich rechne nicht damit, dass die Abmahnanwälte bis zu einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs auf ihre liebegewordenen Textbausteine verzichten. Aber immerhin ist es nun doppelt sinnvoll, bei der Ablehnung der Ansprüche darauf hinzuweisen, dass es im Haushalt Dritte gibt, die den Internetanschluss nutzen dürfen – auch wenn ihnen der Abgemahnte nicht ständig über die Schulter schaut.

Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 13. April 2012, Aktenzeichen 1 BvR 2365/11

Düsseldorfer Behörde soll nur kurz die Welt retten

Eine phantastische Neuigkeit irrlichtert im Internet. Wer auch immer irgendwo in Deutschland irgendwelche Schwierigkeit mit irgendeiner Obrigkeit von Justiz und Polizei hat, so heißt die Botschaft, kann in Düsseldorf auf Lösung hoffen. Nur dort sei eine ganz bestimmte Behörde zuständig, die bundesweit solche Probleme prüft und regelt. Das Wunder-Amt soll die Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf sein.

Dort kennt man zwar die Mär, hat aber selbst nichts damit zu tun. Irgendwann hat irgendwer sie mit amtlich wirkenden Formulierungen in die Welt gesetzt. Genau gesagt mit dem ominösen „Artikel III der Verordnung Nr. 47 vom 30. August 1946“. Damit habe die britische Militärregierung – „vertreten durch die Sowjetische Militärverbindungsmission in Deutschland“ – der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf sozusagen eine generelle Vollmacht erteilt und ihr die „Dienst-, Fach- und Sachaufsicht“ über die deutsche Gerichtsbarkeit übertragen.

Was so wundersam klingt, findet Gläubige: „Wenn Ihr Postzustellungsurkunden bekommt, der Gerichtsvollzieher oder die Polizei tätig wir – dann meldet das an die Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf!!!!!“, lautet beispielsweise eine Aufforderung in einem Internetforum. Verbunden ist sie mit der Beteuerung: „Wie uns mitgeteilt wurde ergreift man dann Maßnahmen !!!!!“

Manch einer glaubt tatsächlich an den schützenden Schirm, die magische Kraft der Düsseldorfer Behörde. Es gibt nämlich zunehmend Eingaben hilfesuchender Bürger. Erst waren es nur zwei, dann neun, inzwischen haben sich 25 Einsender gemeldet;  einer hat sogar 15 mal geschrieben.

Die Tendenz ist stark steigend. „Wir kriegen aber niemanden davon überzeugt“, seufzt Behördenvize Peter Lichtenberg, „dass wir diese Zuständigkeit gar nicht haben.“ Unter dem Aktenzeichen 2 AR 355/10 verschickt die Behörde an ratsuchende Bürger entsprechende Aufklärungsschreiben.

Wie das bei Behörden so ist, kriegte die Sache bei der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf ein Aktenzeichen. Eine eher suboptimale Idee. „Jetzt wird uns unter Berufung auf das Aktenzeichen geschrieben“, berichtet Lichtenberg, „und um amtliche Bestätigung gebeten“.

Selbstverständlich habe die Generalstaatsanwaltschaft geprüft, ob es die behauptete Vorschrift gebe. Mit dem Ergebnis: Die Verordnung gibt es nicht. Das lasse man die Schreiber nun auch höflich wissen. Aber mit dem bestimmten Zusatz: „Damit beenden wir jeden Schriftverkehr“.

Dennoch gibt es Entgegnungen. Die dann allerdings wirklich kommentarlos abgeheftet werden – in der stetig wachsenden Akte mit dem Zeichen 2 AR 355/10. Die Ermittler setzen nun auf öffentliche Aufklärung, um von künftigen Eingaben verschont zu werden. Denn sie haben durchaus anderes zu tun. (pbd)

Eine Frage der Moral?

