Jacke wie Hose

Alltägliche Polizeiarbeit taugt immer für Erlebnisse der dritten Art. Schön zu erfahren, dass es nicht nur mir so geht, wenn ich öfter über Vorgehen unserer Ermittler den Kopf schütteln muss. Das Erlebnis, welches Dirk Olbertz in seinem Blog schildert, passt in dieses Bild.

Obertz betreibt seit urlanger Zeit die Plattform blogger.de. Nun erreichte ihn ein Schreiben der Polizeidirektion Ost. Ein Kriminaloberkommissar ermittelt wegen eines möglicherweise beleidigenden Online-Kommentars. Er wollte wissen, welche Daten Olbertz möglicherweise vom Absender des Kommentars gespeichert.

Kleines Problem: Der Kommentar fand sich laut Angaben der Polizei auf einer Blogseite, die unter www.namedesblogs.blogspot.com zu finden ist. Es bedarf keines besonderen Aufwandes, um festzustellen, dass “blogspot.com” nicht zum Internet-Imperium des Dirk Olbertz gehört, sondern zu Google (Blogger.com).

Wieso die Polizei nun Olbertz angeschrieben hat, ist unklar. Am naheliegendsten ist allerdings die Vermutung, dass für den Beamten Domains mit gleichem Namen, aber unterschiedlicher Endung Jacke wie Hose sind. Und das, obwohl Olbertz auf blogger.de sogar ausdrücklich noch mal drauf hinweist, dass blogger.de und blogger.com nichts miteinander zu tun haben.

Dass Daten zur “E-Mail-Adresse noreply-comment@blogspot.com” angefordert werden, erscheint natürlich auch wahnsinnig erfolgversprechend. Aber geschenkt. Erwähnenswert ist vielleicht noch, dass Olbertz anscheinend nur per Brief oder Fax antworten soll. Eine E-Mail-Adresse gibt der Beamte, der wegen Internetdelikten ermittelt, schon vorsichtshalber gar nicht an.

Das sind dann auch die Polizisten, welche nach dem neuen Recht online Bestandsdaten bei der Bundesnetzagentur abfragen dürfen. Also sensible Informationen wie Login-Daten, Passwörter und vieles andere mehr. Es bedarf keiner besonderen Fantasie, was solchen Recherchen schiefgehen wird.

Bericht im Blog von Dirk Olbertz

Gepflegte Antwort

In einer Filesharing-Sache hatten wir mit einem Anwaltsbüro die übliche Korrespondenz ausgetauscht. Wir machten klar, dass unser Mandant kein Geld überweisen wird. Auch nach der x-ten Aufforderung nicht.

Wie das heute so häufig vorkommt, kapitulierte die gegnerische Anwaltskanzlei schließlich. Allerdings meldete sich ein Inkassobüro, das so tat, als sei nichts gewesen. Ganz salopp wurden knapp 1.000 Euro gefordert.

Obwohl es ja nun weiß Gott nicht mehr nötig ist, nachdem die Forderung schon mal eindeutig zurückgewiesen wurde, schrieben wir auch dem Inkassobüro, unser Mandant werde nichts zahlen. Und empfahlen, sich doch mal an die früher tätigen Anwälte zu wenden, falls unsere Schreiben nicht vorliegen. Oder von uns auch direkt auch den Auftraggeber, eine große Plattenfirma.

Wir jedenfalls hätten nichts weiter zu sagen.

So antwortet das Inkassobüro:

… bitten wir um Übersendung der genannten Korrespondez in Kopie, damit wir die Angelegenheit ordnungsgemäß prüfen können.

Wieso sollen wir jetzt dem Laden auch noch helfen? Sollen die das doch unter sich ausmachen. Angesichts so einer Dreistigkeit, bin ich geneigt, doch noch eine Mail zu schicken. Nämlich einen gepflegten Stinkefinger.

Irgendwo muss ich die Vorlage noch haben.

Wohin mit den Geheimdiensten?

Heute abend nehme ich im taz Caf´e an einer kleinen Diskussionsrunde teil. Es geht darum, ob wir die Geheimdienste regulieren müssen – und wie dies gelingen kann. Dabei sind auch Daniel Domscheidt-Berg und Rechtsanwalt Markus Kompa, der ebenso wie ich für die Piratenpartei auf der Landesliste NRW für den Bundestag kandidiert.

