Kriminalität weiter auf hohem Niveau

Anklageschrift (Zeit und Namen geändert):

Am 08.04.2021 fuhr der Angeschuldigte ohne gültigen Fahrausweis mit der Nahverkehrs AG. … Der Zeuge J. forderte in seiner Funktion als Fahrkartenkontrolleur den Angeschuldigten auf, sich auszuweisen. … Der Angeschuldigte schubste den Zeugen S. durch die Tür des Zuges, um sich der Fahrkartenkontrolle zu entziehen und das erhöhte Entgelt nicht zu zahlen. Der Zeuge stürzte und schlug mit dem linken Knie gegen die Kante des Bahnsteigs.

Mein Mandant wird angeklagt wegen eines Verbrechens nach den §§ 253, 255, 249 Abs. 1 StGB. Also wegen räuberischer Erpressung, einfacher Erpressung und Raub. Die Anklage erfolgt ausdrücklich zum Schöffengericht, weil Straferwartung deutlich über zwei Jahren. Immerhin nicht zum Landgericht, hätte man ja auch machen können bei so einer krassen Geschichte.

Ich würde mal sagen, da hat jemand bei der Staatsanwaltschaft seine Textbausteine nicht unter Kontrolle. Oder am falschen Tee genippt. Vermutlich beides.

Sohn im Truppenheli: Ministerin muss sich äußern

Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht muss Auskunft über ihren Helikopterflug geben, der sie dienstlich zu einer Bundeswehreinrichtung ins schöne Ladelund brachte. Bisher ist die Ministerin wenig auskunftsfreudig, da sie ja bekanntermaßen in Begleitung ihres Sohnes reiste – und nach der Arbeit auf der nahen Insel Sylt Urlaub machte. Das Verwaltungsgericht Köln gibt nun einem Journalisten recht, der Näheres wissen möchte.

Auf einen Eilantrag des Journalisten muss das Verteidigungsministerium sagen, was Christine Lambrecht über die Entstehung des Fotos weiß. Das Bild zeigt Lambrechts Sohn im Helikopter. Die nun zu beantwortende Frage zielt natürlich darauf hin, ob Lambrecht das Foto sogar selbst gemacht hat. Da auf dem Foto auch das Cockpit teilweise zu sehen ist, könnte das Ganze sogar strafrechtliche Bedeutung haben. Es gibt den Straftatbestand des sicherheitsgefährdenden Abbildens von Wehrmitteln (§109g StGB).

Außerdem wollte der Journalist Einzelheiten zur Terminierung des Truppenbesuchs wissen. Laut Gericht ist auch hier der Informationsanspruch der Presse eindeutig. Lambrecht sei dienstlich unterwegs gewesen, schon deshalb seien die Fragen kein Eingriff in ihre Privatsphäre. Auch der Sohn habe nun mal im Hubschrauber gesessen, die „Inanspruchnahme von Ressourcen der Bundeswehr“ dürfe diskutiert werden. Ebenso die Art und Weise, wie die Ministerin ihre „Befugnisse als Behördenleiterin“ nutzt. Ausdrücklich führt das Gericht aus, Lambrecht müsse sich bei ihrem Rückzug ins Private entgegenhalten lassen, dass die Mitnahme des Sohnes und dem anschließenden Urlaub auf Sylt zumindest den Eindruck erweckt, sie habe private Belange mit ihren Amtsgeschäften verwoben.

Nur in einem Punkt gibt das Gericht Lambrecht recht. Sie muss nicht sagen, wann das Hotel auf Sylt gebucht wurde. Der dortige Aufenthalt sei Privatsache. Gegen den Beschluss ist Beschwerde möglich (Aktenzeichen 6 L 978/22).

Geschwaderbefehle und falsch verstandene Paragrafen

Ich habe noch zwei, drei Mandanten zu betreuen. Von daher kann ich in der aktuellen Debatte um den maskenlosen Flug der Passagiere im Regierungsflieger nach Kanada nur eine kurze Einschätzung geben – aber zu einer für mich wesentlichen Frage.

