Bei Hotmail fragen wir erst gar nicht

Unser Mandant hatte was teures bestellt, die Lieferung kam aber nicht bei ihm an. Weil sie nie abgeschickt wurde. So richtige Anknüpfungspunkte gab es für die Ermittler bei der örtlichen Polizei leider nicht; der Täter hat wohl fingierte Adressdaten verwendet.

Mit einer Ausnahme. Mein Mandant hatte von dem Verkäufer mal eine Antwort auf eine Rückfrage erhalten, die von einer anderen E-Mail-Adresse kam als sonst. Das haben wir der Polizei natürlich auch mitgeteilt. Mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass die verwendete Hotmail-Adresse nur einmal auftaucht.

Möglicherweise hat der Betrüger sie nur versehentlich verwendet, weil er sich auf seinem Smartphone im Account irrte. Nach einigen Monaten kriege ich von der Staatsanwaltschaft nun die Ermittlungsakte und lese folgenden Vermerk des zuständigen Kommissars:

Auf eine Anfrage bei Microsoft hinsichtlich der angegebenen E-Mail-Adresse wurde verzichtet, da bei Hotmail die angegebenen Personaldaten nicht geprüft werden.

Dumm nur, dass die betreffende E-Mail-Adresse doch authentisch war. Sogar seine korrekte Postadresse hatte der Verdächtige hinterlegt. Das ergibt sich aus anderen Unterlagen, die später aufgetaucht sind. Microsoft verfügte also zu einem frühen Zeitpunkt über echte Stammdaten des Verdächtigen und hätte sie mitteilen können – wenn die Polizei gefragt hätte.

Und das alles auch noch zu einem Zeitpunkt, als der Mann mit einiger Sicherheit noch an der Adresse wohnte. Mittlerweile ist das aber wohl Schnee von gestern. Der Beschuldigte soll seinen Versandhandel nun von Thailand aus betreiben; jedenfalls ist er vor geraumer Zeit dorthin ausgereist.

Denkzettel darf nicht auf sich warten lassen

Die meisten Gerichte sind bekanntlich überlastet. Für Angeklagte ist das nicht unbedingt eine schlechte Nachricht. So können Verkehrssünder durchaus auch mal um ein Fahrverbot herumkommen, wenn die Justiz nicht schnell genug arbeitet. Das zeigt ein aktueller Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm.

Das Amtsgericht hatte einen Autofahrer am 3. Juli 2012 wegen Nötigung verurteilt. Es ordnete neben der Geldstrafe auch ein einmonatiges Fahrverbot an. Die genaue Tatzeit lässt sich dem Beschluss nicht entnehmen. Aber als abschließend über die Revision entschieden wurde, lag der Vorfall schon rund zwei Jahre zurück.

Der Angeklagte ließ zunächst das Urteil des Amtsgerichts nicht auf sich sitzen. Er ging in Berufung zum Landgericht. Über die Berufung entschied das Landgericht knapp acht Monate später. Die Richter bestätigten die Verurteilung, und der Angeklagte legte Revision ein. Hierüber befand das Oberlandesgericht Hamm dann Ende Juli 2013, also nach weiteren fünf Monaten.

Grundsätzlich kriegte der Betroffene kein Recht, aber um das Fahrverbot kam er herum. Seit seiner Tat waren nämlich nunmehr rund zwei Jahre vergangen. Zu lange, um noch ein Fahrverbot zu verhängen. Den Grund fasst das Oberlandesgericht so zusammen:

Ein Fahrverbot kann seine Funktion als sogenannter Denkzettel für nachlässige und leichtsinnige Kraftfahrer nur dann erfüllen, wenn es sich in einem angemessenen zeitlichen Abstand zur Tat auf den Täter auswirkt.

Das ist nach Auffassung der Richter jedenfalls nach zwei Jahren nicht mehr der Fall. Es kann sich für einen Betroffenen also “lohnen”, wenn er von seinen Rechten aktiv Gebrauch macht und die Sache ihren langsamen, geordneten Gang nimmt – bis die Zwei-Jahres-Grenze gerissen ist.

Link zum Beschluss

Telekom darf IP-Adressen weiter 7 Tage speichern

Die Telekom darf die IP-Adressen ihrer Flatratekunden auch zukünftig bis zu sieben Tage speichern. Das sei aus technischen Gründen zulässig, urteilt das Oberlandesgericht Frankfurt in einem aktuellen Urteil.