Die Moderation übernimmt Mathias Bröckers von der taz. Das taz Caf´e ist an der Rudi-Dutschke-Straße 24 in Berlin. Der Eintritt ist frei.

Bewegung an der Abmahnfront

Erfreuliche Nachrichten für Abmahngeschädigte. Auch am Amtsgericht München, das bislang praktisch auch jede noch so überzogene Forderung aus dem Filesharing-Bereich durchwinkte, scheint eine Trendwende möglich.

Das Gericht weist einen Pornoverleger darauf hin, bei seiner Klage komme ein deutlich niedrigerer Streitwert in Betracht. Die Anwälte des Klägers haben 651 Euro Anwaltskosten gefordert. Ausdrücklich nimmt das Amtsgericht München Bezug auf einen aktuellen Beschluss des Amtsgerichts Hamburg, der Bewegung in die Sache zubringen scheint.  

Die Hamburger wenden schon jetzt im Ergebnis das neue Anti-Abzockgesetz an, das demnächst in Kraft tritt. Danach sind die Abmahnkosten auf 150 Euro gedeckelt, es sei denn, die Obergrenze erweist sich als “unbillig”.

Es war ja erwartet worden, dass diese Regelung wie schon bei gescheiterten Vorgängergesetz dazu genutzt wird, doch wieder höhere Anwaltsgebühren durchzudrücken. Denn natürlich ist jeder Fall aus Sicht des Abmahners besonders schwerwiegend oder kompliziert. Schon diese Argumentation könnte die 150-Euro-Hürde ins Wanken bringen.

Umso erfreulicher, dass auch das Amtsgericht München jedenfalls Notiz von der anstehenden Gesetzesänderung nimmt. Das wird den Massenabmahnern nicht gefallen.

Einfach an ein genehmes Gericht “ausweichen” können sie demnächst ohnehin hin nicht mehr. Für Filesharing-Klagen wird mit der Gesetzesänderung nämlich auch der fliegende Gerichtsstand abgeschafft. Zuständig ist vielmehr im Normalfall zukünftig das Gericht am Wohnsitz des Beklagten.

Rote Ampeln: Schleichwege sind erlaubt

Dieses Urteil hat das Zeug, bundesweit Ressourcen bei der Verkehrspolizei freizusetzen. Wer eine rote Ampel umfährt, zum Beispiel über das Gelände einer Tankstelle, begeht keinen Rotlichtverstoß. So hat es das Oberlandesgericht Hamm entschieden. Bisher war es bei vielen Dienststellen durchaus üblich, Autofahrer zur Kasse zu bitten, die eine rote Ampel über einen “Schleichweg” umfahren.

So ging es auch einem 52-jährigen Zahnarzt aus Dortmund. Er bog vor einer roten Ampel auf die links gelegene Tankstelle ab und fädelte sich an der anderen Ausfahrt der Tankstelle wieder in den Verkehr ein.

Die Richter betonen, eine rote Ampel gelte nur den, der sie auch tatsächlich vor sich habe. Das Rotlicht solle aber nicht verhindern, dass jemand vor der Ampel abbiegt und einen zugelassenen Verkehrsweg nutzt. Deshalb liege auch kein indirekter Rotlichtverstoß vor. Das gelte selbst dann, wenn die Ausfahrt der Tankstelle direkt hinter der roten Ampel liege und noch zum “geschützten Bereich” gehöre.

Allerdings weist das Gericht darauf hin, dass es etwas anderes ist, wenn ein Autofahrer die rote Ampel über Gehwege, Randstreifen, Parkstreifen, Radwege oder Busspuren umgeht.

Beschluss vom 2. Juli 2013, Aktenzeichen 1 RBs 98/13.

Wann ist ein Fax ein Fax?

Absurdistan liegt mitunter gleich um die Ecke. Also etwa in Kassel. Dort schaut jetzt ein Bürger, der Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid einlegen wollte, in die Röhre. Obwohl er alles richtig gemacht hat, ist sein Rechtsmittel zunächst unwirksam – meint jedenfalls ein Amtsrichter.

Der Betroffene wehrte sich per Fax gegen den Bußgeldbescheid. Er schickte seinen Einspruch an die Rufnummer, welche die Bußgeldstelle im Regierungspräsidium angibt. Er wählte damit den hochoffiziellen Weg. Und das sogar erfolgreich. Das Fax ist in der elektronischen Bußgeldakte ordnungsgemäß abgespeichert worden, darüber gibt es auch gar keinen Streit.

