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Der gewalttätige Staat ist der schwache Staat. In Frankfurt und in Istanbul.

Staatliche Gewaltparty

„Die Leute haben die Schnauze voll“

„To me, social media is the worst menace to society“

„Umfassende Sicherheitsvorsorge“ durch die Bundeswehr

Nur weil ein Land entsprechende Grundsätze in der Verfassung niedergelegt hat und kluge, vernünftige Gesetze einen stabilen Rahmen bilden, ist es noch lange kein Rechtsstaat

Dänemark: Vorratsdatenspeicherung hilft Fahndern nicht

Pflaster kauen kommt in Mode / Gericht legt Grenzwerte für Fentanyl fest

Ein Rudel Gegner

Der Kaputtmacher

Es besteht die schlichte Möglichkeit, dass der Herr keine Lust hat. Auf den Prozess gegen die “Alex-Schläger”, wie sie die Boulevardpresse getauft hat. Allerdings spricht eher etwas dafür, dass der Berliner Schöffe Siegfried K. schlicht den Schuss nicht gehört hat und von seinem Amt überfordert ist.

An seiner eigenen Ablösung arbeitet der Laienrichter jedenfalls unbeirrt. An sich soll er gegen die “Alex-Schläger” gemeinsam mit den anderen Richtern am Ende ein faires Urteil sprechen. Doch bis dahin will er offenbar nicht unbedingt den Mund halten – obwohl dies zweifellos für den Prozess förderlicher wäre.

Schon am Donnerstag platzte Siegfried K. bei einer Zeugenvernehmung der Kragen. Er blaffte einen Zeugen an:

Sind Sie zu feige, eine Aussage zu machen? Oder wollen Sie uns verarschen?

Das brachte ihm einen Befangenheitsantrag ein, der Aussicht auf Erfolg hat. Allerdings wird es, meine ich, gar nicht darauf ankommen. Zumindest wenn das stimmt, was die B.Z. heute über den 58-jährigen Leiter eines Jugendhauses berichtet.

Siegfried K. soll nämlich gegenüber den B.Z.-Reportern nachgelegt haben. Die Zeitung zitiert ihn mit folgendem Kommentar zum Befangenheitsantrag:

Am Montag werden die (Verteidiger) noch ein bisschen motzen. Die wollen halt den Prozess kaputt machen. Das haben die doch mehrmals schon so gemacht. Auch mit dem Befangenheitsantrag gegen die Anwälte der Opfer.

So eine Tirade kann nicht gutgehen. Selbst wenn er seinen ersten Ausbruch noch mit spontaner Verärgerung hätte rechtfertigen können, bei dieser Verbalattacke wird das dem Mann nicht mehr gelingen. Wer “Im Namen des Volkes” Recht spricht, sollte sich auch auf diese Aufgabe beschränken. Und nicht seinen fehlgeleiteten Unmut öffentlich herausposaunen. Spätestens jetzt nimmt man diesem Schöffen nicht mehr ab, dass er Angeklagten und Verteidigern unbefangen gegenübersteht.

Ich habe es vor einiger Zeit erlebt, dass ein Schöffe zu freigiebig war. Er stellte dem Staatsanwalt, der Tag für Tag in seiner Nähe saß, im Winter einen Schokonikolaus auf den Tisch. Das hat ihm sein Amt gekostet, aber zumindest nicht den Prozess zum Platzen gebracht. Es gab nämlich noch Ersatzschöffen.

Das ist im Berliner Verfahren anders. Bis der Prozess neu aufgerollt wird, können die Angeklagten sogar auf eine Haftentlassung hoffen.

Damit hätten nicht die Anwälte den Prozess erst mal kaputtgemacht. Sondern Siegfried K., und das ganz alleine.

Update: Das Verfahren wurde ausgesetzt.

Was dürfen Detektive?