Der betreffende Rechtsstreit dauert schon  mehr als sechs Jahre. Ein Telekomkunde hatte dagegen geklagt, dass seine Verbindungsdaten überhaupt gespeichert werden. Er hielt dies für unzulässig, weil die Informationen für den Anbieter nicht erforderlich seien. Insbesondere nicht zur Abrechnung.

Der Bundesgerichtshof hatte in dem Verfahren vor rund zwei Jahren entschieden, dass die Telekom und andere Anbieter grundsätzlich ein Speicherrecht haben, sofern sie die Verbindungsdaten zur Beseitigung von Störungen, zum Aufspüren von Schadsoftware und anderer Attacken auf ihr Netz benötigen.

Vor dem Oberlandesgericht Frankfurt ging es nun noch darum, ob die Speicherung von IP-Adressen tatsächlich bei der Fehlersuche und –bekämpfung hilft. Das bejaht das Gericht nach Anhörung von Sachverständigen im Ergebnis. Das Recht des Kunden auf informationelle Selbstbestimmung müsse in diesem Fall zurücktreten.

Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt

Fahrscheinkontrolleure mit Fahndungslisten

Fahrscheinkontrolleure sind nah an den Menschen dran. Das dachte sich wohl ein Rostocker Kriminalbeamter. Er soll die örtlichen Verkehrsbetriebe mit Namenslisten von Personen versorgt haben, gegen die ein Haftbefehl vorliegt.

Die Kontrolleure hatten die Liste auf ihren Lesegeräten. So konnten sie die Polizei rufen, wenn ihnen einer der Namen auffiel. Klingt auf den ersten Blick praktisch, ist aber mit den Datenschutzvorschriften nicht einmal ansatzweise vereinbar. Gegen den Beamten, es soll sich um eine Führungsfigur handeln, wurden Disziplinarmaßnahmen eingeleitet.

Die Frage ist allerdings auch, wieso und auf welchem Weg die Rostocker Straßenbahn AG ihren Mitarbeitern die Daten zur Verfügung stellte. Auch hier muss ja wohl jemand die Weitergabe ans Personal angeordnet oder zumindest geduldet haben.

Vom Landesdatenschutzbeauftragten für Mecklenburg-Vorpommern ist wohl eher wenig zu erwarten. Er konstatiert zwar einen Gesetzesverstoß, will die Sache aber nicht zu hoch hängen. Man habe sich eben die Arbeit “erleichtern” wollen.

Bericht des NDR

Danke, Apple

Gestern gab Apple bekannt, das neue iPhone lasse sich künftig auch per Fingerabdruck entsperren. Ich finde, das ist eine gute Nachricht zur richtigen Zeit. Jedenfalls dann, wenn man wie ich die Themen Totalüberwachung durch Sicherheitsdienste und  Datenschutz derzeit für vernachlässigt hält.

Ausgerechnet das iPhone 5S wird Bewegung in die Debatte bringen. Denn Apples Argumentation, man lasse niemals auch nur irgendjemanden an die lokal gespeicherten Fingerabdruckdaten ran, ist offensichtlich viel zu simpel gestrickt – und ebenso offensichtlich unglaubwürdig.

Apple gehört wie Google und Facebook zu den “Big Data” mit dem Heimatland USA. Seit Wochen erfahren wir durch die Enthüllungen von Edward Snowden, wie gerade die amerikanische NSA sich ziemlich ungeniert aus den riesigen Datenpools der Unternehmen bedienen kann.

Firmen wie Apple dürfen darüber nicht sprechen. Selbst Verfahren, mit denen sie sich juristisch gegen die NSA-Zugriffe wehren, sind in den USA geheim. Ob die so erzwungene Kooperation nun widerwillig oder womöglich gut dotiert ist, spielt aber letztlich keine Rolle.

Unwidersprochener Fakt ist bislang, dass die NSA so ziemlich an alle Daten herankommt, die sie haben will. Warum sollten lokal gespeicherte Fingerabdrücke hiervon ausgenommen sein? Selbst ein hoch und heiliges Versprechen Apples, die Daten nicht auf eigene Server zu kopieren, steht und fällt mit der Bereitschaft der NSA und anderer Geheimdienste, sich ebenfalls daran zu halten.

Selbstverständlich besteht diese Bereitschaft nicht, und deshalb wir es Zugriffe auf die Fingerabdrücke geben. Übrigens auch bei uns. Dazu müssen noch nicht mal die Schlapphüte ran.