Leider erkennt das Amtsgericht Hünfeld ein unlösbares juristisches Problem, und zwar soll dieses in der “modernen” Technik liegen. Die Bußgeldstelle arbeitet nämlich mit Computerfaxen. Das Fax geht bei einer hessischen Behördenzentrale ein, dort wird es als Tiff-Datei abgespeichert und als Anhang einer E-Mail an die Bußgeldstelle geschickt. Diese speichert das Fax dann gleich in der elektronischen Akte ab.

Das reicht allerdings nicht, befindet der Richter. Er meint nämlich aus den gesetzlichen Vorschriften lesen zu können, dass ein Fax nur dann ein Fax ist, wenn es vom Absender nicht nur gefaxt, sondern beim Empfänger auch ausgedruckt wird. Und zwar auf gutem, alten Papier.

Ohne Ausdruck sei das Fax juristisch schlicht nicht geeignet, die vorgeschriebene Form zu wahren. Die Begründung ist kompliziert, läuft aber im Kern auf folgendes hinaus: Der Gesetzgeber hat es bis heute einfach nicht geschafft, die Vorschriften so zu ändern, dass Faxe nicht mehr ausgedruckt werden müssen. 

Dass dies misslich ist, sieht der Richter selbst:

Das Gericht verkennt nicht, dass die gegenwärtige Rechtslage dazu führt, dass die Verwaltungsbehörde gezwungen ist, jede eingehende Telefaxsendung auf Papier auszudrucken und das ausgedruckte Schriftstück sogleich wieder einzuscannen, um es zur Ersetzung der Urschrift in ein elektronisches Dokument zu übertragen, während die ausgedruckte Urschrift auf einem Ablagestapel landet.

Der eigentlich Dumme ist allerdings der Bürger. Er kann ja nicht wissen, wie die Bußgeldstelle in Kassel – und andere sicher auch – ihre Faxe verarbeiten. Immerhin meint das Gericht, dass der Betroffene Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragen darf.

Aber natürlich möglichst nicht per Fax…

Im Wimmelkästchen

Oft muss es ja schnell gehen. Deshalb hatte ich mich in einer neuen Strafsache erst mal beim Amtsgericht gemeldet. Das Gericht hatte auf Antrag der Staatsanwaltschaft einen Durchsuchungsbeschluss gegen meine Mandantin erlassen. Mit dem Brief wollte ich mitteilen, dass ich die Mandantin vertrete und um Akteneinsicht bitte.

Mir war schon klar, dass das Amtsgericht im Ermittlungsverfahren nicht selbst Akteneinsicht gewährt. Aber leider war es mir nicht möglich, vom Amtsgericht oder von der Polizei das Aktenzeichen der Staatsanwaltschaft zu erfahren. Bei beiden Behörden ging niemand ans Telefon. Am Amtsgericht ebenso wenig.

Eine Nachfrage wäre natürlich unnötig gewesen, hätte das Amtsgericht auf seinem Beschluss nicht nur das eigene Aktenzeichen notiert. Sondern auch das der Staatsanwaltschaft. Das ist sinnvoll, weil es sich ja um ein einheitliches Ermittlungsverfahren handelt. So handhaben es auch die meisten Gerichte.

Im letzten Absatz hatte ich folgendes notiert:

Ich bitte um Weiterleitung dieses Schreibens an die zuständige Staatsanwaltschaft.

Auf die Akteneinsicht wartete ich allerdings vergebens. Das Amtsgericht hat mein Schreiben nämlich nicht an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet. Sondern es lag noch auf dem Tisch des zuständigen Mitarbeiters, wahrscheinlich irgendwo im Wimmelkästchen.

Als ich höflich nach dem Grund fragte, verschlug es mir dann doch etwas die Sprache. “Wir sind nicht die Poststelle der Staatsanwaltschaft”, erfuhr ich. Deshalb fühle man sich nicht zuständig und unternehme – schlicht gar nichts. 

Davon, dass alle Eingänge in der Justiz immer an die Stelle weitergeleitet werden müssen, wo sich die Originalakte befindet, damit sie dort eingeheftet werden können, wollte der gute Mann partout noch nichts gehört haben. Ebenso wenig interessierte er sich dafür, dass ich in der Sache jetzt natürlich Zeit verloren hatte.

