Schwule Ampelpärchen dürfen bleiben

In München dürfen auf Ampeln weiter schwule Ampelmännchen und -pärchen Fußgängern Signale geben. Solche Ampeln sind in München an ganzen sechs Übergängen installiert. Gleichwohl sah sich ein Bürger in seinen Rechten verletzt. Mit seiner Klage beschäftigte sich jetzt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.

In erster Instanz hatte das Verwaltungsgericht schon geurteilt, dass an den Piktogrammen nichts auszusetzen ist. Der Verwaltungsgerichtshof stellt in seinem Beschluss fest, die Ampeln seien „ersichtlich eine Botschaft der Sympathie und Toleranz an homosexuelle Menschen“, überdies auch „eine Aufforderung an die Mehrheitsgesellschaft zu Toleranz gegenüber Menschen mit abweichender sexueller Orientierung“. Demgegenüber habe der Kläger nichts vortragen können, was ihm einen juristischen Unterlassungsanspruch geben könnte. Ein Rechtsmittel hat der Kläger nicht (Aktenzeichen 11 ZB 21.1777).

Leise Zweifel

Es ging um ein paar Stundenkilometer zu viel, aber für einen Taxifahrer ist jeder Punkt in Flensburg eine doppelte Bürde. Ganz aussichtslos war die Sache nicht. Das Radarfoto zeigte zwar den Fahrer des Wagens, aber dieser hatte eine FFP2-Maske auf. Was man sonst vom Kopf sah, war nun auch nichts, was besonders ins Auge stach. Ist halt manchmal auch vorteilhaft, wenn man ein Allerweltsgesicht besitzt.

Der Mandant machte, was sein gutes Recht ist. Er bestritt, die Person auf dem Fahrersitz zu sein. Damit war ein Sachverständigengutachten im Gerichtstermin quasi obligatorisch. Mir persönlich schienen die Erfolgsaussichten aber nicht besonders ausgeprägt. Jedenfalls fiel mir auf, dass der Mandant unter dem linken Auge eine deutliche sichtbare Warze hat. Ausgerechnet an dieser Stelle zeigte auch das Messfoto einen dunklen Punkt.

Der Sachverständige erstellte im Gerichtstermin seine Vergleichsfotos und vertiefte sich sehr lange in die Daten, die über sein Notebook liefen. Schließlich winkte er ab: „Es passt einiges, aber die Warze ist an einer leicht anderen Stelle als der dunkle Fleck auf dem Messfoto.“ Er wollte sich also nicht auf eine Wahrscheinlichkeit festlegen, die für eine Verurteilung reicht. Dem folgte der Richter, was blieb ihm auch groß.

Also Freispruch. Kosten zahlt die Staatskasse. Das ist natürlich erfreulich. Nur mit den gegenüber dem Mandanten gehegten leisen Zweifeln, mit denen muss ich jetzt leben. Demnächst ist wieder etwas mehr „Professionalität“ angesagt.

Handels- und Vereinsregister nun kostenlos und durchsuchbar

Die Abfrage öffentlicher Register war noch nie ein Vergnügen. Dienstleister forderten happige Gebühren, teilweise musste auch noch ein berechtigtes Interesse nachgewiesen werden. Das ist seit heute anders. Registereinträge sind nun online über ein gemeinsames Portal der Länder abrufbar – kostenlos und ohne Registrierung.

Konkret lassen sich über das Registerportal sämtliche Einträge im Handels-, Genossenschafts- und Partnerschaftsregister aufrufen. Außerdem die kompletten Vereinsregister. Ich habe es gerade mal mit ein paar Firmen und Vereinen probiert. Es klappt.

Ein cooles Feature ist die Schlagwortsuche. Das heißt, man muss noch nicht wissen, wie das gesuchte Unternehmen oder der Verein genau heißen. Wer zum Beispiel Lust hat, kann sich alle Firmen mit dem Namensbestandteil „Pommes“ auflisten lassen. In diesem Sinne herzliche Grüße an die mir bislang unbekannte „Schnelle Theke“ in Viersen.

