Keine Fingerabdrücke von Kindern

Die Aachener Polizei hat einen schnellen Fahndungserfolg errungen. Nachdem sie von einem mutmaßlichen Exhibitionisten im Bereich einer Kindertagesstätte erfahren hatten, legten sich die Beamten auf die Lauer und stellten den mutmaßlichen Täter. Es soll sich um einen 12-jährigen Jungen handeln.

Erwähnenswert wird die Geschichte durch einen eher beiläufigen Satz in der Pressemeldung der Polizei. Danach musste der geständige Junge “seine Fingerabdrücke bei der Polizei abgeben”.

So eine Praxis lässt aufhorchen. Auch wenn die Aachener Polizei, wie sie selbst schreibt, dem Jungen eine “Lehre” erteilen wollte, sollte sie sich dabei an Recht und Gesetz halten. Was sie leider nicht getan hat, denn die Abnahme der Fingerabdrücke war offensichtlich nicht zulässig.

Kinder unter 14 Jahren dürfen für die Zwecke des Strafverfahrens grundsätzlich nicht erkennungsdienstlich behandelt werden. Sie sind nämlich strafunmündig. Deshalb können Sie keine “Beschuldigten” sein. Laut Strafprozessordnung dürfen aber nur Beschuldigte zu Fingerabdrücken gezwungen werden. Kinder scheiden somit als Adressaten solcher Maßnahmen aus.

Auch nach dem Polizeigesetz, im Rahmen der Verbrechensvorbeugung, ist es nicht so einfach möglich, Kindern Fingerabdrücke zu nehmen. Hier muss eine umfassende Abwägung stattfinden, und die Verhältnismäßigkeit ist in besonderem Maße zu wahren. Außerdem können Betroffene Rechtsmittel einlegen. Dass im Aachener Fall die rechtlichen Voraussetzungen vorlagen und überdies ein “Sofortvollzug” erforderlich war, ist schwer vorstellbar.

Aber es ergibt sich ja schon aus dem Text, dass die Polizei pädagogisch motiviert war. Das mag zwar gut gemeint sein, hinterlässt aber einen faden Beigeschmack. Immerhin lassen sich Spielregeln nur schlecht im Bewusstsein der Menschen verankern, wenn sich ausgerechnet der Schiedsrichter ihnen nicht verpflichtet fühlt.

Schufa online – eine Kostenfalle im Internet?

Jeder Bürger kann bei Auskunfteien, Adresshändlern und anderen gewerblichen Datendiensten Auskunft verlangen, welche Daten über ihn gespeichert sind. Eine Auskunft muss überdies pro Jahr kostenlos sein. Die Verbraucherzentrale Sachsen kritisiert nun einen der größten Dienste dieser Art, die Schufa. Das Unternehmen soll nach Kräften dafür sorgen, dass Kunden für die Auskunft bezahlen. 

Die Verbraucherzentrale Sachsen erhält nach eigenen Angaben immer wieder Beschwerden darüber, dass auf der Webseite der Schufa keine kostenfreie Auskunft zu finden sei. Vielmehr sollen Interessierte 18,50 Euro für die Informationen bezahlen.

"Die Kritik ist berechtigt, die Schufa versteckt auf ihrer Internetseite das kostenfreie Angebot sehr gut", sagt Andrea Heyer, Finanzexpertin der Verbraucherzentrale Sachsen.  Demgegenüber werde Verbrauchern das kostenpflichtige Angebot regelrecht "aufgeschwatzt".

Zuerst stoße der Interessierte nämlich auf die Schufa-Bonitätsauskunft und die Schufa-Auskunft online. "Da entsteht beim Leser oft der irrtümliche Eindruck, dass er an dieser Stelle richtig ist", weiß Heyer. Doch bei den Angeboten handele es sich um die kostenpflichtigen, über die gesetzliche Regelung hinaus gehenden Auskünfte.

Die kostenfreie Auskunft verberge sich bei der Schufa hinter der sperrigen Bezeichnung "Datenübersicht nach § 34 Bundesdatenschutzgesetz". Sie sei erst über mehrere Klicks unter dem Button "Auskünfte" oder "Produkte" zu finden.

