Die Herren Ministerialräte

Wundersame “Beförderungen” gab es im NRW-Justizministerium. Ulrich Hermanski, der ehemalige Pressesprecher des Ministeriums, trägt im aktuellen Handbuch der Justiz den Rang „Ministerialrat“. Ebenso wie Detlef Feige, sein Nachfolger. Dieter Wendorff, ehemals Leiter der Justizkommunikation und inzwischen in Rente, ist noch höher geklettert. Das Justizhandbuch betitelt ihn als „Leitender Ministerialrat“.

Tatsächlich sind alle gar keine Beamten, sondern Angestellte des Landes Nordrhein-Westfalen. Im Fachjargon heißt das „Justizbeschäftigter”. Aber: Justizbeschäftigter – wie klingt das…? Diese Sorge muss wohl jemand verspürt und die Mitarbeiter titelmäßig aufgewertet haben. Nur wer?

Der Deutsche Richterbund, der das Buch für ganz Deutschland herausgibt, sagt, die Bezeichnungen stammten direkt aus dem Ministerium. Stimmt, so heißt es dort nach einigen Nachforschungen, das haben wir so gemeldet. Aber warum die offenkundig falschen Titel?

Nun ja, irgendwer – näher mag man sich nicht festlegen – habe wohl die Funktion und Gehaltsstufe “frei übersetzt” und sei auf die Amtsbezeichnungen gekommen, die jetzt das Nachschlagewerk schmücken. Immerhin kostet es, so weit ersichtlich, den Steuerzahler nichts. Und möglicherweise erfüllt es ja auch seinen Zweck. Stehen doch gerade die Düsseldorfer im Ruf, Imponiergehabe etwas abgewinnen zu können. (pbd).

Kleiner Vortrag in Münster

“Sie haben das Recht zu schweigen”, heißt ein kleiner Vortrag, den ich am nächsten Dienstag, 3. Juli,  in Münster halten werde. Der AStA der Fachhochschule hat mich eingeladen.

Ich werde anhand praktischer Beispiele erklären, wie man sich bei Polizeikontrollen, Hausdurchsuchungen und Festnahmen am besten verhält. Egal, ob man nun Beschuldiger oder Zeuge ist.

Der Vortrag beginnt um 19 Uhr im Großen Hörsaal Hüfferstift, Hüfferstraße 27. Der Eintritt ist frei, und es dürfen nach meinen Informationen auch Nichtstudenten kommen.

Flyer des AStA

Adressbuch-Abzocke: Anwälte drehen den Spieß um

Normalerweise ärgert man sich ja nur über den dreisten Abzockversuch, wenn mal wieder ein dubioses Adressbuch-Angebot eingeht. Die Anwälte der Dortmunder Kanzlei Schlüter Graf & Partner greifen jetzt allerdings zu handfester Gegenwehr: Sie verlangen von einem Adressbuchverlag Geld dafür, dass er ihre Daten veröffentlichen darf.

Die brillante Idee hatte Dr. Mirko Möller, der in der Dortmunder Anwaltskanzlei arbeitet. Er änderte einfach den Text des Vordrucks, mit dem die Düsseldorfer GWE Wirtschafts-Informations GmbH für ihr Portal gewerbeauskunft-zentrale.de kostenpflichtige Aufträge reinholt. Statt die Zahlung von 569,06 Euro zu versprechen, schrieb Möller folgendes ins Formular:

Basiseintrag: Für die Erlaubnis, unsere genannten Firmendaten unter Gewerbeauskunft-Zentrale.de veröffentlichen zu dürfen, einschließlich der Verlinkung auf unsere Homepage erhalten wir von der GWE GmbH eine Vergütung von jährlich inkl. Ust: Eur 569,06. Die Berechnung erfolgt einmal pro Jahr im Voraus.

Der Adressbuchverlag nahm die Daten der Anwaltskanzlei prompt in sein Register auf, verweigert aber bislang die Vergütung. Nun gehen die Dortmunder Rechtsanwälte einen Schritt weiter. Sie haben die GWE Wirtschafts-Information GmbH vor dem Amtsgericht Düsseldorf verklagt.

Dabei müssen sich die Juristen noch nicht mal gute Argumente ausdenken. Sie kupfern einfach die Gründe ab, welche der Adressbuchverlag gegen seine “Kunden” vorbringt. Wer behauptet, das mehr oder weniger amtlich aussehende Dokument nur als Korrekturfahne für einen Telefonbucheintrag gehalten zu haben, den belehrt die GWE gerne, dass man im Geschäftsleben verpflichtet sei, Angebotstexte gründlich zu lesen, bevor man den Vertrag abschließt.