Link zum Registerportal

„Du bist so 1 Pimmel“ bleibt wohl ungesühnt

Die als „Pimmelgate“ bekanntgewordenen juristischen Verwicklungen haben ein stilles Ende gefunden. Wie jetzt bekannt wurde, hat die Hamburger Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren vor einiger Zeit eingestellt – die Behörde sieht kein öffentliches Interesse an einer Strafverfolgung. Das ist durchaus nachvollziehbar.

Für eine Hausdurchsuchung hatte es noch gereicht. Diese richtete sich gegen einen Twitternutzer, der in Richtung des Hamburger Innensenators Andy Grote geschrieben hatte: „Du bist so 1 Pimmel.“ Grote hatte Strafantrag gestellt.

Der Bemerkung waren weniger freundliche Äußerungen des Innensenators vorangegangen. Unter anderem hatte er Menschen, die trotz Corona im Hamburger Schanzenviertel feierten, als „ignorant“ bezeichnet. Ob das Verfahren nun wirklich ganz zu Ende ist, wird sich zeigen. Denn wie jedem „Beleidigten“ steht dem Politiker der Privatklageweg offen. Allerdings müsste er dann auch erst mal den gesetzlich vorgesehenen Sühneversuch beim Schiedsmann über sich ergehen lassen.

Bericht im Nordkurier

Im Auftrag des Staatsanwalts

Die Vorladung eines Beschuldigten bei der Polizei. Ein alltäglicher Vorgang. Ich weise an dieser Stelle nicht zum ersten Mal darauf hin, dass eine Vorladung eigentlich keine ist. Höchstens eine Einladung. Der kann man folgen. Muss es aber nicht.

Das ziemlich umfassende Schweigerecht des Beschuldigten gefällt natürlich nicht jedem bei der Polizei. Gut möglich, dass Rechte heute auch weiter bekannt sind – oder zumindest selbstbewusster wahrgenommen werden. Da möchte man natürlich gegensteuern. Selbstverständlich bildet die Strafprozessordnung den Rahmen, aber ein bisschen Segeln unter falscher Flagge hat noch niemandem geschadet.

Ein Beispiel hierfür sind Vorladungen, die man als Anwalt seit einiger Zeit immer öfter sieht. Da wird der Beschuldigte einbestellt, und zwar so:


Klingt ja schon mal wichtig, wenn die Staatsanwaltschaft einen „Auftrag“ erteilt hat. Aber welche juristische Relevanz hat dieser Satz? Führt er dazu, dass man einer polizeilichen Vorladung im Auftrag der Staatsanwaltschaft folgen muss? Oder, wenn nicht, um die Obrigkeit jedenfalls nicht zu verärgern?

Tatsächlich ist die Formulierung relativ neu. Einen Sinn macht sie mittlerweile zweifellos. Aber nur wenn Zeugen vorgeladen werden. Ein Zeuge ist jemand, der vielleicht was gesehen hat. Eine Tat wird ihm aber nicht vorgeworfen. Jedenfalls nicht derzeit. Bei Zeugen ist es in der Tat so, dass diese durch eine Rechtsänderung wirklich auch bei der Polizei erscheinen müssen. Und zwar, wenn eben jener Auftrag der Staatsanwaltschaft vorliegt. So steht es in § 163 Abs. 3 StPO:

Zeugen sind verpflichtet, auf Ladung vor Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft zu erscheinen und zur Sache auszusagen, wenn der Ladung ein Auftrag der Staatsanwaltschaft zugrunde liegt.

Bei einem Zeugen macht es also Sinn, wenn die Polizei auf den ausdrücklichen Auftrag der Staatsanwaltschaft hinweist. Polizeibeamte sind Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft. Mit entsprechendem Auftrag können sie also darauf bestehen, dass Zeugen erscheinen – und Angaben zur Sache machen. Widerspenstige Zeugen können mit Ordnungsgeldern oder gar Haft belegt werden.

