Tourismus: Reisezeiten-Roulette vor dem Aus

Touristikunternehmen dürfen künftig nicht mehr Roulette mit den Abreisezeiten spielen. Das Oberlandesgericht Celle untersagte jetzt Klauseln, die Reiseveranstaltern die nachträgliche Änderung von Reisezeiten erlauben – obwohl in den Buchungen bereits konkrete An- und Abflugzeiten genannt sind.

Der Bundesverband der Verbraucherzentralen setzte sich damit auch in zweiter Instanz durch. Die Verbraucherschützer hatten moniert, dass Kunden im schlimmsten Fall mit attraktiven Reisezeiten geködert, dann aber nachträglich auf unbequemere Slots umgebucht werden. So hätten Veranstalter auch die Möglichkeit gehabt, die freigewordenen attraktiven Abreisezeiten erneut zu verkaufen.

Gleichzeitig untersagte das Oberlandesgericht Klauseln, die Informationen über Flugzeiten im Reisebüro für “unverbindlich” erklären. Veranstalter hatten die Flugtermine oft einseitig geändert und sich darauf berufen, die ursprünglich genannten Termine seien nur vorläufig. Die Kunden waren aber im Unklaren darüber gelassen worden, dass es sich möglicherweise nur um unverbindliche Zeiten handelte.

Eine Änderungsklausel ist laut dem Oberlandesgericht nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zulässig. Sachliche Gründe, wegen denen Reisen verschoben werden dürfen, müssten in den Klauseln verständlich aufgeführt werden.

Das Oberlandesgericht Celle spricht selbst von einer bahnbrechenden Entscheidung. Sprecher Dr. Götz Wettich:

Das Urteil wird die Reiseplanung der Fluggäste wesentlich erleichtern und die Reiseveranstalter künftig dazu anhalten, im harten Wettbewerb um begehrte Kunden mit verbindlichen und frühzeitig festgelegten Flugzeiten zu punkten.

Oberlandesgericht Celle, Urteil vom 07. Februar 2013, Aktenzeichen 11 U 82/12

Gericht entschärft den Like-Button

Das Landgericht Hamburg entschärft die Problematik um den Like-Button bei Facebook. Nach Auffassung der Richter ist es nicht wettbewerbswidrig, wenn ein Unternehmen die Teilnahme an einem Gewinnspiel davon abhängig macht, dass der Teilnehmer den Like-Button klickt. Ein Verbraucherverband hatte gegen die Praxis geklagt.

Nach Auffassung der Verbraucherschützer erweckt jeder Like den Eindruck, der Facebook-Nutzer identifiziere sich mit dem Produkt. Oder er habe es sogar schon genutzt und damit gute Erfahrungen gemacht. Deshalb sei so ein Gewinnspiel nicht mit verbotener Schleichwerbung zu vergleichen, etwa wenn Angestellte der Firma selbst Positives auf Facebook posten. Oder wenn Likes oder gar Fans regelrecht gekauft werden.

Diese Ansicht teilen die Hamburger Richter nicht. Für sie ist der Like-Button nicht mit einer sonderlich positiven Aussage verbunden:

Dem Netzwerk bleibt vielmehr das Motiv und die Hintergründe der Gefallensäußerung durch den “Gefällt mir”-Button in Ermangelung weiterer Angaben des Nutzers unbekannt… denn davon lebt der Netzwerkgedanke: Man tut, sagt und „postet“ etwas, und die anderen erfahren es. Und die anderen, mithin seine (Netzwerk-)Kontakte können dann wiederum mitteilen, dass ihnen dies „gefällt“. Dabei unterscheidet weder die Plattform selbst, noch ihre Nutzer zwischen Wichtigem und Unwichtigem.

Ein Like bei Facebook ist also im weitesten Sinne neutral. Er stellt keine Parteinahme dar, die sich ein Unternehmen durch eine Klick-Pflicht bei einem Gewinnspiel erschleichen kann. Die Richter am Landgericht Hamburg scheinen selbst gefragt zu haben, wie sie mit dem Like- Button umgehen. Im Urteil heißt es nämlich:

Dieses Verkehrsverständnis können die Mitglieder der Kammer aus eigener Sachkunde beurteilen, da sie ebenfalls zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehören.

Für Facebook-Nutzer, die gerne Gewinnspiele machen, brechen nun wahrscheinlich schöne Zeiten an. Denn kaum eine Firma wird es sich entgehen lassen, die Zahl ihrer Likes auf diesem Weg zu erhöhen. Gleichzeitig brauchen sich Facebook-Nutzer keine übertriebenen Gedanken mehr zu machen, ob ihnen ein unbedachtes Like vielleicht mal als Parteinahme für jemanden angelastet wird.

Insoweit könnte das Urteil sogar wichtig für neun Feuerwehrleute in Düsseldorf werden. Die Männer waren vorübergehend vom Dienst suspendiert worden, weil sie einen fragwürdigen Textbeitrag eines Kollegen geliked hatten. Disziplinarverfahren laufen noch.

