Kein Mädchenpensionat

Ein Viertel aller Gefängnisinsassen haben körperliche Gewalt erlebt. Nicht im letzten Jahr, sondern innerhalb eines Monats. Dies ist das Ergebnis einer Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen. Rund 25 % der befragten Inhaftierten – Männer wie Frauen gleichermaßen, bestätigten, innerhalb der letzten vier Wochen Opfer physischer Gewalt geworden zu sein.

Über die Einzelheiten der Studie berichtet der Berliner Tagesspiegel. Danach liegt die Gefahr für einen Häftling, binnen eines Monats im Jugendstrafvollzug vergewaltigt zu werden, bei sieben Prozent. Der Leiter der Studie, der Kriminologe Christian Pfeiffer, nennt das eine “Horrorquote”. Ebenso schauerlich sind andere Ergebnisse. So sehen sich Häftlinge weniger vom Personal geschützt, dafür eher von Mitgefangenen.

Eigentlich sollte man bei solchen Enthüllungen etwas Betroffenheit bei den Verantwortlichen erwarten. Der niedersächsische Justizminister Bernd Busemann kann sich dazu aber ganz und gar nicht durchringen. “Ein Knast ist eben keine Mädchenpension“, lautete sein Kommentar gegenüber der Nachrichtenagentur dapd.

Offenbar ist dem Minister entgangen, dass sich die staatliche Sanktion sich bei uns auf Freiheitsstrafen beschränkt. Deshalb ist es verhängnisvoll, körperliche Gewalt herunterzuspielen, auch wenn sie von Mitgefangenen verübt wird. Oder gar wie Busemann den Eindruck zu erwecken, man billige augenzwinkernd den harten Umgang im Knast. Nach dem Motto: Die haben es ja nicht anders verdient.

Natürlich lässt sich Gewalt im Gefängnis nicht komplett verhindern. Aber es ist die Aufgabe des Staates, sie nach Kräften zu verhindern und sie auch zu verfolgen. Auch ein Knast ist nämlich kein rechtsfreier Raum. Im günstigsten Fall begünstigt der Minister durch seine Äußerung das Prinzip des Wegschauens, das die Studie ja auch beklagt. Im schlimmsten Fall gibt er zu erkennen, wie lax man es sogar an höchster Stelle schon mit den Minimalanforderungen an Rechtsstaatlichkeit nimmt.

Gewalt jedenfalls fühlt sich nicht besser an, bloß weil sie nicht in einem russischen, sondern einem deutschen Knast geschieht.

Planen Anwälte einen Pranger für Filesharer?

Die Regensburger Kanzlei Urmann + Collegen ist eine Größe im Abmahngeschäft. Unter anderem fällt sie auch dadurch auf, dass eine stattliche Zahl der von ihr vertretenen Rechteinhaber aus der Erotikbranche stammt. Nun kündigen die Anwälte einen gewagten Schritt an: Sie wollen ab dem 1. September sogenannte “Gegnerlisten” veröffentlichen. Was durchaus bedeuten könnte, dass sich von U + C Abgemahnte demnächst namentlich auf der Homepage der Anwälte finden könnten. Ein Internetpranger – traut sich U + C das wirklich?

Der Ankündigungstext lässt jedenfalls erahnen, wie das Kalkül der Regensburger Juristen ist:

In einem großen Teil der uns anvertrauten Mandate erzielen wir vergleichsweise Einigungen. Im Interesse unserer Mandanten ist dies häufig sinnvoller als der Gang durch die Gerichtsinstanzen.

Wer sich nicht einigt, könnte aber namentlich auf einer Online-Liste landen. Denn diese wird schon im übernächsten Satz in Aussicht gestellt. U + C beruft sich auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Dieses hatte solche Listen grundsätzlich für zulässig gehalten. Das Grundrecht auf freie Berufsausübung müsse dem Anwalt auch ermöglichen, über seine Rechtsstreite zu berichten.