Für Beschuldigte findet sich so eine Regelung aber gerade nicht. Allerdings gibt es einen Paragrafen, der in diesem Zusammenhang gerne instrumentalisiert wird. § 163a Abs. 3 StPO bestimmt:

Der Beschuldigte ist verpflichtet, auf Ladung vor der Staatsanwaltschaft zu erscheinen.

Wenn der Staatsanwalt einen sehen will, geht demnach heute kein Weg daran vorbei. Das heißt natürlich nicht, dass man als Beschuldigter mit dem Staatsanwalt sprechen muss. Das Schweigerecht gilt auch bei ihm. Mir ist deshalb bis heute noch nicht so ganz klar, was diese Rapportpflicht bezweckt. Außer dem denkbaren Nebeneffekt, dass die Vorladung vor den Staatsanwaltschaft eine Art Lackmustest für die Frage sein kann, ob der Beschuldigte es nicht ohnehin vorzieht, im weiteren Ermittlungsverfahren durch Abwesenheit zu glänzen.

Wenn man es auf dem Boden des geltenden Rechts betrachtet, macht der Hinweis in der polizeilichen Vorladung des Beschuldigten auf den Auftrag der Staatsanwaltschaft keinen Sinn. Auch mit Auftrag der Staatsanwaltschaft wird der Polizeibeamte kein Staatsanwalt, so dass er sich nicht auf § 163a Abs. 3 StPO berufen kann.

Zusammengefasst: Wenn die Polizei in der Vorladung des Beschuldigten etwas von einem Auftrag der Staatsanwaltschaft erzählt, ist das sachlich nicht falsch. (Vorausgesetzt, der Auftrag findet sich wirklich in der Akte, was mitunter dann doch nicht der Fall ist.) Aber genau so gut könnte der Beamte auch was zum Wetter schreiben. Oder einen Lottotipp abgeben. Die Rechte des Beschuldigten beeinflusst der Hinweis nicht.

Tauschhandel mit dem Tiergartenmörder?

Zwischen den USA und Russland wird wohl über einen Gefangenenaustausch verhandelt. Die USA möchten die in Moskau wegen eines Drogendelikts inhaftierte Basketballerin Brittney Griner und einen weiteren US-Bürger rausholen. Im Gegenzug soll Russland höchstes Interesse haben, einen verurteilten Mörder zurückzubekommen. Der Mann sitzt allerdings in deutscher Strafhaft – so dass Deutschland schnell in ein unerfreuliches Szenario hineingezogen werden könnte.

Bei dem inhaftierten Russen handelt es sich um den sogenannten Tiergartenmörder, der im Jahr 2019 einen Georgier mit einem Kopfschuss getötet hat. Das Urteil gegen ihn ist rechtskräftig. Der Täter soll enge Verbindungen zum russischen Geheimdienst gehabt haben. Von diesem soll er auch falsche Papiere erhalten haben.

Die Problematik ist natürlich erst mal eine der gefühlten Gerechtigkeit. Es ist nicht davon auszugehen, dass die lebenslange Freiheitsstrafe des Tiergartenmörders in Russland weiter vollstreckt wird, zumindest nicht ernsthaft.

Juristisch ist Deutschland natürlich nicht dazu verpflichtet, den USA einen solchen Gefallen zu tun. Der Aufschrei wäre wahrscheinlich auch enorm. Es gäbe sicher vehemente Kritik daran, wie sich Bürger fühlen sollen, wenn ausländische Agenten in Deutschland mehr oder weniger ungestraft morden können. Und natürlich würde sich auch die Frage stellen, wie souverän die Entscheidung der Bundesregierung im Verhältnis zu den USA tatsächlich wäre. Sozusagen Realpolitik at its best. Da wird dann ohnehin aus dem argumentativen Schützengraben argumentiert, ich halte mich da lieber raus.

