Gestern hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck eine Verordnung zur Sicherung der Energieversorgung über kurzfristig wirksame Maßnahmen (Download als PDF) erlassen. Sie tritt am 1. September 2022 in Kraft und beinhaltet diverse Maßnahmen. Diese Maßnahmen sind, so will ich es mal formulieren, für Bürger wie Private zumindest spürbar. Also, wenn man den markigen Ankündigungen traut.
Zu dem Paket gehört ein Heizverbot für private Schwimmbäder. Private Saunen sind interessanteweiser nicht betroffen. Ich habe keines von beiden. Aber ich darf für meinen lieben Nachbarn Josef von unten an der Ecke bekennen, ja, er hat eine Sauna. Aber er wird sich sich mit den Poolbesitzern solidarisch zeigen, von denen in meiner Gegend einige in den aufgelockert bebauteren Vierteln residieren. Das klingt wahnsinnig feudal, ist aber in Wirklichkeit die Einflugschneise des Düsseldorfer Flughafens.
Also: Schwimmbad ab September nein, Sauna aber ja. Kann man machen, eine Erklärung für den Unterschied finde ich in den offiziellen Unterlagen allerdings nicht. Möglicherweise werden Poolbesitzer aber genau nach diesem Unterschied fragen und den Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 GG bemühen. Die Hoffnung, dass sich unter den erwähnten Poolbesitzern keine streitlustigen Anwälte befinden, würde ich dämpfen.
Wohnungsmietern räumt die Verordnung in § 3 das Recht ein, die Heizung in ihrer Wohnung künftig runterzudrehen. Der eine oder andere Mieter wird sich fragen, wieso er jetzt von der Regierung eine Erlaubnis erhält, nicht oder weniger zu heizen. War das bisher ein Problem? Ja, hat die Bundesregierung herausgefunden. In vielen Mietverträgen, so die Begründung zur Verordnung, bedingen sich die Vermieter eine Mindesttemperatur in der Wohnung aus.
Da stellt sich natürlich die Frage, was die Verantwortlichen im Ministerium für Mietverträge haben. Wenn sie da in Berlin schon 30 Jahre im gleichen Altbau residieren, kann es natürlich sein, dass so eine Mindesttemperatur im Mietvertrag steht. Allerdings sind solche Klauseln schon seit langen schlicht unwirksam. Der Vermieter kann keine Mindesttemperatur vorschreiben, so lange es in der Wohnung nicht so kalt ist, dass die Rohre frieren oder Schäden an der Bausubstanz drohen.
Die Begründung liest sich dagegen so, als wären in unserem Land mistgabelschwingende Vermieter ein Problem, die 4 x im Monat mit einem Thermometer Einlass in die Wohnung begehren und dann zum Vermieteranwalt laufen, weil der Mieter nachts um vier die Heizung im Schlafzimmer runtergedreht hatte und sogar das Fenster auf Kipp stand.
Zu der umgekehrten Frage schweigt die Verordnung übrigens. Sie enthält gerade kein Recht für Vermieter, die vertraglich vereinbarte Temperatur abzusenken. Vermieter erhalten also keine Möglichkeit, dem Mieter über das vertraglich vereinbarte Maß die Temperatur runterzuregeln – was zumindest bei modernen Zentralheizungen ja möglich wäre. Letztlich beachtet das Ministerium hier die faktischen Grenzen seiner Anordnungskompetenz. Denn der Vermieter hat akzeptable Temperaturen in der Wohnung zu ermöglichen. Die Rechtsprechung geht bislang davon aus, dass um die 20 Grad nicht unterschritten werden dürfen. Selbst wenn auch die Mietgerichte auf die Energiekrise reagieren, viel Spielraum nach unten ist hier juristisch nicht, zumal ja keiner ernsthaft frierende Rentner und Home-Officeler:innen möchte.