Allerdings bezieht sich die Entscheidung nur auf Mandate im gewerblichen Bereich, im entschiedenen Fall ging es um Klagen gegen Kapitalanlagefirmen. Ob das ein Freibrief ist, auch Privatleute bloßzustellen, ist höchst fraglich. Zwar könnte man argumentieren, dass die Gerichte die betreffenden – angeblichen – Urheberrechtsverletzungen als “gewerblich” ansehen. Denn sonst wären die Provider nicht verpflichtet worden, Namen und Adressen der Anschlussinhaber zu den festgestellten IP-Adressen herauszugeben. (Eine neue Entscheidung des Bundesgerichtshofs stellt das alles zwar etwas auf den Kopf, aber diese Rechtsansicht war seinerzeit ja noch nicht bekannt.)

Ich gehe davon aus, dass die Veröffentlichung persönlicher Daten mutmaßlicher Filesharer rechtswidrig ist. Wenn ein Anwalt eine Firma oder einen Prominenten als “Gegner” nennen kann, hat das einen Informationswert. Der Name und ggf. die Adresse eines Bürgers, der nicht im Licht der Öffentlichkeit steht, lässt dagegen überhaupt keinen Rückschluss auf die Tätigkeit oder gar die Qualität des Anwalts zu. Bei den Abmahnungen handelt es sich ja auch um standardisierte Schreiben.

Es würde also auch völlig ausreichen, zum Beispiel die Zahl der Gegner aus diesem Bereich zu nennen. Ob eine Kanzlei 10.000 oder 200.000 Bürger abgemahnt hat, mag für ihre potenzielle Kundschaft durchaus eine interessante Information sein.

Ohne dass U + C daraus einen Gewinn ziehen könnten, würden die Persönlichkeitsrechte eines Abgemahnten verletzt. Gerade eine Abmahnung wegen pornografischer Inhalte ist sicher etwas, was viele Betroffene in ihrem Umfeld bloßstellen und lächerlich machen würde. Hinzu kommt, dass sich die Abmahnungen ja immer gegen den Anschlussinhaber richten. Selbst wenn jemand über seine Internetleitung einen Porno gezogen hat, heißt dies noch lange nicht, dass es auch der genannte Gegner war.

Eine Abwägung der widerstreitenden Interessen fällt eindeutig zu Gunsten der U + C – Gegner aus. Deshalb wage ich die Prognose, dass die Regensburger Anwälte die Namen von Filesharing-Gegnern nicht veröffentlichen werden. Sollte dies doch geschehen oder noch konkreter angekündigt werden, würde ich Mandanten raten, sofort eine einstweilige Verfügung zu erwirken. Außerdem müsste man überlegen, ob das Ganze nicht auch als (versuchte) Nötigung strafbar wäre.

Internet-Law zum gleichen Thema

Videokameras gegen Nothämmerchen-Diebe

Die Düsseldorfer Rheinbahn hat bereits 350 Videokameras im Betrieb. Allerdings handelt es sich um veraltete Modelle mit geringer Speicherkapazität. Deshalb können nur Zufallsaufnahmen gemacht werden – oder wenn ein Fahrgast den Alarmknopf drückt. Das soll sich nun ändern: Alle U-Bahnhöfe und die meisten Stadtbahnhaltestellen sollen auf Dauerüberwachung umgerüstet werden.

Bemerkenswert ist der Grund, warum die Düsseldorfer Verkehrsbetriebe über 500.000 Euro in die neuen, rund um die Uhr laufenden Videokameras investieren wollen. Hauptsächlich geht es nämlich darum, Graffiti-Sprüher und Sesselschlitzer abzuschrecken oder wenigstens zu ermitteln.