Gerade mit Blick auf die Diskussion um Kostenfallen im Internet rät die Verbraucherzentrale Sachsen der Schufa, die Internetspräsenz möglichst schnell umzugestalten. Verbraucher, die sich wegen der Intransparenz in die Irre geleitet fühlen, können sich beim Schufa-Ombudsmann beschweren.

“Dann lauf ich Amok”

Das Landgericht Aachen zeigt Augenmaß bei einem heiklen Thema. Es sprach heute einen Schüler frei, der auf Facebook folgendes in seine Timeline gepostet hatte:

Leute die ich so gar nicht leiden kann, haben Facebook – wenn die mir Freundschaftsanfragen schicken, lauf ich Amok.

Das Amtsgericht hatte den Post noch als ernstzunehmende Morddrohung gewertet. Es verurteilte den Schüler wegen Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten. Das ist leider eine gängige Sicht von Gerichten, die regelmäßig bei solchen Äußerungen keinen Spaß verstehen – im wahrsten Sinne des Wortes. Umso erfreulicher, dass sich das Landgericht Aachen zu einer differenzierten Sicht der Dinge durchringt.

Schon der Wortlaut des Textes spricht ja eher für eine jugendtypische Formulierung, mit der sich keine Gewaltpläne verbinden. Immerhin geht es ja “nur” um Freundschaftsanfragen auf Facebook, nicht um die Zerstörung der Welt.

Ein weiterer, oft nicht beachteter Aspekt ist die Frage, ob die Ankündigung wirklich geeignet war, den öffentlichen Frieden zu stören. Dazu muss sie nämlich nennenswerte Teile der Bevölkerung erreichen. Bei 40 Facebook-Freunden, die der Schüler hatte, kann davon keine Rede sein. Auch dieser Umstand wird oft sehenden Auges ignoriert, um die im Ergebnis gewünschte Disziplinierung durchzusetzen.

Ich freue mich für den Kollegen Jens Ferner, dessen Kanzlei den Freispruch erreichen konnte. Ich bin letztes Jahr in einem vergleichbaren Fall beim Oberlandesgericht München auf taube Ohren gestoßen. Die bayerischen Richter hatten für meine Revision nur Unverständnis übrig. Für sie war alles sonnenklar. Deshalb freue ich mich über das Urteil aus Aachen, weil meine Argumente ja anscheinend doch nicht so hanebüchen waren.

Meinem Mandanten, der sich eine Verfassungsbeschwerde nicht leisten konnte, hilft das alles aber nicht mehr. Er ist jetzt vorbestraft. 

Eine Wasserrechnung für Facebook

Facebook geht aktuell gegen Nutzer vor, die möglicherweise nicht ihren echten Namen verwenden. Das Profil wird dann schon mal gesperrt. Eine erneute Freischaltung macht Facebook davon abhängig, dass der Nutzer eine Ausweiskopie oder andere aussagekräftige Unterlagen hochlädt.

Facebook formuliert den Wunsch so:

Bitte lade eine Kopie deines amtlichen Lichtbildausweises hoch,
damit wir bestätigen können, dass dies dein echter Name ist. In
unseren Ausweis-Richtlinien erfährst du mehr darüber, warum wir eine
Kopie deines Ausweises benötigen und welche Arten von Ausweisen wir
akzeptieren.

Laut den Ausweisrichtlinien muss sich der Nutzer nicht unbedingt mit seinem Personalausweis legitimieren. Facebook begnügt sich auch mit anderen Dokumenten wie Studenten-, Arbeits- oder Büchereiausweis und wohl auch dem Führerschein.

Man kann natürlich lange darüber streiten, ob Facebook überhaupt solche Dokumente anfordern darf, nur um den “echten Namen” des Nutzers zu verifizieren. Erst mal spricht natürlich nichts dagegen, dass sich ein Vertragspartner darüber vergewissert, mit wem er es tatsächlich zu tun hat. Andererseits sind Ausweiskopien nichts, was in die falschen Hände geraten sollte. Es stellt sich also zumindest die Frage, ob Facebooks Ansinnen dem Nutzer zumutbar ist. Das kann man, wie immer, so oder anders sehen. Allerdings ist die Diskussion eher müßig, da Facebook jedenfalls am längeren Hebel sitzt.