Na ja, eine Debatte schien mir sinnlos. Immerhin war der Herr nun gönnerhaft bereit, mir das Aktenzeichen der Staatsanwaltschaft zu geben. Dann lasse ich das Schreiben halt noch mal ausdrucken. Auf eine Beschwerde habe ich, ehrlich gesagt, keine Lust. Das Amtsgericht ist klein und liegt weit weg.

Sollen sich die Kollegen vor Ort drum kümmern oder, wie es aussieht, so was eben mit sich machen lassen. So schnell komme ich da wohl voraussichtlich nicht mehr hin, denn mein Verfahren wird ohnehin eingestellt. So viel hat mir der Staatsanwalt, den ich jetzt ja anrufen konnte, nämlich schon in Aussicht gestellt.

Super Stoff

Auf dem Papier sah es für meinen Mandanten nicht sonderlich gut aus. Er hatte bei einem neuen “Lieferanten” Koks bestellt. Für exakt 1.000 Euro, weil man als Großkunde halt das eine oder andere Gramm mehr bekommt. An die richtige Adresse war der Mandant aber nicht geraten – zwei Tage später kriegte er Hausbesuch von der Polizei.

Zu einem Haftbefehl kam es glücklicherweise nicht. Der Mandant lebt in, wie man das so nennt, geordneten Verhältnisse. Er stand auch nicht im Verdacht, mit dem Zeug zu handeln. Auf der anderen Seite sind die bei ihm beschlagnahmten 9,1 Gramm netto (also der reine Wirkstoff) aber keineswegs ein Pappenstiel.

Die “nicht geringe Menge” fängt bei 5 Gramm Wirkstoff an, ab da reden wir zum Einstieg schon gleich über ein Verbrechen. Mindeststrafe: 1 Jahr. Es gibt auch Richter, die bei solchen Mengen durchaus überlegen, ob sie überhaupt noch zu einer Bewährungsstrafe kommen. Zu allem Überfluss hat mein Mandant auch noch einen Beruf, wegen dem er einer Kammer angehört. Die Kammern orientieren sich durchaus gern mal am Beamtenrecht. Ein Beamter, der wegen eines Verbrechens verurteilt wird, verliert seinen Job.

Das waren keine sonderlich guten Voraussetzungen für den unvermeidlichen Strafprozess. In solchen Fällen gibt es eigentlich nur eine Möglichkeit: das Gericht zu überzeugen, dass ein minder schwerer Fall vorliegt. Das verschiebt den Strafrahmen nach unten, so dass auch weniger als ein Jahr Freiheitsstrafe rauskommen kann.

Ich sammelte natürlich alle Dinge, die für meinen Mandanten sprechen. Da kam einiges zusammen, aber zwingende Gründe für einen minder schweren Fall gab es nicht. Allerdings gab es noch einen Umstand, den zumindest der Staatsanwalt vor der Verhandlung nicht gesehen hatte.

Es ging um den Stoff, den mein Mandant gekauft hatte. Wenn man das Wirkstoffgutachten aufmerksam las, fiel eines auf. Jemand hatte meinem Mandanten extrem reines Zeug angedreht. Laut Gutachten machte der Wirkstoff 89 Prozent der Gesamtmenge aus. Normalerweise gelten schon 30 bis 40 Prozent als Handelsklasse A.

Der Staatsanwalt erwähnte in seinem Plädoyer diesen Umstand mit keinem Wort. Ich dagegen schon. Die Argumentation war folgende: Mein Mandant hat Ware von einer Qualität erhalten, mit der er ernsthaft nicht rechnen konnte. Guten Gewissens konnte ich darauf verweisen, dass mir trotz der drei, vier Drogenmandate seit Beginn meiner Antwaltstätigkeit noch kein Kokain-Fall untergekommen ist, bei dem die Wirkstoffkonzentration nennenswert über 40 Prozent lag.

Auf diese Weise konnte ich knapp 50 Prozent der Menge aus dem Vorsatz rausrechnen. Zwar nicht im technischen Sinne, aber halt im Rahmen des bereits erwähnten “minder schweren Falles”. Immerhin hätte mein Mandant die nicht geringe Menge nicht überschritten, wenn er das bekommen hätte, was als guter Stoff gilt.