Zwar hat man auch die Sicherheit der Fahrgäste im Blick. Überraschenderweise scheint es aber wenig konkreten Bedarf an “Schutz” durch Kameras zu geben. “Zum Glück gibt es so was bei uns so gut wie nie”, zitiert die Rheinische Post (Printausgabe) Rheinbahn-Sprecher Georg Schumacher. Mit “so gut wie nie” meint Schumacher Gewalttaten auf Bahnsteigen.

Also eine Videokomplettüberwachung zur Verhinderung von Sachbeschädigung. Aus Sicht der Rheinbahn mag das nachvollziehbar sein, mir als Fahrgast (ich habe eine Monatskarte) wird da allerdings unbehaglich. Ich muss mich künftig also auf Haltestellen und in Bahnen ständig filmen lassen, nur damit die Verkehrsbetriebe möglicherweise ein paar Graffiti-Sprüher stellen können. Oder die dreisten Diebe von Nothämmerchen, welche die Rheinbahn gegenüber der Lokalpresse nicht zu erwähnen vergisst.

Auch wenn die jährlichen Schäden durch Vandalismus angeblich ca. zwei Millionen Euro betragen (eingerechnet sind allerdings auch die Kosten für die Reinigung versehentlich verschmutzter Sitze), scheint mir die Rechnung etwas einseitig zu Lasten der Fahrgäste gemacht zu werden. Ich möchte schlicht und einfach nicht permanent aufgenommen werden, sobald ich mit Bus und Bahn unterwegs bin.

Zumal ich den Rheinbahn-Sprecher in dem Punkt beipflichten kann, dass im Düsseldorfer Nahverkehr weniger Räuber und Schläger nerven, dafür aber dauernörgelnde Rentner und ungehobelte Stutzer jeder Couleur (in dieser Reihenfolge). Aber gegen die helfen Kameras leider nicht.

Noch dazu wird die Rheinbahn jede Aufnahme 72 Stunden speichern. Das ist ein stattlicher Zeitraum; Beschädigungen dürften ja wesentlich schneller entdeckt werden. Verkauft wird das mit einem angeblich hohen Standard beim Datenschutz. Die Aufnahmen dürften nur besonders geschulte Mitarbeiter sehen. Und intern gibt es angeblich die Vorgabe, dass Bilder nur im Zusammenhang mit Straftaten verwendet werden dürfen.

Daneben kann allerdings auch die Polizei auf die Aufnahmen zugreifen. Was zwangsläufig dazu führen wird, dass auch bei kleineren Delikten außerhalb des Rheinbahn-Bereichs künftig geschaut werden wird, wer denn an einer Haltestelle ein- oder ausgestiegen oder zumindest durchs Bild gelaufen ist.

Da die Haltestellen ja nun meist in den öffentlichen Straßenraum integriert sind, kann das sogar wunderbare Bewegungsprofile ergeben. Allerdings nicht nur von Tätern, sondern von vielen tausend Fahrgästen und ganz normalen Passanten.

Wenn das alles kommt, werde ich in Düsseldorf wahrscheinlich wieder mehr Auto fahren.

Das FBI steht deutschen Urhebern bei

Während unsere Urheber und vor allem die Verwertungsindustrie noch auf die geforderten Gesetzesverschärfungen, verstärkte Internetüberwachung und den damit verbundenen Abbau von Freiheitsrechten für uns alle warten, erhalten sie unverhofft Schützenhilfe aus Übersee. Das FBI hat mit sofortiger Wirkung sein Anti-Piracy Warning Seal für die allgemeine Nutzung freigegeben.

Bisher durften nur Mitglieder von fünf Produzentenverbänden in den USA den Warnhinweis nutzen. Wegen zahlreicher Anfragen und großem Interesse hat das FBI diese Beschränkung nun aufgehoben.

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Die Nutzungsbedingungen sind hier veröffentlicht. Wenn ich nichts überlesen habe, gibt es keine geografische Einschränkung für die Verwendung des Anti-Piracy Warning Seals, so dass nun auch deutsche Rechteverwerter ihre Hinweise optisch etwas aufpeppen können. Vielleicht ein adäquater Ersatz für die doch etwas in die Jahre gekommene “Raubkopierer sind Verbrecher”-Kampagne.