Das soziale Netzwerk akzeptiert jedoch auch Alternativen zu Ausweisen. So genügt es Facebook, wenn eine Gas-, Wasser- oder Stromrechnung hochgeladen wird, aus der sich der Name des Nutzers ergibt. Da liegt der Gedanke natürlich nahe, sich so ein Schreiben selbst zu malen. Immerhin ist es unzweifelhaft schneller “gefälscht” als ein Ausweis.

Aber auch risikoloser? Ich meine nicht, denn eine fingierte Rechnung könnte durchaus den Staatsanwalt interessieren. Ein Betrug zu Lasten von Facebook liegt zwar nicht vor. Denn es kommt dem Nutzer ja nicht darauf an, sich auf Kosten von Facebook zu bereichern. Diese Absicht, einen finanziellen Vorteil zu erlangen, verlangt aber das Gesetz.

Kritischer ist die Frage, ob eine Urkundenfälschung vorliegt. Früher war in dieser Richtung die Welt noch in Ordnung. Kopien, und eine solche entsteht ja auch beim Hochladen, galten nämlich nicht als Urkunden im rechtlichen Sinn. Mit der Verbreitung von (Farb-)Kopierern ist diese Regel aber immer mehr aufgeweicht worden. Gerade die Verwendung authentisch wirkender Kopien, egal ob das “Original” nun authentisch ist oder nicht, sehen Gerichte unterer Instanzen immer häufiger als Urkundenfälschung an.

Richter folgen da weniger theoretischen Erwägungen, sondern sehen das schlicht praktisch. Sie fragen: Hat der Empfänger das Papier wie eine Urkunde zur Kenntnis genommen? Dann kann es doch keinen Unterschied machen, ob nun das Original oder eine Kopie vorgelegt wurde. Solche Gedankengänge sind durchaus unbeeindruckt von den juristischen Theorien, die in den Sphären übergeordneter Gerichte und der Wissenschaft zur Urkundenfrage gewälzt werden. Aber das ist nicht ungewöhnlich. Auch andere Fragen werden an der juristischen “Basis” robust gelöst.

Es besteht also die Möglichkeit, dass eine falsche Rechnung an die Adresse von Facebook als Urkundenfälschung gewertet wird. Allerdings muss Facebook dem Nutzer erst mal auf die Schliche kommen – und seinen echten Namen ermitteln. Außerdem wäre natürlich eine Anzeige erforderlich. Zweifelhaft, ob das soziale Netzwerk sich wirklich auf so eine Art und Weise beliebt machen will.

Aber ein Risiko bleibt, und das sollte man wissen.

Nur ein “Laptop” pro Verteidiger

In einem Großverfahren, das derzeit läuft, ist mir einer der merkwürdigsten Gerichtsbeschlüsse untergekommen, die ich jemals erlebt habe. Und ich habe in rund 18 Jahren als Strafverteidiger schon einige erlebt.

Es geht um die Frage, wie viele “Laptops” ein Rechtsanwalt im Gerichtssaal benutzen darf. Und warum ein Gericht auf die Idee kommt, diese Zahl zu beschränken. Wobei ich vorwegnehme: Die Frage nach dem warum wird nicht zufriedenstellend beantwortet. Ich fürchte, nicht mal das Gericht weiß es.

Ausgangspunkt war eigentlich die Frage, wie den zahlreichen Angeklagten der Prozessstoff vermittelt werden kann. Jeder Angeklagte hat Anspruch darauf, die gesamte Ermittlungsakte zu kennen. Die umfasst mit Sonderbänden rund 30.000 Seiten. Genau kenne ich die Zahl nicht, denn die Akte ist uns gleich in elektronischer Form zur Verfügung gestellt worden.

Freundlicherweise, darf ich sagen. Denn ab einer gewissen Menge Papier wird es ziemlich unbequem. Andererseits ist es meist nicht einfach, Untersuchungsgefangenen die Lektüre einer elektronischen Akte zu ermöglichen. Nur wenige Gefängnisse stellen “Lesegeräte” zur Verfügung. Auf jeden Fall ist das immer ein Kampf.

