Sprachkunstwerk

In Griesheim, das ist bekannt, spioniert die NSA. Nachdem interessierte Bürger dem “Dagger”-Komplex mehrere Besuche abgestattet haben, stellte die Militärverwaltung nun neue Schilder auf. Diese lassen sich so verstehen, dass Fußgänger den Eberstädter Weg nicht entlanggehen dürfen.

Kleines Problem: Die Straße ist öffentlicher Grund, und hier hat erst mal lediglich die Gemeinde was zu sagen. Die örtliche Bürgermeisterin Gabriele Winter reagiert dementsprechend säuerlich:

Das ist und bleibt eine öffentliche Straße und jeder kann dort fahren, radeln oder spazieren gehen. Wir werden den Eberstädter Weg von Griesheimer Seite aus jedenfalls nicht sperren.

Unklar ist allerdings noch, ob die Amerikaner wirklich normale Passanten mit einem Verbot belegen wollen. Das Schild bietet jedenfalls zahlreiche Auslegungsmöglichkeiten.

Es wendet es sich an “All Personnell”. Damit dürftem – zumindest auf dem Papier – die eigenen Mitarbeiter gemeint sein. Wird denen nun das Gehen auf dem Griesheimer Weg untersagt. Oder weist das Schild die Mitarbeiter darauf hin, dass Fußgängerverkehr Dritter nicht erlaubt ist und das amerikanische Personal entsprechend einschreiten darf?

Sprachlich ist da viel Luft drin. Was bleibt ist der Fakt, dass die Schilder offensichtlich eine Reaktion auf die unerwünschten Besuche am Dagger-Komplex sind (auch die deutsche Polizei wurde bereits gerufen). Die Schilder erwecken jedenfalls auch erst mal bei Passanten den Eindruck, dass der Eberstädter Weg entlang des Dagger-Komplexes zu Fuß nicht begangen werden darf.

Egal, wie das Sprachkunstwerk nun zu verstehen ist – der Einschüchterungseffekt ist jedenfalls einkalkuliert. Zumindest das lässt sich eindeutig feststellen.

Bericht im Darmstädter Echo

Durchsage

Kurze Durchsage:

Sachliche Beiträge in diesem Blog sind immer willkommen. Aber nur so lange auch andere noch zu Wort kommen.

Wir werden ab sofort verstärkt darauf achten, dass die Kommentarspalte lesbar bleibt.

“Von erheblicher Bedeutung”

Foto-Fahndung mit Bildern von Überwachungskameras kommt anscheinend in Mode. Dabei stellt die Polizei aber nicht nur Bilder von Tatverdächtigen ins Netzt, sondern zunehmend auch Fotos von Zeugen, denen selbst gar keine Straftat zur Last gelegt wird. Nach dem Mann, dem sein Skateboard abhanden gekommen war und dessen Bild nach über drei Wochen noch immer in der Online-Presse abrufbar ist, hat mich ein Leser auf die nächste fragwürdige Fahndung aufmerksam gemacht.

Diesmal sucht die Leipziger Polizei nach einer Frau. Sie soll, so berichten Zeugen, in den Abendstunden in Grünau mit der Bahn Richtung Plovdiver Straße gefahren sein. In Höhe der Kiewer Straße sei sie von Jugendlichen beschimpft und bespuckt worden. Zwei Männer seien aber eingeschritten, worauf die Jugendlichen von der Frau abließen.

Das Bild der möglicherweise Betroffenen streute die Leipziger Polizei über ihren normalen Presseverteiler. Die regionalen Medien haben das Thema natürlich aufgegriffen und brav das Foto abgedruckt. Natürlich auch in den Online-Ausgaben, siehe etwa hier.

Auch in diesem Fall liegen die Voraussetzungen für eine Foto-Veröffentlichung nicht vor. Dabei spielt es noch nicht mal eine Rolle, ob die Polizei im Vorfeld alle Mittel ausgeschöpft hat, den Namen der Zeugin anderweitig zu ermitteln. So ist sie insbesondere verpflichtet, erst mal alle konventionellen Methoden auszuschöpfen. Im übrigen müsste sie auch überlegen, ob es in so einem Fall nicht ausreicht, die Frau in der Mitteilung zu beschreiben.