Jeden Tag beschlagnahmen deutsche Kriminalbeamte hunderte, wenn nicht tausende Mobiltelefone. Sogar ohne richterlichen Beschluss dürfen sie in vielen Fällen die gesamten Geräteinhalte unter die Lupe nehmen. Für Fingerabdrücke gibt es keine Ausnahme.

Wer so ein mögliches Beweismittel selbst aus der Hand gibt, um sein Handy bequemer aktivieren zu können, kann sich später nicht auf Verwertungsverbote berufen. Die Fingerabdrücke sind noch nicht mal Kommunikationsdaten im engeren Sinn, für welche die kargen Reste des Telekommunikationsgeheimnisses gelten.

Auch so wird die Polizei das Fingerabdruck-Ident toll finden. Das Passwort zu meinem Handy muss ich nach geltender Rechtslage als Beschuldigter (und erst recht als Zeuge) nicht nennen. Dafür gibt es das Schweigerecht.

Parallel dazu gilt auch das Prinzip, dass niemand aktiv an Ermittlungen mitwirken muss. Ich kann mich weigern, auf einer geraden Linie zu gehen. Eine Schriftprobe abzugeben. Oder mit einem Arzt zu sprechen. Ebenso wenig muss ich in ein Alkoholmessgerät pusten oder auf einen Teststreifen pinkeln.

Aber ich bin zum Beispiel verpflichtet, mir eine Blutprobe abnehmen zu lassen. Mit den Fingerabdrücken ist es nicht anders. Auch hierfür bedarf es meiner aktiven Mitwirkung nicht. Unabhängig von juristischen Einzelheiten ist es für die Polizei also einfacher, an Ort und Stelle Zugriff auf ein iPhone zu nehmen, wenn sie hierfür nur schnell den Fingerabdruck des Besitzers braucht.

Die Folge ist also kein Mehr, sondern ein weniger an Freiheit für den einzelnen. Gleiches gilt natürlich auch für Dritte, die vielleicht sogar noch weniger Skrupel bei der Beschaffung des Abdrucks haben. Es ist auf jeden Fall viel leichter, jemanden einen Fingerabdruck abzunötigen, als ihn zur Preisgabe seines Handypassworts oder des Entsperrmusters zu bewegen.

Noch ein weiterer Aspekt: Wer die Fingerabdruck-Sperre nutzt, akzeptiert gleichzeitig eine faktische Umkehr der Beweislast, wenn sein Mobiltelefon für ein krummes Ding genutzt worden sein soll. Ein biometrisches Datum hat bei der Frage, wer das Handy genutzt hat, natürlich erst mal einen wesentlich höheren Stellenwert als ein Vierzahlen-Code. Die Folge: Der mögliche Rechtfertigungsdruck auf den Telefonbesitzer steigt.

Es gibt noch viele weitere Gründe, warum der Fingerabdruck im iPhone unseren Alltag nicht sicherer macht. Kai Biermann zählt sie in einem hervorragenden Artikel auf. Als gute Nachricht bleibt letztendlich, dass die iPhone-Geschichte das Zeug hat, Problembewusstsein zu wecken, und zwar nicht nur bei Apple-Jüngern.

Ein Piepsgerät, ein Piepsgerät

Über das kabarettreife Zusammentreffen zweier Verkehrsrichter berichtet die Badische Zeitung. Ein Richter aus dem Breisgau fuhr in einer Tempo-30-Zone sieben Kilometer zu schnell, will aber die 25 Euro Verwarnungsgeld nicht zahlen. Seine Erklärung vor dem Amtsgericht Freiburg: Er könne nicht gleichzeitig auf die Straße und den Tacho schauen.

Er kenne die Stelle, sagte der Richter dem für ihn zuständigen Kollegen im Verhandlungssaal. Deshalb wisse er, dass dort stets mit “Kleinkindern und Omas mit Rollatoren” zu rechnen sei. Aber wenn er sich auf die Straße konzentriere, könne er nicht auf den Tacho schauen. Die “Strichelchen” auf dem Tacho zu fixieren, führe doch erst zu Unfällen.

Selbst der Hinweis, er sei womöglich nicht fahrtüchtig, konnte den Richter nicht erweichen. Nun soll ein Verkehrspsychologe prüfen, ob der Blick auf den Tacho tatsächlich unzumutbar ist. Der Betroffene wünschte sich in diesem Zusammenhang jedenfalls “ein Piepsgerät”, das ihn akustisch vor Tempoverstößen warnt.  

