Plädieren ja, parken nein

Am Kölner Justizzentrum gibt es einen Parkplatz für Anwälte. Das ist sehr praktisch. Wenn man Anwalt ist. Ich bin oft in Köln und pflege deshalb traditionell ein gutes Verhältnis zu den knuffigen Herren, die bis zum späten Vormittag Aufsicht führen. Ein kleiner Plausch, aber vor allem ein Trinkgeld hier und da führen jedenfalls dazu, dass sich selbst an betriebsamen Tagen ganz hinten rechts noch eine Lücke findet. Auch wenn der Kollege mit dem verkniffenen Gesicht vorher mit höchstem Bedauern abgewiesen wurde.

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Wo Juristen parken, sind Rechtsfragen natürlich nicht weit. So berichtet mir ein Referendar, dass er jüngst nicht auf den Kölner Anwaltsparkplatz fahren durfte. Und das, obwohl er doch nachweislich als offizieller Vertreter des Rechtsanwalts zu einer Verhandlung anreiste, bei dem er sich gerade ausbilden lässt. Sogar die Untervollmacht des Anwalts ließ die Parkaufsicht unbeeindruckt.

Das ist schon interessant. Vor Gericht gilt der Referendar als vollwertiger Vertreter des Anwalts, aber für den Anwaltsparkplatz reicht sein Status nicht. Ein Wörtchen hat wohl auch der Kölner Anwaltverein mitzureden. Nach Auskunft des Parkwächters kommt es nämlich gar nicht auf die Frage an, ob Referendar oder nicht. Es dürften nämlich ohnehin nur Rechtsanwälte auf den Parkplatz, die Mitglied im Kölner Anwaltverein sind. Womit der Referendar aus dem Renne wäre.

Ich bin jedenfalls beruhigt, dass ich nach wie vor – wie vorgestern getestet – offenbar unbesehen als Mitglied des Kölner Anwaltvereins durchgehe. Und das, obwohl ich mein Düsseldorfer Autokennzeichen bei der Anfahrt nicht extra verhülle.

Nicht wägbare Menge

Der Polizei ist mal wieder ein beeindruckender Schlag gegen die Kriminalität geglückt, als sie meinen Mandanten auf der Straße anhielt. Die Ausbeute nach einer genauen Personenkontrolle sah so aus:

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Statt die Sache direkt an den Staatsanwalt zu schicken, damit der den Sack zu macht und das Verfahren einstellt, wird mein Mandant nun erst mal zu einer Vernehmung geladen. Man möchte ihn wegen “Verstoßes gegen das BtMG” befragen, obwohl er an Ort und Stelle schon Gelegenheit hatte, sich zu äußern. (Was er schlauerweise verweigert hat.)

Man kann also davon ausgehen, dass beim Aktenwälzen noch einiges an Arbeitszeit verbrannt wird. Das kostet nicht nur Steuergelder, sondern auch Ressourcen, die man bei der Polizei an anderer Stelle besser einsetzen könnte. Jedenfalls erscheint der drastisch beschworene Personalmangel doch zu einem guten Stück selbst verschuldet.

Der Tankinhalt als Schadensposten

Wer unschuldig an einem Unfall ist, kann vom Verursacher Schadensersatz verlangen. Eher unbeachtet blieb in solchen Fällen bisher der Tankinhalt des kaputten Autos. Doch in Zeiten steigender Spritpreise war es wohl nur eine Frage der Zeit, bis ein Unfallopfer auch das Restbenzin in seinem Auto bezahlt haben wollte. Nun landete so ein Fall vor Gericht.

Und tatsächlich: Der restliche Tankinhalt ist nicht nur Geld wert, das Benzin muss bei einem Unfallschaden auch in barer Münze erstattet werden. So hat es nun das Amtsgericht Germersheim entschieden. Das Unfallopfer muss nur glaubhaft nachweisen können, wann zuletzt getankt und wie viel seitdem gefahren wurde.

In dem Prozess hatte der Kläger belegen können, dass er am Vortag des Unfalls für 70 Euro getankt hatte und seitdem nur wenige Kilometer gefahren war. Das Gericht sprach ihm deshalb die verlangten 70 Euro zu.

Amtsgericht Germersheim, Urteil vom 8. März 2012, Aktenzeichen 1 C 473/11 (zitiert nach dem ADAJUR-Newsletter)

Im Übrigen

Das Los eines Verfahrensbevollmächtigten ist mitunter schon hart. So heißt es in einem Schreiben, das ein Kollege ans Gericht richtete:

Im Übrigen musste der Verfasser des Schriftsatzes die gesamten Mails des Antragsgegners lesen, dies verursacht schwere körperliche Schäden und ist geeignet, Depressionen hervorzurufen.