Die Sprecherin des Bundesverteidigungsministeriums hat mitgeteilt, die offenkundige Abweichung von der an sich im Gesetz festgelegten Maskenpflicht beruhe auf der „Eigenvollzugskompetenz“ der Bundeswehr. In deren Rahmen weiche man von den gesetzlich festgelegten Regelungen ab. Man vollzieht nach diesem Verständnis das Gesetz also quasi in eigener Regie und Auslegung. Konkret soll es einen „Geschwaderbefehl“ geben, welcher einen PCR-Test vorschreibt, aber gleichzeitig die Maskenpflicht zu einer Empfehlung herabstuft.

Gestützt wird diese angebliche Eigenvollzugskompetenz wohl auf § 54a IfSG. Dieser überträgt der Bundeswehr den Vollzug des Gesetzes in Bezug auf ihre Einrichtungen und ihr Personal.

Diese Vorschrift kann man auf den ersten Blick sicher so interpretieren, dass der Bundeswehr mit dem „Vollzug“ auch beträchtlicher Spielraum zugestanden wird, wie sie das Gesetz anwendet.

Das ist jedoch bei näherer Betrachtung völlig falsch. Es genügt schon ein Blick auf den Abschnitt, in dem der Paragraf steht. Das Kapitel heißt:

Vollzug des Gesetzes und zuständige Behörden

Die anderen beiden Paragrafen (§ 54 IfSG) und (§ 54b IfSG) bestimmen, dass die Länder das Bundesgesetz vollziehen und die Bundesbahnverwaltung dies in ihrem Zuständigkeitsbereich tut.

Es handelt sich bei diesen Vorschriften um reine Zuständigkeitsnormen. Diese legen fest, wer das Gesetz umsetzt und seine Einhaltung überwacht. Diese Vorschriften enthalten keine Ermächtigung, das Gesetz inhaltlich umzudeuten.

Somit bleibt es dabei, dass die Aufweichung der Maskenpflicht im Regierungsflieger ohne Rechtsgrundlage erfolgte; der ominöse § 54a IfSG ist jedenfalls keine. Für eine inhaltliche Abweichung von der Maskenpflicht bedarf es nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes einer Rechtsverordnung. Ich will keinem General zu nahe treten, „Geschwaderbefehl“ klingt immens wichtig, aber er ist und bleibt keine Rechtsverordnung. Die könnte allenfalls aus dem Verteidigungsministerium kommen, wurde aber bislang offenbar nicht aufgefunden.

Unabhängig davon, dass bislang niemand den Geschwaderbefehl inhaltlich kennt, ist er juristisch nicht relevant. Er kann die gesetzlich vorgeschriebene Maskenpflicht nicht aushebeln. Der ständig hinzugefügte Hinweis, aber es ist ja ein PCR-Test vorgelegt worden, ist für die Bewertung des Ansteckungsrisikos im Regierungsflieger sicher relevant. Rechtlich gesehen ist das aber eine Nebelkerze. Kein Bahnschaffner lässt dich derzeit ohne Maske im Zug, selbst wenn dein notariell beglaubigtes PCR-Testergebnis gerade mal 25 Minuten alt ist. Der Schaffner hält sich unabhängig von seiner eigenen Meinung ans Gesetz, wenn er dich aufschreibt und rauswirft. Und damit handelt er juristisch gesehen richtig.

Älterer Beitrag zum Thema

Königreich Deutschland in Köln

Eine Kölner Gastwirtin hat das „Königreich Deutschland“ ausgerufen. Wenig überraschend, aber doch auch bescheiden: Das Territorium entspricht dem Grundriss ihrer Gaststätte. Mit der Unabhängigkeitserklärung hoffte die Frau, vor dem Zugriff des Ordnungsamtes sicher zu sein. Die Behörden interessierten sich in der Hochzeit von Corona (Juli 2020) logischerweise für das nicht vorhandene Hygienekonzept der Kneipe.

Mit dem Besuch, so der Plan, sollten sich die Gäste temporär dem Königreich Deutschland zugehörig fühlen. Ein entsprechendes Bekenntnis nahm die Wirtin ihnen auch ab. Das klang für einige Kreise verlockend. Denn im Königreich Deutschland sollte ansonsten nichts mehr von dem zu fürchten sein, was Köln, Deutschland und den Rest der Welt in Atem hielt. Schon gar nicht Corona.