Ohne gerichtlichen Beschluss läuft für Polizisten nichts, wenn sie ein Auto mit einer GPS-Wanze überwachen möchte. Aber wie sieht die Rechtslage bei Privatdetektiven aus, die im privaten Auftrag Fahrzeuge überwachen und Bewegungsprofile erstellen? Dürfen Private mehr als Ordnungshüter?

Ganz einfach scheint die Frage nicht beantwortbar. Denn der Bundesgerichtshof verhandelt morgen immerhin mündlich über die Problematik. Es geht um Privatdetektive, die im Auftrag eines Kunden Wanzen an den Autos von Mitarbeitern der Kassenärztlichen Vereinigung und von Staatsanwälten angebracht hatten.

Gegen den Auftraggeber der Detektive, einen Arzt, liefen Ermittlungen. Im Gegenzug wollte er sich kompromittierendes Material besorgen und Bewegungsprofile seiner Kontrahenten erstellen lassen. Die Überwachung flog aber auf, die Detektive fanden sich auf der Anklagebank wieder.

Das Landgericht Mannheim verurteilte im Oktober 2012 die Privatermittler wegen Verstoßes gegen das Bundesdatenschutzgesetz. Auch wenn letztlich “nur” ein Auto überwacht wurde, hätten die Detektive personenbezogene Daten der Fahrer ermittelt und damit deren Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt.

Der Bundesgerichtshof wird wahrscheinlich ein Grundsatzurteil sprechen. So recht vorstellbar erscheint es mir nicht, dass Privatdetektive mehr dürfen als Polizisten. Falls ja, wäre das eine Gesetzeslücke, die der technischen Entwicklung geschuldet ist. Sie sollte geschlossen werden.

PDF to Fax

Zu den Aufgaben eines Rechtspflegers gehört es auch, das Honorar von Rechtsanwälten zu prüfen und festzusetzen. Auf dieser Grundlage werden dann die Gebühren ausgezahlt. In Strafsachen, meist sind die Anwälte als Pflichtverteidiger tätig, klappt das eigentlich ganz gut. Allerdings gibt es auch immer wieder Rechtspfleger, die den berühmten Igel in der Tasche haben.

Ein beliebter Streitpunkt sind Kopierkosten. Diese Kosten darf der Anwalt zum Beispiel berechnen, wenn er die Gerichtsakte kopiert. Die Gerichtsakte ist die wichtigste Grundlage seiner Arbeit. Deshalb stehe ich seit jeher auf dem Standpunkt, dass ich die Gerichtsakte komplett kopieren darf. Jedes Blatt kann später mal wichtig werden – und woher soll ich im voraus wissen, welches?

Eine beträchtliche Zahl Rechtspfleger sieht das jedoch anders. Da wird schon mal kritisiert, das in der Akte befindliche Urteil oder Beschlüsse dürften nicht kopiert werden. Denn nach dem Buchstaben des Gesetzes habe der Verteidiger Anspruch auf kostenlose Abschriften.

Die Bearbeitung der Anfrage auf beiden Seiten und die Versendung “kostenloser” Abschriften kostet aber ein Vielfaches, als wenn man diese Dokumente gleich mit kopiert und dafür ein paar Cent berechnet. Aber trotzdem wird schon mal gern über diesen Posten gemeckert.

Das gilt aber auch für andere Kopien. Mal sollen Unterlagen über Zahlungen an Sachverständige oder Zeugen nicht erstattungsfähig sein, dann wieder eine Kopie des Aktendeckels oder von Zeugenladungen. Der Einfallsreichtum von Rechtspflegern ist hier schier unerschöpflich.

Meist geht es im Ergebnis um Auslagen zwischen einem und vielleicht fünf Euro. Dafür werden dann Briefe gewechselt, und am Ende muss gar ein Richter entscheiden. (Meist übrigens zu Gunsten des Anwalts.) Der Aufwand steht jedenfalls regelmäßig in keinem Verhältnis zum möglichen “Erfolg”.