  Hört sich lustig an, hat aber einen wahren Kern.

Mehr Wahlrecht für Auslandsdeutsche

Die Globalisierung macht auch vor dem Wahlrecht nicht halt. Das Bundesverfassungsgericht hat heute eine Regelung gekippt, wonach im Ausland lebende Deutsche nur an einer Bundestagswahl teilnehmen dürfen, wenn sie irgendwann einmal mindestens drei Monate in Deutschland gelebt haben. Die Richter sind der Meinung, dass diese Bedingung sinnlos ist und gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstößt.

Geklagt hatten zwei Frauen, die 1982 in Belgien geboren wurden. Sie haben wegen ihrer Eltern zwar die deutsche Staatsbürgerschaft, lebten aber seit ihrer Geburt zu keiner Zeit drei Monate in Deutschland. Das Wahlamt ließ sie deshalb für die Bundestagswahl 2009 nicht zu.

Die 3-Monats-Regel war schon in der Vergangenheit entschärft worden. Zunächst waren nur Deutsche wahlberechtigt, die in den letzten zehn Jahren drei Monate in Deutschland lebten. Dann stieg der Zeitraum auf 25 Jahre; schließlich entfiel er ganz. Nun hat es auch die 3-Monats-Vorschrift insgesamt erwischt, und zwar aus gut nachvollziehbaren Gründen.

Das Verfassungsgericht sieht zwar, dass der Gesetzgeber mit den drei Monaten eine gewisse Verbundenheit der Auslandsdeutschen zur Bundesrepublik sichern wollte. Allerdings ist das gewählte Mittel hierfür absolut untauglich. So dürfte ein heute 80-Jähriger wählen, obwohl er seit 75 Jahren in Argentinien lebt und deutschen Boden seitdem nicht mehr betreten hat. Ein 25-Jähriger könnte dagegen nicht wählen, bloß weil er seit jeher mit seinen deutschen Eltern direkt an der deutsch-holländischen Grenze wohnt – nur auf der “falschen” Seite.

Die Regelung erreicht also gerade nicht das mit ihr angestrebte Ziel und verletzt den Grundsatz der Wahlgleichheit.

Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 4. Juli 2012, Aktenzeichen 2 BvC 1/11 und 2 BvC 2/11

Kein Vier-Augenprinzip für die Verkehrspolizei

Bei der Jagd nach Geschwindigkeitssündern gilt für die Polizei kein “Vier-Augen-Prinzip”. Das hat das Oberlandesgericht Hamm in einem Beschluss deutlich gemacht. Ein Autofahrer kann demnach nicht rügen, dass bei einer Lasermessung nur ein Beamter das Messergebnis abgelesen und ins Protokoll eingetragen hat.

Lasermessungen gelten als anfällig; die Zahl der Fehlerquellen ist enorm. Das fängt bei der Frage an, ob überhaupt das angehaltene Auto anvisiert wurde. Und es hört längst nicht bei der Frage auf, was eigentlich ist, wenn der Messbeamte sich schlicht beim Ablesen vertut oder dem Autofahrer gar was Böses will und einen entsprechenden Aufschlag macht.

Ein Vier-Augen-Prinzip an der Messstelle wäre zwar kein Patentrezept, es könnte aber Bedienungsfehler und vor allem Willkür beherrschbarer machen. Dies gilt umso mehr, als der vermeintliche Temposünder ja noch nicht mal verlangen kann, dass ihm das Display mit der angezeigten Geschwindigkeit gezeigt wird. Bei einer Lasermessung ist der Betroffene in der Regel völlig den Angaben der Beamten ausgeliefert.

Selbst die fehlende vom “technischen Messsystem selbst hergestellte fotografisch-schriftliche Dokumentation des Messergebnisses” (O-Ton Gericht) führt aber nicht dazu, dass die Richter dem Bürger unter die Arme greifen. Sie verweisen lapidar darauf, auch beim Tempomessungen gelte der Grundsatz freier Beweiswürdigung.

Eine Vorgabe an die Polizei, Standards wie etwa in Wirtschaft, Forschung oder Medizin anzuwenden, komme schon deshalb nicht in Betracht, weil es sich um eine “Beweisregel” für die Feststellung einer Tatsache ( = angezeigte Geschwindigkeit) handele. So was sei den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung fremd.