Die Behörden machten den Laden gleich am ersten Tag dicht. Die Klage der Frau blieb hinsichtlich der Gaststätte durch die Instanzen erfolglos. Das Königreich Deutschland könne sich keine eigene Rechtsordnung schaffen. Ebenso wenig gelte die Vereinigungsfreiheit.

In einem Punkt bekam die Frau allerdings nun recht. Das Ordnungsamt verhängte gegen sie mit der Kneipenschließung gleich ein umfassendes Gewerbeverbot. Das geht dem Oberverwaltungsgericht Münster aber doch zu weit. Ein Gewerbeverbot könne nur am Ende eines geordneten Verwaltungsverfahren stehen. Ob die Frau nochmal was in Richtung Selbständigkeit (Kaiserin, Zarin, Büttenrednerin) plant oder geplant hat, wird in der Gerichtsentscheidung leider nicht mitgeteilt (Aktenzeichen 4 B 61/21).

Gesetzesvorhaben: Adjektivierung

Der Hamburger Senat möchte mit einer Gesetzesänderung die Begriffe „Rasse“ und „rassische Verfolgung“ aus diversen Gesetzen entfernen. Damit will sich die Hansestadt von Theorien distanzieren, welche „die Existenz verschiedener menschlicher Rassen behaupten“.

Die Hamburger Justizsenatorin erläutert den Plan:

Sprache beeinflusst unser Bild von anderen Menschen. Die Wissenschaft sagt, dass Menschen nicht in Rassen eingeteilt werden können. Nur rassistische Ideologien gehen von dieser Annahme aus. In Gesetzestexten hat der Begriff nichts zu suchen. Die Einteilung in Rassen widerspricht auch dem Geist und Menschenbild des Grundgesetzes. Die Änderung ist deshalb eine wichtige sprachliche Richtigstellung und benennt das Problem jetzt klar und unmissverständlich: Kein Mensch darf rassistisch diskriminiert werden. Menschliche Rassen gibt es nicht.

Die Lösung: Der Begriff Rasse wird durch den Begriff „rassistisch“ ersetzt, und zwar in Verbindung mit Formulierungen wie „Behandlung/Diskriminierung/Verfolgung“.

Zu ihrem eigenen Bedauern mussten die Gesetzesplaner zur Kenntnis nehmen, dass mehr als die Adjektivierung (Rasse -> rassistisch) allerdings nicht zu machen ist. Zitat:

Bei einer ersatzlosen Streichung des Begriffs bestünde dagegen die Gefahr, dass das Schutzniveau abgesenkt wird.

Auch für das Grundgesetz gibt es Reformpläne. Dort fällt der problematische Rassebegriff schon recht weit vorne, siehe (Art. 3 Abs. 3 GG). Allerdings ist die Diskussion auf Bundesebene schon seit geraumer Zeit abgeflacht, was natürlich auch an anderen Problemen liegen kann.

Pressemitteilung des Hamburger Senats

Ein Like, eine Hausdurchsuchung

Ist ein schlichtes „Like“ für einen Beitrag in sozialen Netzwerken auch eine inhaltliche Billigung? Diese Frage hat nicht nur akademische Bedeutung. Sie entscheidet mitunter über Hausdurchsuchung oder nicht. Das Landgericht Meiningen segnet solche Maßnahmen jedenfalls ab.

Es ging um ein sicher aufgeheiztes Thema. Die Polizei recherchierte nach den Polizistenmorden in Kusel intensiv in sozialen Netzwerken nach Menschen, die im Zusammenhang mit den Delikten strafbare Äußerungen gemacht haben könnten. Dabei stießen die Ermittler auch auf den Beitrag eines Nutzers, der zur Beerdigung der getöteten Polizisten geschrieben hatte: „Keine einzige Sekunde Schweigen für diese Kreaturen.“

Ein Mann versah den Eintrag auf Facebook mit einem „Gefällt mir“. Das Gericht sieht darin strafbare Handlungen des Likenden. Nämlich das Verunglimpfen des Andenkens Verstorbener (§ 189 StGB) und auch eine Billigung von Straftaten (§ 140 StGB). Für die Richter steht außer Frage, dass „ein mit Faust nach oben gereckter Daumen Zustimmung und Gutheißunng bedeutet“. Das könne nicht ernsthaft in Frage stehen, heißt es.

