Auskünfte aus dem Polizeicomputer

Das Verfahren gegen meinen Mandanten wurde eingestellt – kein Tatverdacht. Damit gewisse Vorwürfe nicht weiter in den Polizeicomputern rumgeistern, ist es durchaus sinnvoll, mal die Löschung der Daten zu verlangen. Das ist auch immer eine gute Gelegenheit zur Frage, was denn sonst so über den Betreffenden bei der Polizei gespeichert ist. Die Antwort fällt mitunter seltsam aus…

So auch in diesem Fall. Neben der letzten Sache, die so erfreulich endete, teilt mir das zuständige Landeskriminalamt vier weitere Fälle mit, in denen “Erkenntnisse” über meinen Mandanten im landesweiten System gespeichert sind:

– Sachbeschädigung;

– Diebstahl;

– Fahrerflucht;

– Computerbetrug.

Die mitgeteilten Datensätze klingen erst mal so, als sei mein Mandant jeweils der Beschuldigte gewesen. Als ich das alles zum ersten Mal las, war ich doch überrascht, was dieser so gutbürgerlich wirkende Mensch jedenfalls datenmäßig alles auf dem “Kerbholz” zu haben scheint.

Das ging meinem Mandanten nicht anders. In allen vier Fällen, so erzählte er mir, hatte er entweder die Anzeige erstattet. Oder er war als Zeuge angehört worden. Die Rolle im jeweiligen Verfahren ergibt sich aber gerade nicht aus den Datensätzen, die wir bekommen haben. Wenn das auch die Informationen sein sollten, die im Abfragegerät eines Streifenwagens angezeigt werden, dann sollte sich mein Mandant über etwas intensivere Kontrollen gegebenenfalls nicht wundern.

Ich habe erst mal dem Sachbearbeiter beim Landeskriminalamt angerufen. Der Beamte war überrascht, dass sich aus den abgefragten Datensätzen nicht ergibt, ob mein Mandant in den Verfahren Beschuldigter, Anzeigenerstatter oder Zeuge war. Er will nachfragen und klären, warum die ihm übermittelten Datensätze diese wichtigen Informationen nicht enthalten. “Normalerweise” sei das der Fall.

Wir sind jedenfalls gespannt.

Regierung darf Parlament nicht links liegen lassen

Bei etlichen Abstimmungen zur Eurorettung und anderen wichtigen politischen Fragen gibt es regelmäßig Frust im Bundestag. Viele Abgeordnete fühlen sich durch die Bundesregierung nicht ausreichend informiert, bekommen oft nur fertige Vertragsentwürfe vorgelegt. Und diese auch nur in letzter Sekunde. Das Bundesverfassungsgericht hat heute – erneut – festgestellt, dass es so nicht geht. Auf Antrag der Grünen stellte das Gericht einstimmig fest, dass die Bundesregierung das Parlament in wichtigen Fragen rechtzeitig informieren und über Verhandlungen auf dem laufenden halten muss.

Konkret ging es um die Abstimmung zum Euro-Rettungsschirm und den Euro-Plus-Pakt, der die wirtschaftliche Zusammenarbeit in Europa stärken soll. In beiden Fällen kritisiert Karlsruhe den spärlichen Informationsfluss aus der Bundesregierung. Diese müsse wichtige Dokumente vorlegen, auch wenn die Verhandlungen noch liefen. Außerdem genüge es nicht, nur kleineren Gremien Einblick in Unterlagen zu gewähren (“Obleuteunterrichtung”).

Die Bundesregierung hatte argumentiert, es sei nicht praktikabel, das Parlament stets up to date zu halten. Die Verfassungsrichter sehen das anders. Für sie gehört es zu den Kernaufgaben des Parlaments, sich rechtzeitig über wichtige Entwicklungen zu informieren. Nur so seien sachgerechte Entscheidungen möglich. Die Verfassungsrichter trauen dem Bundestag auch zu, die im Einzelfall nötige Vertraulichkeit zu wahren. Für sensible Informationen gebe es ausreichende Geheimhaltungsvorschriften.