Man spürt bei den Ausführungen förmlich den Willen, sich nur ja nicht dem Kern des Problems zu nähern. Dass nämlich schlicht und einfach niemand kontrolliert und es sich auch später praktisch nicht feststellen lässt, ob ein Polizist Mist baut, und zwar entweder fahrlässig oder sogar vorsätzlich.

tl;dr

Autofahrer = Arschkarte

Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 19. Juli 2012, Aktenzeichen III 3 RBs 66/12 / via Heymanns Strafrecht Online Blog

Überlanges Verfahren: Klägerin kriegt Geld

Das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt hat erstmals von seiner Möglichkeit Gebrauch gemacht, überlange Gerichtsverfahren zu beanstanden. Das Oberverwaltungsgericht in Magdeburg rügte eine Entscheidung, für die das Verwaltungsgericht Halle über zwei Jahre gebraucht hatte. Das sei unangemessen lang.

Eine Polizeibeamtin hatte gegen ihre Umsetzung in ein anderes Revierkommissariat geklagt. Der Prozess vor dem Verwaltungsgericht wurde erst nach über zwei Jahren beendet. Zu lange, urteilte nun das Oberverwaltungsgericht. Das Verfahren sei weder schwierig noch sonderlich komplex gewesen. Von einer angemessenen Verhandlungsdauer, wie sie das Gesetz vorschreibt, könne keine Rede mehr sein.

Die Polizeibeamtin erhält nun eine finanzielle Entschädigung. Voraussetzung ist stets, dass der Betroffene sich rechtzeitig beim Gericht über die schleppende Arbeitsweise beschwert. Wer die Verfahrensdauer nicht rügt, kann später auch keine Entschädigung verlangen.

Die Regelung selbst ist relativ neu. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte beanstandet, dass die deutsche Justiz keine praktische Handhabe gegen zu langsame Gerichte bietet. Als Reaktion auf das Urteil wurde das Gesetz entsprechend ergänzt. Die Neuregelung ist seit Ende 2011 in Kraft.

Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 25. Juli 2012, Aktenzeichen 7 KE 1/11

Mein Teil der Gelben Wand

Sehr nett war es am Freitag in Gelsenkirchen. Ich war bei den Schalker Ultras eingeladen und durfte im Vereinsheim berichten, was man so für Rechte im Umgang mit der Polizei hat.

Am Ende der angeregten Diskussion kriegte ich auch ein Geschenk:

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Dem Vernehmen nach handelt es sich bei dem Stoffstreifen um ein originales Fitzelchen aus der “Gelben Wand”. Das war ein fast 60 Meter breites Banner, welches das Dortmunder Fußballstadion bis ins Jahr 2006 schmückte. Dann verschwand es spurlos. Nachdem es zwischenzeitlich schon mal auf diversen Fanvideos zu sehen war, taucht das Banner, Echtheit unterstellt, nun klein portioniert als Andenken wieder auf.

Ich habe keine Ahnung, ob der Zeitpunkt mit dem sicheren Ablauf aller Verjährungsfristen zu tun hat. Aber passen tut’s schon.

Auch wenn ich fußballmäßig 100 % neutral bin, habe ich mich über das originelle Präsent gefreut. Mal sehen, wo es seinen Platz hier im Büro findet. Falls BVB-Fans zu Besprechungen kommen, bitte vorher Bescheid sagen. Der Kasten wird dann auf Wunsch gern verhüllt.

Doch keine Warteschlangen-Steuer in Köln

Vorhin konnte ich noch im Auto hören, wie der Leiter des Kölner Ordnungsamtes im Interview mit 1Live eine denkbar schlechte Figur machte. Er hatte allerdings auch eine undankbare Aufgabe, denn er sollte die neueste Steuer-Idee der Stadtverwaltung rechtfertigen. Diese plante ernsthaft, Warteschlangen vor Diskotheken, Geschäften, Kinos, Eisdielen und sogar Büdchen zu besteuern.

Der hörbar überforderte Beamte ließ sich sogar darauf ein, seelenruhig aus seinem neuen Tarifverzeichnis rauszusuchen, was künftig eine Zwei-Meter-Schlange vor einem Kiosk kostet (Moderator: “Ich habe alle Zeit der Welt”). So erfuhren wir immerhin, dass per Meter abgerechnet werden wird und schon eine ganze Stange Geld rumkommen kann.