Selbst wenn das alles geschehen sein sollte, liegt aber keine “Straftat von erheblicher Bedeutung” vor. Genau diese verlangt das Gesetz aber, um nach einem unbekannten Zeugen öffentlich zu fahnden. Die Vorschrift soll genau das verhindern, was nun passiert – dass wegen eines geringfügigen Anlasses die Persönlichkeitsrechte einer Bürgerin auf der Strecke bleiben.

Offensichtlich hat die Frau sich ja noch nicht mal selbst an die Polizei gewandt. Ihre Gründe hierfür sind egal. Niemand muss eine Straftat – von exotischen Ausnahmen abgesehen – anzeigen, wenn er es nicht möchte. Rechtfertigen muss man sich dafür nicht.

Es spricht also schon viel dafür, dass die Betroffene ihre Gründe hatte, keine Anzeige zu machen. Nun wird sie wegen eines geringfügigen Anlasses öffentlich bloßgestellt und selbst Gegenstand von Begehrlichkeiten. Nämlich denen der Polizei, die eine “Jugendbande” zur Strecke bringen möchte.

Es ist nicht auszuschließen, dass die Frau damit ein zweites Mal zum Opfer wird. Vielleicht wird es Zeit, dass Betroffene mal gegen solche Aktionen klagen. Wenn schon ein Blick ins Gesetz nichts hilft, hält vielleicht ein stattliches Schmerzensgeld Polizeidienststellen künftig von solchen Methoden ab.

Sofern ein Richter die Veröffentlichung durchgewinkt haben sollte, ist auch das kein Trost. Sondern nur ein weiteres Beispiel dafür, dass der Richtervorbehalt in vielen Fällen nur noch Dekor ist.

Voreilig festgelegt

In England war die Reise erst mal zu Ende. Die britischen Behörden hielten den Lebensgefährten des Enthüllungs-Journalisten Glenn Greenwald fest. Greenwald veröffentlicht die die Unterlagen des amerikanischen Whistleblowers Edward Snowden. Die Beamten nötigten David Miranda die Passwörter für seine Hardware ab und behielten die Rechner ein. Erst nach neun Stunden Verhör, in dem Miranda nach eigenen Angaben mit Gefängnis bedroht wurde, durfte der Brasilianer in seine Heimat weiterfliegen.

Verstörend ist das alles vor allem, weil von den britischen Behörden nicht ein Wort der Entschuldigung über die Lippen kommt. Im Gegenteil, sie fühlen sich im Recht. Dabei berufen sie sich auf die Antiterrorgesetze im Land. Diese sehen in der Tat vor, dass Verdächtige einfach so festgehalten werden dürfen. Bis zu einem halben Tag und ohne Anspruch auf Rechtsbeistand.

Allerdings dürfte bei David Miranda nicht mal der leiseste Verdacht bestehen, dass er in terroristische Aktivitäten verwickelt ist. Er hilft Glenn Greenwald bei der Aufarbeitung der Snowden-Papiere. Das ist sicherlich etwas, was der britischen Regierung nicht gefällt. Aber mit den Gründen, wegen denen die harschen Vorschriften erlassen wurden, hat das alles nichts zu tun. Das alles ist ein offensichtlicher Missbrauch der gesetzlichen Befugnisse, zumal ja irgendwo auch noch die Pressefreiheit eine Rolle spielt, die es auch im EU-Land England noch geben soll. 

Die Maßnahme war auch nicht der Alleingang eines eifrigen Beamten. Die USA waren laut dem Guardian nämlich im Vorfeld informiert, auch wenn Amerika nach eigenen Angaben keine aktive Rolle spielten. Absehbar war außerdem, dass ein öffentlicher Aufschrei (und den gibt es in England gerade) unausweichlich sein dürfte. So ein panisches Verhalten von offizieller Seite lässt den Schluss zu, dass mit den bisherigen Snowden-Enthüllungen noch längst nicht das Ende der Fahnenstange erreicht ist – auch wenn wir schon an den bisherigen Kenntnissen noch lange zu verdauen haben werden.

Ins Bild passt da auch, was der Guardian-Chefredakteur, in dessen Blatt die meisten Snowden-Unterlagen veröffentlicht werden, nun an versuchter Einflussnahme berichtet hat. Er schildert Kontakte mit hochrangigen Regierungsvertretern, die im Kern auf Nötigung hinausliefen. Am anschaulichsten ist aber die Schilderung, wie Mitarbeiter des britischen Geheimdienstes persönlich überwachten, wie Festplatten und ein iMac im Keller des Guardian zerstört werden mussten.