Zu meiner großen Freude griff die Richterin das Argument auf, die Schöffen hatten schon bei meinen Plädoyer zustimmend genickt. So lagen war am Ende bei einer Freiheitsstrafe von gerade mal neun Monaten auf Bewährung. Damit dürften insbesondere die berufsrechtlichen Komplikationen gebannt sein.

Für meinen Mandanten war das natürlich eine große Erleichterung. Er hatte nun anderthalb Jahre gebangt, auch um die Zukinft seiner zwei Kinder. Mit den Drogen hat er schon direkt nach der Hausdurchsuchung Schluss gemacht. Auch das konnte er natürlich mit Attesten belegen.

Ein Zauderer

Gegen ein Strafurteil des Amtsgerichts habe ich für meine Mandantin Berufung eingelegt. Das ist ganz normales Alltagsgeschäft, denn mit einer Berufung brennt erst mal nichts an. Zurücknehmen lässt sich das Rechtsmittel immer noch, sogar im späteren Verhandlungstermin.

In dem Fall habe aber nicht nur ich, sondern auch der Staatsanwalt Berufung eingelegt. Das ist natürlich sein gutes Recht. Etwas komplizierter wurde es dadurch, dass ich eigentlich keinen Wert darauf lege, dass die gesamte Verhandlung – wie vorgeschrieben – noch mal wiederholt wird.

Meine Mandantin hatte nämlich gestanden. Jetzt ging es nur noch darum, die Strafe in der nächsten Instanz noch etwas zu reduzieren. Zum Beispiel mit der Begründung, dass zwischen dem ersten Urteil und der neuerlichen Verhandlung ja wieder etliche Monate lagen, in denen sich meine Mandantin tadellos geführt hat.

In so einem Fall lässt sich die Berufung auf das Strafmaß beschränken. Dann wird nur noch über die Höhe der Strafe verhandelt. Allerdings beschränke ich die Berufung natürlich nur dann, wenn auch der Staatsanwalt mitzieht. Ich rief ihn also an und fragte, ob er ähnliche Gedanken hegt wie ich (allerdings natürlich in umgekehrter Richtung, nämlich mit dem Ziel einer härteren Strafe).

Genau so war es. Ich bot also an, dass wir übereinstimmende Erklärungen ans Gericht senden. Doch der Staatsanwalt beharrte auf Vorleistung. Er wollte partout, dass ich als erster die Berufung beschränke. Sein Schreiben wollte er erst absenden, wenn er eine Bestätigung vom Gericht erhalten hat, dass meine Erklärung vorliegt.

Ich fragte ihn natürlich, ob er Misstrauen gegen mich hegt. Normalerweise wird in der Justiz zwar durchaus mit harten Bandagen gekämpft, aber dreiste Verarsche gehört nicht dazu. Er wollte aber nicht so recht mit der Sprache raus. Da ich den Mann aber bislang nicht kannte und ihn dementsprechend nicht einschätzen konnte,  musste ich mir meine Gedanken machen. 

Jetzt einfach so in Vorleistung zu treten, war mir jedenfalls zu riskant. Ich rief also die Richterin an und erzählte ihr, woran die Beschränkung derzeit scheiterte. Erwartungsgemäß war die Richterin natürlich daran interessiert, die Sache überschaubar zu halten. Deshalb musste ich sie auch nicht lange überzeugen, dass sie für einfach mal die Zeugin spielt.

Sie telefonierte also ebenfalls mit dem Staatsanwalt und ließ sich bestätigen, dass er die Berufung zurücknimmt, sobald ich das getan habe. So hatte ich wenigstens einen “Beleg”, falls der Staatsanwalt tatsächlich tricksen wollte.

Das hat er aber nicht getan. Seine Berufungsbeschränkung ging postwendend ein. Ich habe danach noch mal einen Anwaltskollegen angerufen, den ich in der Region kenne. Er konnte mich beruhigen. “Der Staatsanwalt ist ein Zauderer vor dem Herrn”, erzählte er. “Mit dir hat das garantiert nichts zu tun.” Ich werde es mir trotzdem merken – vielleicht lässt sich dieses Wissen ja in der Verhandlung nutzen.

Die 3-Sekunden-Regel

Wer im Straßenverkehr zu wenig Abstand hält, muss sich auf ein Bußgeld einrichten. In krassen Fällen droht sogar ein Fahrverbot. Allerdings ist der Fahrer ja nicht immer  schuld, dass der Abstand zum Vordermann zu niedrig ausfällt. Das Oberlandesgericht Hamm stellt jetzt Regeln auf, ab wann ein Abstandsverstoß geahndet werden kann.