Wie sich der Verkehrssünder auf der Richterbank verhält, wenn er in dienstlicher Eigenschaft mit solchen Ausreden konfrontiert wird, ist leider nicht überliefert. 

Bardamen müssen draußen bleiben

Was ist eine Dirnenpension? Was macht eine Bardame genau? Und was sind eigentlich Unzucht oder häufig wechselnder Geschlechtsverkehr? Mit diesen Fragen beschäftigt sich das Oberlandesgericht Karlsruhe in einem aktuellen Urteil. Die Richter widmen sich den Fragen mit unverkennbarer Liebe zum Detail. Sie entwerfen so nebenbei ein kleines Gemälde der gewandelten Sexualmoral in der Republik.

Dabei war der Ausgangspunkt eher dröge. Ein Grundbesitzer wollte erreichen, dass die Stadtverwaltung eine Belastung im Grundbuch löscht. Das fragliche Gebäude in Mannheim grenzt unmittelbar an die örtliche Puffmeile. Um das Gewerbe nicht ausufern zu lassen, hat sich die Stadtverwaltung Ende der sechziger Jahre folgendes ins Grundbuch eintragen lassen:

In dem auf dem Grundstück errichteten Gebäude dürfen keine Dirnenpensionen eingerichtet und betrieben werden. Die Wohnräume dürfen nicht an Bardamen oder Personen überlassen werden, welche der Unzucht nachgehen bzw. häufig wechselnden Geschlechtsverkehr ausüben.

Was damals noch sonnenklar gewesen sein dürfte, lassen die Richter heute nicht mehr durchgehen. Sie halten das Verbot für viel zu schwammig. So sei nicht klar, was mit einer Dirnenpension gemeint ist. Dem Wortlaut nach beziehe sich die Regelung  auch auf Gebäude, in denen Prostituierte lediglich wohnen, zum Beispiel weil sie nebenan ihre Kunden empfangen.

Auch der Begriff der “Bardame” sei viel zu wenig umrissen. Zum Beispiel stelle sich die Frage, ob eine Bardame nur dann eine Bardame ist, wenn sie auch sexuelle Dienstleistungen anbietet. So recht können die Richter auch nicht nachvollziehen, was denn nun genau mit Unzucht oder gar dem ominösem “häufig wechselnden Geschlechtsverkehr” gemeint ist. Die Richter sehen darin eine Gleichsetzung von Prostitution und Promiskuität, was in jedem Fall etwas zu weit gehe. Insgesamt bleibe für den Eigentümer völlig unklar, was er nun dürfe und was nicht.

Die Stadt Mannheim muss nun auf die Belastung im Grundbuch verzichten. Der Besitzer darf das Haus nun ganz nach Belieben nutzen – so lange er nicht gegen allgemein gültige Vorschriften verstößt.

Link zum Urteil

Ausweis zu Hause – kein Grund für Stress

Ein Leser berichtet, er sei auf der Autobahn von der Polizei durchsucht worden. Die Beamten seien etwas frustriert gewesen, weil sie rein gar nichts bei ihm fanden. Führerschein und Zulassung waren auch in Ordnung, sogar das Warndreieck befand sich an Ort und Stelle.

Trotzdem hat man nach seinen Angaben zehn Euro von ihm kassiert. Der Leser konnte nämlich seinen Personalausweis nicht vorzeigen, der lag bei ihm zu Hause.

Wenn das stimmt, hätte es der Betroffene wohl besser darauf ankommen lassen sollen. Die Beamten legten ihm einen Verstoß gegen die Ausweispflicht zur Last. Doch den er hat er gar nicht begangen.

Wie jeder Deutsche über 16 Jahren muss man zwar einen Personalausweis oder Pass besitzen. Es steht aber nirgends, dass man das Dokument auch bei sich führen muss. Vielmehr reicht es völlig, den Ausweis “auf Verlangen” vorzeigen zu können. Was durchaus auch beinhaltet, dass man den Ausweis halt später vorzeigt.

Oder sich, wenn’s denn gewünscht wird, von der Polizei nach Hause fahren oder begleiten lässt, um der Vorzeigepflicht zu genügen. In die Wohnung lassen muss man die Beamten deswegen aber nicht.

Der Leser kann sich jetzt nur noch über die Verwarnung beschweren. Sein Geld wird er eher nicht wieder bekommen, aber interessant wäre es schon, ob die Polizisten in ihrer Stellungnahme gegenüber dem Chef tatsächlich auf dem Vorwurf beharren.