Natürlich hat man beim britischen Geheimdienst schon mal was von Sicherungskopien gehört. Aber die offensichtliche Unsinnigkeit solcher Aktionen macht das Verhalten der Behörden noch abstoßender. Offenbar geht es ihnen schlicht um Einschüchterung. Solche Ereignisse verortet man sonst eher in Russland. 

Wir Deutschen können da natürlich erst mal nur zusehen. Aber diese passive Rolle wäre verfehlt. Hier handeln unsere geschätzten und zuverlässigen Partner. Jedenfalls sind sie dies aus Sicht der Bundesregierung. Die weiß ja schon heute, dass die Briten sich strikt an Recht und Gesetz halten – obwohl von dort noch kein Ton zu den Überwachungsmaßnahmen gekommen ist.

Solche Festlegungen sind  im Licht der aktuellen Ereignisse nicht nur voreilig. Sie sind geradezu lächerlich.

Ankläger, Richter, Vollstrecker

Rechtsanwalt Thomas Stadler setzt sich in einem Artikel mit der Frage auseinander, wie Drohnenangriffe juristisch zu bewerten sind:

Diejenigen, die Opfer eines Drohnenangriffs werden, gleichgültig ob Terroristen, Zivilisten oder nicht selten sogar Kinder, haben nie einen (fairen) Prozess bekommen. Sie wurden von Geheimdiensten in einem intransparenten und rechtsstaatswidrigen Verfahren als Terroristen ermittelt. Nach rechtsstaatlichen Gesichtspunkten haben die USA also 3.000 Unschuldige getötet. Es ist nämlich von vornherein nicht statthaft zwischen (mutmaßlichen) Terroristen und Unbeteiligten zu differenzieren. Wenn man die Unschuldsvermutung ernst nimmt, haben ausnahmslos alle Getöteten als unschuldig zu gelten.

Hier geht es zum extrem lesenswerten Beitrag. Auch die Kommentare sind interessant.

Widerstand ist Pflicht – für den Staatsanwalt

Werden einer Staatsanwaltschaft Beweismittel vorenthalten, weil die Behörde einen „Kaufpreis“ nicht zahlen will, ist dies keine strafbare Erpressung. Dies hat das Oberlandesgericht Hamm entschieden.

Die Staatsanwaltschaft Bielefeld wirft dem 53-jährigen Angeklagten aus Bielefeld Beihilfe zu versuchter Erpresssung vor. Der frühere Rechtsanwalt soll versucht haben, dem Staatsanwalt 80 Aktenordner voller Beweismittel zu verkaufen. Dabei handelt es sich um Unterlagen einer Bielefelder Firma, die in den sogenannten PET-Skandal verwickelt war.

Der Angeklagte soll sich im Auftrag eines Unternehmers, der unter falschem Namen auftrat, an die Staatsanwaltschaft gewandt haben. Anschließend führte er ein Verkaufsgespräch über die Unterlagen. Dabei legte er “Proben” aus den Papieren vor. Die Staatsanwaltschaft besorgte sich die Unterlagen dann aber auf anderem Weg. Sie hatte nämlich herausgefunden, wer der Unternehmer ist. Unter dem Druck möglicher Untersuchungshaft gab der Mann die Ordner freiwillig heraus.  

Über die Methoden der Staatsanwaltschaft hatte das Oberlandesgericht Hamm nicht zu befinden. Jedoch bleibt auch der frühere Rechtsanwalt, der die Papiere verschachern wollte, zunächst straflos. Es fehlt nach Auffassung der Richter nämlich an der Drohung mit einem empfindlichen Übel, ohne die eine Erpressung nicht möglich ist.

Von einem Staatsanwalt sei  zu erwarten, dass er grundsätzlich nicht auf so ein Ansinnen eingeht.Die  Strafprozessordnung regele nämlich, wie Beweismittel aufzufinden und sicherzustellen seien. Der Ankauf gegen Bares sei kein gesetzlich vorgesehener Weg. Deswegen sei ein Staatsanwalt mit einem Kaufangebot auch nicht zu erpressen. Dabei müsse, so die Richter, hingenommen werden, dass die Staatsanwaltschaft möglicherweise nicht an die Beweismittel kommt und deswegen öffentlichem Druck ausgesetzt ist.