Mirko Möller ist jedenfalls zuversichtlich, dass das Gericht die GWE an ihren eigenen Maßstäben misst. Durch die Veröffentlichung der Daten, so meint er, sei der Vertrag zu seinen Konditionen abgeschlossen worden.

Mit der Klage will der Anwalt, der die Adressbuchmasche für strafbaren Betrug hält, ein Signal setzen und kein Geld verdienen. Sollte die GWE zahlen müssen, will die Kanzlei den Betrag für einen guten Zweck spenden.

beck-online

Ruhr Nachrichten

Gebt die WLANs frei

Die Digitale Gesellschaft hat heute einen Gesetzentwurf vorgelegt, der Betreiber privater WLANs von der Störerhaftung befreien soll. Wer sein WLAN offen lässt, soll künftig nicht mehr für Urheberrechtsverstöße haften, die Dritte über seinen Anschluss begehen. Die Digitale Gesellschaft weist darauf hin, dass diese Idee an sich nur eine Gleichberechtigung bedeutet. Schon heute sind kommerzielle Internetprovider wie die Telekom oder Vodafone nicht dafür verantwortlich, wenn sich Nutzer ihrer Netze rechtswidrig verhalten.

Wegen des Haftungsrisikos schotten momentan viele Nutzer ihre Funknetze ab, anstatt andere mitsurfen zu lassen. Das führt in dichter besiedelten Gebieten dazu, dass zwar oft ein Dutzend WLANs zu empfangen sind – aber alle verschlüsselt, sodass kein einziges zur Nutzung offen steht. Und all dies nur, weil die WLAN-Betreiber, anders als etwa die Anbieter von DSL-Anschlüssen, nach gegenwärtiger Rechtslage für alles haftbar gemacht werden können, was über ihre Netze geschieht.

Die Digitale Gesellschaft will diese Benachteiligung abschaffen: Warum, so fragen die Initiatoren, soll für den kleinen Mann eine wesentliche härtere Haftung gelten als für Telekom und & Co.?

Aus Sicht der Digitalen Gesellschaft ist das Teilen von Internetzugängen eine netz- und sozialpolitische Notwendigkeit: „Wer sein WLAN anderen zur Mitnutzung zur Verfügung stellt, tut etwas Gutes und sollte dafür nicht bestraft werden“, erläutert Markus Beckedahl, Vorsitzender des Vereins.

„Für Datenreisende ist diese digitale Nachbarschaftshilfe einem gereichten Glas Wasser vergleichbar. Auch kann man auf diese Art sozial Benachteiligten ermöglichen, im solidarischen Huckepackverfahren einen Internetzugang zu erhalten.“ So sieht der Hartz-IV-Regelsatz einen Zugang zum Internet bisher nämlich überhaupt nicht vor. Gerade für die Kinder von Hartz-IV-Empfängern bedeute dies eine handfeste soziale Benachteiligung.

Derzeit beschäftigen sich verschiedene Bundesratsinitiativen, zum Beispiel aus Hamburg und Berlin, mit dem Thema. Einige politische Akteure scheinen das Problem der Haftung für offene WLAN-Netze also bereits erkannt zu haben.

„Ohne Internetzugang ist man bereits heute Bürger zweiter Klasse“, sagt Markus Beckedahl. „Zugang zum Internet zu haben, darf nicht vom Einkommen abhängen – dafür ist es schon viel zu wichtig, ob zur Eigeninformation, zur gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Teilhabe oder für Verwaltungsvorgänge..”

Der professionell formulierte Gesetzentwurf  steht allen politischen Parteien gleichermaßen zur Umsetzung offen: “Copy & Paste ist hier mal ausdrücklich erwünscht”, so Beckedahl.

Gesetzentwurf

Richter erklären Beschneidung von Jungs für strafbar

Das Landgericht Köln hat ein Urteil gefällt, das sicher noch für Diskussion Sorgen wird. Nach Auffassung der Richter ist die Beschneidung eines Jungen eine strafbare Körperverletzung, wenn sie aus religiösen Motiven erfolgt. Das Gericht verurteilte nach einem Bericht der Financial Times Deutschland nun einen muslimischen Beschneider, der auf Wunsch der Eltern einen vierjährigen Jungen beschnitten hatte.