Der Beschluss beschränkt sich darauf, der Bundesregierung eine Rechtsverletzung zu bescheinigen. Konkrete Auswirkungen auf die Gültigkeit der internationalen Abkommen hat die Entscheidung nicht. Die Abgeordneten können sich aber auf das Votum aus Karlsruhe beziehen und mit erneuten Klagen drohen, sollte die Bundesregierung das Parlament auch in Zukunft links liegen lassen.

Entscheidung des Verfassungsgerichts

Der Kleidermufti von der SPD

Auch bei Samstagsarbeit muss auf stilvolle Kleidung geachtet werden. Zumindest wenn es nach der SPD im Berliner Abgeordnetenhaus geht. Der Sozialdemokrat Tom Schreiber rügte am Samstag, dass der Piratenabgeordnete Fabio Reinhardt auf einer Sondersitzung des Innenausschusses Bein zeigte. Reinhardt trug bei durchaus sommerlichem Wetter khakifarbene Bermuda-Shorts.

Der SPD-Abgeordnete, selbst im blauen Anzug, weißem Hemd und mit rotem Schlips erschienen, mokierte sich über die Kleidungsgewohnheiten der Piraten im allgemeinen. Mit dem Einzug dieser jungen Partei würden die Kleidersitten verfallen. Über Reinhardt sagte Schreiber, es sei "unpassend, praktisch in Unterhose und mit Laptop zu einer Ausschusssitzung zu erscheinen“. Was der SPD-Abgeordnete an einem Laptop auszusetzen hat, ist nicht überliefert.

Vor 30 Jahren trafen, so hat Telepolis recherchiert, solche Vorwürfe eine ganz andere Partei. Damals schrieben selbst Journalisten, es sei unmöglich die Grünen zu wählen, weil diese so scheiße angezogen sind. Pirat Fabio Reinhardt rechtfertigt seine Kleiderwahl damit, dass er am Samstag an einer Bootsfahrt der Piraten teilgenommen hat. Er habe keine Zeit und Lust gehabt, sich vor der Sondersitzung noch mal umzuziehen.

Dennoch fordert sein Kontrahent von der SPD jetzt sogar eine Kleiderordnung. Er wünscht sich für männliche Abgeordnete eine Pflicht zu langen, geschlossenen Hosen, aus denen nichts herausguckt.

Reinhardt hat mittlerweile erklärt, er
werde sich den modischen Gepflogenheiten des Abgeordnetenhauses durchaus beugen. Aber eine Krawatte werde er auf keinen Fall tragen.

Damit das “Hosengate” einen würdigen Abschluss findet, versteigert Fabio Reinhardt seine Bermuda-Shorts (Neupreis bei H & M: 19,99 Euro) gerade bei ebay. Der Erlös wird Asylbewerbern in Würzburg zu Gute kommen, die größere Sorgen haben als der Kleidermufti von der SPD-Fraktion.

Eltern haften für ihre Kinder

Eltern müssen auch die Internetnutzung ihrer volljährigen Kinder überwachen. Sonst haften sie dafür, wenn der Nachwuchs illegal Musik über ihren Internetanschluss tauscht. Dies hat das Oberlandesgericht Köln entschieden.

Der erwachsene Sohn hatte am Internetanschluss seiner Mutter Tauschbörsen genutzt. Dabei soll er 2.164 Songs angeboten haben. Darin sieht das Oberlandesgericht Köln eine Urheberrechtsverletzung, für welche auch die Mutter verantwortlich sei. Die Mutter, so das Oberlandesgericht, habe nicht ausreichend auf ihren Sohn eingewirkt.

Wie das konkret auszusehen hätte, sagt das Gericht allerdings nicht. Dies liegt daran, dass die Mutter laut dem Beschluss nicht vorgetragen hat, ihrem Sohn überhaupt Vorgaben gemacht oder diesen gar kontrolliert zu haben. Fest steht also nur, dass nach Auffassung der Kölner Richter Eltern ihre volljährigen Kinder belehren und möglicherweise sogar überwachen müssen.