Die Faustregeln sind ziemlich einfach: Wer länger als drei Sekunden zulässt, dass der Abstand zum Vordermann geringer ist als erlaubt, der muss zahlen. Dabei spielt es nach Auffassung der Richter auch keine Rolle, ob ein Fahrzeug eingeschert ist oder der Wagen vorne gebremst hat.

Autofahrern bleibt also nicht sonderlich viel Zeit, den Abstand wieder herzustellen. Noch kritischer wird es für Pkw-Lenker, welche die Richtgeschwindigkeit von 130 Stundenkilometern überschreiten. Um schneller Autofahrer nicht zu bevorzugen, reicht es laut den Richtern auch aus, wenn der Abstand auf einer Wegstrecke von 140 Metern nicht eingehalten wird (Beschluss vom 9. Juli 2013, Aktenzeichen 1 RBs 78/13).

Volksverhetzung, aber ja

Gestern hat ja mal die Polizei auf Schalke randaliert, und jetzt wirft ihr brutaler Einsatz Fragen auf. Zum Beispiel, wieso die Polizei ausgerechnet massiv mit Pfefferspray gegen jene Fans vorgeht, die gar nichts gemacht haben. Und wieso sie nichts gegen die andere – griechische – Fangruppe unternimmt, obwohl diese laut Polizei gedroht haben soll, den Block der “Gegner” zu stürmen.

Als einzige Erklärung hat die Gelsenkirchener Polizei bislang verlauten lassen, die griechischen Fans hätten sich durch eine einzige (!) Fahne provoziert gefühlt, die im Block der Schalker Ultras gezeigt worden sein soll. Dabei handelt es sich um eine inoffizielle Flagge Mazedoniens, die von Griechenland nie anerkannt worden ist. Seit dem Streit mit den Griechen um den “Stern von Verginia”  nutzt Mazedonien ein anderes offizielles Staatssymbol.

Ich könnte jetzt noch viel über die griechisch-mazedonische Rivalität (aus der Wikipedia ab)schreiben. Der Konflikt hat seine Ursprünge natürlich längst nicht nur in einer Fahne. Aber im aktuellen Fall führt das zu herzlich wenig. Vielmehr reicht es, die Gelsenkirchener Polizei an ihren eigenen Worten zu messen. Das Zeigen der Flagge, so ließ sie verlauten, habe nämlich zum Anfangsverdacht der Volksverhetzung geführt. Um dies aufzuklären und die erbosten griechischen Fans zu stoppen, sei der Zugriff im Lager der Schalker Ultras nötig gewesen.

Volksverhetzung, ach so. Darauf kann man eigentlich nur kommen, wenn man noch nie einen Blick in den betreffenden Paragrafen geworfen hat. (Die Pressesprecherin der Polizei hatte das offensichtlich noch nicht mal getan, als sie schon den Einsatz rechtfertigte.) Wie eine Flagge Volksverhetzung sein soll, ist schlichtweg nicht nachvollziehbar.

Volksverhetzung setzt – verkürzt – voraus, dass gegen eine bestimmte Personengruppe zu Hass und Gewalt aufgerufen oder die Menschenwürde angegriffen wird. Das passt vorne und hinten nicht. Überdies müsste die Aktion auch noch geeignet sein, den öffentlichen Frieden in Deutschland zu stören. Wie das mit einer einzigen Fahne klappen soll, die praktisch 100 % der Menschen im Stadion und außerhalb rein gar nichts sagt, bleibt das Geheimnis der Polizei.

Der aus dem Hut gezauberte Volksverhetzungsparagraf ist nicht mehr als der hilflose Versuch, einen Übergriff zu legitimieren, für den man sich durchaus einfach mal entschuldigen könnte. Vielleicht verbunden mit der Zusage, künftig etwas genauer zu überlegen, welche Maßnahmen erforderlich sind.

Die fehlende Verhältnismäßigkeit des Polizeieinsatzes wäre nämlich auch ein Thema. Aber womöglich sind die Stadien in NRW längst so was wie eine Zone, in der die normalen Gesetze nicht mehr so richtig gelten.

Vorbildlich

Immer noch ungeklärt ist, wie das “Privatvideo” eines Polizeibeamten auf Youtube gelandet ist. Der Saarbrücker Polizist hatte vom Beifahrersitz aus den Transport eines Gefangenen gefilmt, der unter Drogen zu stehen scheint.