Es sei denn natürlich, man sieht als Rechtspfleger seine Aufgabe darin, die Anwälte mürbe zu machen. Nach dem Motto: Bestrafe einen, erziehe hunderte. Ich kenne durchaus Kollegen, die sich den Kleinkrieg, der mitunter angezettelt wird, schlicht nicht mehr antun wollen. Sie geben gleich nach, auch wenn die Auffassung des Kostenbeamten juristisch fragwürdig ist.

Wenn man die Auseinandersetzung nicht scheut, ist es natürlich wichtig, die eigenen Kosten überschaubar zu halten. So bin ich schon vor längerer Zeit dazu übergegangen, den oftmals geforderten pauschalen Nachweis angefallener Kopierkosten zu erbringen – allerdings per Fax. Natürlich könnte man als Anwalt auch seinen eigenen Aktenauszug in einen dicken Brief oder gar einen Karton packen, dem Gericht für teuer Geld zusenden, das Papier zählen lassen und sich dann die Unterlagen zurückschicken lassen.

Ein tierischer Aufwand, der sich via Fax vermeiden lässt. Ich lasse im Büro ja ohnehin immer ein PDF jedes Dokuments erstellen, so dass ich das PDF dann auch gerne faxen kann. Der Einfachheit halber verzichte im Begleitfax sogar auf die Rückgabe der gefaxten Aktenkopien, sofern das Gericht sich tatsächlich alles ausdrucken lässt. Was ich allerdings nicht weiß, das Dokumentenmanagement soll ja überall anders sein.

Interessanterweise passiert es total selten, dass ein Rechtspfleger nach Erhalt meines ersten Faxes beim nächsten Fall wieder den kompletten Aktenauszug in Händen halten möchte. Warum, das kann ich allerdings nicht mit Bestimmtheit sagen.

Beim Kollegen Detlef Burhoff geht es ums gleiche Thema.

Drittes Auge für hessische Polizisten

Mit dem Projekt “Bodycam” startet die Hessische Polizei in eine neue Ära der Überwachung. Polizeibeamte sollen künftig kleine Videokameras tragen, die auf ihrer Schulter sitzen. Die Polizei hofft, Gewalttäter vor Angriffen auf Polizisten abhalten zu können. Außerdem sollen die Aufnahmen auch zur Aufklärung von Straftaten verwendet werden.

Die neue Kamera tragen sofort Beamte im Bereich Alt-Sachsenhausen an ihrer Uniform. Alt-Sachsenhausen hat das Hessische Innenministerium für den Testbetrieb ausgewählt, weil es das Viertel als “Brennpunkt der Gewalt gegen Polizistinnen und Polizisten” ausgemacht hat.

Immerhin findet die Überwachung nicht verdeckt statt. Mit Kameras ausgerüstete Polizisten müssen eine Weste mit der Aufschrift “Videoüberwachung” tragen. Außerdem, so das Innenministerium, sollen sie nur anlassbezogen filmen dürfen. Dauerhafte Aufnahmen seien unzulässig. Jedoch heißt es auch, schon beim Schlichten von Streitigkeiten könnten die Kameras eingeschaltet werden.

Der Hessische Innenminister glaubt, durch die Kameras ließen sich Angriffe auf Polizeibeamte verhindern. Er formuliert das so:

Bilder sagen mehr als Worte. Potentielle Angreifer werden künftig zwei Mal überlegen, ob es sich wirklich lohnt einen Polizisten anzugreifen, wenn klar ist, dass die Aufnahmen vor Gericht landen können.

Ob das tatsächlich so klappt, darf bezweifelt werden. Die Kritik fasst das Blog “Criminologia” zusammen:

In dieser Argumentation lässt sich unschwer das zugrunde liegende Menschenbild eines rationalen Akteurs erkennen, der “zwei Mal überlegt”, bevor er illegale Handlungen vollführt. Bei den Angriffen auf Polizeibeamte wird es sich in der Regel jedoch um Affekttaten handeln, die von ihrem situativen, spontanen und emotionalen Charakter geprägt sind. Zudem werden die potentiellen, abzuschreckenden Täter im Kneipenviertel Alt-Sachsenhausen wohl nur selten nüchtern und ihr rationales Urteilsvermögen erheblich getrübt sein.