Tut es aber. Zum einen übersehen die Richter schon, dass es auf Facebook schon länger keine Möglichkeit mehr gibt, einen Eintrag klar negativ zu bewerten (außer mit mehrdeutigen Emojis über ein Aufklappmenü). Zum anderen wird angeführt, der Like als solcher sei „bewusst und für die Öffentlichkeit des Internets zum Ausdruck gebrachte Befürwortung“. Schon erstaunlich, was man mit einem animierten Daumen so alles zum Ausdruck bringen können soll.

Der Betroffene will die Sache über seinen Anwalt vor das Bundesverfassungsgericht bringen, wie man hier nachlesen kann. Sicherlich würden andere Gerichte einen Like wohl etwas zurückhaltender bewerten – wenn man entsprechendes Glück hat.

Vorsicht ist aber die Mutter der Porzellankiste, ein anderes Fazit kann man aus dem Fall leider nicht ziehen (Aktenzeichen 6 Qs 146/22).

(Keine) Masken im Regierungsflieger

Aktuell kocht in den sozialen Medien ein Thema hoch. Der aktuelle Regierungsflug nach Kanada. Vor allem teilnehmende Journalisten haben emsig Schnappschüsse aus dem Jet getwittert. Allerdings trägt auf den Bildern niemand eine Maske. Niemand.

Kritik hieran ist natürlich zwangsläufig, waren ja auch genug Leute in letzter Zeit in Urlaub und wurden im Flugzeug aufgefordert, der Maskenpflicht nachzukommen. Da ist es vielleicht nur semiratsam, wenn etwa die an der Reise teilnehmende Korrespondentin von t-online auf Twitter gewisse Bedenken nicht sachlich aufgreift, sondern mit einem schnodderigen „Funfact für Trolle“ reagiert. Das ist wirklich ihre Wortwahl, nicht meine. Die Journalistin verweist darauf, die Teilnehmer hätten alle PCR-Tests gemacht. Sie sogar einen für deutlich mehr als hundert Euro.

Ich will nicht über Sinn und Unsinn der Maskenpflicht diskutieren. Woran aber kein Weg vorbeiführt: § 28b IfSG (Infektionsschutzgesetz) schreibt in seiner derzeit gültigen Fassung eine Maskenpflicht für alle Flugzeuge fest, die von Deutschland aus starten. Was für Berlin in geografischer Hinsicht, halten wir das als einfachsten Punkt direkt ebenfalls fest, allenfalls im tiefsten Trollistan bestritten wird.

Die Maskenpflicht gilt für „alle Verkehrsmittel des Luftverkehrs“. Unter Luftverkehr fallen alle Dinge, die sich unter Leugnung der Schwerkraft von A nach B bewegen und die keine Vögel sind. So ein Regierungsflieger sieht auch stark nach einem „Verkehrsmittel“ aus, selbst wenn vielleicht Luftwaffe oder Bundesrepublik Deutschland draufsteht. Die kolportierten Bilder von dem genutzten Flugzeug lassen jedenfalls jedenfalls in der Journalisten-Holzklasse keinen sonderlichen Unterschied zu einem Lufthansa-Flieger erkennen. Das Infektionsschutzgesetz gilt ganz eindeutig auch für die Bundeswehr. Das steht ausdrücklich in § 54a IfSG, wonach die Bundeswehr selbst für den Vollzug des Gesetzes zuständig ist.

Schauen wir nach anderen validen Argumenten, welche bestätigen könnten, dass die Leute, die das Ganze einfach mal hinterfragen, dann doch nur Dösbaddel sind. Ein valides Argument gibt es für die Regierungsflieger. Es wird nämlich gesagt, es handele sich ja nicht um einen „öffentlichen“ Flug.

Dazu muss man das Gesetz sehr genau lesen. Darin heißt es:

Die Verkehrsmittel des Luftverkehrs und des öffentlichen Personenfernverkehrs dürfen von Fahr- oder Fluggästen sowie dem Kontroll- und Servicepersonal und Fahr- und Steuerpersonal nur benutzt werden, wenn diese Personen während der Beförderung eine Atemschutzmaske (FFP2 oder vergleichbar) oder eine medizinische Gesichtsmaske (Mund-Nasen-Schutz) tragen.