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat heute sein Urteil zum deutschen Inzestparagrafen verkündet. Die Richter beanstanden es nicht, dass deutsche Gerichte einen Mann zu Haftstrafen verurteilten, weil er mit seiner leiblichen Schwester einvernehmlich Geschlechtsverkehr hatte und auch Kinder zeugte.

Die Begründung des EGMR bleibt merkwürdig an der Oberfläche. So ist einer der zentralen Sätze, das Menschenrecht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (und damit auch der Sexualität) sei durch die deutschen Strafurteile nicht verletzt, weil hierdurch berechtigte Anliegen verfolgt würden: der Sittenschutz und die Rechte Dritter.

Wieso das Strafrecht für die Moral zuständig ist, erläutern die Richter leider nicht. Was besonders auffällig ist angesichts des Umstandes, dass an anderer Stelle des Urteils ausführlich dargestellt wird, wie unterschiedlich Inzest in Europa gesehen wird. So gibt es etliche Länder unter den 47 Mitgliedern des Europarates, die Geschlechtsverkehr unter Verwandten nicht bestrafen. Trotzdem ist nichts darüber bekannt, dass in diesen Ländern die Sitten übermäßig lose sind oder gar Dritte zu Schaden kommen, sofern Geschwister sich körperlich lieben.

Trotzdem erkennt das Gericht einen europäischen Konsens in dem Punkt, dass Sexualität gerade zwischen Geschwistern nicht erwünscht ist. Das leitet der Gerichtshof daraus ab, dass die Geschwisterehe nirgends erlaubt ist. Allerdings scheinen die Richter dabei zu übersehen, dass Sex und Ehe in der heutigen Zeit nur noch bedingt etwas miteinander zu tun haben.

Bei anderen Bedenken verweisen die europäischen Richter darauf, das deutsche Bundesverfassungsgericht habe sein früheres Ja zum Inzestverbot im Jahr 2008  sorgfältig begründet. Und das, obwohl ausgerechnet der Senatsvorsitzende am Verfassungsgericht in einem Minderheitenvotum beachtliche Gegenargumente vorbrachte – und dafür wesentlich mehr Zustimmung bei den Fachleuten fand als die Entscheidung selbst.

Ein Beispiel ist das vom Bundesverfassungsgericht in den Mittelpunkt gestellte Argument, aus Verbindungen zwischen Geschwistern gingen vermehrt behinderte Kinder hervor. Das ist medizinisch wohl richtig. Allerdings ist das Risiko auch nicht dramatisch höher, als wenn Frauen über 40 schwanger werden. Oder wenn Behinderte miteinander Kinder zeugen. Wenn es um mehr als Moral ginge, müsste auch diesen Bevölkerungsgruppen Geschlechtsverkehr verboten werden – auf diesen Gedanken kommt aber zum Glück niemand.

Eine weitere Merkwürdigkeit, die auch das moralische Argument fraglich macht: Das deutsche Strafgesetzbuch verbietet nur den “Beischlaf”. Damit ist ausschließlich Vaginalverkehr gemeint. Anal- und Oralverkehr dürfen damit auch leibliche Geschwister haben, ohne dafür bestraft zu werden. Die sexuelle Selbstbestimmung schützt der Inzestparagraf übrigens gar nicht. Hierfür gelten die allgemeinen Vorschriften über sexuellen Missbrauch.

Der Kläger kann gegen das Urteil Rechtsmittel einlegen. Viel helfen wird es ihm persönlich allerdings kaum noch. Nach Presseberichten hat er seine Haftstrafe abgesessen, die Beziehung zu seiner Schwester ist in die Brüche gegangen.

Bearbeitungsgebühr, ja klar

Ein Ersatzakku für mein Unterwegs-Notebook wäre nicht schlecht. Dachte ich die Tage am Landgericht Berlin, als ich nach vier Stunden Verhandlung vor dem Protokollführer auf die Knie fallen und unter seinen Tisch robben musste – dort befand sich die einzige freie Steckdose im Sitzungssaal.