Nach Auffassung des Landgerichts Köln soll es sich bei der Beschneidung aus religiösen Gründen um eine "schwere und irreversible Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit" handeln. Diese sei weder durch die Religionsfreiheit noch das Elternrecht gedeckt.

Diese Ansicht haben allerdings auch schon andere deutsche Gerichte vertreten. Die meisten Entscheidungen drehen sich aber um zivilrechtliche Fragen, etwa die Überschreitung des Sorgerechts durch Eltern oder Schmerzensgeldansprüche beschnittener Jungen. Strafrechtlich scheint die Frage bislang in der Tat noch nicht geklärt. In den Standardkommentaren ist durchaus (noch) zu lesen, eine religiös motivierte Beschneidung sei bei Jungen “sozialadäquat”, verbunden mit dem Hinweis, die Beschneidung von Jungen sei nicht zu vergleichen mit der Genitalverstümmelung von Mädchen.

Die Problematik des Kölner Urteils liegt allerdings auf der Hand. Es verabsolutiert die körperliche Unversehrtheit eines Kindes, das aufgrund seines Alters nicht wirksam in den Eingriff einwilligen kann, gegenüber den religiösen Grundregeln seiner Eltern und deren (grundsätzlich zu achtenden) Wunsch, das Kind ebenfalls in dieser Religion zu erziehen.

Hinzu kommt, dass die männliche Beschneidung laut Wikipedia (Achtung: Der Wikipedia-Eintrag ist bebildert und möglicherweise NSFW) der weltweit am häufigsten vorgenommene chirurgische Eingriff ist. Beschneidungen erfolgen nicht nur aus religiösen Gründen, in den USA ist der Eingriff bei Jungs so etwas wie ein gesellschaftlich etablierter Standard. Außerdem gibt es eine Vielzahl medizinischer Indikationen für die männliche Beschneidung.

Strafrechtlich gesehen hat das Landgericht Köln somit zwar gesprochen. Ich bezweifle aber, dass es schon das letzte Wort in dieser schwierigen Problematik war.

Links 755

65 Prozent der GEMA-Ausschüttungen gehen an fünf Prozent der Mitglieder

Junge Anwältin zwischen den (politischen) Fronten

ARD und ZDF kündigen Einspeisungsverträge fürs Kabel

Chef von Morgan Stanley stolpert ins Aus

Kritik an der Polizei kann „Ehrabschneidung“ sein

Grüne wollen (nach wie vor) Marihuana legalisieren

Justizminister stellen WLAN-Störerhaftung auf den Prüfstand

Gericht untersagt Berliner Polizei erneut Videos bei Demonstrationen

Polizei in NRW blitzt nach Wunsch

Sperrmüll nicht zu früh rausstellen

Ach, sagen Sie mal…

Heute habe ich einen Brief der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) bekommen. Die Abteilung Geldwäscheprävention beschäftigt sich mit einer Firma, die nicht nur einen vollmundigen Namen trägt, sondern nach eigenen Angaben Niederlassungen in Panama, Monaco, auf der Isle of Man und den Cayman Islands hat.

Nun soll ich der BaFin nähere Informationen über das Unternehmen liefern. Man bittet mich um eine detaillierte Beschreibung, welche Tätigkeiten und Dienstleistungen die Firma anbietet.

Interessant ist natürlich, wie die BaFin darauf kommt, mir so einen Brief zu schreiben. Nun ja, die Erklärung ist eher schlicht: Mein Büro wird auf der in Panama gehosteten Webseite unter der Rubrik “Empfehlungen” geführt. Dort hat jemand eine ganze Latte von Strafverteidigern aus ganz Deutschland aufgezählt und – offensichtlich – die Tätigkeitsfelder und Kontaktdaten von der jeweiligen Kanzleihomepage rüberkopiert.

Schon vom Erscheinungsbild spricht also wenig dafür, dass die dort aufgeführten Anwaltsbüros tatsächlich für die betreffende Firma arbeiten. Oder dass die Kanzleien gar, wie es das BaFin in dem Schreiben ebenfalls für möglich hält, als Referenzkunden für tatsächlich ausgeführte Tätigkeiten oder Dienstleistungen des Unternehmens aufgeführt sind.

Ebenso interessant ist natürlich, welche Antwort sich die BaFin erhofft. Für einen Anwalt gilt die Schweigepflicht – auch und gerade gegenüber dem Staat. Zu dieser Schweigepflicht gehört mitunter schon, ob ein Mandat besteht. Oder eben auch nicht. Streng genommen fällt unter die Schweigepflicht sogar, ob es mal Gespräche über ein Mandat gegeben hat, selbst wenn letztlich nichts daraus geworden ist.