Das Gesetz unterscheidet als zwischen „öffentlichem Personenfernverkehr“ und „Verkehrsmitteln des Luftverkehrs“. Bei letzteren steht das Wort öffentlich gerade nicht. Schon daraus lässt sich sehr deutlich entnehmen, dass der Gesetzgeber sogar bewusst unterscheiden wollte, und zwar so: Maskenpflicht im Personenfernverkehr nur, wenn er öffentlich ist. Maskenpflicht im Flugverkehr, wenn Flugverkehr. Also wird es jedenfalls nichts mit dem Rettungsanker nichtöffentlich.

Auch ein PCR-Test ändert an der Maskenpflicht übrigens nichts, wie man zum Beispiel beim ADAC nachlesen kann und was auch die Lufthansa, die ja den Maskenfrust als Carrier täglich abbekommt, in ihren Verlautbarungen immer wieder betont. Es gibt keine Regelung für den Luftverkehr, welche die Maskenpflicht aufhebt, es sei denn man ist (körperlich) jünger als sechs Jahre oder gesundheitlich beeinträchtigt. Ein Ablasshandel PCR-Test statt Maske findet juristisch nicht statt.

So weit meine rechtliche Bewertung zum maskenlosen Flug des Regierungsfliegers. Aber es gilt ja der Grundsatz zwei Juristen, drei Meinungen. Vermutlich wird sich ohnehin das Berliner Gesundheitsamt und später das Amtsgericht mit vielen, vielen Einzelfällen beschäftigen dürfen. Der Verstoss gegen die Maskenpflicht von in Deutschland gestarteten Flügen ist ein Bußgeldtatbestand und kann entsprechend geahndet werden.

Nicht jeder Antrag ist ein Strafantrag

Ich gucke bei diesem Punkt seit jeher besonders genau hin. Deshalb freut es mich, der der Bundesgerichtshof zu einer wichtigen Frage Klartext redet. Es geht um die Frage, in welcher Form ein Strafantrag gestellt sein muss.

Die Antwort vorab: Eine einfache E-Mail oder ein Klick in einem Formular auf einem Formular der Online-Wache der Polizei reichen nicht. Ein Strafantrag muss grundsätzlich schriftlich erfolgen. Das heißt auf Papier, mit echter Unterschrift. Fax zählt ebenso wenig. Was noch geht, ist eine E-Mail mit qualifizierter elektronischer Signatur oder die Nutzung eines sicheren Übertragungsweges (z.B. De-Mail).

Genau das passiert sehr häufig natürlich nicht, und zwar in einer riesigen Zahl von Fällen. Gerade Beleidigungen, die nur auf Antrag verfolgt werden können, werden Tag für Tag tausendfach online angezeigt. Was fehlt: der wirksame Strafantrag. Selbst wenn es dann noch zu einer Vernehmung des Anzeigenerstatters kommt, wird oft nicht an den Strafantrag gedacht. Oder eben angenommen, der sei ja schon online gestellt. Die Dreimonatsfrist für den Antrag verstreicht.

Dann kann man halt nichts machen, sagt nun der Bundesgerichtshof in aller Deutlichkeit. Es bleibt nur die Einstellung des Verfahrens. In dem Fall ging es sogar um einen Strafantrag, der aus der Justiz kam. Eine Führungsaufsichtsstelle hatte den Antrag zwar bei der Staatsanwaltschaft gestellt. Aber nur per einfacher Mail.

Wenn ihr mal eine Strafanzeige erstattet, achtet darauf, den Strafantrag schriftlich zu stellen. Dafür sind wie gesagt drei Monate Zeit. Und wenn mal gegen euch ermittelt wird, lasst euren Anwalt genau nachprüfen, ob ein wirksamer Strafantrag vorliegt. Auf die Unfehlbarkeit von Richtern sollte man sich nicht verlasse, auch die sehen das Problem oft nicht (Aktenzeichen 5 StR 398/21).

Schnelles Ergebnis

Mail:

Vielen Dank für das Ergebnis. Ich frage mich nur, wie die Staatsanwaltschaft schon nach 48 Stunden zu so einem Ergebnis kommen kann.