Außendienstler, so kündigte der Beamte an, würden erst messen und dann Rechnungen schreiben, wenn sie auf Warteschlangen stoßen. Es stehe jedem ehrlichen Büdchenbesitzer aber auch frei, selbst einen Antrag auf nachträgliche Steuerzahlung einzureichen, sofern sich das Publikum bei ihm mal bis auf den Bürgersteig gestaut habe. Eine Verrechnung mit der Zeit, die man als Bürger auf Kölner Ämtern vertrödelt, sei nicht drin, beschied der Beamte auf Nachfrage des glucksenden Moderators. “Natürlich nicht.”

Das war schon witzig, aber sicher ist spätestens in diesem Augenblick die Notbremse gezogen worden. Oberbürgermeister Jürgen Rothers, berichtet nun der WDR, schaltete sich aus dem Urlaub ein und kippte höchstpersönlich die am Morgen bekanntgewordene Warteschlangen-Steuer. Diese hat jetzt womöglich die Chance, als Eintagessteuer in die Geschichte einzugehen.

Wenn das Navi zickt, gibt’s kein Geld

Wer zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen wird, kann normalerweise die Fahrtkosten vom möglichen neuen Arbeitgeber verlangen. Auch wenn er die Stelle nicht bekommt. Eine Ausnahme gilt aber, wenn der Bewerber zwar anreist, die Firma aber nicht findet. Dann bleibt er auf den Kosten sitzen.

Ein Bewerber hatte geklagt, obwohl er gar nicht zum Bewerbungsgespräch gekommen ist. Nach seinen Angaben war er zwar in die Stadt gefahren, in der die Firma sitzt. Dort habe er aber die Adresse nicht finden können – auch sein Navi habe versagt.

Das Landesarbeitsgericht Mainz musste die Frage klären, ob dem Bewerber 61,80 Euro zustehen. Das ist nicht der Fall. In dem Urteil heißt es:

Es war Sache des Klägers, auf welche Weise er als Bewerber durch eine entsprechende Vorbereitung und Planung seiner Anreise nach C-Stadt sicherstellt, dass er rechtzeitig – ggf. durch Einplanung eines ausreichenden Zeitpuffers – zum Vorstellungstermin erscheinen kann.

Das Risiko, dass er trotz einer ihm übermittelten Anfahrtskizze und Einsatz seines Navigationsgeräts die Adresse der Beklagten nicht rechtzeitig findet, hat er selbst zu tragen.

Der Kostenerstattungsanspruch setzt nach Auffassung der Richter voraus, dass der vom Arbeitgeber gewünschte Erfolg eintritt. Das sei aber nur der Fall, wenn der Bewerber sich tatsächlich vorstelle. Die bloße Anfahrt sei für den Arbeitgeber schlicht wertlos.

Landesarbeitsgericht Mainz, Urteil vom 7. Februar 2012, Aktenzeichen 3 Sa 540/11

Keine Extra-Schirme für (Rand-)Gruppen

Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick hat eine Gesetzeslücke ausgemacht. Er fordert, Spott und Hohn gegen Kirchen und ihre Gläubigen auch strafrechtlich zu ahnden. Er möchte also die Götteslästerung wieder ins Strafgesetzbuch schreiben. Dabei wurde einfache Blasphemie aus guten Gründen schon vor langer Zeit als Straftatbestand abgeschafft.

Die bischöflichen Forderungen fallen zeitlich zusammen mit dem Rechtsstreit, den der Papst gegen das Satiremagazin Titanic begonnen hat. Benedikt XVI. fühlte sich durch ein Cover der Zeitschrift verunglimpft und erwirkte eine einstweilige Verfügung wegen Verletzung seines Persönlichkeitsrechts. Hierbei geht es jedoch um die zivilrechtliche Seite. Über Knast für die Titanic-Redakteure wird da auf der Richterbank nicht nachgedacht. Das möchte Schick nun offensichtlich ändern.

Für den Bischof ist spaßige, kritische, vielleicht auch geschmacklose Auseinandersetzung mit Kirche und Glauben ein Angriff auf die Menschenwürde. Das ist juristisch eher halbgar – jedenfalls die Kirche kann sich als Institution schlecht auf die Menschenwürde berufen.

Aber unabhängig von solchen Grundsatzfragen scheint der Bischof kein Gespür dafür zu haben, dass wir in einem Staat leben, in dem die Meinungsfreiheit nicht nur bei Schönwetter gilt und dass es für einzelne gesellschaftliche (Rand-)Gruppen keinen Anspruch gibt, dass ihnen extra Regenschirme aufgestellt werden. Das kennt man sonst nur aus anderen Ländern, mit denen Deutschland lieber nicht in einen Topf geworfen werden will.