Also schaute ich auf der Homepage des Computerfabrikanten nach Ersatzakkus. 130 Euro berechnet die Firma für einen Akku. Ein ziemlich stolzer Preis, der mich prompt auf Abwege brachte. Warum nicht mal bei ebay schauen? Mir war schon klar, dass es dort nur billige Nachbauten gibt. Aber hey, selbst wenn der Akku nur die Hälfte der normalen Leistung bringt, als Reserve reicht das allemal.

Ich investierte moderate 45 Euro zuzüglich Versandkosten und bekam heute den Akku geschickt. Leider ließ ich mich von der anständigen Verpackung täuschen und steckte die Batterie einfach so ins Gerät. Hätte ich besser nicht machen sollen, denn die Kontaktschlitze am neuen Akku saßen völlig schief.

Was dazu führte, dass sich zwei Batteriekontakte im Notebook verbogen. Obwohl ich sonst zwei linke Hände habe, kriegte ich die Kontakte mit einer Pinzette wieder gerade gebogen. Noch mal gut gegangen, aber im Geiste hatte ich zwecks Frustvermeidung schon ein neues Notebook per Express geordert.

Nun ja, keine Aufregung. Immerhin habe ich den Akku ja privat bestellt und somit steht mir sogar ein Widerrufsrecht zu. Ich muss mich also gar nicht mit dem Verkäufer streiten, ob nun sein Akku oder mein Notebook eine Macke hat. Allerdings scheint der Geschäftsmann, Sitz ist in Berlin,  eine stattliche Zahl an Widerrufen zu haben. Denn in seiner Rechnung fand ich folgenden Hinweis:

Im Falle eines wirksamen Widerrufs und der anschließenden Erstattung des Kaufpreises werden 4,00 Euro Bearbeitungsgebühr abgezogen.  

Schon erstaunlich, was sich Firmen so ausdenken. Eine Bearbeitungsgebühr ist bei sogenannten Fernabsatzgeschäften unzulässig. Der Käufer soll durch den Widerruf gerade keinen Verlust haben. Also muss ihm auch der vollständige Preis erstattet werden. Bearbeitungs- oder Stornogebühren sind deshalb nicht erlaubt.

Man muss diese Rechtslage nicht gut heißen und kann es auch lächerlich finden, sich wegen vier Euro überhaupt Gedanken zu machen. Ich finde es aber trotzdem ziemlich dreist, wie ein gewerblicher ebay-Verkäufer mit weit über 10.000 Bewertungen (die ich besser mal vorher gelesen hätte) sich einfach so übers Gesetz stellt. Wahrscheinlich kommt er bei einer stattlichen Zahl von Kunden sogar damit durch. Dreistigkeit siegt ja bekanntlich.

Na ja, ich habe mich im Gegenzug auch auf meine Rechte besonnen. Im Widerrufsschreiben weise ich deshalb nicht nur freundlich darauf hin, dass ich die Bearbeitungsgebühr nicht akzeptieren werde. Sondern dass ich auch die 6,90 Euro haben möchte, die mich die Rücksendung des schrottigen Akkus kostet. Bei einem Verkaufspreis von mehr als 40 Euro trägt nämlich der Verkäufer auch die Kosten der Rücksendung.

Normalerweise hätte ich die Rücksendung selbst bezahlt. Aber nach Lektüre der Klausel mit der Bearbeitungsgebühr war mir irgendwie so, als müsste dem guten Händler mal jemand auf die Füße treten. Wahrscheinlich höre ich mich schon mal besser nach einem Zivilrechtsanwalt in Berlin um, der auch vor kleinen Fällen nicht fies ist.

“Was in Ihrem Umfeld vor sich geht”

Wer öfter in Frankfurt abfliegt, hat den Raum sicher schon gesehen. Wenn man in der Warteschlange vor den Durchleuchtungsbändern steht, liegt er auf der linken Seite. Die Türen sind meist offen, durch halbwegs transparente Fenster ist eine gewisse Geschäftigkeit zu erkennen. Drinnen stehen Apparate, die an medizinische Geräte erinnern.