Das nimmt der BaFin natürlich nicht das Recht, höflich zu fragen. Mehr hat sie ja auch nicht getan. Dennoch sollte der BaFin aber auch klar sein, dass Anwälte, die eventuell für die Firma arbeiten, die freundliche Bitte gar nicht erfüllen können, ohne sich wegen Verletzung der Schweigepflicht strafbar zu machen. Es sei denn, ihr Auftraggeber stimmt irgendwelchen Informationen zu. Aber wäre das der Fall, hätte die BaFin ihre Informationen ja wahrscheinlich schon direkt von der Firma erhalten.

Ich muss mir jetzt überdies eine Wiedervorlage notieren. In absehbarer Zeit werde ich bei der BaFin nämlich mal anfragen, welche personenbezogenen Daten dort zu diesem Vorgang über mich gespeichert sind.

Im Gerichtssaal verhafteter Anwalt ist wieder frei

Der in Münster im Gerichtssaal verhaftete Anwalt ist wieder frei. Einzelheiten zu der Verhaftung habe ich hier berichtet. Nach meinen Informationen hat das Amtsgericht Münster heute nachmittag die Freilassung des Betroffenen angeordnet, nachdem er sich in der Haft zu den Vorwürfen geäußert hat.

Der Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Münster sagte mir, der Anwalt habe “wesentliche Teile des Ermittlungsergebnisses bestätigt”. Jedoch sei dies nicht so zu verstehen, dass der Betroffene den eigentlichen Vorwurf eingeräumt hat. Er habe zu der Frage, ob er einem Zeugen für eine Falschaussage Geld geboten hat, definitiv kein Geständnis abgelegt.

Jedenfalls erscheine es nach der Aussage nicht mehr verhältnismäßig, den Anwalt weiter in Haft zu belassen. Insbesondere sei die bislang angenommene Verdunkelungsgefahr nun nicht mehr gegeben.

Auch wenn das alles zutrifft, ändert dies nichts an der bislang geäußerten Kritik an dem brachialen Vorgehen der Münsteraner Ermittler. Denn selbst wenn dem Anwalt letztlich etwas zur Last gelegt werden kann, war die nach allem Anschein genüsslich inszenierte Festnahme im Gerichtsaal durch nichts gerechtfertigt.

Es ist Aufgabe der Gerichte über Straftäter zu urteilen. Es ist nicht Aufgabe der Staatsanwaltschaft, Verdächtige durch Showeinlagen öffentlich vorzuverurteilen und ihr Leben zu ruinieren. Es hätte der Staatsanwaltschaft Münster gut angestanden, auch beim Prozedere die Verhältnismäßigkeit ebenso im Auge zu behalten, wie sie es  jetzt – nach eigener, bislang nicht überprüfbarer Darstellung – bei der Frage nach der Fortsetzung der Untersuchungshaft tut.   

Ob und was an den Vorwürfen dran ist, wird jetzt das ganz normale Verfahren zeigen. Nach Auskunft des Sprechers der Staatsanwaltschaft werden die Ermittlungen fortgesetzt. Der Schaden, den die Staatsanwaltschaft Münster – auch für das Image der Strafverfolger insgesamt – bislang angerichtet hat, wird so oder so bleiben.

Andere Stimme zum Thema

Die Märchenstunde des Verlegeranwalts

Christoph Keese hat früher mal kluge Artikel für die Financial Times Deutschland geschrieben. Seit Jahren agiert er als Lobbyist für den Axel Springer Verlag. Da stellt er sich allerdings weit weniger schlau an. Sein wichtigstes Projekt, zumindest nach der Wahrnehmung in der Öffentlichkeit, ist das Leistungsschutzrecht. Manche sprechen sogar von einer Lex Keese. Anerkennend ist das nicht unbedingt gemeint. Und langsam fängt es sogar an, albern zu werden.

Keese präsentiert in seinem Blog heute das “Gutachten” eines Anwalts, der den Entwurf des Leistungsschutzrechts in höchsten Tönen lobt. Was sollte der Jurist auch sonst tun? Ausweislich des Vorspanns arbeitet er seit Jahren als Urheberrechtsexperte, beackert das Feld des Leistungsschutzrechts. Seine Mandanten und damit Brötchengeber sind die Verlegerverbände, seit jeher auch treibende Kräfte in Sachen Leistungsschutzrecht.