Landgericht Hamburg, Urteil vom 10. Februar 2013, Aktenzeichen 327 O 438/11

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Adressbuchverlage: Anwalt kehrt den Spieß um

Ob Bäcker oder Frisör, ob Arzt, Architekt oder Änderungsschneider – kaum ein Beruf wird verschont von den zigtausend verschickten Angeboten mit eingebauter Geldfalle. Die Schreiben verheißen die Aufnahme in irgendein Gewerberegister oder Branchenverzeichnis; auf den ersten Blick wird nur um Bestätigung der vorgedruckten Daten gebeten. Wer so was unterschreibt, hat meist das Kleingedruckte übersehen. Und bekommt später prompt die Rechnung über hunderte Euro ins Haus.

Die Düsseldorfer GWE-Witschaftsinformations GmbH ist so ein Unternehmen, vor dem Verbraucherschützer und Juristen warnen. Von „rechtswidrigen Angeboten“ ist die Rede auch im Internet, von „arglistigen Täuschungen“. Doch inzwischen ist die GWE, wie berichtet, offenbar an den Falschen geraten. Der Dortmunder Rechtsanwalt Mirko Möller hat den Spieß umgedreht: „Gegen diese Gemeinheiten will ich Zeichen setzen“, sagt er. Das scheint publikumswirksam gelungen zu sein – allerdings ohne die Billigung des Amtsgerichts Düsseldorf.

In der Anwaltskanzlei Schlüter Graf & Partner kam Möller ein dubioses Angebot der GWE in die Hand. Die bot einen Eintrag der Kanzlei im Internetportal „Gewerbeauskunft-Zentrale.de“ an. Und verlangte dafür im Kleingedruckten 569,05 Euro. „Das Angebot erschien uns unangemessen“, so Anwalt Möller. Das Register der GWE sei „völlig wertlos“ und bringe nur der Düsseldorfer Gesellschaft einen Nutzen. Sein Geistesblitz: „Wir erlauben der GWE die Veröffentlichung unserer Daten und berechnen dann unsere Zustimmung zur Veröffentlichung.” Gesagt, getan.

Weil aber die GWE die Rechnung der Anwaltskanzlei über eben genau 569,05 Euro nicht zahlte, reichte Jurist Möller beim Amtsgericht Düsseldorfer die Klage ein. Darin bezichtigt er das Unternehmen, es habe „den größten Teil“ seiner „nicht unerheblichen Einnahmen“ durch „Erschleichen von Insertionsaufträgen“ erzielt. Es gebe dazu „unzählige Warnungen“. Das Düsseldorfer Amtsgericht „möge sich selbst davon ein Bild machen“.

Die nordrhein-westfälische Verbraucherzentrale hat dieses Bild längst: „Uns liegen zahlreiche Beschwerden über die Gewerbeauskunft-Zentrale vor, weil sich Handwerker oder Anwälte von der rechnungsähnlichen Aufmachung der Anschreiben getäuscht fühlen“, berichtet Vorstand Klaus Müller. Er rät bei einem vergleichbaren Angebot „dringend zu einer gründlichen Prüfung“. Die GWE mit ihrer Gewerbeauskunft-Zentrale schweigt.

Mit der Klage konfrontiert, verweigert das Unternehmen eine angebotene Stellungnahme. Allerdings hat die GWE, immerhin, der Dortmunder Anwaltskanzlei nach deren Auskunft eine „Gutschrift“ geschickt. Und damit auf ihre einstige Forderung verzichtet. Wörtlich heißt es: „Die o.a. Rechnung ist somit hinfällig!“ Die Forderung von Anwalt Möller allerdings auch.

Das Amtsgericht wies kürzlich seine Klage ab (Aktenzeichen 54 C 5800/12). Das anwaltliche Angebot sei zwar eingegangen, aber ein Vertrag nicht zustande gekommen. Zwar habe die GWE die Daten der Kanzlei veröffentlicht, darin sei aber „keine schlüssige Annahme“ des  Angebots von Möller zu sehen, seine Daten nur gegen Gebühr zu verwenden. (pbd)

Gericht stoppt Lebensmittelpranger in NRW

Die Lebensmittelaufsicht im Raum Aachen darf Betriebe vorerst nicht an einem Pranger im Internet bloßstellen. Eine Bäckerei hat vor Gericht die Pläne der Städteregion Aachen stoppen können, sie wegen Verstößen gegen Lebensmittel- und Hygienevorschriften öffentlich zu nennen.

Im Oktober 2012 hatten Prüfer der Städteregion Aachen in einer Bäckerei erhebliche Mängel festgestellt. Das Unternehmen betreibt im Raum Aachen mehrere Backfilialen. Wenn ihr Name im Internet veröffentlicht werde, sie die Existenz des Betriebs bedroht, argumentierte die Firma.