Loblied mit schalem Abgang

Wir erinnern uns gut, wie Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich den Bürgern eine Lösung des Überwachungsproblems präsentierte. Selbstverantwortung sei gefragt. Da die Kontrolle nun mal stattfinde, müsse man halt seine Daten verschlüsseln.

Diese Werbung für Kryptographie ist ja ganz nett. Allerdings stellt sich seit heute die Frage, ob der Innenminister seinen Vorstoß wirklich ernst gemeint hat. Der englische Guardian und die New York Times berichten nämlich unter Bezug auf Papiere des Whistleblowers Edward Snowden, jedenfalls die NSA und der britische Geheimdienst seien schon sehr erfolgreich, die aktuellen Verschlüsselungsmethoden nur noch als Fassade dastehen zu lassen.

So soll die NSA viel Geld aufwenden, um direkt bei der Entwicklung bzw. beim Einsatz von Verschlüsselungssoftware in Unternehmen “Einfluss” zu nehmen. So erhält die Behörde Zugang zu Daten, die nach den Versprechen der betreffenden Firmen “sicher” verschlüsselt sein sollen.

Nach den Informationen stellen gängige Standards wie HTTPS und SSL keine Hindernisse für die NSA dar. Gleiches gilt für vermeintlich sichere VoIP-Gespräche. Auch der britische Geheimdienst rühmt sich laut den Unterlagen damit, gerade bei den Online-Giganten Google, Yahoo, Facebook und Microsoft sehr erfolgreich Zugriff auf verschlüsselte Kommunikation zu erlangen.

Da stellt sich natürlich die Frage, ob der Innenminister wirklich so ahnungslos ist und jetzt auch über die Möglichkeiten der befreundeten Dienste staunt. Ungefähr so, wie das mit dem Überwachungsprogramm X-Keyscore gewesen ist, welches ja nun doch erstaunlicherweise schon in diversen Dienststellen des Bundes zumindest im “Testbetrieb” zur Verfügung steht – der anfangs zur Schau getragenen Unwissenheit zum Trotz.

Ausführlicher Bericht im Guardian

Sizilien ist woanders

Die Staatsanwaltschaft München I lehnt eine Gutachterin als befangen ab – weil sie sich in der Fernsehsendung “Beckmann” kritisch über den Fall Gustl Mollath geäußert hat.

Gleich in drei laufenden Prozessen macht ein Staatsanwalt geltend, seiner Behörde fehle nach dem Fernsehauftritt der Münchner Psychiaterin Hanna Ziegert das notwendige Vertrauen.

Ziegert sagte bei “Beckmann”, Gutachter würden in Bayern durchaus ergebnisorientiert ausgewählt. Die Mediziner seien auf Aufträge von der Staatsanwaltschaft angewiesen. Sie achteten deshalb darauf, nicht in Ungnade zu fallen. Das sei jedem, der in der Szene arbeitet, genau bekannt. Auch einen Vergleich Ziegerts, wonach der bayerische Maßregelvollzug vielleicht doch etwas anders sei als in anderen Teilen Deutschlands, beanstandet die Staatsanwaltschaft.

Von einer Äußerung Ziegerts, das Ganze erinnere sie manchmal eher an Mailand und Sizilien, wobei Bayern dann Sizilien wäre, scheint die Staatsanwaltschaft besonders aufgebracht. Ziegert attestiere der bayerischen Justiz damit “mafiöse Tendenzen” und eine “rechtsstaatsferne Ausgestaltung” des Verfahrens.

Die Gutachterin hält dagegen, sie habe nur auf ein gewisses “Nord-Süd-Gefälle” hinweisen wollen. Ziegert, die seit mehr als 30 Jahren als Gerichtsgutachterin arbeitet, will nun ihrerseits die Münchner Staatsanwaltschaft verklagen.

Interessant ist, dass das Verhalten des Staatsanwalts vieles von dem bestätigt, was Ziegert behauptet. Und überdies noch ein merkwürdiges Verständnis von Meinungsfreiheit dokumentiert. Aber so was fällt halt erst auf, wenn der Beißreflex wieder abgeklungen ist.

Bericht in der Süddeutschen Zeitung

Es geht ums Grundvertrauen

Für die deutschen Datenschutzbeauftragten ist der NSA-Skandal weder aufgeklärt noch sonstwie beendet. In einer heute veröffentlichten gemeinsamen Erklärung ziehen sie Bilanz und stellen konkrete Forderungen auf.