Allerdings muss die Vorinstanz jetzt in einem neuen Verfahren prüfen, ob der Angeklagte sich vielleicht wegen Begünstigung strafbar gemacht hat (Urteil vom 21.05.2013, Aktenzeichen 3 RVs 20/13).

Gras wiegt bei uns der Praktikant

Die NSA hat ja kürzlich die Vorwahl von Washington mit der von Ägypten verwechselt. Mit der Folge, dass – eindeutig illegal – tausende Anschlüsse von US-Amerikanern abgehört wurden. Auf Sorgfalt sollte man also bei Behördenapparaten nicht unbedingt zählen- wie natürlich im überall im Leben.

Dass es gewisse Arbeitsstandards offensichtlich nicht gibt oder sie zumindest nicht beachtet werden, habe ich aktuell in einem anderen Fall erlebt. Dieser spielt freilich nicht in der Welt großen weiten Welt der Schlapphüte, sondern auf einem ganz normalen Polizeirevier.

Bei einem Mandanten wurde Marihuana im Auto gefunden. Es handelte sich um zwei Tüten mit 19,8 und 11,8 Gramm. Außerdem um eine Brotdose, die 48,8 Gramm enthalten haben soll. So steht es zumindest an mehreren Stellen im Polizeibericht.

Im Labor des Landeskriminalamtes, wo die Drogen zur Untersuchung ankamen, wurde aber eine ganz andere Menge festgehalten. Die Gewichtsangaben für eine Tüte und die Brotdose stimmen immerhin leidlich überein. Die größere Tüte soll aber nicht 19,8 Gramm, sondern 48,8 Gramm enthalten haben.

Der Staatsanwalt sah das natürlich auch und fragte nach, wie das Gras bei der Polizei gewogen wurde. Er bekam von einem Polizeioberkommissar folgende Antwort, die nun auch mir zugänglich gemacht wurde:

Die unterschiedlichen Angaben zur Grammzahl in der Tüte “1” sind aus meiner Sicht nicht mehr nachvollziehbar. Die Tüten mit Marihuana wurden von einem Praktikanten gewogen, welcher in diesem Zeitraum bei uns sein Praktikum absolvierte.

Gut, man kann Arbeit natürlich delegieren. Auch auf Praktikanten. Interessant ist allerdings folgendes:

Ich habe den Inhalt der Tüten nicht mehr nachgewogen, die Werte sind folglich … nicht durch einen zweiten Beamten überprüft worden.

Aha, der Praktikant bearbeitet wichtige Beweismittel also in eigener Regie, eine Kontrolle findet nicht statt. Das scheint dem Kommissar so selbstverständlich, dass er noch nicht mal in seiner “Korrektur” gegenüber dem Staatsanwalt eine zutreffende Aussage hinbekommt. Die Werte sind nicht nur nicht durch einen zweiten Beamten überprüft worden, wie er schreibt. Sie sind durch gar keinen Beamten überprüft worden, denn der Praktikant war kein Beamter.

Aber alles kein Problem für den Kommissar:

Meiner Meinung nach kann es sich bei der Abweichung bei der Tüte “1” (19,8 Gramm statt 48,06 Gramm nur um einen Messfehler bzw. einen Übertragungsfehler handeln.

Aha, also ein Fehler des Praktikanten. Die Möglichkeit, dass der Praktikant richtig gewogen hat, danach aber andere Mengen auf dem Weg ins Labor zusammengeschusselt oder gar vertauscht wurden, ist natürlich völlig abwegig. Obwohl es von der Wache bis zum Labor noch einige weitere Bearbeitungsschritte gab.

Zum Beispiel ging das Marihuana über den Schreibtisch eines weiteren Sachbearbeiters und durch mindestens zwei Poststellen. Schon merkwürdig, dass gerade dem zweiten Kriminalisten, der vermutlich schon urlange Zeit mit Betäubungsmitteln hantiert, nicht aufgefallen sein, dass er es heute mit besonders schwerem Dope zu tun hat.

Der Staatsanwalt hat übrigens keine Probleme mit der Qualitätsarbeit bei der Polizei. In seiner Anklageschrift legt er meinem Mandanten selbstverständlich die größere Menge zur Last.

Früherer Beitrag zum gleichen Thema

“Ausländer” erstreitet sich Zugang zu Diskothek

Das Amtsgericht Hannover hat einen Fall alltäglicher Diskriminierung juristisch geahndet. Ein Deutscher, der türkische Wurzeln hat, war von den Türstehern einer Hannoveraner Diskothek abgewiesen worden. Das Amtsgericht Hannover sieht darin einen Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz.