Das FBI selbst ist jedenfalls von seinen Produkt überzeugt:

Selective use of the seal on works that are the most vulnerable to piracy—proprietary software code, video games, videos, images, and testing materials, by way of example—may enhance enforcement of particularly valuable copyrighted works.

Allerdings mahnt die Behörde zum besonnenen Gebrauch. Die inflationäre Verwendung auf allen urheberrechtlich geschützten Werken verbessere nicht unbedingt die Beziehung des Kunden zum Anbieter.

via

Psycho-Argumentation

Wenn ein Vermieter bei einem Mieter Sturm klingelt, rechtfertigt das kein Schmerzensgeld. Schon gar keines in Höhe von 15.000 Euro. Das hat das Amtsgericht München entschieden.

Nachdem es vorher schon zu Zahlungsrückständen kam, zahlte eine Mieterin ab August 2011 keine Miete mehr. Gegen die Räumungsklage wehrte sie sich mit dem Argument, ihr stehe wegen “Psychodrucks” ein Schmerzensgeld von 15.000 Euro zu.

Die Tochter der Vermieterin habe im Juli Schreiben übergeben wollen und dabei Sturm geklingelt. Durch den lautstarken Auftritt der Vermietertochter habe ihr eigenes Kind Angstzustände bekommen und sei zum Vater gezogen.

Das Amtsgericht München wollte der Psycho-Argumentation nicht folgen. Das Übergeben von Schriftstücken vor der Haustür oder an der geöffneten Wohnungstüre stelle keinen Eingriff in die Privatsphäre dar. Auch im „Sturmklingeln“ sei kein solcher Eingriff zu sehen, zumal es der Beklagten freigestanden hätte, nicht zu öffnen.

Selbst wenn man einen Eingriff annehmen würde, wäre dieser unerheblich und würde keinen Schadenersatzanspruch nach sich ziehen. Darüber hinaus habe die Klägerin ein nachvollziehbares Interesse daran gehabt, wichtige Schreiben persönlich zu übergeben.

Der Vorfall stelle auch keinen Eingriff in die elterliche Sorge dar. Es sei nicht ersichtlich, dass und wie die Vermieterin durch ihr „Sturmklingeln“ in das Recht der Mieterin, für ihr minderjähriges Kind zu sorgen, eingegriffen habe solle. Wenn sich die 17-jährige Tochter entschieden habe, zu ihrem Vater zu ziehen, könne diese Entscheidung nicht der Vermieterin zugerechnet werden.

Die Mutter möge dies als Beeinträchtigung des seelischen Wohlbefindens empfunden haben, dennoch sei es der Entschluss der Tochter. Es sei auch nicht nachvollziehbar, dass diese durch einen einmaligen Vorfall von „Sturmklingeln“ so unter psychischen Druck geraten sei, dass sie ausziehen musste.

Amtsgericht München, Urteil vom 6. März 2012, Aktenzeichen 473 C 31187/11

Ausweiskontrolle vor dem Gerichtssaal

Urteile ergehen im Namen des Volkes. Gerichtsverhandlungen sind grundsätzlich öffentlich. Das Volk soll hören dürfen, wie es zu Urteilen kommt. Zur Öffentlichkeit gehört nach meiner Meinung auch, dass sich niemand für den Besuch einer Gerichtsverhandlung rechtfertigen muss. Und auch keine Sorgen zu haben braucht, dass seine Daten irgendwo gespeichert werden.

Die Wirklichkeit sieht mitunter leider anders aus. Zum Beispiel bei einem anstehenden Großverfahren. Da darf nur in den Saal, so das Gericht, “wer seine Personalien (Name, Geburtsdatum und -ort, Anschrift und Ausweisnummer) durch Fertigung von Ablichtungen des Ausweispapiers durch die Justizwachtmeisterei festhalten lässt”. Alle Besucher werden also namentlich erfasst.