Damit sind wir beim eigentlichen Punkt, den ich ansprechen wollte. Juristisch ist die Beteiligung an dem Tauschhandel nämlich ziemlich unproblematisch. Das deutsche Strafvollstreckungsrecht ist sehr liberal, wenn es um die „Überstellung“ verurteilter Straftäter ins Ausland geht. Zentrale Norm ist § 456a StPO:

Die Vollstreckungsbehörde kann von der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe … absehen, wenn der Verurteilte wegen einer anderen Tat einer ausländischen Regierung ausgeliefert, an einen internationalen Strafgerichtshof überstellt oder wenn er aus dem Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes abgeschoben, zurückgeschoben oder zurückgewiesen wird.

Interessant sind hier mehrere Dinge. Zunächst wird mit dem Wörtchen „kann“ ein Spielraum eingeräumt. Alles geht, nichts muss. Dann gibt es keine Regelung, ob und in welchem Umfang eine Strafe bereits vollstreckt sein muss. Konkret ist es also möglich, dass ein Straftäter keinen einzigen Tag seiner Strafe in Deutschland verbüsst, wenn von der Verfolgung abgesehen wird.

Außerdem sind keine Straftatbestände ausgenommen. Das heißt, auch Mörder, Massenmörder und Kriegsverbrecher können von der Regelung profitieren. Es bedarf dann nur einer Ausländerbehörde, welche die Abschiebung anordnet. Da sind die Spielregeln aber ebenso flexibel gefasst. Es gehört ja zu den erklärten Zielen des Aufenthaltsrechts, dass verurteilte Ausländer in ihre Heimatländer zurückgeschickt werden und nicht wiederkommen können, es sei denn sie nehmen eine erneute Inhaftierung in Kauf (Absatz 2 von § 456a StPO).

Rechtlich gesehen sind die Hürden für den Tauschhandel demnach nicht sonderlich hoch. Der Bundeskanzler ist denn noch nicht zu beneiden, wenn er tatsächlich eine Entscheidung treffen muss.

Bericht im Spiegel

Strafe für Abriss des Uhrmacherhäusls in München

Der unerlaubte Abriss des denkmalgeschützten Münchner „Uhrmacherhäusls“ im Jahr 2017 sorgte für großes Aufsehen. Nun ist der Eigentümer strafrechtlich zur Verantwortung gezogen worden. Das Amtsgericht München verurteilte den Käufer des Grundstücks zu einer Geldstrafe von 132.500 Euro (250 Tagessätze zu je 530 Euro).

Das Gericht geht wegen des Denkmalschutzes von gemeinschädlicher Sachbeschädigung aus (§ 304 StGB). Der Käufer des Objekts hatte sich auf ein Versehen berufen; er will niemals einen Auftrag zum Abriss erteilt haben. Außerdem will der Unternehmer kein Immobilienhai sein, vielmehr habe er selbst nach der Renovierung einziehen wollen. Der Käufer hatte 630.000 Euro für die betagte Immobilie bezahlt.

Allerdings glaubte das Gericht seinen Beteuerungen nicht. Deshalb verurteilte es auch den mit angeklagten Abrissunternehmer wegen Beihilfe zu einer Geldstrafe. Dem Eigentümer wurde in dem Prozess weiter vorgeworfen, er habe die früheren Mieter rausgeekelt. So habe er das Wasser und Strom abgedreht, die Haustür ausgehängt und Dachziegel entfernt, damit es ins Haus regnet. Diese Nötigungen flossen auch in die Geldstrafe ein.

Auch an anderer Front muss der Eigentümer kämpfen. Der Verwaltungsgerichtshof in München hat ihn letztes Jahr bereits verpflichtet, das Haus mit den Originalmaßen wieder aufzubauen.