Auch wenn unklar bleibt, für wen der Anwalt das “Gutachten” geschrieben hat, einen Gefallen tut er seinen Auftraggebern damit jedenfalls nicht. Der Anwalt schwurbelt zwar weitgehend unverständlich und damit risikolos daher, versteigt sich aber immerhin zu folgender  Kernbehauptung:

Nur wer das Presseerzeugnis verwertet (und nicht lediglich seine Inhalte), greift in das Leistungsschutzrecht ein. Das Leistungsschutzrecht verletzt daher, wer zum Beispiel den elektronischen Scan einer Zeitung oder die technische Kopie einer Nachrichten-Website im Internet verfügbar macht. Keine Verletzung des Leistungsschutzrecht bewirkt, wer nur den Inhalt eines Presseartikels übernimmt – sei es in einem Blog, einem Tweet oder auf Facebook.

Der Anwendungsfall des Leistungsschutzrechts soll also darauf beschränkt sein, dass jemand einen Zeitungsartikel fotografiert und ins Netz stellt? Oder eine redaktionell gestaltete Onlineseite samt Layout übernimmt?

Ich rätsele wirklich, wo der Verleger-Anwalt diese Einschränkung herausinterpretiert. Davon steht im Gesetzentwurf zum Leistungsschutzrecht kein Wort. Im Gegenteil: Die Begründung betont ausdrücklich, dass sogar kleinste Textfetzen auch vom Leistungsschutzrecht umfasst sein sollen, ähnlich wie dies der Bundesgerichtshof ja bereits für Songs entschieden habe.

Im Sinne des “Gutachters” hat sogar Lobbyist Keese das Leistungsschutzrecht bislang nicht verstanden. Er räumte mittlerweile ein, dass theoretisch auch URLs (die zum Beispiel den Text der Überschrift enthalten) oder bloße Linksammlungen vergütungspflichtig sein könnten. Von Scans oder Textübernahmen samt Layout ist bei Keese keine Rede. Sein einziger Trost: Die Verleger würden hierfür sicher keine oder nur eine sehr geringe Lizenzgebühr kassieren.

Aber sehen wir das Positive. Ein von den Verlegern bezahlter Jurist erklärt öffentlich, dass wir das Leistungsschutzrecht gar nicht brauchen. Das Veröffentlichen von Scans oder gar die komplette Übernahme ganzer HTML-Seiten, die Redaktionen (mühsam) gestrickt haben, ist bislang jedenfalls nicht als der Quell der Millionenverluste beklagt worden, welche der angebliche Textklau im Internet verursacht.

Jedenfalls dürfte der Schaden, den eingescannte Zeitungsseiten verursachen, kein eigenes Gesetz rechtfertigen. Zumal der Anwalt auch dezent verschweigt, dass beide von ihm angeführten Fälle das geltende Urheberrecht verletzen. Verlage können in diesen Fällen schon längst aus den ihnen übertragenen Nutzungsrechten vorgehen.

Wir haben es also seit heute aus berufenem Mund schriftlich, dass das Leistungsschutzrecht überflüssig ist. Es bleibt nur die offenkundige Absicht, auf Grund unsicherer Rechtslage eine Abmahnwelle loszutreten und durch Verunsicherung von Bloggern, Facebook- und Twitter-Usern die publizistische Hoheit im Netz zurückzuerobern. 

Für diese Erkenntnis dürfen wir Christoph Keese wirklich dankbar sein.

Ebenfalls zum Thema:

Presseschauer

Internet-Law

kLAWtext

Stefan Niggemeier

Die Kachelmann-Schleife

In Münster ist ein Strafverteidiger im Gerichtssaal verhaftet worden. Ihm wird vorgeworfen, einem Zeugen 50.000 Euro für eine Falschaussage geboten zu haben. Die Art und Weise, wie die Staatsanwaltschaft mit dem Rechtsanwalt umgeht, wirft Fragen auf.

Es fängt schon damit an, dass es Tipps an die Medien gegeben haben soll. Die Osnabrücker Zeitung berichtet, unter anderem sei das WDR-Landesstudio in Münster informiert gewesen. Der Sender schickte ein Kamerateam, das die Verhaftung des Juristen filmte.