Überhaupt stellt sich die Frage, wieso ausgerechnet zur Videotechnik gegriffen wird. Wäre es nicht besser, ausreichend Beamte einzusetzen? Mir erscheint es gut möglich, dass die Videokameras fehlendes Personal ersetzen sollen, indem man den Beamten ein trügerisches Gefühl der Sicherheit vermittelt. Jedenfalls ist mir nicht klar, wieso physische Präsenz von ausreichend vielen Beamten  weniger wirken soll als technische Gimmicks.

Nach wie vor fehlt auch noch jeder Beweis dafür, dass Kameras Straftaten verhindern. Was für die große Überwachung gilt, wird sich für den Kleinstraum, den so eine Schulterkamera erfasst, umso mehr gelten. Mal ganz abgesehen von der Frage, was für “Beweise” denn mit den zu erwartenden Wackelbildern erzielt werden sollen. Tonaufnahmen dürfen die Bodycams in der Testphase gar nicht machen, auch weil der hessische Datenschutz Bedenken gehabt haben soll. 

Interessant wird allerdings sein, wann und wie lange die Bodycams bei Einsätzen tatsächlich eingeschaltet sein werden. Der Umstand, dass eine Kamera nicht (mehr) lief oder entsprechende Bilder jedenfalls nicht auffindbar sind, könnte in Fällen möglicher Polizeigewalt auch interessante Rückschlüsse zulassen.

Gefährliche Fahrkarten

Unbekannte manipulieren seit einiger Zeit Fahrausweisautomaten der Deutschen Bahn. Sie wollen an das Geld und auch die Blanko-Fahrkarten in den Automaten kommen – und zwar auf brachiale Art und Weise. Dazu dichten sie alle Spalten, Schlitze und Öffnungen der Automaten mit Klebestreifen ab. Anschließend werden die Automaten mit Gas gefüllt und zur Explosion gebracht.

Die Bundespolizei und das Hessische Landeskriminalamt rufen Bahnfahrer nun zu größter Vorsicht auf, da explodierende Fahrkartenautomaten Menschen verletzen können. Die größte Gefahr, so die Behörden, bergen manipulierte Automaten, die nicht wie von den Tätern erhofft sofort in die Luft gehen. Das explosionsfähige Gemisch hält sich in den Geräten und kann auch später noch explodieren.

Zuletzt musste am Dienstag ein Bahngleis in Groß-Karben (Mittelhessen) gesperrt werden. Polizeibeamte sahen einen Automaten, der mit Klebestreifen komplett versiegelt war. Sie bemerkten auch Gasgeruch. Bis zum Eintreffen eines Sprengstoffexperten des Landeskriminalamtes wurde der Bahnsteig abgeriegelt. Der Experte hielt es für das Beste, die Klebestreifen zu lösen. Das Gas konnte so aus dem Automaten entweichen und die Gefahr beseitigt werden. Nach den Tätern wird noch gesucht.

Die Bundespolizei rät Bahnkunden dringend davon ab, selbst Heldenmut beweisen zu wollen. Wer einen manipulierten Automaten sieht, soll Abstand suchen und die Polizei rufen. Die Behörden wollen ab sofort verstärkt Präsenz auf Bahnhöfen zeigen.

Datenschutz bei Apps ist ein Stiefkind

Nur die wenigsten App-Anbieter beachten verpflichtende Regelung zum Datenschutz. Die bayerische Datenschutzaufsicht hat stichprobenartig 30 Apps bayerischer Anbieter überprüft. Nur jede vierte App lieferte dem Nutzer ausreichende Informationen über die Verwendung seiner Daten. Häufig fehlten auch die erforderlichen Kontaktdaten des Anbieters.