Weiter sieht die Verordnung etliche Einzelmaßnahmen vor. So darf ab September Außenwerbung nicht leuchten. Keinerlei Einschränkungen gibt es allerdings ab der Eingangstür der Betriebe. Dinner, Tresenplausch, Kino, Clubvergnügen und der Besuch im Sportstudio (Pool, Sauna dürfen dort offen bleiben) bleiben weiter möglich. Also drinnen Party, draußen Dunkelmodus. Das größte Problem an der Regelung ist womöglich, dass der eine oder andere nachts die Shell-Tankstelle nicht mehr findet. Ich persönlich freue mich aber gar nicht auf die weltweit ausgestrahlten Bilder über das neue Dunkel-Deutschland. Und ich spreche nicht nur vom russischen Fernsehen.
Diese Punkte will ich nur exemplarisch erwähnen. Wichtig erscheint mir aber noch die Frage, wer setzt so eine Verordnung eigentlich um? Und wer überprüft das, wer ahndet eventuelle Verstöße?
Corona hat uns gelehrt, wie das so läuft in Krisenzeiten. Es gibt Schutzverordnungen. Dann wird aufgeschrieben, wer sich nicht an Maskenpflicht, Mindestabstände etc. hält. Wer sich mit einem Bußgeld ungerecht behandelt fühlt, zieht vor Gericht und gewinnt mitunter, selbst wenn er nicht mich als Anwalt nimmt.
So funktioniert das bei der neuen Verordnung nicht. Diese enthält keine Bußgeldvorschriften. Das heißt, wenn zum Beispiel ein Ladenbesitzer ertappt wird, wie er die Ladentür hinter einem Kunden nicht zügig schließt, hat das örtliche Ordnungsamt keinerlei Handhabe gegen diesen Geschäftsmann. Wer seinen privaten Pool heizt, muss kein Bußgeld befürchten. Niemand, den diese Verordnung anspricht, muss etwas befürchten. Es gibt keine unmittelbaren Sanktionsmöglichkeiten in Form von Bußgeldern. Man macht’s trotzdem. Und die Behörden schauen zu.
Das wird in der Gesetzesbegründung auch gesagt:
Für die Durchsetzung der nach dieser Verordnung bestehenden Rechtspflichten werden keine besonderen Regelungen geschaffen; es gelten vielmehr die allgemeinen zivil- und öffentlich-rechtlichen Grundsätze.
Die Durchsetzung dieser Verordnung soll also zivilrechtlich wohl so passieren: Bäcker A ärgert sich darüber, dass Bäcker B die Außenwerbung nicht ausgeschaltet hat. Er beantragt deshalb vor dem Zivilgericht eine einstweilige Verfügung wegen Wettbewerbsverzerrung. Da müssen Neid und Missgunst aber sehr groß sein, wenn jemand das versucht. Zumal er sich dann wahrscheinlich vom Zivilgericht auch noch belehren lassen muss, dass er gar keinen Anspruch hat, weil die Zuwiderhandlung gegen die Verordnung zwar auf dem Papier gegeben ist, aber eben keinerlei staatlicher Sanktion unterliegt. Immerhin haben die beteiligten Anwälte dann was verdient, um ihren Pool zu heizen.
Zu den öffentlich-rechtlichen Grundsätzen muss man sich leider ähnlich realistische Szenarien ausdenken. Das Ordnungsamt kann zwar kein Bußgeld verhängen, aber dem seit 30 Jahren ordentlich arbeitenden Bäcker androhen, dass es ihm bei wiederholtem Verstoß die „Zuverlässigkeit“ aberkennt, dem armen Mann also insgesamt das Licht abgedreht wird. Man merkt, es wird abstrus.
Ein Fazit. Die neue Verordnung ist juristisch ein zahnloser Tiger. Man hätte sie besser in einen Flyer packen und diesen über die Bundeszentrale für politische Bildung vertreiben sollen. Ehrlicher Titel: Energiespartipps von Ihrer Bundesregierung.