DNA-Probe: Freiwillig reicht nicht

Die Polizei kann sich nicht einfach darauf berufen, dass ein Betroffener freiwillig eine DNA-Probe abgegeben hat. Vielmehr müssen die Behörden stets eigenständig prüfen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Abnahme des genetischen Fingerabdrucks vorliegen. Geschieht dies nicht, müssen sie nach einem Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover die Daten löschen. 

Ein wegen kleinerer Straftaten verurteilter Mann hatte sich nachträglich gegen seinen Eintrag in der DNA-Kartei gewehrt. Im Jahr 2007 hatte der Mann freiwillig eine Speichelprobe abgegeben. Das Verwaltungsgericht Hannover hielt die Speicherung trotz des schriftlichen Einverständnisses für unzulässig.

Die Polizei müsse in jedem Fall unabhängig von der Zustimmung sorgfältig prüfen, ob eine ausreichende Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass der Betroffene zukünftig Straftaten von erheblichem Gewicht begehen wird. Das war aber gar nicht geschehen und wäre wohl auch kaum möglich gewesen. Denn der Betroffene hatte keine einzige Straftat von erheblichem Gewicht begangen. Vielmehr sollte nur die Summe seiner Verfehlungen Grund für die DNA-Probe sein, was nicht unbedingt ausreicht.

Mit einer einfachen Auflistung der Taten, so das Gericht, sei es jedenfalls nicht getan. Auch dürften nicht nur standardisierte Formulierungen gebraucht worden, ohne sich erkennbar mit dem Sachverhalt zu beschäftigen. Im entschiedenen Fall seien auch die Ermittlungsakten nicht eingesehen worden, was für eine sorgfältige Prüfung aber erforderlich sei. 

Überdies hätte berücksichtigt werden müssen, dass der Mann erst kurz vorher aus dem Gefängnis entlassen worden war. Hier hätte zumindest geprüft werden müssen, ob dies (auch) aufgrund einer günstigen Sozialprognose geschah.

Trotz der schriftlichen Zustimmung des Betroffenen müssen die Informationen nun in der Zentralkartei beim Bundeskriminalamt gelöscht werden (Aktenzeichen 10 A 2028/11).

Nicht abwimmeln lassen

Bei Flugverspätungen müssen Airlines immer dann eine Entschädigung zahlen, wenn der Reisende erheblich zu spät sein Ziel erreicht. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Verspätung beim Zwischenstopp, die zum Verpassen eines Anschlusssflugs führt, unter der an sich geltenden zeitlichen Grenzen liegt. Das hat der Bundesgerichtshof in einem aktuellen Urteil bekräftigt.

Reisende, die von Miami über Madrid nach Düsseldorf fliegen wollten, kamen in Madrid eine Stunde und 20 Minuten zu spät an. Deshalb verpassten sie die Anschlussmaschine nach Düsseldorf. Sie konnten erst mit siebeneinhalbstündiger Verspätung mit dem nächsten planmäßigen Jet weiterfliegen.

Die Verspätung bei Ankunft in Madrid lag unter der Grenze von vier Stunden, für die es bei Langstreckenflügen eine Ausgleichszahlung von 600 Euro gibt. Deshalb verweigerte das Amtsgericht Düsseldorf die Entschädigung. Begründung: Der Weiterflug sei ja mit einer nicht verspäteten Maschine erfolgt, wenn auch erst mit der nächsten.

Der Bundesgerichtshof stellt – gestützt auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs – klar, dass es ausschließlich auf die tatsächliche Verspätung bei der Ankunft am letzten Zielort ankommt. Flugreisende müssen sich also nicht mit fadenscheinigen Argumenten abwimmeln lassen, wie dies Airlines gern versuchen (Aktenzeichen X ZR 123/10).

Die EU diskutiert derzeit eine Einschränkung der Fluggastrechte

Auch der Tankinhalt gehört zum Unfallschaden

Wer unverschuldet in einen Unfall verwickelt wurde, möchte nicht unbedingt draufzahlen. Was ist zum Beispiel mit dem restlichen Tankinhalt, wenn das eigene Fahrzeug einen Totalschaden erlitten hat? Das Amtsgericht Solingen gibt hierauf eine Antwort.