Bericht beim Bayerischen Rundfunk

Geldstrafe erhöht sich um den Faktor 50

Wenn man sich vor Gericht gegen eine Geldstrafe wehrt, muss man zumindest als Normal- oder gar Besserverdiener immer einen wichtigen Punkt im Auge haben. Bei 99,9 % der Beschuldigten ist dem Staatsanwalt und Richter völlig unbekannt, was der Beschuldigte verdient. Die Justiz hat zwar das Recht, den Verdienst zu recherchieren. Das ist aber natürlich vom Arbeitsaufwand her nur in Ausnahmefällen zu schaffen. Vielmehr wird im Ermittlungsverfahren und auch später vor Gericht bundesweit – erlaubterweise – geschätzt. Was letztlich darauf hinausläuft, dass Strafverfolger bei Herrn und Frau Mustermann das Monatsnetto auf irgendwas zwischen 1.000 und 1.500 Euro festlegen.

Geschätzt eher zu niedrig – die Justiz will ja keine Einsprüche gegen Strafbefehle provozieren, sondern die Dinger rechtskräftig werden lassen. Ein aktueller Fall illustriert sehr schön, wie die Dynamik läuft. Es geht um den sehr erfolgreichen Gründer einer Modefirma, der in Hamburg angetrunken auf einem E-Scooter gefahren sein soll. Die Geldstrafe setzte das Gericht auf 30 Tagessätze á 50 Euro fest. Mit 1.500 Euro wäre die Sache also zu Ende gewesen.

Der Betroffene legte aber Einspruch ein, sicherlich auch wegen seines einkassierten Führerscheins. Der Richterin scheint aber zu Ohren gekommen zu sein, um wen es sich bei dem Herrn handelt, nämlich einen millionenschweren Unternehmer. Sie kam auf ein anderes Monatseinkommen und legte den Tagessatz auf 2.670 Euro fest. Der Beschuldigte zahlt nun mit dem Faktor 50 + mehr, als wenn er den Strafbefehl akzeptiert hätte. Laut Berichten ist er aber beim Fahrverbot deutlich besser weggekommen, was ja meist ausschlaggebender ist als die Kosten.

Den Gap zwischen geschätztem und tatsächlichem Einkommen sollte man aber auf dem Schirm haben, wenn man sich gegen einen Strafbefehl wehrt. Übrigens ist nach einer kürzlichen Gesetzesnovelle bei der Höhe der Geldstrafe noch deutlich Luft nach oben. Der Tagessatz kann bis zu 30.000 Euro betragen (§ 40 StGB), was einem Monatsnetto von einer runden Million Euro entspricht.

Bericht im manager magazin

Kuschen Richter vor dem Matriarchat?

Auf die Idee muss man erst mal kommen: Ein VW-Mitarbeiter klagt gegen einen Gender-Sprachleitfaden, den sich Audi gegeben hat. Und wundert sich dann, dass die Richter es sich einfach machen und (völlig korrekt) feststellen, dass der Kläger überhaupt nicht selbst betroffen ist, er also weder Anspruchsgrundlage noch Rechtsschutzbedürfnis hat.

Vielleicht hätte der Verein, der die Aktion unterstützte, besser einen Audi-Mitarbeiter für die Klage gesucht, der als Gender-Verweigerer was zu befürchten hätte. Dann wäre der Rechtstreit aller Voraussicht nach spannender gelaufen. Den Richtern aber nun empört zu unterstellen, sie würden vor dem Matriarchat kuschen, ist peinlich. Die Richter sahen sich schlicht außerstande, eine vom Kläger selbst in den Weg gestellte, juristisch so gut wie nicht unüberwindliche Hürde beiseite zu schieben.

Also viel Lärm um nichts.

Bericht in der Bild.

Unter Umständen

Aus einer Mandatsanfrage:

… suche ich nach einem zuverlässigen Strafrechtsanwalt, welcher mein Anliegen in meinem Interesse bearbeitet. … Es ist anzumerken das die Bearbeitung meines Falles unter Umständen höchste Auswirkungen auf Sie und Ihr Privatleben haben kann.