Die Gerichte lassen diese Kontrollen mittlerweile zu. Allerdings meist nur unter der Bedingung, dass die Besucherdaten getrennt von den Gerichtsakten erfasst werden. Außerdem müssen sie zeitnah zum jeweiligen Sitzungstag wieder gelöscht werden. Die Erfassung dient nämlich offiziell nur dazu, eventuelle Störer zu identifizieren.

Ob die Besucherlisten tatsächlich gelöscht werden, ist eine andere Frage. Ebenso, ob Polizeidienststellen oder Geheimdiensten gestattet wird, sich vor der Löschung Kopien zu machen. Selbst wenn alles korrekt abläuft, bleibt der Umstand, dass man sich als Zuschauer ausweisen muss. Das schreckt den einen oder anderen auf jeden Fall ab. Ich bezweifle, dass man da noch von echter Öffentlichkeit sprechen kann.  

Hier mal der komplette Text einer ganz frischen “sitzungspolizeilichen Verfügung”:

Zur Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung in der Hauptverhandlung gemäß § 176 GVG wird folgendes angeordnet:

1. Zum Sitzungssaal wird nur zugelassen, wer

a) sich durch einen gültigen Bundespersonalausweis, Reisepass, Führerschein, oder vergleichbare ausländische Ausweispapiere ausweisen kann,

b) seine Personalien (Name, Geburtsdatum und -ort, Anschrift und Ausweisnummer) durch Fertigung von Ablichtungen des Ausweispapiers durch die Justizwachtmeisterei festhalten lässt,

c) sich einer Durchsuchung seiner Person und der mitgebrachten Sachen
unterzieht,

d) keine der unter 2.c) genannten Gegenstände beim Betreten des Gerichtssaals mit sich führt,

e) nicht als Zeuge in der Anklageschrift/Zeugenliste benannt ist oder dessen Zeugenvernehmung abgeschlossen ist.

2.

a) Die Einlasskontrolle erfolgt vor dem Eingang des Sitzungssaales.

b) Die Durchsuchung ist durch die Justizwachtmeister und Justizwachtmeisterinnen vorzunehmen.

Die Durchsuchung geschieht elektronisch und bei Bedarf durch Abtasten über der Kleidung. Bei Trägern von Mänteln und Jacken sind zunächst diese, nach deren Ablegen ist die darunter befindlichen Oberbekleidung/Bekleidung abzutasten.

In die Untersuchung sind auch das mitgeführte Handgepäck und Akten­taschen, Damenhandtaschen und sonstige Behältnisse einzubeziehen. Männliche Besucher werden nur von Wachmeistern, weibliche nur von Wacht­meisterinnen durchsucht.

c) Die Durchsuchung richtet sich auf

– Waffen und sonstige gefährliche Gegenstände, die zur Verletzung einer Person geeignet sind,

– für Bild- und Tonaufnahmen geeignete Geräte wie Mobiltelefone und Notebooks/Laptops.

Diese Gegenstände sind vor Betreten des Sitzungssaals den Justizwachtmeistern/innen zur Verwahrung zu übergeben. Wird die Übergabe verweigert, ist der betreffende Besucher zurückzuweisen.

3. Die vorgenannten Einschränkungen gelten auch für Terminsunterbrechungen und Pausen und auch beim erneuten Betreten des Sitzungssaals.

4. Von der Einlasskontrolle, der Durchsuchung und den Einschränkungen zu 1.) sind ausgenommen:

– die Mitglieder des Gerichts, Protokollführer, Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft, die Verteidiger und die Vertreter der Jugendgerichtshilfe,

– die sich als Polizeibeamte ausweisende -oder als solche bekannte-
Personen; diesen wird gestattet, ihre Dienstwaffen im Sitzungssaal zu
tragen.