Die Aktion fand im Rahmen des „International Internet Sweep Day“ statt, an dem sich Datenschutzbehörden aus aller Welt beteiligen. Der Datenschutzaufsicht aus Bayern ging es zunächst nur darum, ob die heimischen Anbieter eine akzeptable Datenschutzerklärung haben. Außerdem prüften sie, ob der Kunde den Anbieter bei Fragen ausreichend kontaktieren konnte, wie es das Gesetz vorschreibt.

“Vielen Nutzern von Smartphones und Tablets dürfte nicht bewusst sein, dass sie ihre ,kostenlosen’ Apps unter anderem mit allen ihren Kontaktdaten, das heißt  Namen, Adressen, Telefonnummern von sich und Dritten bezahlen”, sagt Thomas Kranig, Präsident des Bayerischen Landesamtes für Datenschutzaufsicht. Deshalb sei es erforderlich, dass dem Nutzer klar erkennbar wird, in welchem Umfang und zu welchem Zweck personenbezogene Daten von seinem Handy abgerufen werden.

Auf Bußgelder hat die Behörde zunächst verzichtet. Bei weiteren Verstößen will sie aber gegebenenfalls Sanktionen aussprechen. 

Kein Geld für Warteschleifen

Ab kommenden Samstag sind Warteschleifen grundsätzlich kostenfrei, egal über welche Sonderrufnummern sie angeboten werden. Mit dem neuen Gesetz endet eine Übergangsfrist, die Warteschleifenbetreibern eingeräumt wurde.

Viele Anbieter haben bereits komplett auf Festnetzrufnummern umgestellt. Wird diese gewählt, fallen lediglich die Kosten des eigenen Telefonanbieters an – bei den heute üblichen Festnetzflatrates also keine.

Für die Umsetzung des Gesetzes hat die Bundesnetzagentur für Callcenter neue Rufnummerngassen geschaltet, die für mehr Preistransparenz sorgen sollen. Hier gilt:

0180-6: Der Anrufer zahlt 20 Cent pro Anruf aus dem Festnetz, aus dem Mobilfunknetz kostet der Anruf maximal 60 Cent. 

0180-7: Anrufe werden sind bis zur 30. Sekunde immer kostenlos, auch wenn vorher ein Mitarbeiter rangeht. Warteschleifen sind auch darüber hinaus kostenlos. Das gilt auch für nachgelagerte Warteschleifen, zum Beispiel wenn ein Kundenbetreuer weiter verbindet. Dauert das Gespräch länger als eine halbe Minute, werden für die Gesprächsanteile pro Minute 14 Cent aus dem Festnetz und maximal 42 Cent aus dem Mobilfunknetz fällig.

Auch für die kostenpflichtigen Hotlines der Rufnummerngassen 0900 gilt künftig, dass Warteschleifen kein Geld kosten dürfen. Allerdings gibt es schon Befürchtungen, dass unseriöse Anbieter eine Lücke ausnutzen. Für Auswahlmenüs, in denen der Anrufer selbst Befehle eingibt, darf nach wie vor kassiert werden. Es soll schon Betreiber geben, welche die Nutzung der Menüs in die Länge ziehen.

Die Bundesnetzagentur kann ab Samstag Bußgelder für Verstöße verhängen. Davon soll auch Gebrauch gemacht werden.

Auf der angenehmeren Seite

Die Kaution ist bei deutschen Strafrichtern nicht sonderlich beliebt. Die weitaus meisten Jugendrichter lehnen  eine Sicherheit, mit der die Fluchtgefahr ausgeschaltet werden soll, kategorisch ab. Aber auch bei Erwachsenen wird die Kaution nur spärlich eingesetzt. Um so erfreuter war ich, als ein Haftrichter die Tage wenigstens über eine Sicherheit mit sich reden lassen wollte.