Doch darum geht es letztlich auch gar nicht. Die Frage war nämlich, wie die Angeklagten im Gerichtssaal in der Akte mitlesen können. Verteidiger schlugen vor, den Angeklagten ein Notebook mitbringen zu dürfen, damit diese eigenständig in der Akte lesen können. Dies lehnte das Gericht ab mit der Begründung, die Angeklagten könnten ja mit in die Notebooks der Verteidiger schauen.

So weit, so gut. Auch ich gehe nicht davon aus, dass ein inhaftierter Angeklagter Anspruch darauf hat, im Gerichtssaal einen Computer benutzen zu dürfen. Sei es nun sein eigener. Oder einer von seinem Verteidiger.

Allerdings beließ es das Gericht nicht bei seiner Ansage, sondern verkündete auch noch einen Beschluss. Inhalt: Jedem Verteidiger ist es im Gerichtssaal lediglich gestattet, einen Laptop zu verwenden. Begründung: keine.

Aus der Diskussion darüber, ob Angeklagte einen Computer nutzen dürfen, wird plötzlich eine Vorschrift für die Anwälte, wie viele Computer sie in den Gerichtssaal mitbringen dürfen. Ich habe mich mündlich über diese Anordnung beschwert, erhielt aber nur die lapidare Auskunft des Vorsitzenden, auf meinem Tisch sei ja ohnehin für höchstens einen Laptop Platz.

Unabhängig davon, dass der Tisch gar nicht so klein ist, hat die Stoßrichtung des Beschlusses für das Gericht ein gewisses Risiko. Die Regelung schränkt nämlich die Verteidigung ein. Und das, wie ich meine, ohne sachlichen Grund. Ich zum Beispiel pflege durchaus mal zwei Computer mit in den Gerichtsaal zu bringen. Nämlich dann, wenn umfangreiche Dokumente verlesen werden. Auf dem einen Bildschirm, meist ist es mein Tablet,  lese ich dann mit, mit dem zweiten Gerät kann ich ganz normal arbeiten.

Computer gehören heute auch zur selbstverständlichen Ausstattung jedes Verteidigers. Ich wüsste auch nicht, inwiefern es die Funktionsfähigkeit des Gerichts tangiert, ob ich ein oder zwei Computer verwende. Oder sogar drei, denn mein Smartphone ist ja eigentlich auch einer.

Ich habe es erwähnt: Der Beschluss, der mir die Zahl der “Laptops” vorschreibt, enthält leider keine Begründung. Sollte das Gericht damit bezwecken, dass die Angeklagten nicht “heimlich” das Zweitnotebook des Verteidigers nutzen, ist er aus meiner Sicht völlig verfehlt. Genau so gut kann ich dem Angeklagten, der dicht neben mir sitzt, mein einziges Notebook am Platz rüberschieben.

Sofern die Notebook-Nutzung durch Angeklagte verboten sein soll (obwohl sie ja laut Gericht mit reingucken dürfen), müssen das Gericht oder die Wachtmeister also so oder so gucken, ob der Angeklagte Tasten tippt oder über einen Tablet-Bildschirm wischt. Von diesen Wachtmeistern sitzen auch genug im Saal. Damit es so weit kommt, müsste ich ja auch erst mal ganz bewusst gegen den Wunsch des Gerichts verstoßen, dass Angeklagte im Saal keine Computer nutzen dürfen. Dieser Verstoß ist aber ziemlich unabhängig davon, wie viele Geräte ich habe. Denn, ich wiederhole mich, ich könnte ihm ja auch meinen einzigen Computer gebrauchen lassen. Oder mein Mobiltelefon. Oder…

Kurz gesagt: Die Einschränkung ist völlig ungeeignet, das einzig denkbare Ziel zu erreichen. Damit stellt sich noch nicht mal die Frage, ob meine Arbeitsmöglichkeiten als Verteidiger zu Gunsten des hehren Zwecks vielleicht eingeschränkt werden können.

Das alles wiederum ist schlecht für das Gericht. Ich muss mich notgedrungen an den Beschluss halten, denn ich kann ihn im laufenden Verfahren nicht anfechten. Meine Möglichkeit zur Verteidigung ist auf jeden Fall eingeschränkt, weil ich nicht so arbeiten kann, wie ich will. (Grundsätzlich habe ich als Verteidiger Anspruch darauf, dass mir das Gericht nicht in meine Methoden reinredet, so lange ich die Verhandlung nicht beeinträchtige.) Die Einschränkung ist aus meiner Sicht nicht mal ansatzweise gerechtfertigt.