Ein Blogleser wurde nach dem Sicherheitscheck vor kurzem in eben diesen Raum gebeten. “Routinekontrolle” wurde ihm als Begründung gesagt. Der Mitarbeiter hatte schon das Notebook des Lesers in der Hand und klappte es auf – ohne um Erlaubnis zu fragen. Der Leser durfte dabei zuschauen, wie der Mann mit einem weichen Pad über das Notebook wischte.

Auf die Frage, was eigentlich genau passiert, sagte der Mitarbeiter, es handele sich um einen chemischen Abstrich. “Damit wir wissen, was in Ihrem Umfeld vor sich geht.” Weitere Erklärungen erhielt der Leser nicht. Vielmehr wurde er eilig aus dem Raum komplimentiert, als das Ergebnis anzeigt wurde. Darum war der Leser auch froh, denn für seinen Abflug war es höchste Zeit.

Die nebulöse Auskunft wurmte den Leser allerdings. Immerhin braucht man ja nur eine Minute zu googeln, um festzustellen, dass es sich bei der Aktion um einen Sprengstofftest handelt. Entweder wusste der betreffende Mitarbeiter selbst nicht Bescheid, was er eigentlich macht. Oder er hielt es nicht für nötig, eine vernünftige Auskunft zu geben.

Die nötigen Informationen erhielt der Leser später von der Bundespolizei. Die antwortete nämlich sehr freundlich und detailliert auf seine Anfrage, was denn genau bei der Kontrolle passiert.

Mit dem Wischtest, so heißt es in dem Schreiben, würden Staub und sonstige Rückstände vom Notebook entnommen. Ein Sprengstoffdetektionsgerät untersuche die Probe auf “Sprengstoffspuren im Staubpartikelbereich”. Jedes Pad werde maximal drei Mal eingesetzt. Die gesonderte Kontrolle von Notebooks sei nach der einschlägigen EU-Verordnung in Verbindung mit dem Luftsicherheitsgesetz ausdrücklich zugelassen.

Der Detektor untersucht nach Angaben der Bundespolizei die Probe ausschließlich auf Sprengstoff. Wörtlich:

DNA-Spuren sowie andere personenbezogene Daten werden nicht erhoben.  Eine Speicherung von Daten erfolgt nicht.

Dementsprechend interessiere sich bei dieser Kontrolle auch niemand dafür, was im “Umfeld” des Reisenden vor sich geht. Für diese “unbedachte Äußerung” des Mitarbeiters entschuldigt sich die Bundespolizei dann auch ausdrücklich.

Facebook-Nutzer können gelassen bleiben

Seit gestern gibt es viele Schlagzeilen für eine “Facebook-Abmahnung” der besonderen Art. Ein Facebook-Nutzer soll ein Anwaltsschreiben mit Unterlassungsaufforderung und Schadensersatzdrohungen erhalten haben, weil in seinem Profil ein urheberrechtlich geschütztes Bild zu sehen gewesen sein soll.

Müssen Facebook-Nutzer nun Panik haben?

Die Antwort lautet ganz klar nein. Und das hat gute Gründe:

Die Pinnwand gehört zu jedem Profil standardmäßig dazu. Auf die Inhalte der Pinnwand hat der Nutzer praktisch keinen Einfluss. Sie ist ein Feedback-Kanal, dessen Inhalte allenfalls von Facebook gesteuert werden.  

Es handelt sich also, genau besehen, schon gar nicht um ein eigenes Angebot des Facebook-Nutzers. Deshalb haftet er hierfür nicht.

Aber selbst wenn man die optische Integration der Pinnwand ins Profil so wertet, dass die Pinnwand auch ein Angebot des Nutzers ist, kommt man zu keinem anderen Ergebnis.