Der Geschädigte wollte von der Versicherung des Unfallgegners 77 Euro haben. So viel kostete nach seinen Angaben das Benzin, welches sich nach dem Totalschaden noch im Tank seines Autos befand.

Die Versicherung bestritt den Tankinhalt mit “Nichtwissen”, hatte aber Pech. Der Kfz-Sachverständige hatte im Gutachten den Füllstand festgehalten.

Als dieses Argument nicht zog, machte die Versicherung geltend, der Geschädigte habe das Benzin ja abpumpen können. Doch auch dieses Argument wies das Amtsgericht zurück. Das Abpumpen sei für einen Laien mit unverhältnismäßigem Aufwand verbunden. Außerdem sei der Kraftstoff auch nicht so “werthaltig” wie frisch an der Tankstelle gezapftes Benzin.

Das Gericht sprach dem Autofahrer deshalb die 77 Euro zu.

Link zum Urteil

500 Euro für jeden Monat hinter Gittern

In der endlosen Geschichte um die Sicherungsverwahrung hat der Bundesgerichtshof nun ein letztes Wort gesprochen: Verurteilten Straftätern, die wegen der – illegalen – rückwirkenden Verlängerung der Sicherungsverwahrung teilweise über viele Jahre zu Unrecht eingesperrt blieben, steht eine finanzielle Entschädigung zu.

Im Kern geht es darum, dass der Gesetzgeber einfach eine 10-Jahres-Obergrenze für die Sicherungsverwahrung abschaffte. Das sollte auch für Straftäter gelten, deren Urteil vorher unter Beachtung der 10-Jahres-Grenze gesprochen wurde. Mit der Folge, dass diese nicht nach längstens zehn Jahren Sicherungsverwahrung freigelassen wurden.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat diese Regelung nun schon mehrfach für rechtswidrig erklärt. Völlig zu Recht, denn zu den wichtigsten Rechtgrundsätzen gehört, dass eine rechtskräftig verhängte Strafe nicht nachträglich verlängert werden darf. Dies hatte der deutsche Gesetzgeber sehenden Auges missachtet. 

Bei der jetzigen Auseinandersetzung ging es darum, ob das Land Baden-Württemberg den Inhaftierten Schadensersatz leisten muss. Das Land argumentierte, wegen der aus seiner Sicht eindeutigen Gesetze habe es sich gar nicht anders verhalten können. Deshalb hafte das Land nicht für die Folgen des unrechtmäßigen Freiheitsentzugs.

Dieser Argumentation folgt der Bundesgerichtshof nicht. Das Gericht stellt mit deutlichen Worten fest: Wen der Staat zu Unrecht einsperrt, hat Anspruch auf eine Entschädigung. Das folge direkt aus der Europäischen Menschenrechtskonvention. Auf ein Verschulden der Gerichte komme es gar nicht an.

Etwa 100 Sicherungsverwahrte sollen von dem Urteil profitieren können. Die vier Kläger in den jetzt entschiedenen Fällen erhalten zwischen 49.000 und 73.000 Euro. Das klingt erst mal nach einem stattlichen Betrag. Tatsächlich sind es aber nur 500 Euro für jeden Monat hinter Gittern. Mehr hält der Bundesgerichtshof nicht für angemessen.

Eine weitere Ehrenrunde am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ist bei so viel Freigiebigkeit nicht ausgeschlossen.

Was verrät ein Totenkopf?

Die Geschichte dramatisch missglückter Facebook-Scherze ist um ein Kapitel reicher. Diesmal geht es um den Wachmann an einer Schule der Jüdischen Gemeinde in Hamburg. Dieser hatte auf Facebook ein Foto gepostet, das einen Totschenschädel mit Polizeimütze zeigt. Aufgenommen war das Bild erkennbar im Postencontainer, in dem der Wachmann Dienst tut.

Was der Wachmann im nachhinein als Scherz darstellt, führte zu seiner fristlosen Kündigung. Die Stadt Hamburg machte geltend, kein Vertrauen mehr in den Mitarbeiter zu haben. Dieser sei im übrigen auch schon durch ausländerfeindliche Witze aufgefallen.

Der Wachmann wehrte sich – und bekam jetzt am Arbeitsgericht Hamburg recht. Die Stadt Hamburg hat nach Auffassung des Richters nämlich nicht nachweisen können, dass der Mitarbeiter mit dem Totenkopf eine rechtsradikale Gesinnung dokumentieren wollte.