Dummerweise ist die Einschränkung der Verteidigung ein absoluter Revisionsgrund. Man kann höchstens darüber streiten, ob es sich bei der Sache, wie vom Gesetz gefordert, um einen “wesentlichen Punkt” handelt. Wenn man sinnlose Gängelei durch Gerichte ablehnt, wird man das am Ende aber wohl kaum verneinen können. Die Folge wäre einfach: Ein Mammutprozess darf komplett wiederholt werden.

Zwang, kostenpflichtig

Die bayerische Polizei lässt sich dafür bezahlen, dass sie dich festnimmt. Aus einem Schreiben des Polizeipräsidiums Oberfranken:

Für die Anwendung unmittelbaren Zwangs anlässlich der Gewahrsamsnahme am 04.08.2012, gg. 0.00 Uhr, in B., sind von Ihnen gem. Art. 58 Abs. 3, Art. 76 Polizeiaufgabengesetz, § 1 Nr.  6, § 2 Polizeikostenverordnung und Art. 10 Abs. 1 Nrn. 1 und 5 Kostengesetz folgende Kosten zu entrichten:

Gebühr                                                          48,00 €

Diensthandlung war laut Schreiben die “Verbringung zum Dienst-Pkw mittels Fesselung”. Möglicherweise, entnehme ich dem Scheiben, wäre das an sich noch gratis gewesen. Aber mein Mandant, aufgebracht über die vorhergehende Behandlung, für die er aber wohl kein Geld von der Polizei bekommt, soll doch tatsächlich versucht haben, nach einem Polizisten zu treten.

Der Tritt ging glücklicherweise ins Leere, löste aber, so die Sachbearbeiterin Frau R., nun endgültig und unvermeidbar “unmittelbaren Zwang” seitens der Beamten aus. Dieser Zwang ist aber nun mal kostenpflichtig “gem. Art. 58 Abs. 3 PAG”.

In dieser krampfhaften Ernsthaftigkeit artikuliert sich der fürsorgende Staat, wie er wohl für uns alle dämmert. In kleinen Dingen zeigt er schon mal sein Gesicht.

Alle Daten

Heute mal wieder eine Leserfrage, die sicher auch andere interessiert:

Ich habe da gerade ein Problem mit meinem ehemaligen Hoster. Habe gleichzeitig zu meiner Kündigung eine Selbstauskunft meiner Daten angefordert. Die Antwort des Hosters ist kurz: "Alle Daten wie wir über Sie gespeichert haben können Sie im KC [Kundencenter] einsehen."

Wie man sich vorstellen kann, hat ein Kundencenter nicht viel. Anschrift, Name. Wenn es hochkommt noch einige Rechnungen und das Produkt (Serverberzeichnung, Webhostingaccount). Reichen diese Angaben wirklich? Sind Tickets aus dem Ticketsystem nicht auch davon betroffen?

Fehlen da nicht noch Daten?  Wie kann ich überprüfen, ob so eine Auskunft wirklich komplett ist?

Ideen und Anregungen dürfen gern in die Kommentare gepostet werden.

Vollmachts-Tricks

Es kommt schon mal vor, dass alle da sind. Gericht. Staatsanwalt. Verteidiger. Nur der Angeklagte fehlt. Gerade im Strafbefehlsverfahren kann dies misslich sein. Das Gericht darf den Einspruch gegen den Strafbefehl nämlich ohne Sachprüfung verwerfen, wenn der Angeklagte nicht oder nicht rechtzeitig erscheint.

Spätestens nach Ablauf einer Viertelstunde wird von dieser Möglichkeit auch gern Gebrauch gemacht. Allerdings ist ein Anwalt in dieser Situation nicht chancenlos, selbst wenn er keinen blassen Schimmer hat, warum der Mandant nicht auftaucht. Eine Möglichkeit ist die besondere Vertretungsvollmacht. Hat der Mandant so ein Papier unterschrieben, muss das Gericht auch ohne ihn verhandeln. (Oder halt vertagen, wenn es den Angeklagten unbedingt persönlich sehen will.)