In diesem Fall wäre die Pinnwand nämlich zu vergleichen mit der Kommentarfunktion eines Blogs oder den Diskussionsmöglichkeiten eines Forums. Hierfür gibt es mittlerweile recht klare Regeln, die auch gerichtlich bestätigt sind.

Der Blogger oder Forenbetreiber haftet grundsätzlich nicht für Inhalte, die seine Leser bzw. Nutzer auf der Webseite platzieren. Erst wenn er über rechtswidrige Inhalte informiert wurde und sie trotz dieser Kenntnis nicht entfernt, kann ihn eine eigene Verantwortung treffen. Für die erste Information kann der Rechteinhaber auch kein Geld verlangen, insbesondere keine Anwaltsgebühren.

Für mich ist nicht mal ansatzweise erkennbar, warum für die Pinnwand bei Facebook plötzlich andere Regeln gelten sollten. Facebook-Nutzer können Abmahnungen also schon mit dem Argument abwehren, dass nicht sie, sondern Facebook die Informationen auf der Pinnwand zur Verfügung stellt. Und selbst wenn das nicht zuträfe, kämen ihnen noch die gleichen Haftungserleichterungen zu Gute wie Bloggern oder Forenbetreibern.

Es gibt also gar keinen Grund, jetzt hektisch Pinnwände zu zensieren oder gar zu schließen – sofern Facebook dies überhaupt zulässt.

Benzin (fast) zum Nulltarif

Erst mal orientieren mussten sich Streifenpolizisten, die am Gründonnerstag nachts zu einer Tankstelle in Wanne-Eickel gerufen wurden. Dort trafen sie gegen 0.40 Uhr auf einen Autofahrer. Doch dieser gehörte – fast wider Erwarten – nicht zur Sorte jener, die sich um eine hohe Benzinrechnung drücken wollen. Vielmehr standen der Mann und sein Auto mutterseelenallein auf der Tankstelle. Es war niemand da, bei dem der Autofahrer seine Tankrechnung begleichen konnte.

Benzin hatte der Mann noch problemlos bekommen. Aber dann fingen die Probleme an. Das Kassenhaus war verschlossen, das Licht aus; einen Tankautomaten gab es nicht. Offenbar waren der Pächter oder sein Mitarbeiter in den Feierabend gegangen, ohne die acht Zapfsäulen auszuschalten. An jeder Säule hätte problemlos getankt werden können.

Da die Beamten niemanden von der Tankstelle erreichten, griffen sie zur Selbsthilfe. Sie besorgten einen Kanister, tankten an jeder Säule eine geringe Menge und hängten die Zapfhähne sofort wieder ein. Damit war die Gefahr gebannt, dass sich die Sache rumspricht und Nachtschwärmer zu einem Benzindiebstahl verführt werden. Denn, so die Polizei, die Säulen ließen sich nur aus dem Kassenraum wieder freischalten. Nach dem Tankvorgang waren sie blockiert.

Die Beamten haben auch an jeder Säule denselben Kraftstoff in den Kanister gefüllt, damit der Schaden für den Pächter möglichst gering ist. Das Benzin zum Gesamtpreis von 2,21 Euro konnte sich der Tankstellenbetreiber auf der Wache abholen.

Keine vorzeitige Haftentlassung für Chefarzt

Ein ehemaliger Chefarzt, der Operationswunden und Geschwüre seiner Patienten mit Zitronensaft behandelt hatte, kann derzeit nicht auf eine vorzeitige Haftentlassung hoffen. Das Oberlandesgericht Köln lehnte es jetzt ab, den auf Bewährung zu entlassen, nachdem er die Hälfte seiner Freiheitsstrafe abgesessen hat.