Ich frage mich, wieso man sich in der konkreten Situation einen eifrigeren Staatsanwalt wünschen sollte. Die Einstellung erfolgte mangels Tatverdachts.

Schwieriges Thema, langes Gespräch – mein Interview mit der NZZ

Mit dem neuen Selbstbestimmungsgesetz sollen wir alle frei und beliebig oft entscheiden dürfen, ob wir rechtlich Mann oder Frau sind. So sehen es die Vorschläge der Bundesregierung für ein Selbsbestimmungsgesetz vor.

Das Gesetz soll die Position von trans- und intergeschlechtlichen Menschen verbessern. Ein berechtigtes Anliegen, denn die bisherigen strengen Regeln im Transsexuellengesetz sind tatsächlich nicht mehr zeitgemäß und auch diskriminierend.

Dennoch wirft der Gesetzentwurf Fragen auf, insbesondere zu dem Missbrauchspotenzial durch an sich gar nicht Betroffene. Hierzu hat mich die Neue Zürcher Zeitung befragt (Link zum Interview).

Amphetamin im Bier

Ein Autofahrer wurde mit drogentypischen Ausfallerscheinungen von der Polizei gestoppt. Er konnte sich das nicht erklären. Und sein Beifahrer gab per eidesstattlicher Versicherung zu, dass er ihm heimlich eine stattliche Menge Amphetamine ins Bier geschüttet hatte. Ob der Autofahrer seinen Führerschein behalten darf, darum ging es vor dem Verwaltungsgericht Koblenz.

Wenig überraschend war das Gericht skeptisch und verwies auf einige Grundsätze, die schon in früheren Urteilen zu der Thematik festgelegt wurden. Dass man Drogen untergejubelt bekommt, sei nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht wahrscheinlich. Wer das behaupte, müsse zumindest eine überzeugende Geschichte erzählen. Unter anderem müsse er Personen aus dem eigenen Umfeld benennen, die einen Beweggrund für so eine Aktion haben könnten.

Die lapidare Geschichte vom kleinen Spaß unter Freunden glaubte das Gericht in diesem Fall nicht. Es sei schon nicht nachvollziehbar, wieso der Beifahrer sein eigenes Leben gefährden sollte. Den Sack zu macht das Gericht mit dem Hinweis, dass der Autofahrer schon früher mal wegen Amphetamin seinen Führerschein abgeben musste. Zumindest mit dieser Erfahrung habe der Mann seine Ausfallerscheinungen doch einordnen und stehenbleiben können (Aktenzeichen 4 L 680/22 KO).

Anwalt faxt sich 1.000 Euro ärmer

Seit Jahresanfang müssen Rechtsanwälte mit Gerichten elektronisch kommunizieren. Schriftsätze dürfen also nicht mehr per Fax oder gar als einfacher Brief übermittelt werden. Kleinere Ausnahmen gibt es nur noch im Strafrecht. Und beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, das ausschließlich per Brief oder Fax erreichbar ist.

Wie streng die Regeln genommen werden, erlebte nun ein Anwalt. Er hatte für seinen Mandanten sofortige Beschwerde gegen ein Zwangsgeld eingelegt, per Post und vorab per Fax. Das Zwangsgeld von 1.000 Euro muss der Anwalt wohl nun aus eigener Tasche zahlen. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main stellt klar, an der Formvorschrift des § 130d ZPO führt kein Weg vorbei – die Nutzung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (beA) ist faktisch Pflicht.

Der Anwalt hatte noch einen interessanten Einwand gemacht. In dem betreffenden Verfahren herrsche gar kein Anwaltszwang. Wenn der Betroffene also selbst den Rechtsbehelf eingereicht hätte, wäre dieser nicht verfristet gewesen. Aber auch dieses Argument zählt laut dem OLG Frankfurt nicht (Aktenzeichen 26 W 4/22).

Die Regels sind die Regels

Wegen der Coronahilfen für NRW hat das Verwaltungsgericht Düsseldorf ein wichtiges Urteil gefällt. In allen Verfahren erklärt das Gericht Rückforderungsbescheide für rechtswidrig. Die Begründung ist für jeden nachvollziehbar, der den Ablauf bei den Coronahilfen verfolgt hat.