Was aber, wenn so eine Vollmacht nicht vorhanden ist? Ich hab’s schon erlebt, dass Anwälte es in dieser Situation schulterzuckend hinnehmen, dass der Einspruch gegen den Strafbefehl verworfen wird. Was das Urteil zementiert, so dass sich in der Sache kaum noch was erreichen lässt. Dabei ist die Lösung ziemlich einfach: Man stellt sich als Verteidiger einfach selbst eine Vollmacht im Namen des Mandanten aus. Unterschrift, fertig.

Hört sich seltsam an, ist aber völlig legal. Die Vollmacht muss zwar schriftlich vorgelegt werden. Allerdings steht nirgends, dass eine Vollmacht tatsächlich eigenhändig vom Vollmachtgeber ausgestellt werden muss. Die Vollmacht kann vielmehr auch mündlich erteilt werden. Ist der Anwalt also von seinem Mandanten entsprechend beauftragt, kann er diese formlose Vollmacht persönlich zu Papier bringen.

Das Oberlandesgericht Dresden hat aktuell einen Beschluss gefasst, in dem diese alte Weisheit bestätigt wird.

Ähnliche Grundsätze gelten übrigens auch im Zivilrecht. So ist es entgegen landläufiger Meinung weder Betrug noch Urkundenfälschung, wenn man zum Beispiel einen Kaufvertrag mit den Namen einer fremden Person unterschreibt. Aber natürlich nur, sofern der Betreffende damit einverstanden ist. 

Links 780

„Die Funkzellenabfrage ist ein Lehrbuchbeispiel für die bei Strafverfolgern inzwischen übliche Methode, neue Befugnisse, die durch die Weiterentwicklung von Technologie möglich geworden sind, in Paragraphen hineinzuinterpretieren, deren Zweck niemals eine Massenerfassung der sozialen Aktivitäten von Menschen war“

„Gesunde Familien“

Soest: Polizei hat Zeit für privaten Massen-DNA-Test

Fünf Fragen zum Leistungsschutzrecht

Einstweilige Anordnung auf Rufnummernportierung

Das Aus der Glühlampe rückt immer näher

Schulweg ist 17 Meter zu kurz

Anwälte stoppen Internetpranger

Die Regensburger Anwaltskanzel Urmann + Collegen wird vorerst keine mutmaßlichen Filesharing-Sünder an den Internetpranger stellen. Die Rechtsanwälte erklärten heute, sie würden ihren “Porno-Pranger” zunächst nicht verwirklichen.

Das geschieht allerdings nicht ganz freiwillig. Nachdem gestern schon das Landgericht Essen eine einstweilige Verfügung gegen Urmann + Collegen erließ, zog heute das Amtsgericht Regensburg nach und untersagte es den Anwälten, Namen und Adresse eines Abgemahnten zu veröffentlichen.

Außerdem hat das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht der Kanzlei die Namensliste untersagt, berichtet regensburg-digital. Urmann + Collegen kündigen an, für ihre vermeintlichen Rechte juristisch zu kämpfen. Man werde keinesfalls die Beschneidung der eigenen Grundrechte hinnehmen.

Früherer Beitrag im law blog

Ohrlöcher für Kinder – Körperverletzung?

In Berlin erhält ein dreijähriges Mädchen 70 Euro Schmerzensgeld von einem Tattoo-Studio. Dem Kind waren Ohrlöcher gestochen worden, die aber nicht an der richtigen Stelle gewesen sein sollen. Außerdem soll das Mädchen Schmerzen gehabt haben.

Der vordergründige “Sieg”, vor Gericht wurde ein Vergleich geschlossen, könnte aber für die Eltern des Kindes noch nachteilige Konsequenzen haben. Ebenso für das Tattoo-Studio. Der Richter am Amtsgericht Berlin-Lichtenberg will die Akte nämlich an die Staatsanwaltschaft schicken. Diese soll prüfen, ob sich Eltern oder Ohrlochstecher wegen Körperverletzung strafbar gemacht haben.