Die Entscheidung erstaunt, weil das Oberlandesgericht Köln offensichtlich einen Unterschied zwischen Ehepartnern und volljährigen Kindern macht. Erst vor einigen Wochen hatte das Gericht entschieden, dass Ehegatten ihre Internetnutzung nicht gegenseitig überwachen müssen.

Wo da jetzt genau der Grund für eine unterschiedliche Behandlung liegt, erfahren wir mit etwas Glück in einem der nächsten Beschlüsse aus Köln.

Oberlandesgericht Köln, Beschluss vom 4. Juni 2012, Aktenzeichen 6 W 81/12

Auch eine GmbH kann Behörde sein

Die öffentliche Hand bleibt öffentliche Hand – auch wenn sie als Firma auftritt. Auch eine GmbH muss deshalb die Informationspflichten nach dem Pressegesetz erfüllen, sofern der Staat dort die Mehrheit hat und sie öffentliche Aufgaben erfüllt. Dies hat das Verwaltungsgericht Berlin entschieden.

Ein Journalist hatte von der Berlin Partner GmbH wissen wollen, welche Unternehmen mit welchen Beträgen das von der GmbH organisierte Hoffest des Regierenden Bürgermeisters im Jahr 2008 gesponsert hatten. Die Berlin Partner GmbH hatte dieses Begehren zunächst abgelehnt, die Auskunft dann aber unmittelbar vor der mündlichen Verhandlung gegeben.

Das Verwaltungsgericht hat der Berlin Partner GmbH die Kosten auferlegt, weil die Klage ohne die Auskunftserteilung Erfolg gehabt hätte. Nach dem Landespressegesetz seien Behörden verpflichtet, den Vertretern der Presse zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben Auskünfte zu erteilen. Diese Voraussetzungen hätten hier vorgelegen.

Die Beklagte sei im vorliegenden Fall Behörde. Der Behördenbegriff des Presserechts sei nicht organisatorisch, sondern funktionell zu verstehen; er erfasse daher auch juristische Personen des Privatrechts wie eine GmbH, der sich die öffentliche Hand zur Erfüllung ihrer Aufgaben bediene.

Die Beklagte habe mit der Einwerbung von Sponsorengeldern für das Hoffest öffentliche Aufgaben wahrgenommen. Die Berlin Partner GmbH werde auch von der öffentlichen Hand beherrscht, weil insgesamt 55 % der Anteile im öffentlichen Eigentum stünden. Dabei sei nicht nur der Anteil der Investitionsbank Berlin (45 %) zu berücksichtigen, sondern auch die Anteile der Berliner Handwerkskammer sowie der Industrie- und Handelskammer zu Berlin, die jeweils 5 % des Gesellschaftsvermögens der Beklagten hielten, weil auch sie Teil der öffentlichen Hand seien.

Ein Auskunftsverweigerungsrecht habe der Beklagten schließlich nicht zugestanden, weil mit der Auskunftserteilung kein schutzwürdiges privates Interesse verletzt würde. Insbesondere werde bei der Auskunft über Tatsache und Höhe des Sponsorings kein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis der jeweiligen Sponsoren offenbart.

Verwaltungsgericht Berlin, Beschluss vom 22. Mai 2012, Aktenzeichen VG 27 K 6.09

Digital kastriert

Über das Leistungsschutzrecht für Verlage wurde viel diskutiert. Heute ist der Referentenentwurf aus dem Justizministerium an die Öffentlichkeit gelangt. Das Papier ist ein Konjunkturprogramm für Rechtsanwälte. Gleichzeitig ist es ein Kniefall vor der Verlegerlobby. Die schlimmsten Befürchtungen haben sich damit bestätigt.