Der fotografierte Totenschädel sei nicht zwangsläufig Ausdruck einer Einstellung, die für den öffentlichen Dienst ungeeignet macht. Er sei zwar auch das Symbol von SS-Totenkopfverbänden gewesen, finde sich aber auch anderswo wieder – zum Beispiel bei einem lokalen Fußballverein.

Der Wachmann hatte versichert, er sei nicht rechtsradikal eingestellt und habe überhaupt nicht an einen Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus gedacht. Außerdem entschuldigte sich der Angestellte bei allen, deren Gefühle er verletzt haben könnte.

Das reichte dem Arbeitsgericht, um der Stadt Hamburg die Beweislast aufzuerlegen. Die Arbeitgeberin sei den Nachweis schuldig geblieben, dass das Totenkopffoto eine rechtsradikale oder ausländerfeindliche Einstellung des Mannes belegt. Die Stadt Hamburg muss den Mitarbeiter nun weiter beschäftigen (Aktenzeichen 27 Ca 207/13).

Muckis zeigen

Unter Abmahnanwälten wird mit harten Bandagen gekämpft. Um Mandate. Die Auftraggeber gehen natürlich zu den Anwälten, die hohe Erfolgsquoten bei den “Sofortzahlern” versprechen. Das sind jene Abgemahnten, die sich einschüchtern lassen und die geforderte Summe überweisen.

Angesichts des harten Wettbewerbs sind der Kreativität bei der Frage, wie übt man Druck auf Abgemahnte aus, natürlich kaum Grenzen gesetzt. Die Palette reicht von unverhohlenen Drohungen bis zu schmalzig offerierten Vergleichen. Oft werden viele Worte gemacht, aber wenig gesagt.

Ein Abmahnanwalt aus Kiel setzt dagegen zur Abwechslung auf optische Effekte. Auf jede Rückseite eines Anschreibens, mit dem er letztmalig zur Zahlung auffordert, kopiert er eine Liste mit seinen angeblich gewonnenen Fällen, sortiert nach Gericht und Aktenzeichen.

Das sieht so aus:

 

20120918

Nur leider setzt das Blattformat dieser Art des Muckis-Zeigens offensichtliche Grenzen. Der Anwalt betont ausdrücklich, die Liste sei keineswegs vollständig. Er präsentiert sie aber als Beweis dafür, dass er die vermeintlichen Forderungen seiner Mandanten “konsequent” durchsetzt.

Eine Aussage, wie viele Verfahren denn letztlich gewonnen wurden, enthält das Begleitschreiben nicht. Ebenso wenig sagt der Anwalt etwas dazu, wie viele angebliche Filesharer er denn schon abgemahnt hat. Bei fünfzig- oder gar hunderttausend Angelegenheiten wirkt die Liste ja schon gleich weniger beeindruckend.

Wir verbuchen das Ganze mal als neue Spielart der psychologischen Kriegsführung. In der Ablage P.

Notwehr gegen Raucher

Auch das Anpusten mit Rauch muss man sich nicht gefallen lassen. Das Amtsgericht Erfurt sprach eine Frau frei, die einem Discobesucher ein Glas an den Kopf geworfen hatte. Damit wehrte sie sich gegen den Mann, der ihr nach einem Hinweis auf das Rauchverbot provokant Qualm ins Gesicht geblasen hatte.

Schon der Staatsanwalt bejahte eine Notwehrlage. Der Raucher habe die Frau provoziert und beleidigt. Der Richter ging sogar noch weiter. Er befand, der Raucher habe eine Körperverletzung begangen. Der Discobesucher hatte selbst eingeräumt, ganz nah an die Frau herangegangen zu sein und ihr den Rauch ins Gesicht gepustet zu haben, und zwar vermischt mit Speichelpartikeln.

Näheres in diesem Bericht.

Strafverfolger wollen Links beschlagnahmen

Im Fall Gustl Mollath hat sich die Justiz schon genug blamiert. Hamburger Staatsanwälten genügte dies aber offenbar nicht. Sie leierten auf Veranlassung ihrer bayerischen Kollegen gleich noch ein Verfahren gegen Mollaths Anwalt Gerhard Strate an, weil dieser angeblich unrechtmäßig Verfahrensunterlagen ins Netz gestellt hat.