Der Arzt hatte, so das rechtskräftige Urteil, nicht indizierte medizinische Eingriffe vorgenommen, zum Teil die erforderliche Aufklärung über die Eingriffe unterlassen und Patienten mit nicht anerkannten Methoden behandelt. Unter anderem hatte er
Operationswunden und Geschwüre mit frisch gepresstem Zitronensaft behandelt. Er wurde in mehreren Fällen der Körperverletzung mit Todesfolge, der fahrlässigen Tötung und wegen einfacher Körperverletzung zu vier Jahren Haft verurteilt.

Weil das Verfahren sehr lange dauerte, galten elf Monate direkt als verbüßt. Im Dezember 2011 hatte der Mann dann rechnerisch die Hälfte seiner Strafe hinter sich und beantragte, nun auf Bewährung rauszukommen. Das ist juristisch möglich, kam aber nach Auffassung des Oberlandesgerichts Köln in diesem Fall nicht in Frage.

Die Richter wollen dem Arzt nicht zu Gute halten, er habe ja nur in heilender Absicht und nicht aus wirtschaftlichen Gründen gehandelt. Sie attestieren ihm vielmehr, in einer Mischung aus Selbstüberschätzung, Überforderung und Blindheit gegenüber den Belangen seiner Patienten vorgegangen zu sein.

Der Mediziner habe seine ärztlichen Berufspflichten in vielfacher Weise grob verletzt und den Tod von vier Patienten verursacht, die sich ihm als Arzt in herausgehobener Position anvertraut hatten. Sein Verhalten sei geeignet, das Vertrauen der Bevölkerung in die Integrität des Arztberufes ernstlich zu beschädigen.

Außerdem kreiden die Richter dem Mann an, seine Haftpflichtversicherung habe erst in einem Fall Entschädigung geleistet. Er selbst habe überhaupt keine Bemühungen nachgewiesen, die Opfer zu entschädigen.

Insgesamt, so das Oberlandesgericht, sei eine Entlassung aus der Haft bereits nach der Hälfte der Zeit für die Allgemeinheit unverständlich. Der Betroffene kann es jetzt noch mal probieren, wenn er zwei Drittel seiner Haft abgesessen hat. Dann sind die Voraussetzungen auch nicht mehr ganz so streng.

Eine Entlassung nach der Hälfte der Freiheitsstrafe ist heute ohnehin selten. Die meisten Gerichte raffen sich dazu nur auf, wenn der Verurteilte auch im Knast ein absoluter Musterknabe ist, extrem viel Einsichtsfähigkeit zeigt und wirklich hervorragende Aussichten bestehen, dass er im Leben wieder Fuß fasst. Realistisch ist für die absolute Mehrzahl von Gefangenen nur eine Entlassung nach zwei Dritteln.

Oberlandesgericht Köln, Beschluss vom 27. März 2012, Aktenzeichen 2 Ws 223/12

Saloppe bis derbe Redensart

Wann ist ein Richter befangen? Wir sind in dieser Frage um eine Erkenntnis reicher: Die Äußerung, der Beklagte ziehe den Schwanz ein, macht einen Vorsitzenden am Landgericht noch nicht untragbar. So hat es das Oberlandesgericht Stuttgart entschieden.

In einem Prozess wollte der Richter die Streithähne persönlich sprechen, um die Sache nach Möglichkeit gütlich beizulegen. Der Beklagte sagte jedoch vor dem Termin ab, weil er unaufschiebbare Termine in Indien habe. Das verärgerte den Richter. Er sagte zum Anwalt des Beklagten, dieser wäre besser erschienen statt den Schwanz einzuziehen.

Das wollte der Beklagte nicht auf sich sitzen lassen. Er lehnte den Richter als befangen ab. Sein Anwalt führte auch einige Präzedenzfälle an, die ziemlich ähnlich klingen:

Sie werden sowieso fressen müssen, was ich entscheide. Und dann bleiben Sie auf allem sitzen.

Ich habe jetzt keine Zeit, mich mit solchen Kinkerlitzchen aufzuhalten.