Das Statement ist es wert, im Wortlaut veröffentlicht zu werden. Hier ist die Erklärung:

“Die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder stellt fest, dass noch immer nicht alles getan wurde, um das Ausmaß der nachrichtendienstlichen Ermittlungen mithilfe von Programmen wie PRISM, TEMPORA und XKEYSCORE für die Bundesrepublik Deutschland aufzuklären.

Schon die bisherigen Erkenntnisse lassen den Schluss zu, dass die Aktivitäten u.a. des US-amerikanischen und des britischen Geheimdienstes auf eine globale und tendenziell unbegrenzte Überwachung der Internetkommunikation hinauslaufen, zumal große Internet- und Telekommunikationsunternehmen in die Geheimdienstaktionen eingebunden sind.

Da zahlreiche Anbieter von Kommunikationsdienstleistungen, deren Server in den USA stehen, personenbezogene Daten der Menschen in der Bundesrepublik Deutschland verarbeiten, betreffen die Berichte, dass US-amerikanische Geheimdienste auf dem Territorium der USA personenbezogene Daten umfassend und anlasslos überwachen, auch ihre Daten. Unklar ist daneben noch immer, ob bundesdeutsche Stellen anderen Staaten rechtswidrig personenbezogene Daten für deren Zwecke zur Verfügung gestellt und ob bundesdeutsche Stellen
rechtswidrig erlangte Daten für eigene Zwecke genutzt haben.

Die staatliche Pflicht zum Schutz der Grundrechte erfordert es, sich nicht mit der gegenwärtigen Situation abzufinden. Die Regierungen und Parlamente des Bundes und der Länder sind dazu aufgerufen, das ihnen im Rahmen ihrer Zuständigkeiten Mögliche zu tun, um die Einhaltung des deutschen und des europäischen Rechts zu gewährleisten. Weiterlesen

Mollaths Richter haben schlampig gearbeitet

Gustl Mollath hat einen weiteren juristischen Erfolg errungen. Das Bundesverfassungsgericht erklärte die Verlängerung von Mollaths Zwangsunterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aus dem letzten Jahr für rechtswidrig.

Sowohl dem Landgericht Bayreuth als auch dem Oberlandesgericht Bamberg attestiert das Bundesverfassungsgericht schlampige Arbeit. Die für Mollath zuständigen Richter haben sich nach dem heute veröffentlichten Beschluss die Arbeit viel zu einfach gemacht. Das Verfassungsgericht vermisst die notwendige Aufklärung des Sachverhalts, ebenso aber eine nachvollziehbare Argumentation, warum von Mollath noch eine Gefahr ausgehen soll.

So habe der psychiatrische Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten Mollath eher nicht für gefährlich gehalten. Erst in der gerichtlichen Anhörung behauptete er dann, er habe “vielleicht eine etwas zu weiche Formulierung” gewählt. Wieso der Gutachter seine Ansichten wechselt, hätten die Richter nicht hinterfragt. Stattdessen seien sie seiner späteren Einschätzung, Mollath sei durchaus noch gefährlich, blind gefolgt. Hier, so das Verfassungsgericht, hätten die Richter zumindest eine eigenständige Entscheidung treffen müssen.

Außerdem hätten die angeblichen Verfehlungen Mollaths kritischer hinterfragt werden müssen. Selbst wenn der Betroffene seine Frau tatsächlich misshandelt haben sollte, habe es sich jedenfalls um Beziehungstaten gehandelt. Derartige Delikte sprächen eben eher nicht für eine allgemeine Gefährlichkeit. Dass Mollath mittlerweile geschieden sei und auch während seiner Einweisung nicht gewalttätig geworden sei, hätte bei der Gefahrenprognose berücksichtig werden müssen.

Im Ergebnis klingt das so, als hätten sich Mollaths Richter nicht mal ansatzweise mit Mollaths Fall auseinandergesetzt. Schon das ist beunruhigend genug. Hier geht es nämlich nicht um eine Fahrerflucht oder eine zu Unrecht angeordnete Durchsuchung. Sondern um das dauerhafte Wegsperren eines Menschen. Wenn die Justiz sich sagen lassen muss, hier nicht einmal Mindeststandards zu erfüllen, macht das schlichtweg Angst.

Beschluss vom 26. August 2013