Allerdings erteilt das Landgericht Hamburg den länderübergreifend tätigen Strafverfolgern nun eine deutliche Absage. Mit deutlichen Worten verweigern sich die Richter dem Ansinnen, Zugriff auf Strates Webserver zu gestatten und die unliebsamen Dokumente ohne Einverständnis des Anwalts löschen zu lassen.

Es waren erst mal akrobatische Verrenkungen nötig, um überhaupt einen Paragrafen zu finden, der auch nur ansatzweise einen solchen Zugriff gestattet. Dem Gericht wollten die Staatsanwälte die beabsichtigte Zensur als eine Art vorweggenommene Beschlagnahme beziehungsweise strafrechtliche “Einziehung” von Tatwerkzeugen verkaufen. Überdies wurde ausdrücklich verlangt, Links im Internet zu beschlagnahmen – eine reichlich absurde Vorstellung.

In seinem 13-seitigen Beschluss zählt das Landgericht auch weitere “Missverständnisse” auf. So weist das Gericht darauf hin, Daten seien entgegen der Darstellung der Staatsanwaltschaft nun mal keine Sachen, die man einfach so einpacken und mitnehmen kann.

Auch ein Beweissicherungsinteresse sei nicht mal ansatzweise erkennbar. Alle Dokumente befänden sich ausgedruckt in der Akte, und überdies bestreite Strate gar nicht, dass er die Papiere auf seine Homepage gestellt hat.

Letztlich verneinen die Richter bei vier von fünf Dokumenten auch eindeutig, dass Strate sich überhaupt wegen “Verbotener Mitteilungen über Gerichtsverhandlungen” strafbar gemacht haben kann.

So wird Strate beispielsweise vorgeworfen, er habe einen Einstellungsbescheid der Staatsanwaltschaft Augsburg ins Netz gestellt. Allerdings, so das Landgericht, durfte Strate dies. Denn zu einem “Strafverfahren” im Sinne des Gesetzes komme es schon gar nicht, wenn die Staatsanwaltschaft von weiteren Ermittlungen absieht.

Lediglich bei einem Dokument könne man eine Strafbarkeit erwägen. Nämlich beim Wiederaufnahmeantrag der Staatsanwaltschaft. Aber auch hier ist das Gericht sehr skeptisch und macht ziemlich deutlich, dass es Strate wohl nicht verurteilen würde.

Nicht zu erwarten ist allerdings, dass die beteiligten Staatsanwaltschaften Ruhe geben. Wie sich aus dem Beschluss ergibt, ermitteln sie schon wegen weiterer Dokumente aus der Akte Mollath, die Strate ins Netz gestellt hat.

Beschluss des Landgerichts Hamburg

Krankenkassen erlassen Rückstände

Viele Menschen haben tausende Euro Schulden bei Krankenkassen – und ahnen es oft nicht. Schuld daran ist die Krankenversicherungspflicht, die seit 2007 für jeden gilt, der irgendwann einmal Mitglied einer gesetzlichen Versicherung war und nicht privat versichert ist. Krankenkassen locken Betroffene jetzt mit einem umfassenden Schuldenerlass.

Trotz der Pflicht zur Krankenversicherung ist nicht jeder Mensch automatisch versichert, erläutert die Arbeitsgemeinschaft Sozialrecht im Deutschen Anwaltverein. Als Beispiele nennt der Anwaltverein den jungen Programmierer an, der sein Studium abgebrochen und sich ohne gesetzliche oder private Krankenversicherung selbstständig gemacht hat.

Nicht versichert ist etwa auch der Arbeitslose, der keine Leistungen von der Bundesagentur für Arbeit bezieht und bis zur Rente von seinen Ersparnissen lebt. Auch wer aus der privaten Krankenversicherung ausgeschieden ist, muss sich seit 2009 wieder in der Gesetzlichen versichern.

Wer sich darum nicht kümmert, häuft einen Berg an Beitragsrückständen an. Hinzu kommen Säumniszuschlage. Eine Gegenleistung bekommen die Betroffenen nicht. Im Krankheitsfall haben sie keinen Anspruch auf Kassenleistungen.