In den nun entschiedenen Verfahren hatten die Kläger Coronahilfen (9.000 Euro) bekommen, sollten sie dann aber nach der vorgeschriebenen Rückmeldung zurückzahlen. Die Behörden forderten jeweils rund 7.000 Euro zurück – und zwar aufgrund der zuletzt „gültigen“ Abrechnungsregeln.

Allerdings konnte ein Blinder mit Krückstock erkennen, dass zum Zeitpunkt der Antragstellung ganz andere Spielregeln gelten sollten als zum Zeitpunkt der Rückforderung. So hieß es anfangs, die Coronahilfen würden zur Abwendung von Umsatzausfällen gewährt. Später hieß es dann aber, es komme auf einen belegbaren Liquditätsengpass an. Es musste also belegt werden, dass nicht genug Geld da war. Das ist etwas völlig anderes als ein Umsatzausfall, nämlich eine Art belegbarere Verlust. Von dem war anfangs nicht die Rede.

Die Bedingungen waren laut Gericht auch aus weiteren Gründen missverständlich – was natürlich ebenfalls nicht zu Lasten der Antragsteller gehen kann. Insgesamt hält das Verwaltungsgericht das Land an den Regeln fest, die bei der Antragstellung bzw. spätestens bei Bewilligung galten. Woran hätten sich die Betroffenen auch sonst orientieren sollen?

Am Verwaltungsgericht Düsseldorf sind noch etwa 500 weitere Klagen anhängig. Das Gericht hat in den nun entschiedenen Fällen die Berufung zugelassen, so dass das Land sein Glück möglicherweise am Oberverwaltungsgericht versuchen kann. Ob das wirklich schlau wäre, ist eine andere Frage (Aktenzeichen 20 K 7488/20).

Examen ohne Papier und Kuli

Können juristische Staatsexamen künftig auf dem Notebook geschrieben werden? Möglicherweise sogar von zu Hause aus? Der Abschied von Kuli und vom Prüfungsamt gestelltem Umweltpapier rückt jedenfalls näher. In Hessen absolvierten Kandidaten die ersten elektronischen Examen als Testlauf.

Rund 100 Kandidaten für das Zweite Juristische Staatsexamen schrieben ihre Klausuren auf extra bereitgestellten, von einem IT-Dienstleister ausgestatteten Notebooks. Weitere Prüflinge legten die Probeprüfung sogar zu Hause ab. Am Dienstnotebook, auf dem ein „Prüfungsportal“ installiert war.

Technisch sei alles reibungslos gelaufen, teilt das hessische Justizministerium mit. Die Klausuren werden nun auch noch komplett korrigiert, die Prüflinge zu ihren Erfahrungen eingehend befragt. Die Umstellung auf elektronische Klausuren wertet das Ministerium auch als einen Schritt zu größerer Praxisnähe, Stichwort E-Akte.

Ob demnächst echte Juraexamen am Notebook geschrieben werden können, soll möglichst bald entschieden werden.

Geflügel-Salami mit Schweinespeck?

Eine Geflügel-Salami ist keine Geflügel-Salami, wenn sie Schweinespeck enthält. Das Oberverwaltungsgericht Münster bestätigt das in einer höchstrichterlichen Entscheidung.

Ein Wursthersteller brachte eine fertigverpackte Wurst als „Geflügel-Salami“ auf den Markt. Nur in der klein geschriebenen Zutatenliste und den Gewichtsangaben war vermerkt: „mit Schweinespeck“. Laut dem Gericht erweckt die Bezeichnung Geflügel-Salami den Eindruck, sie enthalte ausschließlich Geflügel. Dazu gehöre auch Schweinespeck.

Der Hersteller hatte noch argumentiert, Schweinespeck sei kein Fleisch, sondern bezeichne eine „verkehrsübliche, technologisch erforderliche Fetquelle“. Eine solche Fettquelle werde als Zutat bei der Herstellung einer Salami geradezu erwartet. Also keine (Geflügel-)Salami ohne Schweinespeck. Kompliment an die beteiligten Anwälte, darauf muss man erst mal kommen.

Allerding schätzen die Richter die Erwartungshaltung der Verbraucher deutlich anders sein. Die von der Lebensmittelaufsicht ausgesprochen Monierung war demnach zu Recht erfolgt (Aktenzeichen 9 A 517/20).