Jetzt reicht es mir! Halten Sie endlich den Mund! Jetzt rede ich!

Bei diesen Äußerungen waren die Richter jeweils als befangen angesehen worden.

Das Oberlandesgericht Stuttgart sieht aber denn noch einen Unterschied. Es bescheinigt dem Richter zwar eine “saloppe bis derbe Redensart”. Allerdings müsse halt immer geguckt werden, in welchem Zusammenhang sich ein Richter vom fraglos dezenteren Juristendeutsch entfernt.

Der Spruch sei jedenfalls nicht aus dem Nichts gekommen. Der Richter sei vielmehr zu Recht verärgert gewesen, dass sich der Beklagte nicht sehen ließ. Immerhin habe der Termin drei Monate Vorlaufzeit gehabt.

Die Äußerung kritisiere zwar das Verhalten des Beklagten. Allerdings lasse sich hieraus noch nicht schließen, dass der Richter insgesamt voreingenommen gegenüber der vielbeschäftigten Prozesspartei ist. Auch gebe es keine Anhaltspunkte dafür, der Richter könne seine Verärgerung so verarbeiten, dass er womöglich unsachlich zu Lasten des Beklagten entscheidet.

Es hat also nicht ganz gereicht. Aber immerhin ist die Liste Checkliste “Befangen – ja oder nein” um einen Punkt reicher.

Oberlandesgericht Stuttgart, Beschluss vom 19. März 2012, Aktenzeichen 14 W 2/12

In den Tiefen der Polizeicomputer

Es ist schon interessant, was die Polizei so alles an Daten in ihren Computern hortet. Am Beispiel eines Mannes, der in Berlin ein Kind in einer Schule missbraucht haben soll, wird dies mal wieder deutlich.

Spiegel online berichtet von den Vorbelastungen des Mannes:

Laut Staatsanwaltschaft ist der 30-Jährige bereits wegen Betrugs und Körperverletzung vorbestraft. Auch war er laut Polizei bereits früher mit einer exhibitionistischen Handlung aufgefallen. Das Verfahren gegen den damals noch nicht Volljährigen sei aber eingestellt worden.

Man beachte die Quellen. Die Staatsanwaltschaft weiß etwas von Vorstrafen. Vermutlich hat sie das Bundeszentralregister, die Kartei für verurteilte Straftäter,  abgefragt. Die Polizei weiß aber darüber hinaus, dass vor mindestens zwölf, möglicherweise aber auch mehr Jahren gegen den Mann wegen Exhibitionismus ermittelt wurde. Nur ermittelt wie gesagt, zu einer Verurteilung kam es nicht.

Weil gegen den Mann kein Urteil erging, durfte der mögliche Exhibitionismus logischerweise in kein öffentliches Register eingetragen werden. Also insbesondere auch nicht in das Erziehungsregister, in dem Urteile des Jugendgerichts festgehalten werden. 

Alle Einträge im Erziehungsregister müssen überdies mit Vollendung des 24. Lebensjahres gelöscht werden, wenn gegen den Beschuldigten nur milde Sanktionen ausgesprochen wurden. Ein Beispiel sind die bekannten Arbeitsstunden. Spätestens mit dem 24. Lebensjahr hätte die Exhibitionismus-Sache also aus dem Erziehungsregister raus sein müssen – selbst wenn der Verdächtige überhaupt verurteilt worden wäre. Die Eintragung dürfte dem Mann auch dann nicht mehr entgegengehalten werden, wenn sie aus Versehen doch noch im Register stünde.

Aber die Berliner Polizei weiß halt mehr als die an sich zuständigen Stellen. Sie hat die Daten über ein eingestelltes Verfahren offenbar noch im Computer, obwohl mindestens zwölf Jahre vergangen sind und das Verfahren sich gegen einen Jugendlichen richtete. Wenig überraschend: Nach den Vorschriften der Strafprozessordnung dürften diese Daten eigentlich gar nicht mehr vorhanden sein.