Jetzt mal ehrlich, mich motivieren solche Andeutungen nicht besonders. Höchstens zu einer freundlichen Absage.

Kein Zeitdruck vor OP

Vor einer Operation muss der Patient aufgeklärt werden. Vor allem über die Risiken des Eingriffs. Dabei gibt es zum Schutz des Patienten auch zeitliche Vorgaben, wie eine aktuelle Entscheidung des Landgerichts Frankenthal zeigt.

Wegen ihrer Augenerkrankung wollte sich eine Frau eine Linse mit mehreren Sehstärken einsetzen lassen. Der Eingriff hatte allerdings ein negatives Ergebnis. Die Sehkraft der Frau nahm deutlich ab. Vor Gericht gab der Arzt an, er habe die Patientin erst am Operationstag aufgeklärt, etwa eine halbe Stunde vor dem Eingriff, und das auch noch im Rahmen der vorbereitenden Untersuchung.

Entsteht beim Patienten Zeitdruck, liegt laut dem Urteil grundsätzlich keine wirksame Aufklärung vor. Das sei hier zweifellos der Fall, zumal die Aufklärung mit der Untersuchung verbunden wurde. In dem Urteil klingt sogar an, dass ein Aufklärungsgespräch spätestens am Vortag des Eingriff stattfinden muss (Aktenzeichen 4 O 147/21).

Kurze Beratung

Strafrechtliche Beratung gehört für mich zum Tagesgeschäft. Allerdings ist damit keine Garantie verbunden, dass die Antwort auch zur vollständigen Zufriedenheit des Fragenden ausfällt.

Genau so war es im Fall einer Mandantin, die beim Gassigehen mit ihrem Hund in eine verbale Auseinandersetzung geriet. Es ging um die Leinenpflicht. Was hierzulande ja quasi mit der Garantie verbunden ist, dass sich die Sache aufschaukelt.

Am Ende der Debatte gab es wohl einige giftige Worte. Konkret erinnert sich die Mandantin aber nur an die Aussage ihres Kontrahenten, die da lautete:

Ich kann auch anders.

Mit diesem Satz im Ohr suchte die Mandantin die nächstgelegene Polizeiwache auf. Dort stieß sie zwar auf freundliche Beamte, aber kein Verständnis für ihr Anliegen. Eine Strafanzeige? Wegen Bedrohung? Die Aufnahme der Anzeige wurde abgelehnt, was die Mandantin dann zu mir führte.

Im Ergebnis haben die Beamten recht, es fehlt am Anfangsverdacht. Der Ausspruch „Ich kann auch anders“ ist sicher nicht freundlich, aber für sich gesehen (noch) keine Bedrohung im Sinne des § 241 StGB. Ganz abgesehen davon, dass die denkbare, vom Gesetz geforderte „rechtswidrige Tat“ überhaupt nicht greifbar ist, könnte mit „Ich kann auch anders“ auch ein rechtlich völlig einwandfreies Verhalten gemeint sein – etwa die Einschaltung des Ordnungsamtes.

Freut mich, dass ich helfen konnte.

Post

Das ist die an mich gerichtete Verteidigerpost eines Mandanten, der wegen einer Wirtschaftsstrafsache inhaftiert ist:

Aus den letzten zwei Tagen. Immerhin wird es so nie langweilig…

Der Beklagte

In meinem Beruf treibt man sich ja notorisch in Gerichtssälen rum. An sich hätte ich also heute keinerlei mulmiges Gefühl verspüren sollen, als ein Gerichtstermin anstand. Etwas war aber anders. Ich hatte das zweifelhafte Vergnügen, als Beklagter ins Gericht zu kommen. Mit meinem Anwalt, der mich doch bitteschön raushauen sollte.