Während andere Gäste die Diskothek ohne Probleme betreten konnten, wurde der betreffende Gast abgewiesen. Die Richterin hörte sich Zeugen an. Letztlich war sie überzeugt, dass die Türsteher den Besucher nur abwiesen, weil “Ausländer” in der Diskothek unerwünscht seien.

Die Betreibergesellschaft des Etablissements muss dem Kläger 1.000 Euro Schadensersatz zahlen. Außerdem darf der Kläger künftig nicht mehr an der Tür abgewiesen werden, sofern es dafür keine stichhaltigen Gründe gibt, die nichts mit seinem Aussehen oder seiner ethnischen Herkunft zu tun haben (Urteil vom 14. August 2013, Aktenzeichen 462 C 10744/12).

Sie hören von mir

Vor einiger Zeit durfte ich folgenden Dialog führen:

Hallo Herr Vetter, ich bin die Schwester von Frau Meisel.

Hallo Frau Meisel, was kann ich für Sie tun?

Ich wollte Ihnen nur sagen, dass meine Schwester auf keinen Fall möchte, dass Informationen über ihren Fall nach außen dringen. Sie hat ziemliche Angst vor diesem einem Typen, diesen – wie hieß er noch gleich? Es wäre echt eine Katastrophe, wenn…

Frau Meisel, ich kann Sie beruhigen. Ich erzähle grundsätzlich nichts über meine Mandate. Ich darf ja nicht mal sagen, ob Ihre Schwester meine Mandantin ist.

Aber meine Schwester ist Ihre Mandantin, das weiß ich doch. Deshalb rufe ich ja an, damit Sie niemanden was von dem Fall erzählen. Niemanden. Vor allem keinen aus dieser Clique von dem, Sie wissen schon, ich komme jetzt nicht auf den Namen. Wie hieß der noch gleich?

Wie gesagt, von mir erfährt niemand was. Was Sie ja auch daran sehen, dass Sie von mir nichts erfahren.

Wie meinen Sie das denn jetzt? Ich bin die Schwester, ich mache mir doch auch Sorgen. Deshalb rufe ich ja an, weil dieser Kerl, Sie wissen schon, der ist wirklich zu allem fähig, da müssen Sie auf der Hut sein. Haben Sie schon was auf die Anzeige gehört?

Wenn wir jetzt mal rein theoretisch annehmen, dass Ihre Schwester meine Mandantin ist, was ich Ihnen ja schon mal gar nicht sagen kann, dann sollte sie mich selbst anrufen. Oder mir bestätigen, dass ich mit Ihnen sprechen darf. Dann spreche ich auch mit Ihnen. Aber so lange kann ich Ihnen nichts sagen, auch nicht über eine Anzeige.

Das ist jetzt ein Witz, oder? Sie wollen mir nichts sagen, obwohl es um meine Schwester geht? Das ist meine Angehörige.

Aber Sie haben mich doch eingangs darum gebeten, dass ich mit niemanden über einen möglichen Fall Ihrer Schwester spreche. Mit niemanden. Nichts. Jetzt halte ich mich dran, das nennt sich anwaltliche Schweigepflicht, aber dann ist es auch nicht richtig.

Sie sollen doch nur diesem Kerl nichts sagen. Oder sonst jemandem. Mir schon, ich bin die S-c-h-w-e-s-t-e-r. 

Wie gesagt, ich mache genau das, was Sie von mir wünschen. Streng genommen könnten Sie ja auch nur sagen, Sie seien die Schwester.

Wollen Sie sagen, ich lüge? Jetzt fühle mich nicht gut behandelt.

Ich habe einen Vorschlag. Wie wäre es, wenn Ihre Schwester mich selbst anruft? Wenn Sie meine Mandantin ist, was ich ja keinem sagen soll, dann kann sie das doch tun. Wäre das nicht die einfachste Lösung?

Ich wollte Sie doch nur bitten, meine Schwester zu schützen. Und jetzt fertigen Sie mich hier so ab?

Wie gesagt, auch Ihnen gegenüber gilt die Schweigepflicht, so lange ich nicht davon entbunden bin.

Meine Schwester entbindet Sie von der Schweigepflicht.