Überdies haben die Religionen längst eine Sonderstellung. Nach § 166 Strafgesetzbuch ist die Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen auch heute strafbar. Voraussetzung ist allerdings, dass die Äußerungen geeignet sind, den öffentlichen Frieden zu stören.

Auf dieses Korrektiv zu verzichten, mag der feuchte Traum von katholischen Oberen sein, die ihren alten Allmachtsansprüchen nachtrauern – für einen freiheitlichen Rechtsstaat sind solche Forderungen jedoch inakzeptabel. Das gilt gerade im Umgang mit Kirchen, die noch lange daran arbeiten müssen, um ihren Ruf auch nur einigermaßen wieder herzustellen. Ich erinnere – abgesehen von der ohnehin unrühmlichen Rolle der katholischen Kirche in jeder Phase ihrer Existenz – nur an den jahrzehntelang vertuschten massenhaften sexuellen Missbrauch von Kindern  durch Priester und Kirchenmitarbeiter.

Daneben gibt es auch noch weitere Sonderparagrafen, welche die Kirchen besonders schützen. Strafbar sind die Störung der Religionsausübung und die Störung einer Bestattungsfeier. Wie man unschwer sehen kann, könnte das “Gastspiel” einer Band wie Pussy Riot in einer deutschen Kirche durchaus auch für unsere Staatsanwälte interessant sein. Schon das wäre vielleicht eher Anlass, mal über eine Abschaffung dieser Tatbestände nachzudenken. Gleiches gilt für den Fall des Bloggers Jörg Kantel, der wegen seiner Zustandsbeschreibung der katholischen Kirche als "Kinderficker-Sekte” angeklagt wurde.

Der Bischof hat eine eiskalte Abfuhr verdient.

Bericht bei stern.de

Eine verdammte Notwendigkeit

Die Polizei hat heute das Occupy-Camp in Düsseldorf geräumt. Die Räumung blieb friedlich, weil sich beide Seiten redlich darum bemühten. Die Polizei war ohnehin nur ausführendes Organ. Die Stadt Düsseldorf hat auf Räumung bestanden.

Interessant finde ich die Begründung, warum Occupy in Düsseldorf den Platz in Sichtweite der Börse und der Bundesbank räumen musste. Die Ordnungsverfügung argumentiert vorwiegend bauaufsichtsrechtlich. Sie steht damit quasi in Frankfurter Tradition. Dort hatten die Behörden die Auflösung des Camps unter Hinweis auf ihre Grünflächensatzung gefordert.

“Rasen betreten verboten.” Auch wenn formell alles wahrscheinlich superkorrekt ist, halte ich es schon für bemerkenswert, welche Antwort hier auf vorwiegend junge und friedliche Menschen gegeben wird, die ihre Sorgen öffentlich ausdrücken. Auch wenn ihre Wortwahl mitunter forsch erscheinen mag, ist die geäußerte Kritik am Wirtschafts- und insbesondere dem Bankensystem alles andere als Esoterik. Dass es jedenfalls so nicht weitergehen kann, hören wir mittlerweile in jedem zweiten Tagesthemen-Kommentar.

Die Occupy-Leute können also schon mal nicht einfach als Spinner abgetan werden. Ich habe in Düsseldorf auch nichts davon gehört, dass jemand sich über sie beschwert hätte. Mit Ausnahme der Banker und Broker in der Nachbarschaft.

Aber selbst wenn wir es mit Durchgeknallten im klassischen Sinn zu tun hätten – reichen nicht schon 10 Prozent Nachvollziehbarkeit bei einem Anliegen, es ernst zu nehmen? Und mal darüber nachzudenken, ob das Demonstrationsrecht und die Meinungsfreiheit es mit etwas gutem Willen vielleicht möglich machen könnten, nicht die Bauordnung des Landes NRW und die allgemeine Gefahrenabwehrklausel in Stellung zu bringen. Weil es möglicherweise eine verdammte Notwendigkeit ist, dass die Dinge, die bei uns (und in Europa und in der Welt) schwelen, auch öffentlich wahrnehmbar thematisiert werden. 

Auf den Punkt bringt es ein Bild von der heutigen Räumung. Behelmte Polizisten tragen einen Demonstranten aus dem Camp, der ein Schild im Mund hält. Aufschrift “Free Pussy Riot”.

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Quelle

Ich kann über die Ironie zwar lachen, aber nur trocken.