Um diese Personengruppen wieder in ein Versicherungsverhältnis zu bringen, bieten die Kassen jetzt an, sämtliche Beiträge und Säumniszuschläge zu erlassen. Voraussetzung ist nur, dass sich die Betroffenen bis spätestens 31. Dezember 2013 bei der für sie zuständigen Kasse melden.

Zschäpes Anwalt und das Geld

Im Münchner NSU-Prozess gibt es Streit. Um Geld. Wolfgang Stahl, einer der Verteidiger Beate Zschäpes, möchte einen angemessenen Vorschuss auf seine Tätigkeit im Ermittlungsverfahren. Also das, was er vor Erhebung der Anklage geleistet hat. Stahl verlangt 77.000 Euro; das Gericht hat ihm 5.000 Euro bewilligt.

Eins ist klar: Das Honorar der Anwälte im NSU-Verfahren kann sich am Ende nicht nur nach den Standard-Sätzen für Pflichtverteidiger bemessen. Das gilt nicht nur für die Verteidiger, sondern sicher auch für den einen oder anderen Nebenklägeranwalt. Auch diese sind ja meist beigeordnet und werden aus der Staatskasse bezahlt.

Für solche Mammutprozesse gibt es extra die Möglichkeit, dass nach Abschluss des Verfahrens eine Pauschalvergütung festgesetzt wird. Dafür müssen Anwälte dann im nachhinein akribisch darlegen, was sie geleistet haben, dass die Arbeit erforderlich war und wieso die Standardbeträge nicht ausreichen.

Momentan dreht sich der Streit also nur um den angemessenen Vorschuss auf die zu erwartende Vergütung. Stahls Forderung nur für die vorgerichtliche Tätigkeit ist da schon durchaus beachtlich. Nach eigenen Angaben will er rund 700 Stunden für die Verteidigung Zschäpes aufgewandt haben. Eine Zahl, die das Gericht wohl nicht bestreitet.

Fraglich ist halt nur, ob der von Stahl offenkundig geltend gemachte Stundensatz von etwa 100 Euro angemessen ist. Darüber wird man durchaus streiten können. Immerhin macht der Verteidiger laut Presseberichten selbst geltend, seine Kanzlei habe monatliche Fixkosten von ca. 6000 Euro. Sein monatlicher Umsatz habe in der Vor-Zschäpe-Zeit etwa 20.000 Euro betragen. Somit blieben Stahl also 14.000 Euro brutto im Monat.

Allerdings bedeutet die Pflichtverteidigervergütung nicht, dass ein Anwalt mit ordentlichen Umsätzen automatisch für seine Tätigkeit mehr bekommt als einer, der monatlich weniger einnimmt. Vielmehr muss ein Gericht, das ja auch Steuergelder ausgibt, natürlich darauf achten, dass der Anwalt bei einer angemessenen Kanzleiführung wirtschaftlich nicht in die roten Zahlen rutscht und ihm auch ein angemessener Betrag zum Leben verbleibt. Das wiederum ist dann aber auch die obere Grenze.

Der vom Gericht bewilligte Betrag ist dafür offensichtlich zu gering. Stahls über Twitter verbreitete Klage, ihm bleibe bei diesen Sätzen am Ende viel weniger als seiner Putzhilfe, ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Auch wenn er es vielleicht etwas weniger von oben herab hätte formulieren können.

Ebenso klar ist aus meiner Sicht aber auch, dass Stahl keinen Anspruch darauf hat, vom Staat einen Betrag zu erhalten, der ihm, seine eigenen Zahlen zu Grunde gelegt, auf den Monat gesehen einen Umsatz von 16.000 Euro beschert – und damit einen letztlich noch immer knapp fünfstelligen Erlös.

Die Wahrheit wird, wie so oft, nach meinem Gefühl am Ende irgendwo in der Mitte liegen. Das kommt bei mir auch nicht nur aus dem Bauch, sondern von den Zahlen, die ich aus eigenen Großverfahren kenne.

Presseberichte zum Thema

Die E-Zigarette lebt – vorerst

Die nikotinhaltige E-Zigarette bleibt vorerst ein legales Genussmittel. Die Behörden können den Vertrieb nikotinhaltiger Flüssigkeiten, die in den E-Zigaretten verdampft werden, nicht auf der Grundlage des Arzneimittelgesetzes unterbinden. Diese Entscheidung traf heute das Oberverwaltungsgericht Münster in mehreren Verfahren.