An sich hatte man ja mit einer Lex Google gerechnet. Schließlich rieben sich die Verlage immer vorrangig an der Suchmaschine, die angeblich ruchlos Artikel klaut, damit Milliarden verdient und keinen Cent davon abgibt.

Doch in den Erläuterungen zum Gesetzentwurf taucht Google nur am Rande auf. Im Fokus stehen dagegen Blogs sowie – unausgesprochen – Facebook-Nutzer und Twitterer. Diese Medien hat man nun offensichtlich als das tauglichste Zielobjekt für die geplante Monetarisierung der verlegerischen Eigenleistung ausgemacht. Das Leistungsschutzrecht soll die juristische Grundlage für eine gigantische Abmahnwelle gegen Blogs, Facebook-Seiten und Tweets legen. Im Entwurf wird diese Absicht nicht mal notdürftig kaschiert.

Das ist die Ausgangslage: Verleger sollen ein eigenständiges Verwertungsrecht für ihre Presseerzeugnisse erhalten. Wer diese Erzeugnisse auch nur zu kleinsten Teilen übernimmt, kann mit Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen überzogen werden. Blogger, die Texte aus Zeitungen oder Zeitschriften übernehmen, müssen eine Lizenz erwerben. Einzige Voraussetzung: Die Netzpublizisten sind gewerblich tätig. Das ist laut Entwurf schon dann der Fall, wenn irgendwelche Einnahmen erzielt werden. Ausdrücklich ausreichen sollen Werbebanner oder Micro-Bezahldienste, etwa Flattr.

Zwar sollen nach dem Vorschlag das Zitatrecht sowie reine Links nicht unters Leistungsschutzrecht fallen. Allerdings wird nirgends deutlich, wie eine Abgrenzung erfolgen soll. Denn an anderer Stelle wird ausdrücklich betont, dass schon kleinste Passagen aus einem Presseerzeugnis geschützt seien. Ausdrücklich bezieht sich das Ministerium auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs. Dieser hatte für Musik festgelegt, dass schon die Übernahme kleinster Schnipsel unzulässig ist.

Was nach dem Zitatrecht also noch möglich wäre, könnte nach dem Leistungsschutzrecht verboten sein. Diese rechtliche Grauzone ist nach meiner Überzeugung kein Missgeschick, sondern Absicht. Denn das juristische Nirgendwo liefert Blogger, Facebook-Nutzer und Twitterer an die finanzstarken Verleger aus.

Es wird nämlich genau auf dieser unsicheren Grundlage abgemahnt und mit Klagen gedroht werden. Und es wird genau das passieren, was wir schon aus dem Filesharing-Bereich kennen. Viele Betroffene ahnen zwar, dass sie nichts Unrechtes getan haben, aber sie werden es nicht auf eine rechtliche Überprüfung ankommen lassen und zahlen. Schon weil sie sich einen Prozess gar nicht leisten können.  

Der Schwenk weg von Google zu Netzpublizisten erscheint aus Verlegersicht folgerichtig. Offenbar hat man auch dort erkannt, dass sich beim Giganten aus den USA kein Geld holen lässt. Dieser wird seine deutschen News-Dienste im Zweifel eher abschalten, als dass er sich von den Medienhäusern über den Tisch ziehen lässt. Schon im Streit Youtube gegen GEMA praktiziert Google ja dieses Konzept, indem die Firma Musikvideos für den deutschen Markt einfach sperrt.

Was sind außerdem zehn oder 20 marktrelevante Suchmaschinen gegen abertausende, wenn nicht gar Millionen potenzieller Opfer? Damit meine ich alle Menschen, die in Blogs, auf Facebook und Twitter ins Internet schreiben. Einschließlich der unbedarften Kids, die man ebenso gleichmütig ins Messer des Leistungsschutzrechts laufen lassen wird, wie man sie und ihre Familien seit Jahren zu Opfern der Film- und Musikverwerter werden lässt. 