Der Richter bezweifelt, dass die Eltern einer Dreijährigen dem Wohl des Kindes dienen, wenn sie so eine Behandlung zulassen. Das Mädchen soll sich die Ohrlöcher zum Geburtstag gewünscht haben. Ebenso ist natürlich die Frage, wieso ein Tattoo-Studio so jungen Menschen Ohrlöcher sticht.

Der Verband der Kinder- und Jugendärzte fordert bereits, das Mindestalter für derartige kosmetische Eingriffe auf 14 Jahre festzusetzen. Bei Piercings komme sogar noch eine höhere Altersgrenze in Betracht.

Der Fall weist auch Parallelen zum Beschneidungs-Urteil des Kölner Landgerichts auf. Die Kölner Richter haben Beschneidungen von Jungen für strafbar erklärt, sofern sie nicht medizinisch notwendig sind. Der wichtigste Unterschied ist, dass Ohrlochstechen für die Optik passiert, Beschneidungen aber meist einen religiösen Grund haben.

Ob nun die Schönheit und/oder der Glaube solche Eingriffe rechtfertigen können, ist Gegenstand der laufenden Debatte. Im letzteren Fall halte ich es – wie etwa die Mehrheit des Bundestages – zumindest für denkbar, im ersteren eher nicht.

Bericht des rbb

Warteschleifen werden billiger

Das Ende kostenpflichtiger Warteschleifen rückt näher. Ab morgen müssen die ersten 120 Sekunden Wartezeit bei Anrufen auf Sonderrufnummern kostenfrei sein. Dies sieht eine Übergangsregelung im Telekommunikationsgesetz vor. Mit Ende der  Übergangsregelung ab 1. Juni 2013 werden die Kosten für Warteschleifen bei Sondernummern wie 0180- oder 0900-Nummern komplett entfallen.

Lediglich bei Ortsnetzrufnummern, herkömmlichen Mobilfunkrufnummern, Sonderrufnummern mit Festpreisen und entgeltfreien Rufnummern dürfen Warteschleifen weiterhin eingesetzt werden; hier entstehen dem Anrufer ohnehin keine oder nur die “normalen” Gebühren.

In allen anderen Fällen, unter anderem bei allen Sonderrufnummern, dürfen am Juni 2013 Warteschleifen nur noch eingesetzt werden, wenn für den Anruf ein Festpreis gilt oder der Anruf für die Dauer der Warteschleife kostenfrei ist. Die Neuregelung gilt sowohl für Telefonate aus dem Festnetz als auch aus dem Mobilfunknetz.

Nachtrag: Laut Tagesschau hat das Gesetz große Lücken

Gericht verbietet Porno-Pranger

Angeblich wollte die Regensburger Anwaltskanzlei Urmann & Collegen Namen und Adressen von Bürgern veröffentlichen, die sie wegen illegalen Filesharings abgemahnt hat. Pikant: Die Anwälte vertreten Kunden aus der Erotikbranche, so dass schon von einem “Porno-Pranger” die Rede war. Nun werden den Abmahnanwälten erste Steine in den Weg gelegt. Das Landgericht Essen verbot Urmann & Collegen heute abend mit einer einstweiligen Anordnung, den Namen und die Adresse einer Abgemahnten zu veröffentlichen.

Der Dortmunder Anwalt Hendrik Peters hat nach eigenen Angaben den Antrag gestellt. Wie fast zu erwarten, war das Landgericht Essen nicht davon überzeugt, dass die Pläne der Regensburger Abmahnanwälte juristisch einwandfrei sind. Urmann & Collegen hatten sich auf ihrer Homepage auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts berufen, die sogenannte “Gegnerlisten” auf Anwaltshomepages für zulässig hält.

Allerdings bezog sich das auf einen Anwalt für Kapitalanlagerecht. Dieser wollte seine potenziellen Mandanten darüber informieren, gegen welche Geldhäuser und Versicherungen er bereits prozessiert hat. Die Nennung der Deutschen Bank oder der Allianz hat aber einen grundlegend anderen Informationswert, als wenn der Name und die Privatanschrift von Lieschen Müller veröffentlicht wird, die angeblich einen Porno über eine Tauschbörse gezogen hat.