Zwar wird die Hauptverhandlung, in welcher der Anwalt gerade verteidigte, zu dem Zeitpunkt schon unterbrochen gewesen sein. Somit waren Filmaufnahmen im Gerichtssaal, wo die Handschellen klickten, jedenfalls nicht gesetzlich verboten. Es ist aber schon auffällig, wie sich ein beteiligter Staatsanwalt in dem Film martialisch an die Wachtmeister wendet, um noch an das Handy des Verhafteten zu kommen, gleichzeitig aber offenbar keine Probleme damit hat, dass dies alles vor laufenden Kameras stattfindet.

Das Ganze riecht nach bewusster Inszenierung, um dem Strafverteidiger eine möglichst große Packung mitzugeben. Nicht nur wegen der Kameras, sondern auch wegen des gewählten Ortes. Welche Notwendigkeit gab es für die Staatsanwaltschaft, den Anwalt im Gerichtssaal festzunehmen, also an jenem Ort, der größtmögliche Bloßstellung garantiert? Da der Verteidiger offenbar völlig ahnungslos war, wäre die Maßnahme problemlos diskreter möglich gewesen. Etwa im Büro des Verteidigers. Oder von mir aus auch bei ihm zu Hause.

Dass sich der verantwortliche Staatsanwalt mitten in der Verhandlung erhebt und die Festnahme verkündet, indem er von einem Blatt abliest wie bei einem schlechten Plädoyer, spricht nach meiner Auffassung ohnehin für sich. Wie der Mann da steht und dem Beschuldigten vor den Augen aller Beteiligten und Medien seine Rechte verkündet, ist schlichtweg inszenierter sozialer Mord an dem Anwalt.

Welche Notwendigkeit besteht denn, dies alles quasi in der Öffentlichkeit zu tun, selbst wenn der Zugriff in einer Gerichtsverhandlung erfolgen muss? Direkt neben jedem Gerichtsaal liegt ein Beratungszimmer. Ein verantwortungsvoller Staatsanwalt hätte den Betroffenen zumindest dorthin gebeten, und kein vernünftiger Richter hätte dies unter Berufung auf sein “Hausrecht” verweigert.

Stattdessen ist offenbar viel daran gesetzt worden, sich im Lichte dieser Aktion zu sonnen. Das widerspricht jedenfalls den Vorgaben für Staatsanwälte. Deren Richtlinien schreiben klar vor, dass sie die Persönlichkeitsrechte Beschuldigter zu wahren haben und alles unterlassen müssen, was eine Vorverurteilung begünstigt. Gegenüber Medien sind Staatsanwälte außerdem zur Zurückhaltung verpflichtet, auch im Blick auf die Unschuldsvermutung.

In diesem Fall kommt hinzu, dass der Vorwurf gegen den Anwalt auf wackeligen Beinen ruht. Ein Zeuge soll von einem Geldangebot berichtet haben. Das kann auch schlicht erfunden sein. Oder später jedenfalls nicht beweisbar sein, weil Aussage gegen Aussage steht. Die Festnahme des Anwalts erinnert also gleich in mehrfacher Hinsicht an den Fall von Jörg Kachelmann. Auch Kachelmann wurde mit großer Inszenierung verhaftet und vorgeführt. Am Ende war er freizusprechen, weil ihm eine Schuld nicht nachgewiesen werde konnte – trotz etlicher Äußerungen von Staatsanwälten, die ihn sogar noch als Täter darstellten, als die vermeintlichen Beweise längst bröckelten.

Es ist beschämend, wie wenig die Justiz lernbereit ist. So lange man die Verantwortlichen aber nicht zur Rechenschaft ziehen kann, sondern diese – wie im Fall Kachelmann geschehen – auch noch die Karriereleiter hinauffallen, wird sich nichts ändern. Es bleibt dann nur, wenigstens den Applaus zu verweigern, wenn wieder eine Kachelmann-Schleife anläuft.

Widerwärtig

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich vermisst die Vorratsdatenspeicherung, weil es deswegen schwieriger sei, jene Leute zu erwischen, die online gegen Nationalspieler Mesut Özil gehetzt haben. In einem Interview bedauerte er, dass die Fahndung nach solchen Tätern kaum Erfolg verspreche, weil es keine Vorratsdatenspeicherung gibt.

Was der Bundesinnenminister da macht, ist allerdings selbst Agitation und Propaganda. Wenn er – zu Recht – die rassistischen Sprüche über Özil für widerwärtig hält, darf man dennoch ein ähnliches Urteil auch über seine Worte fällen. Denn Friedrich, der es natürlich besser weiß,  ignoriert mit seiner billligen Polemik die verfassungsrechtlichen Grenzen, innerhalb derer eine Vorratsdatenspeicherung überhaupt zulässig ist.