Die Richter am Verwaltungsgericht Aachen gaben dem Backbetrieb vorläufig recht. Die Daten sollten eigentlich auf der landeseigenen Seite  lebensmitteltransparenz-nrw.de veröffentlicht werden. Dort können Aufsichtsämter ihre Ergebnisse einstellen, müssen es aber nicht.

Die Richter betonen, dass die Veröffentlichung erhebliche wirtschaftliche Schäden mit sich bringe. Ob das noch verhältnismäßig sei, müsse erst in einem Hauptsacheverfahren geklärt werden. Vorläufig überwiegen nach Auffassung des Verwaltungsgerichts die Interessen der Firma vor dem Aufklärungsinteresse der Bürger.

Auch wenn die Bäckerei nicht bekannt wird, drohen laut dem Verwaltungsgericht keine unmittelbaren Nachteile, wenn die Daten nicht online gestellt werden. Dem Amt stehe es ja frei, regelmäßig in den Betrieb zu kontrollieren und neue Verstöße mit Bußgeldern zu ahnden. Schon dadurch würden Gefahren für die Gesundheit wirksam vermieden. Die Bäckerei hatte außerdem versichert, die Mängel seien abgestellt.

Grundsätzlich bezweifelt das Verwaltungsgericht Aachen, dass die gesetzliche Grundlage für solche Warnhinweise im Internet ausreichend ist. Die in NRW geltenden Vorschriften seien möglicherweise nicht mit EU-Recht und dem deutschen Verfassungsrecht vereinbar. Bis das Gericht dies geprüft hat, darf also nur gerätselt werden, um welche Bäckerei es geht.

Verwaltungsgericht Aachen, Beschluss vom 4. Februar 2013, Aktenzeichen 7 L 569/12

Ein Knutschfleck beschäftigt die Verfassungsrichter

Ich habe schon oft berichtet, mit welchem Datenhunger Behörden mittlerweile die DNA-Kartei beim Bundeskriminalamt füllen. Nun musste sich das Bundesverfassungsgericht mit einem krassen Fall beschäftigen. Ein 14-Jähriger sollte gerichtlich zur DNA-Probe gezwungen werden, weil er eine 13-jährige Mitschülerin geküsst und sie über der Kleidung im Schambereich berührt hatte.

Der 14-Jährige stritt den Knutschfleck und das Betatschen nicht ab. Er machte vor Gericht – wegen Kindesmissbrauchs angeklagt – jedoch geltend, die Geschichte habe sich “aus gegenseitiger Zuneigung abgespielt”. Vom Jugendrichter wurde er verwarnt. Außerdem bekam er 60 Arbeitsstunden auferlegt.

Ohne offenbar auf den Einzelfall zu schauen, wollte die Staatsanwaltschaft den Jugendlichen zu einer DNA-Probe zwingen. Amts- und Landgericht segneten das ab. Nun stoppte das Bundesverfassungsgericht vorerst die Pläne. Die Richter erließen eine einstweilige Anordnung, mit der sie den Behörden die Abnahme der DNA-Probe vorläufig verbieten.

Die Richter folgen damit zunächst dem Argument des Jugendlichen, es habe sich um eine jugendtypische Tat gehandelt. Außerdem sei nicht berücksichtigt worden, dass er selbst erst 14 Jahre alt war. Von daher könne nicht davon ausgegangen werden, dass er auch künftig Straftaten begehe. Genau diese negative Zukunftsprognose muss aber vom Gericht bejaht werden, und zwar nicht nur durch Floskeln.

Die Begründung des Beschlusses war in diesen wichtigen Punkten offenbar mangelhaft. Wahrscheinlich ist, wie heute so oft, mit Textbausteinen gearbeitet worden, die überhaupt nicht auf den konkreten Fall eingehen.

Bis zur Entscheidung über seine Verfassungsbeschwerde muss der Jugendliche die DNA-Probe nun nicht abgeben.

Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 23. Januar 2012, Aktenzeichen 2 BvR 2392/12

Samenspender haben kein Recht auf Anonymität

Samenspender haben kein Recht darauf, anonym zu bleiben. Ein durch  künstliche Befruchtung gezeugtes Kind kann nämlich vom behandelnden Arzt Auskunft darüber verlangen, wer sein Vater ist. Das hat das Oberlandesgericht Hamm heute entschieden.

Die 21-jährige Klägerin hat bereits vor Jahren erfahren, dass sie von ihrem Vater nicht biologisch abstammt. Vielmehr war sie im Jahr 1990 durch eine heterologe Insemination gezeugt worden. Dies geschah im Institut des Beklagten, der solche Behandlungen anbot.

Von dem Arzt wollte die junge Frau nun wissen, wer ihr leiblicher Vater ist. Der Arzt weigerte sich jedoch, er habe mit den damals beteiligten Personen Stillschweigen vereinbart. Deswegen dürfe er den Namen des Samenspenders nicht nennen. Das Geheimhaltungsinteresse sei nämlich vorrangig vor dem Wunsch der Klägerin, ihren biologischen Vater zu erfahren. Unter anderem berief sich der Mediziner auch auf seine ärztliche Schweigepflicht.