5. in allen Zweifelsfällen ist die Entscheidung des Vorsitzenden oder seines Vertreters einzuholen.

Trotz der Liebe zum Detail verliert das Gericht kein Wort darüber, wann die Daten und Personalausweiskopien der Besucher gelöscht werden. Ein paar Worte dazu wären aber eigentlich angebracht. 

Mini-Filesharer – zum Abschuss freigegeben

Im Urheberrechtsgesetz steht es ausdrücklich drin: Internetprovider müssen nur die Namen und Adressen von Filesharern nennen, die gewerblich das Urheberrecht verletzen. Offenbar gefällt dem Bundesgerichtshof diese Regelung nicht. Deshalb setzt er sie nun kurzerhand mit einem Beschluss, der heute bekannt wurde, außer Kraft. Das Gericht gibt damit auch Menschen zum Abschuss durch die Abmahnindustrie frei, die Tauschbörsen nur minimal genutzt haben.

Die Entscheidung stellt sich nach meiner Meinung eindeutig gegen das Gesetz. Demgemäß ist sie an gewagtem Wortgeklingel kaum zu überbieten. Dennoch wird sie spürbare Konsequenzen haben. Die Rechteinhaber müssen nämlich künftig nicht mal mehr darlegen, warum der Tauschbörsennutzer aus ihrer Sicht gewerblich gehandelt hat.

Die Frage der Gewerblichkeit war schon seit Einführung des Auskunftsanspruches gegen Provider nur ein schwaches Korrektiv. Viele Gerichte nahmen gewerbsmäßiges Handeln nämlich schon an, wenn nur ein aktuelles Musikstück oder ein neuer Film getauscht wurden. Aber immerhin mehrten sich die Urteile, die sagten, dass bei Musik und Filmen außerhalb der kommerziellen Verwertungsphase (ca. 6 Monate) nicht immer ein gewerbliches Ausmaß angenommen werden könne. Deshalb wurden zunehmend Auskunftsansprüche zurückgewiesen.

Schon dieses Verständnis von “gewerblich” war fragwürdig. Es stellt nämlich auf die kommerziellen Interessen der Rechteinhaber ab. Richtig wäre es dagegen zu fragen, ob der Tauschbörsennutzer gewerblich handelt, also irgendwelchen geldwerten Vorteile erlangt.

Die Auffassung des Bundesgerichtshofs geht nun sogar noch einen Schritt weiter. Die obersten Zivilrichter lesen zwar auch, dass im fraglichen Paragrafen mehrfach von einem “gewerblichen Ausmaß” die Rede ist. Sie definieren das jedoch mit einer Auslegung weg, die ich ganz offen als grenzwertig bezeichnen möchte. Man wird jedenfalls sehr lange suchen müssen, um in anderen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs so ein Ausmaß an zweckgerichteter Rabulistik zu finden.

Dies ist umso bedenklicher, als im Gesetzgebungsverfahren ausdrücklich und zig-Mal erklärt wurde, was mit gewerblichem Ausmaß gemeint ist. Das müssen natürlich auch die Richter zur Kenntnis nehmen. Sie verweisen hier aber lapidar darauf, die Intention der Gesetzesverfasser – nämlich privates Filesharing nicht zu verfolgen – sei zwar dokumentiert, habe aber im Gesetz keinen hinreichenden Niederschlag gefunden.

Ich frage mich nur, warum dann im Gesetz mehrfach vom schon erwähnten gewerblichen Ausmaß die Rede ist, wenn man das gewerbliche Ausmaß nicht braucht. Bemerkenswert ist auch, dass die Richter es nicht mal für gesondert erwähnenswert halten, warum das gewerbliche Ausmaß ins Gesetz eingeflossen ist. Wegen des Telekommunikationsgeheimnisses! Einem Grundrecht! Der Auskunftsanspruch für die Rechteinhaber schränkt dieses Grundrecht nämlich ein, und schon deswegen war es eigentlich unbestritten, dass Bagatellverstöße nicht erfasst sein dürfen.