Zunächst mal ist es keineswegs ausgemacht, dass die Polizei nicht auch mit normalen Fahndungsmethoden herausfinden kann, wer auf Twitter gegen Özil gehetzt hat. Sollten die Täter beim Anlegen des Accounts relevante Daten hinterlassen haben, können diese ausgewertet werden. Vielleicht haben die Spacken, allzuviel Intelligenz darf man ja wohl nicht vermuten, ihre echte IP-Adresse übermittelt. Diese könnte dann aber schon Twitter zur Verfügung stellen. Mittels der heute schon üblichen Speicherfristen bei den Providern wäre es durchaus noch möglich, an den Anschluss heranzukommen.

Sollten die Täter aber zum Beispiel ihre IP-Adresse verschleiert haben, würde auch die Vorratsdatenspeicherung nichts helfen. Denn es bestünde dann keine Möglichkeit, die vorhandenen Daten auf einen konkreten Anschluss zurück zu verfolgen. Die Halde mit allen unseren Kommunikationsdaten wäre zwar da, aber für diesen Fall unergiebig.

Überdies hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Verbot der Vorratsdatenspeicherung klipp und klar deutlich gemacht, dass Vorratsdaten grundsätzlich nur verwendet werden dürfen, wenn es um schwere und schwerste Strafaten geht. Oder Leib und Leben von Menschen akut gefährdet sind. Beides ist nicht der Fall, wenn irgendwelche Idioten auf Twitter jemanden beleidigen, selbst wenn es ein Nationalspieler ist.

Die Äußerungen des Innenministers zeigen wieder einmal, wofür die Vorratsdatenspeicherung eigentlich eingesetzt werden soll. Es geht ihren Befürwortern nicht um Terrorismus und Organisierte Kriminalität. Die Vorratsdatenspeicherung soll vielmehr als universelles Fahndungsinstrument eingesetzt dienen, auch wenn es nur um Enkeltricks, ebay-Schummeleien und den Ehrenschutz geht.

Was Friedrich verlangt, ist nach derzeitiger Lage ein Verfassungsbruch, und das aus gutem Grund. Aber wer halt die totale Datenhoheit über uns möchte, den schreckt eben kaum noch was ab – auch wenn die Menschen für dumm verkauft werden. Ich erlaube mir, das ebenfalls widerwärtig zu finden.

Sie dürfen bleiben

Die Umbuchung kam kurz vor der Abreise in einen Kurzurlaub. Aber mein Mandant, den ich allerdings in anderen Sachen vertrete, hat sich nicht so einfach damit abgefunden, dass er in einem anderen Hotel untergebraucht werden sollte.

Aus seiner Mail an den Veranstalter:

Sehr geehrte Damen und Herren,

gestern erhielt ich zu o.g. Reisebuchung einen Anruf:

Das gebuchte Hotel sei leider ausgebucht, man könne mir ein anderes Hotel in der Nähe anbieten, es werde eine neue Hotelbeschreibung versendet. Ich habe dazu deutlich gemacht, dass ich das Hotel vor allem wegen der (kostenlosen) und auch nachweislich vereinbarten Internet-Verbindung gebucht habe. Als Journalist bin ich darauf angewiesen.

Das angebotene Ersatz-Hotel bietet diese Leistung nicht. Schon deshalb ist dieser Wechsel inakzeptabel. Hinzu kommt, dass das Ersatz-Hotel insgesamt deutlich schlechtere Leistungen bietet, was sich schon darin zeigt, dass es bei Ihnen deutlich günstiger angeboten wird.

Für den von Ihnen angekündigte Vertragsbruch ist darüber hinaus deshalb nicht nachvollziehbar, dass das Hotel etwa über HRS für den gebuchten Reisezeitraum weiterhin  freie Kapazitäten meldet.  Dass dieses Hotel ausgebucht, ist somit ganz offensichtlich unwahr.

Ich forderte Sie deshalb auf, den Vertrag so zu halten, wie er geschlossen wurde. …

Mit freundlichen Grüßen

Die Antwort:

Sehr geehrter Herr K.,

vielen Dank für Ihre Mail. Wie soeben telefonisch gesprochen, dürfen Sie im gebuchtem Hotel bleiben und bekommen dort statt einem EZ ein DZ zur Alleinbenutzung.