Immerhin, der gegen mich erhobene Vorwurf kam nicht von einem Mandanten. Es ging also nicht um eine wie auch immer geartete Verletzung meiner Berufspflichten. Das ist ja schon mal was. Vielmehr erhob eine dritte Person Vorwürfe. Ich will nicht zu viele Details schildern, um niemandem zu nahe zu treten. Kurz gefasst, ging es um den Brief eines Dritten an die Person, den ich lediglich auftragsgemäß per Fax weitergeleitet habe. Mit dem Schreiben, das wohlgemerkt gar nicht von mir stammt, soll ich tiefen Schmerz ausgelöst haben, der nur mit einer stattlichen Zahlung meinerseits wieder gut gemacht werden kann. 5.000 Euro soll mich das Ganze kosten, meinten die Klägerin und ihre Anwälte. Natürlich zuzüglich der gesamten Kosten für den Prozess.

Gut, man braucht kein erfahrener Zivilrechtler oder auch nur studierter Jurist zu sein um zu ahnen, von wem die Klägerin da tatsächlich über den Tisch gezogen wird. Aber auch diese – natürlich rein sachliche – Gesamtwertung sorgte bei mir nicht unbedingt für Wohlbefinden. Mir war ehrlich gesagt reichlich mulmig, bis das Gericht dann nach dem üblichen Prozedere signalisierte, dass mit der Klage – ich fasse zusammen – schon mangels Anspruchsgrundlage kein einziger Cent zu gewinnen sein wird.

Bei meinen nächsten Verfahren werde ich mich gerne an das Gefühl erinnern. Und mich um größtes Verständnis bemühen, wenn der Mandant momentan etwas angespannter wirkt, als es die Situation tatsächlich erfordert. Dafür habe ich jetzt doppelt gute Laune. Ich löse nämlich pünktlich zum Monatsende gleich die Rückstellung auf, die meine kleine Anwaltskanzlei bei Eingang der Klage gebildet hat.

Gewaltkriminalität auf Tiefstand

„Die Wahrscheinlichkeit, in Deutschland Opfer einer Straftat zu werden, insbesondere im Bereich der Gewaltdelikte, ist in den vergangenen Jahren geringer geworden. Das ist Fakt.“ Sagt nicht irgendwer, sondern Oliver Huth, Bundesvorstandsmitglied des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK). Anlass zu dieser Feststellung geben aktuelle Zahlen zur Kriminalitätsstatistik. Danach liegt die Zahl der Straftaten auf dem niedrigsten Stand seit 21 Jahren, wobei sich seit 2017 ein stetiger Rückgang zeigt.

Auch bei Einbrüchen und Straßenkriminalität werden weniger Delikte registriert. Einzelheiten kann man in einem Bericht der Legal Tribune Online nachlesen, der sich auf eine Antwort der Bundesregierung auf eine Parlementarische Anfrage der AfD bezieht.

Allerdings bedeuten die sinkenden Zahlen natürlich nicht, dass Kriminalität ein Auslaufmodell ist. So steigt die Cyberkriminalität an, hier ist von einer Verdopplung seit 2015 die Rede. Da ist was dran, das kann ich auch aufgrund der „Ausrichtung“ meiner eigenen Kundschaft bestätigen. Letztlich könnte Corona die insgesamt erfreuliche Entwicklung befördert haben. „Keine Kneipenschlägerei ohne Kneipe“, fasst der Kriminalbeamte Huthmann es schön zusammen.

Die AfD hat sich auch nach dem Anteil „nichtdeutscher Tatverdächtiger“ erkundigt. Dieser lag im Jahr 2000 bei knapp 26 Prozent, 2021 waren es 34 Prozent. Bei Gewaltdelikten waren 38 Prozent der Tatverdächtigen im Jahr 2021 ausländische Staatsangehörige. Als „nichtdeutsche Tatverdächtige“ stuft das BKA laut dem Bericht alle Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit ein, also auch EU-Bürger, Pendler und Touristen.