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Hamm zählen diese Argumente jedoch nicht. Die Klägerin habe ein umfassendes Recht auf “private Lebensgestaltung”, in dessen Rahmen sie ihre Persönlichkeit entwickeln und wahren könne. Das sei für einen Menschen aber nur möglich, wenn er die grundlegenden Faktoren für seine Existenz kenne. Dazu gehört nach Auffassung der Richter auch die Abstammung.

Das Interesse des Samenspenders an Anonymität kommt jedenfalls dagegen nicht an. Jeder Samenspender, so das Gericht, können sich darauf einstellen, dass er später als biologischer Vater ermittelt wird. Geheimhaltungsinteressen der Eltern standen in diesem Fall nicht zur Debatte. Sowohl die Mutter als auch der “offizielle” Vater der Frau hatten sich damit einverstanden erklärt, dass der Arzt den Namen des Samenspenders nennt.

Vor diesem Hintergrund kann sich der Mediziner nicht mehr auf seine Schweigepflicht berufen. Der Arzt hatte im Prozess allerdings auch geltend gemacht, nach so langer Zeit überhaupt keine Unterlagen mehr zu haben. Das Oberlandesgericht Hamm bezweifelt dies jedoch. Jedenfalls habe der Mediziner nicht belegen können, dass er den Namen des Spenders nicht kennt oder zumindest nicht ermitteln kann. Dazu gehöre notfalls auch, dass er in seinen Unterlagen recherchiert und die früheren Mitarbeiter befragt. Das hat der Arzt nach Auffassung des Gerichts nicht ausreichend gemacht.

Als die Klägerin geboren wurde, gab es noch keine umfassenden Dokumentationspflichten für Ärzte in diesem Bereich. Sie waren deshalb theoretisch berechtigt, sämtliche Unterlagen nach zehn Jahren zu vernichten.

Oberlandesgerichts Hamm, Urteil vom 06. Februar 2013, Aktenzeichen I-14 U 7/12

Fahrtenbuch als Gedächtnisstütze

Zwillinge, noch dazu eineiige, sind auf einem Blitzerfoto der Polizei mitunter schwer auseinander zu halten. Auch vom eigenen Vater. Wenn der Vater aber die beiden mit seinem Auto fahren lässt, muss er letztlich sagen können, wer den Wagen genutzt hat. Sonst droht im eine Fahrtenbuchauflage, hat das Verwaltungsgericht Minden entschieden.

In dem Fall gaben die Zwillinge zwar zu, gemeinsam mit dem Auto ihres Vaters unterwegs gewesen zu sein. Wer von ihnen aber zum Zeitpunkt des Verkehrsverstoßes hinter dem Steuer gesessen habe, wüssten sie selbst nicht mehr. Dazu seien sich sich zu ähnlich.

Auch der Vater, der als Halter befragt wurde, zuckte mit den Schultern. Er beteuerte zwar, gerne zur Aufklärung beitragen zu wollen. Auf dem Beweisfoto, das eine normale Qualität hatte und an sich zur Ermittlung eines Temposünders ausgereicht hätte, könne er seine Kinder aber nicht auseinander halten. 

Zwar gingen die Zwillinge ohne Bußgeld aus der Sache heraus. Aber dem Vater drückten die genervten Beamten ein Fahrtenbuch aufs Auge. Wenn das Fahrtenbuch pflichtgemäß geführt wird, könnten die Zwillinge künftig auch ohne eindeutiges Foto  identifiziert werden.

Das Verwaltungsgericht Minden hielt diese Anordnung für rechtmäßig, wie sich aus einem von der Deutschen Anwaltshotline veröffentlichten Urteil ergibt (Aktenzeichen 2K 1957/12). Dem Vater sei wegen der großen Ähnlichkeit der Zwillinge zwar kein Vorwurf zu machen, wenn selbst er seinen Nachwuchs nicht sicher identifizieren könne. Allerdings sei es dann eben notwendig, dass ein Fahrtenbuch als “Gedächtnisstütze” dient.

Gericht klärt den “Dortmunder Spermaraub”

Ein 41 Jahre Dortmunder ist mit einer Schadensersatzklage gegen Frauenärzte gescheitert, die sein Sperma unberechtigt für eine künstliche Befruchtung verwendet haben sollen. Der Mann verlangte von den Ärzten den Unterhalt zurück, den er als Vater von Zwillingen an seine ehemalige Partnerin zahlen muss.

Der Mann hatte 2004 sein Sperma einfrieren lassen. Aber nur, wie er behauptet, um im Fall einer Erkrankung doch noch Vater werden zu können. Die Mediziner hätten das Sperma aber gleich zwei Mal zur künstlichen Befruchtung seiner ehemaligen Freundin verwandt, nachdem er sich getrennt hatte.