Fest steht: Der Polizeibeamte hat das Video mit seinem privaten Handy aufgenommen. Allerdings bestreitet er nach Informationen der Saarbrücker Zeitung vehement, das Video auf Youtube hochgeladen zu haben. Seit drei Monaten bemüht sich die Staatsanwaltschaft nun, den Weg des Videos zu verfolgen. Die Aufnahme selbst ist immerhin schon drei Jahre alt. Im Juni tauchte sie erstmals auf Youtube auf und macht seitdem unter dem Titel “Da kotzt er” die Runde.

Es ist erfreulich, wie ernst die Staatsanwaltschaft Saarbrücken in diesem Fall die Unschuldsvermutung nimmt. Bei anderen Gelegenheiten kommt es nämlich leider oft genug vor, dass Strafverfolger in solchen Konstellationen viel zu kurz denken. Dass jemand ein Video gemacht oder es zumindest auf seiner Hardware gespeichert hat, wird dann vorschnell als ziemlich gewichtiges Indiz gewertet, dass er auch was mit der Verbreitung des Streifens zu tun hat. 

Oft artet das auch in eine regelrechte Umkehr der Beweislast aus, nach dem Motto: “Das kann jeder sagen. Dann erklären Sie uns doch mal, dass Sie die Aufnahme nicht verbreitet haben.” Selbst vor Gericht ist diese Situation häufig anzutreffen. Wenn etwas der Lebenserfahrung widerspricht oder zu widersprechen scheint, muss “Butter bei die Fische” gegeben werden. Etwa in der Form, dass der Beschuldigte doch mal sagen soll, an wen er den Film weitergeleitet hat. Oder wer sonst so mit seinem Handy spielen darf.

Insgesamt ist es schön, mal in der Praxis zu sehen, dass die Strafprozessordnung wider allen Unkenrufen doch noch sehr ernst genommen wird.

Bericht in der Saarbrücker Zeitung

Wesentlich einfacher

Vor kurzem versuchte ein Polizeibeamter, meinen Mandanten auf die Wache zu zitieren. Er wollte meinen Mandanten als Zeugen vernehmen.

Das möchte mein Mandant aber nicht. Er muss auch nicht als Zeuge bei der Polizei aussagen. Das muss niemand. Hierfür muss man sich auch nicht rechtfertigen.

Doch der Beamte blieb beharrlich. Er wollte dann mit meinem Mandanten persönlich über dessen “Mitwirkungspflichten” sprechen. Vermutlich in der Hoffnung, dass mein Mandant sich an Ort und Stelle dann doch erweichen lässt. 

Tat er aber nicht. Stattdessen bat er mich, dafür zu sorgen, dass sein Wunsch mal zur Kenntnis genommen wird. Ich sagte nochmals, dass mein Mandant bei der Polizei keine Aussage machen will. Und fragte, auf welche Mitwirkungspflichten der Beamte sich denn bezieht. Das war freundlich gemeint, vielleicht sind mir diese Pflichten ja in meinen 18 Jahren als Strafverteidiger schlicht entgangen.

Wie auch immer, nun kam ein Schreiben der Amtsanwaltschaft. Diese teilte meinem Mandanten mit, er solle als Zeuge vernommen werden – bei der Polizei. Deshalb, so die zuständige Mitarbeiterin, habe sie die Akte der Polizeidienststelle zurückgeschickt.

Von dort werde mein Mandant “nochmals eine Vorladung” erhalten. Ich frage mich, rede ich gegen eine Wand? Daran ändert letztlich auch der beiläufige Hinweis der Amtsanwältin nichts, dass mein Mandant möglicherweise vor ihr erscheinen muss, wenn er bei der Polizei nichts sagt.

Mir und meinem Mandanten ist das durchaus bekannt. Wieso aber die Pflicht, als Zeuge bei der Staatsanwalt zu erscheinen, jetzt auf wundersame Weise dazu führen soll, dass mein Mandant doch mit der Polizei spricht, ergibt sich aus dem Brief nicht.

Aber halt, ein kleiner Hinweis ist enthalten. Es sei doch im Ergebnis “wesentlich einfacher”, wenn mein Mandant bei der Polizei erscheint. Fragt sich nur für wen – ich habe da allerdings jemanden im Auge.

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