Ich hatte schon alles ins Feld geführt, was ich an Argumenten hatte. Dass mein Mandant schon nicht das Weite suchen wird, denn er hat Wohnung und Arbeitsplatz. Dass er zwar keine enge Bindung an seine Eltern hat und es mit einer festen Freundin derzeit dürftig aussieht, er aber doch auf jeden Fall seinen Reisepass abgeben und sich mehrmals in der Woche auf der Polizeistation melden kann.

Ich merkte schon, der Richter schwankte. Da blieb nur, dezent auf das Sparguthaben meines Mandanten hinzuweisen. Er hat ja immer von einem kleinen Häuschen geträumt, nicht aber von einer Einzelzelle in der Untersuchungshaftanstalt. Der Richter studierte eingehend den Kontoauszug, den ich zum Glück vorlegen konnte. “Das ist ja schon ein schönes Sümmchen, das wollen Sie doch sicher behalten.” Der Mandant nickte eifrig.

Wir gingen noch andere Punkte durch, aber so richtig konnte der Richter sich nicht aufraffen. “Ich muss mir das noch mal in Ruhe durch den Kopf gehen lassen”, sagte er. “Ich teile Ihnen dann morgen die Entscheidung mit.” Mein Mandant durfte also erst mal wieder zurück in die Zelle.

Ich bemühte mich schon mal vorsorglich darum, die in Rede stehende Summe zu organisieren. Denn es reicht nicht aus, die Barmittel für die Kaution zu haben, sie muss auch bei Gericht “hinterlegt” werden. Die Justiz nimmt zwar auch Schecks, allerdings muss der Betroffene dann bis zur endgültigen Gutschrift warten. Das dauert bekanntlich schon mal bis zu acht Tagen. Ich kenne keinen Mandanten, der das noch auf sich nehmen würde, wenn die sofortige Entlassung winkt. Bargeld ist also die einzig vernünftige Option.

Ich musste noch mit einem Bekannten meines Mandanten telefonieren, der Zugang zum Konto hatte. Dann war mit der Bank zu klären, dass die Summe auch tatsächlich bar vorhanden ist. Es war dann bereits alles vorbereitet, um das Bargeld auf die Gerichtskasse zu tragen, als ich überraschenderweise am nächsten Morgen einen Anruf meines Mandanten erhielt. Er stand vor der Tür des Gefängnisses – und zwar auf der angenehmeren Seite. Der Richter hatte ihn wenige Minuten zuvor tatsächlich rausgelassen. Allerdings standen im Haftverschonungsbeschluss nur die Meldeauflage und ein Reiseverbot ins Ausland, von der Kaution war keine Rede mehr.

Ich dachte ehrlich gesagt zunächst, die Schreibkraft hat den Teil mit der Kaution vergessen. Das war aber nicht so, wie eine Nachfrage bei der Geschäftsstelle ergab. Bei Gelegenheit muss ich den Richter mal fragen, wieso er die Sicherheit letztlich nicht mehr für notwendig hielt. Mein Mandant hat sich jedenfalls gefreut, dass er nun doch nicht pleite ist und womöglich einen Pflichtverteidiger braucht. Ich übrigens auch.

Nachhilfe zum fairen Verfahren

Wer auf den letzten Drücker Fristen wahrt, lebt stets gefährlich. Kurz mal in der Zeile verrutscht oder einfach vertippt, schon landet das Fax beim falschen Gericht. Das muss aber nicht immer in einem juristischen Totalverlust enden, wie der Bundesgerichtshof in einem aktuellen Beschluss klarstellt.

Die Karlsruher Richter bemühen mal wieder den Grundsatz des fairen Verfahrens. Danach darf ein Gericht die Anforderungen nicht übertreiben, die es an den fristgemäßen Eingang eines Schriftstücks stellt.

Im entschiedenen Fall ging es um ein Fax,  das ein Anwalt wenigen Minuten vor Fristablauf um 0 Uhr an das Landgericht Frankfurt geschickt hatte. Der richtige Empfänger für die Berufungsbegründung in einem Zivilprozess wäre aber das Oberlandesgericht Frankfurt gewesen.