Vor dem Oberlandesgericht Hamm wurde darum gestritten, ob der Mann trotz der Trennung damit einverstanden war, dass mit seinem Samen Kinder gezeugt werden. Der Mann behauptete, er sei mit der Geburt der Zwillinge schon zum zweiten Mal hintergangen worden. Bereits 2004 habe seine ehemalige Partnerin nach künstlicher Befruchtung einen Jungen zur Welt gebracht, dessen Vater er sei. Schon damals sei er nicht einverstanden gewesen, habe aber freiwillig Unterhalt für den Sohn gezahlt und sich trotz der Trennung auch um ihn gekümmert.  

Den Unterhalt für die drei Jahre jüngeren Zwillinge wollte der Mann aber nicht übernehmen. Da er als biologischer Vater aber auf jeden Fall für die Kinder zahlen muss, verklagte er die Ärzte auf Schadensersatz.

Zum einen behauptete er, nicht in die künstliche Befruchtung eingewilligt zu haben. Außerdem sei die Lagerfrist für sein Sperma längst abgelaufen gewesen. Sein Samen sei ohne sein Einverständnis weiter aufbewahrt worden.

Vor Gericht drehte sich der Streit maßgeblich um die Frage, ob der Mann nicht vielleicht doch mit der Geburt der Zwillinge einverstanden war. Die Ärzte präsentierten nämlich Einverständniserklärungen, die er unterzeichnet haben soll. Obwohl der 41-Jährige die Echtheit der Dokumente bestritt, folgte das Gericht einem Schriftsachverständigen. Dieser war sich zu 99 % sicher, dass die Unterschriften echt sind.

Dem Kläger warf das Gericht dagegen vor, er habe sich in Widersprüche verwickelt. Allerdings heißt es in Presseberichten, auch die Mutter der Kinder habe mindestens  eine Fälschung zugegeben. Die maßgeblichen Unterschriften hält das Oberlandesgericht Hamm aber für echt. Wegen dieser schriftlichen Zustimmung spielt es laut den Richtern auch keine Rolle, ob die Ärzte (vorher) die Lagerfristen für seinen Samen unberechtigt verlängert haben.

Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 4. Februar 2013, Aktenzeichen I-
22 U 108/12

Führt ein “Like” zur Kündigung?

Vor einigen Wochen haben wir gelächelt, als eine Autofahrerin Ärger wegen eines Facebook-Eintrags bekam. Die Frau hatte sich erlaubt, eine Tempokontrolle der Stadt als Abzocke zu brandmarken. Das wiederum veranlasste den Behördenleiter, der Frau mit dem Führerscheinentzug zu drohen, da sie möglicherweise ungeeignet zum Autofahren sei.

Die Sache endete glimpflich. Die Behörde hat sich für ihren gekränkten Mitarbeiter entschuldigt. Ähnliches könnte auch dem Düsseldorfer Oberbürgermeister Dirk Elbers drohen. Auch er scheint dem Konzept der Meinungsfreiheit eher skeptisch gegenüber zu stehen. Handstreichartig hat Elbers am Freitag zehn Feuerwehrleute vom Dienst suspendiert. Es geht um Facebook-Einträge und die Benutzung des “Like”-Buttons.

Soweit bisher bekannt, hat ein Feuerwehrmann kritische Leserkommentare, die in der Online-Ausgabe einer Düsseldorfer Tageszeitung zu lesen waren, auf sein Facebook-Profil kopiert.

Ein Leser nahm wohl kein Blatt vor den Mund. In deutlichen Worten kritisierte er Einsparungen bei der Feuerwehr und fragwürdige Überstundenabrechnungen. Unter anderem stand in dem Kommentar, Elbers nehme den Kö-Bogen (ein architektonisches Prestigeprojekt) ernster als die Feuerwehr. Dann hieß es in dem Kommentar:

Erst wenn der eigene Bürostuhl brennt, wird Herr Elbers erkennen, dass man mit Infopavillons keine Brände löscht.

Andere Leser spekulierten darüber, ob die Feuerwehr möglicherweise bei einem Feuer im Rathaus etwas langsamer arbeiten könnte als sonst. Schließlich fand sich auch die Anmerkung, Elbers würde ein Feuer im Rathaus wahrscheinlich wenig treffen; er sei ja ohnehin ständig auf Dienstreisen im Ausland.

Neun der Feuerwehrleute hat Elbers jetzt vom Dienst suspendiert, weil diese den Facebook-Eintrag ihres Kollegen gelesen und den “Gefällt mir”-Button geklickt haben. Offensichtlich ist der Oberbürgermeister der Meinung, so ein “Like” sei gleichbedeutend damit, dass sich jemand den Inhalt des Eintrags zu eigen macht. Jedenfalls wird nun allen Betroffenen vorgeworfen, sie hätten das “Grundvertrauen” der Stadtverwaltung erschüttert und seien nicht mehr tragbar.