Kann sein, aber das würde ich dann gern selbst von ihr hören.

Also, wissen Sie was, das muss ich mir jetzt nicht bieten lassen. Mein Mann kennt einen Anwalt, ich glaube, zu dem werden wir mal gehen. Vielleicht ist der etwas zugänglicher, Sie scheint das Schicksal anderer Menschen ja nicht zu interessieren.

Ich glaube, wir haben das Thema jetzt abgehandelt.

Ja, Sie hören von mir. Oder von dem Anwalt. Auf Wiederhören.

Tschüss.

Die Farbe macht den Unterschied

Das Amtsgericht Hamm hat den Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschusses abgelehnt, weil der eingereichte Vordruck angeblich nicht die richtige Farbe hat.

Das offizielle Muster des Bundesjustizministeriums schreibt einheitlichen Text vor, ist an diversen Stellen aber auch farblich unterlegt – um dem Antragsteller das Ausfüllen zu erleichtern. Dabei kann das Muster am Bildschirm ausgefüllt werden. Es darf derzeit aber nur schriftlich bei Gericht eingereicht werden.

Das Amtsgericht Hamm bestand bei einem Antragsteller darauf, dass dieser ein Formular einreicht, bei dem der Text mit den richtigen Farben unterlegt ist. Dass damit faktisch nur Leute einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss beantragen können, die über einen Farbdrucker verfügen, störte das Gericht nicht.

Das Landgericht Dortmund gibt sich kundenfreundlicher. Die Richter können unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt erkennen, warum die Farbe des Formulars bei der Rechtsfindung helfen sollte. Der Gerichtsmitarbeiter, der das Papier bearbeite, müsse sich jedenfalls nicht an den Farben orientieren. Diese seien nämlich erkennbar eine Ausfüllhilfe, keine Lesehilfe.

Das Amtsgericht Hamm muss also auch Anträge in schwarz-weiß bearbeiten. Hoffentlich ist mittlerweile nicht zu viel Arbeit liegengeblieben…

Link zum Beschluss

Der Fahrgasts dort drüben

Ich wundere mich mitunter über die Dienstfertigkeit meiner Mitmenschen.

Im Bus oder der Straßenbahn wird der Fahrausweis schon gezückt, wenn es nur noch Kontrolleuren riecht. Wobei ich das zumindest für die Düsseldorfer Rheinbahn, mit der ich recht viel fahre, nur bedingt doppeldeutig meine. Für eine perfekte Tarnung muss man als engagierter Mitarbeiter halt auch persönliche Opfer bringen. Vielleicht treffe auch aber immer nur auf die merkwürdigen Gestalten, die es in jeder Belegschaft gibt.

Doch das ist nur Alltag. Heute morgen hatte ich dagegen ein Erlebnis, das mir noch nicht vergönnt war. Ich fuhr mit dem ICE. An meinem Sitzplatz fiel ich, der frühen Stunde geschuldet, sofort ins Schafkoma. Weshalb ich die laut gestellte Frage des Schaffners, ob denn in Düsseldorf noch jemand zugestiegen sei, schlicht nicht hörte. Oder jedenfalls keinen Anlass sah, nach meinem Ticket zu kramen. 

Den Schaffner nahm mich entweder nicht als neuen Fahrgast wahr. Oder er kennt seine Pappenheimer, die Müdigkeit nur vortäuschen. Er ließ mich jedenfalls in Ruhe und ging gleich zur nächsten Reihe im Waggon, wo eine Reisegruppe älterer Herrschaften schon aufgeregt mit ihren Fahrscheinen wedelte.

Von links ertönte die Stimme eines Mannes, der auf dem Einzelplatz schräg gegenüber saß. “Der Fahrgast dort drüben ist an der letzten Station zugestiegen”, meldete er. Mit einem Unterton, der deutlich machte, dass er hier und jetzt einen Schwarzfahrer zur Strecke bringen würde.

Der Zugbegleiter, offensichtlich ein netter Kerl, schaute ebenso entgeistert wie ich. Und die Reisegruppe war sehr interessiert, was denn nun passieren würde Der aufmerksame Mitmensch bekam jedenfalls nicht das, was er sich erhoffte. “Machen Sie sich keine Sorgen”, sagte der Schaffner. “Der Herr ist nicht zugestiegen, er hat vorher nur im Nebenabteil gesessen. Selbstverständlich habe ich mich dort bereits vergewissert, dass der Kunde über einen gültigen Fahrausweis verfügt.”