Insoweit darf man den Verlegern gratulieren, dass sie es tatsächlich geschafft haben, ihre Kanonen nun auf die von ihnen ohnehin ungeliebte Nebenöffentlichkeit im Netz richten zu dürfen. Neben dem finanziellen Aderlass dürfte die absehbare Shock & Awe – Strategie ja auch den Effekt haben, dass sich weniger Menschen trauen, selbst Inhalte ins Netz zu stellen. Was wiederum etlichen anderen wieder die Zeit geben könnte, Geld für klassische Presseprodukte auszugeben.

Fast überflüssig zu erwähnen, dass das Leistungsschutzrecht die neue Meinungsfreiheit bedroht. Wer als Bürger nur noch Zeitung lesen, aber nichts mehr im Internet dazu sagen darf, kann sich getrost digital kastriert vorkommen. Insoweit ist das Leistungsschutzrecht auch ein erster Schritt zurück in die Zeit, als die Medien alles, du und ich aber öffentlich nichts zu sagen hatten.

Es wird sich lohnen, die Umsetzung dieses Vorhabens zu verhindern.

Gesetzentwurf

Andere Meinungen:

Internet-Law

Kai Biermann in der Zeit

Analyse von iRights.info

Polizei verlangt Urintests am Straßenrand

Urinieren in der Öffentlichkeit ist an sich verboten. Allerdings scheint es mittlerweile auch Ausnahmen zu geben – bei Verkehrskontrollen durch die Polizei. In Marl etwa setzt die Polizei neben dem bislang verwendeten Wischtest einen neuen Drogenschnelltest ein. Für den sollen angehaltene Autofahrer an Ort und Stelle in ein Testgefäß pinkeln.

Gegenüber dem bisherigen Wischtest, bei dem über die Stirn oder Handinnenfläche gerieben wird, soll die neue Methode wesentlich schneller arbeiten. Schon nach zwei statt 20 Minuten gebe der Teststreifen Auskunft über möglichen Drogenkonsum, berichtet die WAZ.

Allerdings ist es für nicht ganz unempfindsame Gemüter natürlich ein Unterschied, ob kurz mit einem Papierstreifen über ihre Haut gewischt wird oder ob sie in der Öffentlichkeit auf Kommando in einen Plastikbecher urinieren müssen.

Außerdem gibt es da ja auch einen physiologischen Unterschied zwischen Frauen und Männern, der es Frauen nicht unbedingt einfach macht, am Straßenrand Wasser zu lassen. Unabhängig davon weiß ich nicht, ob ich es als männlicher Polizist schon im eigenen Interesse aus Sorge um eine Anzeige wegen sexueller Belästigung wagen würde, eine Frau zu einer solchen Prozedur aufzufordern, so lange nicht zumindest ein brauchbarer Sichtschutz vorhanden ist.

Bei Männern wie Frauen stellt sich insgesamt die Frage, ob so ein Prozedere (noch) mit der Menschenwürde vereinbar ist. Der WAZ-Bericht weckt jedenfalls Zweifel. Im konkreten Fall geht es um einen Familienvater, der vor den Augen seiner Kinder aufgefordert wurde, die Hosen runterzulassen und das Geschäft hinter einem Container zu erledigen. Ansonsten werde er in Handschellen auf die Wache gebracht, vermutlich, um dort eine eine Blutprobe zu nehmen.

Immerhin, das sollte man wissen, gibt es keine Pflicht, an solchen Aktionen mitzuwirken. Polizeibeamte dürfen nicht darauf bestehen, dass ein Autofahrer einen Drogen- oder Alkoholtest mit sich machen lässt. Das folgt schon aus dem Grundsatz, dass niemand an seiner eigenen Überführung mitwirken muss.

Wer solche Maßnahmen also strikt verweigert, stellt die Beamten vor die Wahl. Entweder sie machen das volle Programm mit der Blutprobe. Das wiederum bedeutet einen erheblichen Zeitaufwand, denn es muss ja nicht nur der Arzt kommen, sondern auch ein richterlicher Beschluss eingeholt werden (was allerdings gerne unterlassen wird). Oder die Beamten lassen den Kontrollierten fahren, ohne ihren wie auch immer ausgeprägten Anfangsverdacht zu überprüfen.