Aber selbst wenn sie rechtzeitig und pflichtgemäß “gelöscht” worden sein sollten, heißt das bei unserer Gesetzeslage noch nicht, dass die Daten auch wirklich nicht mehr vorhanden sind. Gut möglich ist nämlich, dass die Informationen aus der sogenannten Vorgangsverwaltung stammen. Diese besondere Datei hält, und das ist wirklich bizarr, auch Daten zu Verfahren fest, die es eigentlich gar nicht mehr geben darf.

Das geschieht offiziell zu Archivzwecken. Mitunter aber auch schlicht, um bei passenden Anlass Löschfristen umgehen zu können. Der Berliner Fall könnte hierfür ein Beispiel sein.

Polizei: Namensschild ja, aber…

Polizisten in Sachsen-Anhalt müssen seit dem 1. April Namensschilder tragen. Innnenminister Holger Stahlknecht hat die Kennzeichnungspflicht angeordnet. Was sich auf dem Papier erst mal gut anhört, hat einen Haken: Bei “gefährlichen Einsätzen” dürfen Polizeibeamte auf die Namensschilder verzichten. Dazu gehören auch Demonstrationen…

Es ist natürlich prima, wenn Bürger ihren Bezirksbeamten, der zu Fuß im Viertel seine Runde dreht, künftig mit Namen ansprechen können. Ebenso toll ist es, wenn die Gäste eines Eiscafés nun wissen, wie die Beamten der Zweierstreife heißen, die für die gesamte Wache Fruchtbecher holen. Das schafft Vertrauen, das macht sympathisch. Von Offenheit und Transparenz spricht demgemäß auch der Innenminister.

Nur: Ist der “normale Dienst” ausgerechnet die Situation, in welcher der Bürger wissen möchte, mit wem er es konkret auf Seiten der Staatsmacht zu tun hat? Passieren Übergriffe und sonstiges Fehlverhalten von Polizeibeamten nicht eher ausgerechnet in jenen Lagen, für welche die Kennzeichnungspflicht auch künftig gerade nicht gilt?

Nun friemeln Sachsen-Anhalts Polizeibeamte also das Namensschild wieder von der Uniform, bevor sie sich auf Demo-Einsatz begeben, eine Razzia durchführen oder einem Notruf folgen. Schon der Umstand, dass ihnen ausgerechnet in den Situationen wieder weitestmögliche Anonymität zugestanden wird, in denen das Namensschild seinen Zweck erfüllen könnte, zeigt, um was es wirklich geht: den Placebo-Effekt.

Begründet werden die Ausnahmen interessanterweise damit, bei gefährlichen Einsätzen wachse die Gefahr falscher Anzeigen. Und das Risiko, dass Beamte oder ihre Angehörigen privat gestalkt werden.

Das erste Argument ist aberwitzig. Man gibt Beamten also bewusst Deckung, weil sie ja zu Unrecht beschuldigt werden könnten. Deshalb nimmt man es halt auch in Kauf, dass durchaus berechtigte Anzeigen ins Leere laufen, weil sich Polizisten einfach in der Anonymität verbergen können. Besser kann man sein abgrundtiefes Misstrauen gegen den Bürger und  ein gespaltenes Verhältnis zum Rechtsstaat kaum dokumentieren.

Die Gefahr des Stalkings ist da schon realer. Ich frage mich nur, wieso das Innenministerium von Sachsen-Anhalt ausgerechnet auf Namensschildern besteht. Ist die Idee, Beamte zwischen einem Namensschild und einer eindeutigen Nummer wählen zu lassen, dort noch nicht angekommen? Berlin hat sich jedenfalls für diese Lösung entschieden, eben weil sie Beamte mit seltenen Namen nicht googelbar macht.

Man kann es drehen und wenden, aber Transparenz und Offenheit sehen anders aus.

Bericht des MDR