Statt sich mit diesen Aspekten zu beschäftigen, erklären die Zivilrichter lapidar, der Auskunftsanspruch müsse in jedem Fall zugestanden werden, weil sonst die Rechteinhaber ihre Unterlassungsansprüche gar nicht verfolgen könnten. Die Einschränkungen für die Nutzer seien dagegen vernachlässigenswert.

Dazu kann man nur sagen: Ohne die Eingrenzung auf ein gewerbliches Ausmaß hätte die Regelung vor dem Bundesverfassungsgericht wahrscheinlich keinen Bestand gehabt. Immerhin ist es ja schon ein erhebliches Zugeständnis, dass ein so wichtiges Grundrecht wie das Telekommunikationsgeheimnis zu Gunsten privater wirtschaftlicher Interessen überhaupt eingeschränkt wird.

Die Entscheidung aus Karlsruhe ist wirklich ein starkes Stück. Auch weil sie zeigt, wie ein Gericht sich mit akrobatischen Gedankengängen nicht nur vom Gesetz selbst, sondern auch vom erklärten Willen des Gesetzgebers zu lösen vermag. Da kann einem wirklich schwindlig werden.

Bleibt wieder Mal nur die Hoffnung, dass man am benachbarten Bundesverfassungsgericht bodenständiger denkt, und vor allem weniger zielorientiert. Kurz gesagt: hinreichenden Respekt vor dem Gesetz zeigt. In dieser Sache ist das letzte Wort jedenfalls noch nicht gesprochen.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19. April 2012, Aktenzeichen I ZB 80/11

Ein einfacher Fall, sogar in München

In München hat eine Radiomoderatorin ihren Job verloren, weil sie einen unbedachten Spruch gemacht hat. An einem Samstag wandte sie sich an Zuhörer, die arbeiten mussten, und sagte: “Arbeit macht frei.” Da Hörer Anzeigen erstattet haben, ermittelt nun auch die Münchner Staatsanwaltschaft.

Der Senderchef bescheinigt der Moderatorin, sie habe sich vermutlich rein gar nichts gedacht. “Die Äußerung war raus, es war nichts mehr zu retten”, zitiert ihn die Augsburger Allgemeine. Dass der Frau trotzdem gekündigt wurde, ist nachvollziehbar. Es gehört halt zu ihrem Job, sich auch mal was zu denken. Und einen Slogan aufzugreifen, der über dem Eingang des Konzentrationslagers Auschwitz hing, ist halt nun mal faktisch ein No-go.

Jedenfalls kann ich es verstehen, dass der Sender sich nicht vorwerfen lassen will, auf dem rechten Auge blind zu sein. Auch wenn offensichtlich überhaupt nichts dafür spricht, dass die Moderatorin mehr machen wollte als einen Kalauer in Richtung aller, die samstags arbeiten müssen.

Genau das sind aber die Punkte, welche die Staatsanwaltschaft München schnell zu einem eindeutigen Ergebnis kommen lassen wird. Nämlich, dass die Frau keine Volksverhetzung begangen hat.

Zunächst mal ist der Satz nicht per se verboten, im Gegensatz zu vielen nationalsozialistischen Symbolen oder auch Parolen. Auf jeden Falls fehlte der Moderatorin aber der Vorsatz, die Opfer nationalsozialistischer Verfolgung verächtlich zu machen oder zu verleumden. Sie hat nämlich gar nicht dran gedacht, wenn die Darstellung stimmt. Überdies hätte sie in ihrer Unbedarftheit jedenfalls nicht “böswillig” gehandelt – auch diesen Umstand fordert das Gesetz.