Die Frankfurter Richter betrachteten die Berufungsbegründung als verspätet. Sie haben es sich dabei etwas zu einfach gemacht. Der Bundesgerichtshof  weist sie nämlich darauf hin, dass es bei der Frankfurter Justiz eine “Gemeinsame Eingangsstelle” gibt. Dort laufen alle Sendungen auf, auch wenn für die einzelnen Behörden (z.B. Landgericht, Oberlandesgericht und Staatsanwaltschaft) getrennte Faxnummern geschaltet sind.

Bei einer solchen Konstellation kommt es nach Auffassung der Karlsruher Richter gerade nicht darauf an, ob das Fax auch an die richtige Durchwahlnummer gesendet wurde. Die Gemeinsame Eingangsstelle sei nämlich für jedes angeschlossene Gericht gleichermaßen zuständig. In so einem Fall spiele nur eine Rolle, ob das Fax überhaupt rechtzeitig in der Gemeinsamen Annahmestelle angekommen ist (Aktenzeichen VI ZB 27/12).

Peinlich und teuer

Auf Facebook hat momentan eine Seite großen Zulauf, welche die “peinlichsten Partyfotos” verspricht.

Andere bloßstellen ist ohnehin nicht die feine Art. Allerdings birgt es auch erhebliche rechtliche Risiken, solche Fotos auf eine fremde Seite hochzuladen – oder auf der eigenen Facebook-Seite zu teilen.

Es ist nämlich keineswegs so, dass man bei Partyfotos von einer “stillschweigenden Einwilligung” der Fotografierten ausgehen kann. Selbst wenn die Betroffenen die Fotos bemerken, heißt das noch lange nicht, dass sie auch mit einer Veröffentlichung der Bilder einverstanden sind.

Am Ende steht dann oft ein Prozess mit entsprechenden Kosten. Und mit der Freundschaft ist es im Zweifel auch vorbei.

Näheres bei meinem Kollegen Jens Ferner.

Verhaftung mit Ansage

Wenn sich der Gerichtsvollzieher ankündigt, ist es nicht unbedingt nötig, aufzuräumen. Ungespülte Teller und leere Tassen dürften einen Vollstrecker kaum erschüttern. Etwas anderes gilt aber für Gegenstände, mit denen der Schuldner seinen Lebensunterhalt verdient – eine Indoor-Cannabisplantage zum Beispiel.

Auf drei Zimmer hatte ein 31-Jähriger aus Berlin seine professionelle Produktionsstätte erstreckt. Sie war mit Lüftungs-, Beleuchtungs- und Bewässerung perfekt ausgerüstet. Dass sich eine Gerichtsvollzieherin zum Schulden eintreiben angesagt hatte, ließ den Züchter kalt. Offenbar ignorierte er die Vollstreckungsankündigung und verpasste den Vollstreckungstermin.

Angesichts der Plantage rief die Gerichtsvollzieherin sicherheitshalber die Polizei. Diese zählte 132 abgeerntete Pflanzenkübel und 144 Jungpflanzen. Insgesamt schätzte die Polizei eine Menge, die mit Eigenbedarf kaum noch zu erklären ist. Der 31-Jährige schaute dann auch prompt noch selbst in der Wohnung vorbei und wurde wegen illegalen Anbaus und mutmaßlichem Drogenhandel festgenommen.

Der Kollege Rechtsanwalt Carsten Hoenig fasst die Aussichten des Betroffenen in seinem Blog schön zusammen:

Der nun erhobene Vorwurf des illegalen Anbaus und gewerbsmäßigen Handels mit Cannabis führte in diesem Fall dann zu einem Wohnungswechsel. Statt wie bisher drei Zimmer wird der Gärtner nun irgendwas zwischen 1 Jahr und 15 Jahren ein eher kahles Einzelzimmer bewohnen.

 

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Reiche Ernte. (Foto: Polizei)