Aber kann man wegen eines bloßen “Gefällt mir” bei Facebook wirklich den Job verlieren? Oder haben der Düsseldorfer Oberbürgermeister und seine Berater in dem Fall das Gespür für die Verhältnismäßigkeit verloren?

Bei den neun Feuerwehrleuten ist die Antwort einfach. Ein bloßes “Like” bedeutet noch lange nicht, dass sich jemand fremde Äußerungen zu eigen macht. Das ergibt sich ja schon daraus, dass  Facebook keinen “Gefällt mir nicht” – Button zur Verfügung stellt. Der Aussagegehalt eines “Likes” ist also nicht unbedingt (immer), dass man die Sache selbst genau so sieht wie der Facebook-Nutzer, dessen Beitrag man mit “Gefällt mir” quittiert.

Oft wird der Button auch geklickt, um schlicht auf den Beitrag oder die Diskussion hinzuweisen. Jedes “Gefällt mir” taucht ja auch in der eigenen Timeline auf, sofern man die Likes öffentlich gestellt hat. Der Like ist also auch so was wie ein Wegweiser zu Inhalten, die der Nutzer vielleicht nicht unbedingt inhaltlich richtig findet, auf die er aber trotzdem hinweisen und ihnen Aufmerksamkeit verschaffen will. Dass man sich auch mit anderen Auffassungen auseinandersetzt, wird ja gemeinhin auch als Teil der Diskussionskultur geschätzt.

Nach meiner Meinung bedeutet ein Like also kein “Sehe ich genau so”. Da müsste schon deutlicher werden, dass sich der Facebook-Nutzer die mit “Gefällt mir” markierten Äußerungen auch wirklich inhaltlich zu eigen macht. Ohne eigenes inhaltliches Statement ist das “Gefällt mir” erst mal nichts weiter als ein Wegweiser im Netz. Der Like ist deshalb am besten mit einem Link vergleichbar. Wer auf andere Inhalte außerhalb von Facebook verlinkt, erklärt damit ja auch noch nicht, dass er die verlinkten Inhalte richtig findet.

Nur am Rande: Es steht ja auch erst mal gar nicht fest, was der Betroffene möglicherweise geliked hat. Facebook-Einträge lassen sich nachträglich bearbeiten. Wenn man es so sehen würde wie der Düsseldorfer Oberbürgermeister, wäre jeder Like ein unübersehbares Risiko.

Die Stadtverwaltung sollte bei den neun Feuerwehrleuten also auf jeden Fall die Reißleine ziehen. Die Suspendierung ist offensichtlich unverhältnismäßig, selbst wenn die Betroffenen den Beitrag ihres Kollegen so geliked haben, wie er veröffentlicht wurde.

Was den Autor des Facebook-Eintrags betrifft, ist es etwas komplizierter. Allerdings spricht auch bei ihm viel dafür, dass der Oberbürgermeister weit übers Ziel hinausschießt. Es handelt sich ja offensichtlich schon mal gar nicht um eigene Äußerungen. Vielmehr zitiert der Beamte Leserbriefe, die in einer Zeitung veröffentlich wurden. Ob er sich die Äußerungen zu eigen gemacht hat, kann ich momentan nicht feststellen. Sein Text ist nicht mehr öffentlich.

Fest steht allerdings, dass der Beamte wohl eher kein durchgeknallter Feuerteufel ist. In Düsseldorf gibt es nämlich seit langem Diskussionen, was den Feuerwehrleuten für geleistete Überstunden zusteht. Es gab Gerichtsverfahren, aber ein guter Teil der streitigen Ansprüche soll mittlerweile verjährt sein.

Was der Beamte aus den Leserbriefen zum Thema Überstunden kopierte, stand somit nicht im luftleeren Raum. Vielmehr ging es um einen sachlichen Streit, der sogar vor Gericht ausgetragen wurde. Die sicherlich verunglückten Brand-Metaphern wörtlich zu nehmen und zu unterstellen, ein Feuerwehrmann würde seine Arbeit nicht mehr machen, ist in diesem Zusammenhang doch recht gekünstelt. Im Zweifel gilt dann eben doch die Meinungsfreiheit.

Sogar in der Stadtverwaltung Düsseldorf.

Spielregeln für Karneval

In der fünften Jahreszeit drehen die Jecken zwar frei, aber trotzdem gelten die Gesetze weiter. Ob laute Feiern, spontane Urlaubstage, alkoholisiert am Arbeitsplatz oder mit Restalkohol am Steuer: Auch auf Narren lauern viele juristische Fallstricke.

Die Deutsche Anwaltauskunft hat Urteile rund um den Karneval zusammengesucht. Ein Überblick:

– Arbeit

Auch wenn an den tollen Tagen vieles anders ist – man darf nicht einfach blaumachen. Wenn der Chef keinen Urlaub oder einen freien Tag gewährt, hat man schlechte Karten und muss seinen Job wahrnehmen.