Das Ermittlungsverfahren wird also mit einer Einstellung enden. Das ist auch gut so, denn das Gesetz will – zu recht – die Verherrlichung des Nationalsozialismus bestrafen. Nicht aber misslungene Scherze. Oder dahergeplapperten Unsinn. 

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„Ansonsten müssten wir nämlich weiterhin dabei zusehen, wie ehemalige Punkrocker mit erhobenem Zeigefinger vor jungen Menschen stehen und etwas von Recht und Ordnung faseln, als hätten sie sich in ihrer Blütezeit erst einmal eine Arbeitsgenehmigung für ihre Gigs geholt und nicht gesoffen und gekifft, weil es in ihrem damaligen Alter schließlich verboten war“

Steuersünder: Die letzte Verwendung für die CD

Olympia-Zuschauer lächelte nicht – verhaftet

Griechenland: Jede zehnte Rente fließt in unbekannte Hände

Hat der Kripo-Beamte eine andere Strafprozessordnung?

Immendorff-Witwe führt viele Prozesse

Wir haben reserviert!

Österreich: Firma bietet mobiles Internet zum Nulltarif

Michael

Die Hinweise kamen anonym. Einmal will ein Polizeibeamter einen Tipp bekommen haben, in einem bestimmten Haus würden Drogen verkauft. Dann erschien eine Frau auf einer Polizeiwache des betreffenden Ortes. Sie bat darum, ihren Namen nicht sagen zu müssen. Was ihr großzügig gewährt wurde. Der Ex-Freund einer Freundin, sagte sie, handele mit Drogen. Dabei erwähnte sie, ein gewisser Michael im Ortsteil B. bewahre für den Dealer derzeit etwa ein halbes Kilo Marihuana auf.

Die Polizei stellte fest, dass in dem Haus, von dem der Polizist gehört hatte, ein Michael wohnt. Die Beamten entschlossen sich, mal etwas länger vor dem Haus zu parken. Klein ist das Gebäude nicht – es wohnen acht Parteien drin. Die Observation dauerte noch nicht lange, als zwei junge Männer vor die Tür kamen. Sie wurden kontrolliert. Und tatsächlich hatten doch beide einige Krümel Marihuana in den Taschen. Allerdings stritten die Betreffenden ab, in dem Haus Drogen gekauft zu haben. Aus welcher Wohnung sie kamen, wollten sie nicht sagen.

Für die Polizei ein klares Ergebnis. Sie notierte:

Die Angaben der anonymen Hinweisgeber konnten konkretisiert werden.

Ich hätte mir gewünscht, dass zumindest der Ermittlungsrichter mal über diese Feststellung nachdenkt. Was hat sich denn konkretisiert? Eigentlich nichts. Man weiß noch nicht mal, ob die beiden Männer tatsächlich bei “Michael” waren. Es gibt ja noch sieben weitere Parteien. Überdies scheinen sie ja in dem Haus gerade kein Marihuana gekauft zu haben, sondern nur ihren Eigenbedarf dabei gehabt zu haben. Jedenfalls habe ich noch nicht gehört, dass Leute bei einem Dealer Mengen erwerben, die mit Müh und Not für einen laffen Joint reichen.

Aber entweder hat der Richter das nicht gesehen. Oder sich nicht drum gekümmert. Statt die Polizei zum Nachsitzen zu verdonnern und auf belastbaren Informationen zu beharren, nickte er den Durchsuchungsbeschluss ab. Der Erfolg der Durchsuchung war, nun ja, spärlich. Die Polizisten fanden in der Wohnung keine Betäubungsmittel. Aber dafür 275 Euro. Die erklärten sie kraft kriminalistischer Erfahrung flugs zum “Dealgeld”.

Aber selbst dem Staatsanwalt, der die Durchsuchung noch beantragt hatte, war das alles dann doch zu mager. Er ordnete die Rückgabe des Geldes an. Und wir kennen ein weiteres Beispiel dafür, wie unverletzlich die Wohnung heute tatsächlich noch ist.