Ich persönlich hatte in fast 30 Jahren als Autofahrer erst zwei Mal das Vergnügen, mit Polizisten über solche Tests zu diskutieren. Einmal sollte ich pusten, beim anderen Mal einen Wischtest mit mir machen lassen. Ich lehnte in beiden Fällen freundlich, aber entschieden ab.

Natürlich kam dann auch die Drohung mit dem Polizeirevier, allerdings ohne die Handschellen. Hierzu habe ich nur gesagt, dass ich ein geduldiger Mensch bin und gerne gemeinsam mit den Beamten, die ja in der Zwischenzeit auch keine anderen Fahndungserfolge erzielen können, auf die Blutprobe warte, zumal ich mir über deren Ergebnis sehr sicher sei.

Ich durfte jeweils weiter fahren.

Mit einer Flasche Wein

Unser Mandant ist seit vielen Jahren Kunde bei einer Sparkasse. Das hält das Geldinstitut jedoch nicht davon ab, ihn für dumm zu verkaufen. Anders vermag ich es jedenfalls nicht zu interpretieren, wie die Sparkasse mit einer Reklamation des Mandanten umgeht.

Im Jahr 2009 kündigte unser Mandant seine Kreditkarte. Damit reduzierte sich die monatliche Kontopauschale von 8,20 Euro auf 5,20 Euro. Leider vergaß bei der Sparkasse jemand, den Preis zu ändern. So wurden munter jeden Monat drei Euro zu viel abgebucht. Was unser Mandant erst im Frühjahr 2012 merkte, als er mal seine Kontoabrechnungen näher anschaute.

Dass sie zu hohe Kontogebühren abgebucht hat, bestreitet die Sparkasse gar nicht. In einem Brief räumt ein Mitarbeiter der Geschäftsstelle ausdrücklich ein, “dass Sie unberechtigt zu viel Gebühren bezahlt haben.” Für das Jahr 2012, so heißt es weiter, “haben wir Ihnen anstandslos die Gebühren erstattet.”

Nun aber folgt die Begründung, warum für die Jahre 2009, 2010 und 2011 der Fehler nicht korrigiert werden kann:

Leider können wir für die vergangenen Jahre keine Gebühren erstatten, da die betreffenden Geschäftsjahre bereits abgeschlossen sind. … Bitte haben Sie Verständnis, dass weitere Zugeständnisse nicht möglich sind.

Das Geschäftsjahr ist abgeschlossen – was ist das denn für ein Argument? Kann ein mit Kreditraten säumiger Kunde der Sparkasse auch jeweils ab dem 1. Januar des Folgejahres die Zahlung verweigern, weil er seine Belege an den Steuerberater geschickt und damit innerlich das Geschäftsjahr abgeschlossen hat?

Bezahlt die Sparkasse eine Stromnachforderung der Stadtwerke ebenfalls nicht mit der Begründung, der Strom sei doch schon im letzten Jahr verbraucht worden, da könne man buchhalterisch jetzt leider nichts mehr machen?

Dass für die Sparkasse die üblichen Verjährungsregeln nicht gelten, scheint der Sachbearbeiter allerdings selbst nicht so zu glauben. Immerhin bietet er unserem Mandanten fürs Stillhalten eine Kreditkarte für ein Jahr kostenlos und (!) “Ihnen den Ärger mit einer Flasche guten Weins zu vertreiben”.

Der Ärger kommt bei unserem Mandanten weniger von den paar Euro. Sondern vielmehr aufgrund der Tatsache, dass ihm seine eigene Bank Begründungen auftischt, die nicht mal Bernd das Brot glauben würde. In dem Sinne haben wir jetzt ein kleines Schreiben an die Sparkasse gerichtet…

Polizei gegen Abgeordnete ist kein Grund zum Jubeln

Im sächsischen Landtag hat der Präsident heute die Polizei geholt, um alle Abgeordneten der NPD-Fraktion abführen zu lassen. Die Parlamentarier waren von der Sitzung ausgeschlossen worden, weil sie – entgegen der Geschäftsordnung – Kleidung des Labels Thor Steinar trugen. Erst als die Polizei kam, verließen die Abgeordneten den Saal.