Damit war das Gespräch beendet. Notgedrungen, denn der Zugbegleiter schritt von dannen. Er hat mich auch für den Rest der laaangen Fahrt nicht nach meinem Fahrausweis gefragt. Der Blockwart stieg wenig aus. Aber nicht, bevor er sich noch mit der Servicekraft angelegt hatte, weil der Kaffee angeblich nur lauwarm war.

LM-AA …

Da werden erst die “Nostalgiekennzeichen” für Autos eingeführt, aber weiter reichen darf der Spaß dann doch nicht. Das Landratsamt im bayerischen Schwandorf übt sich jedenfalls in Politischer Korrektheit. Die Behörde lässt es ab sofort nicht mehr zu, dass Kfz-Haltern ein Autokennzeichen mit der Buchstabenkombination BUL-LE … zugeteilt wird.

Der Gedanke, dass sich bei dieser Kennzeichenkombination, deren erste drei Buchstaben für Burglengenfeld stehen, Polizeibeamte auf den Schlips getreten fühlen könnten, musste sich allerdings erst mal seinen Weg bahnen. Immerhin rund zehn Autofahrern wurde das Kennzeichen bereits genehmigt. So weit, das Kennzeichen wieder einzuziehen, möchten die Beamten jedoch nicht gehen.

Zumal auch gleich durchgesickert ist, dass mindestens ein Polizeibeamter unter den ersten war, die sich erfolgreich für BUL-LE registrieren ließen. Ein deutliches Zeichen dafür, dass man schon bierernst drauf sein muss, um dem Halter Vorsatz für eine Ehrverletzung zu unterstellen.

Andere Gemeinden sind da durchaus großzügiger. Thematisch im Nahbereich angesiedelt ist sicher “AC-AB …”. Diese Buchstabenfolge wird in Aachen wohl sogar standardmäßig rausgegeben, und von empörten Polizeibeamten ist bislang nichts bekannt.

Ach ja, dann erinnere ich mich auch, dass ich schon öfter mal über Autos mit dem Kennzeichen “S-EX …” geschmunzelt habe. Auch wenn man mit dem Nummernschild freilich auch niemanden beleidigen dürfte.

Aber selbst wenn es um mögliche Ehrverletzungen geht, sind nicht alle Kfz-Stellen von den Schwandorfer Skrupeln geplagt. Der Landkreis Limburg Weilburg vergibt etwa ohne Probleme das Wunschkennzeichen “LM-AA …”

Bericht in der Mittelbayerischen Zeitung

Bedrohlicher Kontext

Auch Journalisten benötigen in Gerichten eine Foto- oder Drehgenehmigung, wenn sie Aufnahmen machen wollen. Jedenfalls bei größeren Verfahren. Vor einem offensichtlichen Missbrauch schützt dies allerdings auch nicht, wie einige Kollegen von mir kürzlich erfahren mussten.

Als sie nach einer Verhandlungspause wieder in den Gerichtssaal kamen, “schoss” ein Fotojournalist sie frontal ab. Offenbar hatte er es auf Porträts abgesehen.Die Bilder sollen sich dann als eine Art Steckbrief in Online-Medien wiedergefunden haben, und zwar in einem relativ unfreundlichen, um nicht zu sagen bedrohlichen Kontext.

Da sich die Anwälte auch konkret belästigt fühlten und offensichtlich kein direkter Zusammenhang mit der Berichterstattung über das Verfahren selbst erkennbar war, widerrief das Gericht die Drehgenehmigung für den Reporter.

Der wehrte sich auf seine Weise. Via Facebook verkündete der Journalist nicht nur, er habe die Fotoerlaubnis verloren. Er wünschte auch gleich den betroffenen Rechtsanwälten und ihren Mandanten den Tod. Er selbst könne wahrscheinlich nicht an sich halten, wenn er dem einen oder anderen mal wieder begegne. Aber damit würde er der Gesellschaft und dem Steuerzahler ja nur einen Gefallen tun.

Solche Äußerungen muss man natürlich nicht unbedingt ernst nehmen. Allerdings frage ich mich, ob sich der Mann vielleicht gerade beruflich umorientiert. Zumindest sollte er daran denken. Ich würde mich jedenfalls dagegen wehren, wenn so einer im Gerichtsgebäude fotografieren darf.