Außerdem überwiegen die Persönlichkeitsrechte von Abgemahnten. Der Tausch von erotischen Filmen mag zwar gegen das Urheberrecht verstoßen, der Vorgang hat aber nun mal einen direkten Bezug zur Privat- und sogar Intimsphäre. Von daher ist es wenig überraschend, dass das Landgericht Essen der Betroffenen recht gegeben hat. Ihr und Rechtsanwalt Hendrik Peters gebührt aber das Verdienst, die Sache in die Hand genommen zu haben – der Regensburger Porno-Pranger sollte Anfang September online gehen.

Die Entscheidung ist natürlich nur vorläufig. Urmann & Collegen können Widerspruch einlegen und schauen, ob sie Gerichte finden, die ihr mieses Spiel erlauben. Andererseits werden sich nun sicher viele Betroffene ermuntert fühlen, sich von den Regensburger Anwälten nichts gefallen zu lassen. Wenn massenweise einstweilige Verfügungen ergehen, könnte das für die Kanzlei jedenfalls sehr, sehr teuer werden.

Früherer Beitrag im law blog

Einstweilige Anordnung des Landgerichts Essen

Der falsche Ort

Die Anklagebank ist der falsche Ort, um mit seinem Einkommen zu strunzen. Das sage ich immer Mandanten. Vor allem jenen, die ich im Verdacht habe, ihr Selbstwertgefühl auch etwas aus der Bewunderung zu ziehen, mit der man hierzulande finanzielle Potenz bedenkt.

Der Grund für etwas Zurückhaltung – ich sage nicht Lüge – ist einfach. Geldstrafen sind in Deutschland nämlich nicht Geldstrafen. Während ein Geringverdiener für ein kleines Delikt vielleicht mit 300 Euro davonkommt, kann die gleiche Geschichte einen Begüterten auch locker das Zehnfache kosten. Oder sogar noch mehr.

Die Geldstrafe bemisst sich bei uns nach Tagessätzen. Die Zahl der Tagessätze sagt etwas darüber aus, wie schwer die Sache wiegt. Eine Beleidigung kostet normalerweise 10 bis 30 Tagessätze, eine Körperverletzung 20 bis 60, Fahrerflucht 40 bis 90. Ab 91 Tagessätzen gilt man als “vorbestraft”.

Neben der Zahl der Tagessätze muss der Richter auch über die Höhe entscheiden. Das ist das soziale Element an der Sache. Ein Tagessatz entspricht dem Nettoeinkommen eines Tages. 30 Tagessätze entsprechen also einer Geldstrafe von einem Monatsgehalt.

Im wahrsten Sinne nach hinten los ging der soziale Gedanke bei den Tagessätzen jetzt in Hamburg. Dort wurde ein Autofahrer vor Gericht in einem achttägigen Prozess der Beleidigung überführt. Die weitaus meiste Zeit investierte der Richter aber gar nicht in die Tat. Vielmehr klärte er offenbar akribisch die Einkommensverhältnisse des Angeklagten auf.

Der Angeklagte hatte vor Gericht nur erklärt, er verdiene auskömmlich. Möglicherweise machte sein Luxuswagen, der im Fall eine Rolle spielte, den Richter übermäßig stutzig. Der Richter beschränkte sich nämlich nicht darauf, das Einkommen des Angeklagten zu schätzen. Vielmehr ermittelte er, was der Mann tatsächlich verdient. Dazu darf das Gericht ganz normal Beweis erheben. Zum Beispiel Arbeitgeber und Bankmitarbeiter fragen. Oder sich bei Behörden erkundigen.

Am Ende stand für das Gericht fest, dass es im Verfahren für die wahrscheinlich teuerste Beleidigung in der Hamburger Geschichte langt. Insgesamt 60.000 Euro soll der Angeklagte zahlen. Der Richter hatte einen Tagessatz von 2.000 Euro ermittelt; das monatliche Einkommen des Angeklagten beträgt demnach 60.000 Euro.

Der Fall zeigt jedenfalls, dass nicht nur Prahlerei schädlich sein kann. Sondern auch übertriebene Schweigsamkeit. Wenn der Mann von sich aus ein Einkommen angegeben hätte, das einigermaßen realistisch klang, hätte der Richter wahrscheinlich nicht die große Keule ausgepackt. Und für den Angeklagten wäre es deutlich billiger geworden.

Bericht in der Legal Tribune Online