Auch wenn die sächsischen NPD-Abgeordneten seit langem provozieren, ist das Vorgehen alles andere als eine Siegesmeldung für die parlamentarische Demokratie. Offensichtlich fehlt dem Landtagspräsidenten von der CDU und seinen Claqueuren auch aus anderen Fraktionen eine gewisse Sensibilität dafür, was es für ein veheerendes Bild es im Ergebnis vermittelt, wenn in einem Rechtsstaat die Polizei anrückt, um Abgeordnete notfalls mit Gewalt aus dem Plenarsaal zu entfernen.

Es mag einem gefallen oder nicht (mir nicht), aber die NPD-Parlamentarier sind gewählte Volksvertreter. Ihre Partei ist nicht verboten. Sie haben demnach ein Recht auf Anwesenheit im sächsischen Landtag. Ebenso haben sie die Pflicht, sich an die vom Landtag mehrheitlich beschlossene Geschäftsordnung zu halten. Wenn es die Mehrheit in Sachsen für erforderlich hält, Kleiderregeln in diese Ordnung aufzunehmen, ist das vielleicht nicht schlau, aber halt auch von der NPD zu beachten.

Es gibt also ein Spannungsfeld, das aufzulösen ist. Die Frage nach den zulässigen Mitteln ist keine juristische, sondern letztlich eine politische. Nimmt man wirklich in Kauf, dass die nachgeordnete Exekutive ( = Polizei) im Kernbereich der übergeordneten Legislative ( = Parlament) Gewalt gegen politisch inkorrekt gekleidete Abgeordnete anwendet?

Für mich steht der Anlass in keinem vertretbaren Verhältnis zum Glaubwürdigkeitsverlust, der notwendigerweise eintritt, wenn Volksvertreter andere Volksvertreter von der Polizei abholen lassen. Noch dazu aus so einem relativ unbedeutenden Anlass wie einem Verstoß gegen die Geschäftsordnung.

Keiner der NPD-Abgeordneten hat andere Parlamentarier am Reden gehindert, sie mit Waffen bedroht oder gar in Aussicht gestellt, eine Bombe zu zünden. In solchen Fällen bräuchte man über harsches Durchgreifen nicht zu diskutieren. Aber die Polizei wegen ein paar T-Shirts zu rufen und sie gegen – ja strafrechtlich noch dazu immune – Abgeordnete einzusetzen, offenbart für mich dramatische politische Kurzsichtigkeit, die offensichtlich auch den Blick auf historische Aspekte vernebelt.

Dass sich Demokraten ohne Not ausgerechnet der Mittel im Kampf gegen Rechte bedienen, mit denen sie unter anderen Vorzeichen einst von diesen verfolgt wurden, entbehrt jedenfalls nicht einer bitteren Ironie. Sicher ist das von der Motivation und den Folgen alles längst nicht zu vergleichen. Aber sehr wohl von der Optik – und selbst das müsste nicht sein.

Bericht der Süddeutschen Zeitung

Eine rechtliche Bewertung

Eigentum 1 : Kunst 0

Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) haben mit gerichtlicher Hilfe den Film “UNLIKE U” gestoppt. UNLIKE U ist eine in siebenjähriger Arbeit entstandene Dokumentation über die Sprayerszene in Berlin. Das Landgericht Berlin untersagte jetzt alle Szenen aus dem Film, die auf Gleisen, Bahnhöfen oder in Fahrzeugen der BVG gedreht wurden. 