Das Arbeitsgericht Köln hat entscheiden, dass Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Arbeitsbefreiung an Geburtstagen, zur Weiberfastnacht und am Rosenmontag haben (Entscheidung vom 7. Oktober 2009; AZ: 2 Ca 6269/09).

„Blau“ am Arbeitsplatz ist aber auch gefährlich. Wer zu viel trinkt, riskiert Probleme mit dem Chef. Wer mit Restalkohol zur Arbeit kommt, riskiert eine Abmahnung. Wer beruflich einen Lkw oder einen Bus fahren muss, bekommt ernsthafte Probleme, wenn er sich mit Restalkohol ans Steuer setzt.

– Lautstärke

Die gute Nachricht: An Karneval darf es auch mal etwas lauter sein. Lärmempfindliche Karenevalsmuffel haben an den tollen Tagen eher schlechte Karten. Traditionelle Veranstaltungen wie Kappensitzungen oder Weiberfastnachtsfeiern dürfen auch laut sein. Es darf sogar bis 24:00 Uhr laut gefeiert werden.

Nach Ansicht des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz sind Weiberfastnachtsfeiern und Kappensitzungen traditionelle Ereignisse, die nur sehr selten vorkommen. Zwar komme es zu Belästigungen der Nachbarn, diese seien jedoch zumutbar. Also sind auch Konzerteinlagen nach 22:00 Uhr und lautes Feiern bis 24:00 Uhr erlaubt (Entscheidung vom 13. Februar 2004; AZ: 6 B 10279/04).

– Kunst

Karnevalisten sind Künstler. Zu dieser Feststellung ist jedenfalls das Finanzgericht Düsseldorf gekommen. Narren können wie Schauspieler, Musiker und Kabarettisten echte „Künstler“ sein mit der Folge, dass sie grundsätzlich von der Gewerbesteuer befreit sind.

– Straßenverkehr

Das Auto stehen lassen – das ist hoffentlich für jeden trinkfesten Narren klar. Aber auch Fußgänger sollten auf sicheren Gang achten. Wer zum Beispiel stark alkoholisiert zu Fuß unterwegs ist, einen Abhang hinunterstürzt und sich verletzt, genießt keinen Versicherungsschutz. Das stellte das Oberlandesgericht Köln fest und hob hervor, dass bei Fußgängern ab 2 Promille Unfälle im Regelfall auf die Alkoholisierung zurückzuführen sind (Beschluss vom 20. September 2005; AZ: 5 W 111/05).

Oft wird der Restalkohol im Blut nach langen Feiern völlig unterschätzt. Wer sich nach nur wenigen Stunden Schlaf noch leicht benebelt ans Steuer setzt und einen Unfall verursacht, riskiert neben strafrechtlichen Folgen seinen Versicherungsschutz. Dies hat das Oberlandesgericht Karlsruhe festgestellt (Entscheidung vom 21. Februar 2002; AZ: 19 U 167/01).

Berufskraftfahrer setzen ihre Fahrerlaubnis aufs Spiel, wenn sie wiederholt schwer betrunken angetroffen werden- und zwar egal wo. Das gilt auch für Restalkohol. Dabei spielt es nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg keine Rolle, dass der Betroffene im Straßenverkehr noch nie auffällig geworden ist (Beschluss vom 29. Juli 2002; AZ: 10 S 1164/02).

Für alle Autofahrer gilt aber auch erhöhte Vorsicht, denn: Vor Kneipen ist mit Betrunkenen zu rechen! Wer also erkennt, dass in einer Kneipe die Narren unterwegs sind, beispielsweise dadurch, dass einige von ihnen vor dem Eingang stehen, muss an solchen Stellen das Tempo reduzieren und bremsbereit sein.

Das Landgericht Kaiserslautern kam zu dem Schluss, „dass angetrunkene Gaststättenbesucher zu Spontanreaktionen neigen“ (Entscheidung vom 19. Oktober 2001; AZ: 2 S 97/00). Also: Wer an den tollen Tagen mit dem Auto unterwegs ist, sollte auch für Narren bremsen – schon im eigenen Interesse.

Steuerstreit um teuren Dienstwagen

Die 1 % – Regelung bei Dienstwagen ist nicht in Stein gemeißelt. Das Finanzamt darf zum Beispiel keine private Nutzung unterstellen, wenn der Steuerzahlerzahler ein vergleichbares Fahrzeug privat auf sich zugelassen hat. Dann ist die Vermutung, der Dienstwagen werde auch privat genutzt, entkräftet. Das hat der Bundesfinanzhof entschieden.

Der Chef eines Unternehmens fuhr einen Porsche 911 als Dienstwagen. Dafür schlug ihm das Finanzamt rund 21.000 Euro für die private Nutzung auf die Einkommenssteuer drauf. Gerade bei Luxusautos spreche eine Vermutung für die private Nutzung, argumentierte das Finanzamt. Derartige Fahrzeuge fahre jemand nur aus “Neigung”.