Für weitere Rückfragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen,
Ihr Kundenservice

Ein schönes Beispiel dafür, dass man nicht alles schlucken muss, was einem vorgesetzt wird. Und dass es durchaus auch ohne Anwalt geht…

Vollstreckungsaufschub für DNA-Probe

Der Amtsrichter hat aus meiner Sicht getan, was man als sorgfältiger Jurist nicht tun sollte. Er ist mit einem Federstrich dem Vorschlag eines emsigen Staatsanwalts gefolgt, meinem Mandanten eine Blutprobe (oder freiwillig eine Speichelprobe) zu entnehmen, damit das DNA-Muster meines Mandanten in der Zentralkartei gespeichert werden kann.

Dabei sprechen einige Punkte dagegen, dass mein Mandant künftig Straftaten begehen wird. Genau diese Vermutung muss aber bejaht werden, wenn die DNA festgehalten werden soll. So ist mein Mandant in der Sache, die den Auslöser gab, gar nicht verurteilt worden. Das Verfahren wurde vielmehr gegen eine geringe Geldauflage eingestellt – ohne dass auch nur ein Zeuge gehört wurde oder mein Mandant was zugegeben hat.

Die Angelegenheit liegt auch schon Jahre zurück. Seitdem hat es keine Ermittlungen gegen meinen Mandanten gegeben. Auch ein Zeichen, dass von ihm eben keine Straftaten zu erwarten sind.

Außerdem ging es um ein Delikt, das am Computer begangen worden sein soll. Da frage ich mich sowieso immer, wie die DNA weiterhelfen soll. In der Beschwerde gegen Beschluss habe ich die Bedenken so formuliert:

Die DNA ist hier regelmäßig ein völlig ungeeignetes Beweismittel, da sich am Rechner eines Betroffenen normalerweise logischerweise dessen DNA befindet. Somit kann eine DNA-Spur auch kein Indiz dafür sein, ob der Betroffene tatsächlich zu einem fraglichen Zeitpunkt ein Internetdelikt begangen hat. Ein Indiz wäre die DNA-Spur allenfalls dann, wenn sich keinerlei andere DNA-Spuren an einem Rechner befinden würden. Dies erscheint jedoch in einem normalen Haushalt reichlich lebensfremd.  

Immerhin scheint der Richter von meinen Argumenten nicht ganz unbeeindruckt. Er hat nämlich ganz schnell angeordnet, dass der Beschluss bis zur Entscheidung über die Beschwerde nicht vollstreckt werden darf. Das ist nicht selbstverständlich, denn in Strafsachen können Beschlüsse auch durchgesetzt werden, obwohl sich der Betroffene dagegen wehrt.

In dem Fall war es auch höchste Eisenbahn. Die Polizei drängelte nämlich schon, dass mein Mandant doch bitte zur Speichel- oder Blutprobe kommen soll. Praktischerweise wollte der zuständige Kommissar das gleich mit der Rückgabe der beschlagnahmten Computer verbinden, die meinem Mandanten nach der Einstellung des Verfahrens wieder zurückgegeben werden müssen.

Jetzt kann mein Mandant erst mal unbesorgt seine Sachen abholen. Ich weiß, den Beamten wird es fuchsen. Der hatte mir nämlich am Telefon stolz erklärt, das örtliche Amtsgericht sei noch nie von einem DNA-Beschluss abgerückt. Nach dem ersten Zurückrudern des Amtsrichters nehme ich jedoch an, das war nur gut geblufft.

Frau J. vermutet betrügerische Absicht

Aus einer Strafanzeige:

… meldete sich telefonisch ein Herr W. bei Frau J. und gab sich als Treuhänder für Aktiengeschäfte aus. Er warb damit, dass er sich ausnahmslos um Aktien kümmere, die auf dem Aktienmarkt gefallen sind. Seine Aufgabe bestehe darin, den Anlegern erlittene Verluste zu ersetzen. …

Er verlange lediglich eine Bearbeitungsgebühr von einmalig 1.600,00 Euro, die sofort zu zahlen sei. Unmittelbar nach Eingang der Bearbeitungsgebühr werde er veranlassen, dass die Verluste ersetzt und dem Konto von Frau J. gutgeschrieben werden. … Frau J., die am Aktienmarkt große Verluste gemacht hat, überwies die geforderte Summe.

Nachdem nach ein paar Tagen keine Zahlung bei ihr eingegangen war, vermutet Frau J. nunmehr betrügerische Absicht hinter diesem Sachverhalt und bringt diesen zur Anzeige.