Die Begründung des Gerichts ist bemerkenswert: Der Eigentümer eines Grundstücks dürfe uneingeschränkt darüber entscheiden, ob und wer auf seinem Gelände Aufnahmen macht. Die Richter lehnen sich hier an eine Entscheidung an, die der Bundesgerichtshof für gewerblich erstellte Fotos in den preußischen Schlössern und Parkanlagen getroffen hat. Danach dürfen die Grundstückseigentümer gewerblichen Fotografen Aufnahmen untersagen – selbst wenn die Anwesen öffentlich zugänglich sind.

Überraschend ist, mit welcher Leichtigkeit das Landgericht Berlin über die Rechte der Filmemacher hinweg geht. Meinungs-, Presse- und Kunstfreiheit lässt das Gericht elegant hinter das Eigentumsrecht der BVG zurücktreten – obwohl die Filmaufnahmen selbst unstreitig keinerlei Schaden angerichtet haben. Einzig nachvollziehbares Argument ist eigentlich, dass die BVG es nicht akzeptieren muss, wenn mögliche Straftaten wie das Sprayen als heroisch oder zumindest nachvollziehbar dargestellt werden.

Auf der anderen Seite ist die Sprayer-Szene eine gesellschaftliche Realität und verdient es sicher, “hautnah” dokumentiert zu werden. Das Landgericht Berlin sieht allerdings in den Aufnahmen, die Sprayer bei der Arbeit zeigen, keinerlei zusätzlichen Informationswert für den Zuschauer. So eine Argumentation entzieht dem Dokumentationsfilm, der nun mal die Wirklichkeit zeigt wie sie ist, en passant die Existenzgrundlage.

Wenn es nach dem Landgericht Berlin geht, müssen journalistische und künstlerische Interessen also künftig da enden, wo dem Grundstückseigentümer die Berichterstattung nicht in den Kram passt oder Filmaufnahmen einen vorher von ihm freigegebenen Zweck überschreiten. Und das selbst auf Flächen, auf denen der Grundstückseigentümer an sich Publikumsverkehr duldet (und natürlich auch alltägliche Film- und Fotoaufnahmen).

Fotos und Videos auf privaten, aber frei zugänglichen Grundstücken werden insgesamt leichter untersagt werden können, wenn sich die Auffassung des Landgerichts Berlin durchsetzt. Das wäre schade, weil wieder ein Stück Kunst-, Presse- und Meinungsfreiheit auf der Strecke bliebe.      

Urteil des Landgerichts Berlin vom 10. Mai 2012

Hintergründe zum Film UNLIKE U

Grundlose Gewalt: Polizisten zeigen Kollegen an

Die Polizei steht ja im Ruf, dass Korpsgeist bei ihr hoch angesiedelt ist. Allerdings geht es auch anders: Berliner Polizisten haben jetzt von sich aus einen Kollegen angezeigt. Dem Beamten, einem Kommissar, wird vorgeworfen, bei einer Demonstration in Berlin am letzten Samstag übermäßig hart gegen Demonstranten vorgegangen zu sein.

Der Polizist in Vollmontur soll grundlos auf eine Frau eingetreten haben. Eine andere Demonstrantin soll er mit voller Wucht vor die Brust geschlagen haben. Außerdem steht er in Verdacht, einen Mann ebenso ohne Anlass zwischen die Beine getreten und ihn verfolgt zu haben.

Das Ganze ist mittlerweile auch auf Youtube dokumentiert, wie die BZ mit Link zum Video berichtet.

Das Landeskriminalamt in Berlin soll die Ermittlungen übernommen haben. Momentan wird nach den Opfern des Prügelpolizisten gesucht. Von den Betroffenen hat sich trotz Aufrufs noch niemand gemeldet. Womöglich fürchten die Betroffenen ja auch, dass am Ende doch wieder gegen sie ermittelt wird, etwa wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte.

Das alles ändert jedoch nichts daran, dass es in Berlin offensichtlich mittlerweile Polizeibeamte gibt, die grundlose Gewalt aus den eigenen Reihen nicht unter den Teppich kehren. Eine Entwicklung, gegen die man sicher kaum was haben kann.