Das sieht der Bundesfinanzhof im Kern ebenso. Allerdings habe der Steuerzahler belegt, dass diese Vermutung bei ihm nicht zutrifft. Der Mann verwies nämlich darauf, dass er privat noch einen Porsche 928 S 4 habe. Dieser Wagen, stellen die Richter fachkundig fest, sei dem Porsche Carrera in den Punkten Prestige, Ausstattung und Leistung ebenbürtig.

Außerdem verwies der Steuerzahler auf einen Volvo V70 T5, der ebenfalls bei ihm in der Garage stehe. Dadurch zog auch das Argument nicht mehr, möglicherweise nutze die Ehefrau des Geschäftsmanns den Porsche Carrera. Nach den Feststellungen der Richter hat das Paar nämlich fünf Kinder. Aus dem Urteil:

Nach allgemeiner Lebenserfahrung müssen Eltern kleinerer Kinder des Öfteren Transportaufgaben oder größere Einkäufe erledigen. Es entspricht der Lebenserfahrung, dass für derartige Aufgaben eher ein Auto mit größerem Platzangebot und großem Kofferraum, wie zum Beispiel ein Kombi Volvo V70 T5, gewählt wird als ein Sportwagen.

Angesichts dessen hätte das Finanzamt konkret nachweisen müssen, dass der Steuerzahler auch tatsächlich privat mit dem Porsche Carrera fährt. Das gelang dem Finanzamt aber nicht.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 4. Dezember 2012, Aktenzeichen VIII R 42/09

Die alten Fehler in der Endlosschleife

Während gerade mal wieder eine Abmahnwelle wegen Filesharings durchs Land rollt, arbeitet die Politik an Lösungen für das Problem. Angeblich. Zwar ist nun ein aktueller Gesetzentwurf der Bundesregierung bekanntgeworden. Doch der wird kaum dafür sorgen, dass Abmahnungen mit exorbitanten Forderungen Internetnutzer nicht mehr in Schockstarre verfallen lassen.

Interessanterweise haben wir ein Gesetz, das die Anwaltskosten für Filesharing-Abmahnungen auf 100 Euro begrenzt. Es gilt schon seit Jahren – doch gebracht hat es nichts. Die Vorschriften knüpfen nämlich nicht an die Frage an, ob ein Internetnutzer Privatperson ist. Vielmehr werden die Abmahnkosten nur auf 100 Euro gedeckelt, wenn der Betroffene nicht in “gewerblichem Ausmaß” gehandelt hat.

Diese Einschränkung griffen die Gerichte, warum auch immer, dankend auf. Sie definierten das gewerbliche Ausmaß kurzerhand so, dass die Preisgrenze praktisch nirgends gilt. So konstatiert auch Filesharing-Anwalt Christian Solmecke, der tausende Abmahnopfer vertritt, gegenüber Spiegel online:

In den Tauschbörsen-Fällen habe ich bislang noch keinen Fall gesehen, in dem die Anwaltsgebühren auf 100 Euro gedeckelt worden sind.

So geht es nicht nur ihm.

Für die Abmahner änderte sich nichts. Sie konnten munter weiter ihre Serienbriefe verschicken und mit horrenden Forderungen Angst und Schrecken in deutschen Kinderzimmern verbreiten.

Offenkundig besteht auch nicht der Wille, ernsthaft etwas daran zu ändern. Stattdessen legt die Bundesjutizministerin jetzt einen Entwurf vor, der die alten Fehler wiederholt. Denn statt eine klare Linie zu fahren, werden die alten Ausnahmen lediglich neu formuliert. Nun geht es nicht ums gewerbliche Ausmaß, sondern die “besonderen Umstände des Einzelfalls”. Oder der “Anzahl und Schwere der Rechtsverletzungen”.

Wer erwartet ernsthaft, dass solche schwammigen Ausnahmetatbestände etwas an der bekannten Tendenz der Gerichte ändert, Filesharer nach Möglichkeit zur Kasse zu bitten? Der Münsteraner Juraprofessor Thomas Hoeren teilt diese Befürchtungen. Er nennt die nun verwendeten Formulierungen ebenfalls eine Einladung an die Gerichte, weiter nach Belieben zu entscheiden.

Eines schafft der Gesetzentwurf immerhin. Die bisherige Grenze der Abmahnkosten steigt von 100 auf rund 150 Euro. Das ist immerhin ein stattlicher Inflationsausgleich für die Abmahnbranche, auch wenn natürlich keiner der Protagonisten ernsthaft beabsichtigt, künftig so wenig Geld für Filesharing-Abmahnungen zu verlangen.

In fünf, sechs Jahren sprechen wir dann vielleicht wieder über ein vernünftiges Gesetz. Bis dahin dreht sich das Abmahnkarussell munter weiter.