Ein Verbot der sogenannten Liquids kann derzeit nur auf das Arzneimittelgesetz gestützt werden. Dazu müsste aber das eingesetzte Nikotin als “Arzneimittel” anzusehen sein. Das ist nach Auffassung der Münsteraner Richter aber nicht der Fall.

Liquids seien keine sogenannten “Präsentationsarzneimittel”. Sie würden von den Produzenten nämlich nicht als Mittel zur Heilung, Linderung oder Verhütung von Krankheiten bezeichnet oder empfohlen.

Die Liquids seien aber auch kein sogenanntes Funktionsarzneimittel. Das eingesetzte Nikotin habe keine therapeutische Funktion oder Wirkung. Genau dieser therapeutische Zweck, also die Heilung oder Linderung von Beschwerden, sei aber ein zwingendes Merkmal von Arzneimitteln.

Die Behörden hatten unter anderem argumentiert, Liquids in E-Zigaretten würden auch mit dem Ziel eines “Rauchstopps” eingesetzt. Das ist nach Auffassung der Richter aber regelmäßig nicht der Fall. “Dampfer” wollen demnach gar keine Unterstützung beim Nikotinentzug, sondern sie konsumieren das Nikotin zu Genusszwecken nur auf andere Art und Weise als Tabakraucher.

Das Urteil kann weitreichende Wirkungen haben. Nicht nur bei der E-Zigarette wird ständig versucht, neue oder unliebsame Substanzen als Arzneimittel zu deklarieren. Das gilt auch für moderne synthetische Drogen, die (noch) nicht im Betäubungsmittelgesetz aufgeführt sind.

Auch hier tobt seit längerem ein Streit, ob das Arzneimittelgesetz Auffangnormen für neue Stoffe bietet. Verkäufer von solchen Substanzen sind in der Vergangenheit oft wegen angeblicher Verstöße gegen das Arzneimittelgesetz angeklagt worden.

Der Bundesgerichtshof, bei dem die ersten Verfahren jetzt liegen, ist da wohl eher skeptisch. Die Karlsruher Richter wollen allerdings vorab auf europäischer Ebene klären lassen, wie das deutsche Arzneimittelgesetz ausgelegt werden muss (Oberverwaltungsgericht Münster, Aktenzeichen 13 A 2448/12, 13 A 2541/12 und 13 A 1100/12).

Bei Hotmail fragen wir erst gar nicht

Unser Mandant hatte was teures bestellt, die Lieferung kam aber nicht bei ihm an. Weil sie nie abgeschickt wurde. So richtige Anknüpfungspunkte gab es für die Ermittler bei der örtlichen Polizei leider nicht; der Täter hat wohl fingierte Adressdaten verwendet.

Mit einer Ausnahme. Mein Mandant hatte von dem Verkäufer mal eine Antwort auf eine Rückfrage erhalten, die von einer anderen E-Mail-Adresse kam als sonst. Das haben wir der Polizei natürlich auch mitgeteilt. Mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass die verwendete Hotmail-Adresse nur einmal auftaucht.

Möglicherweise hat der Betrüger sie nur versehentlich verwendet, weil er sich auf seinem Smartphone im Account irrte. Nach einigen Monaten kriege ich von der Staatsanwaltschaft nun die Ermittlungsakte und lese folgenden Vermerk des zuständigen Kommissars:

Auf eine Anfrage bei Microsoft hinsichtlich der angegebenen E-Mail-Adresse wurde verzichtet, da bei Hotmail die angegebenen Personaldaten nicht geprüft werden.

Dumm nur, dass die betreffende E-Mail-Adresse doch authentisch war. Sogar seine korrekte Postadresse hatte der Verdächtige hinterlegt. Das ergibt sich aus anderen Unterlagen, die später aufgetaucht sind. Microsoft verfügte also zu einem frühen Zeitpunkt über echte Stammdaten des Verdächtigen und hätte sie mitteilen können – wenn die Polizei gefragt hätte.

Und das alles auch noch zu einem Zeitpunkt, als der Mann mit einiger Sicherheit noch an der Adresse wohnte. Mittlerweile ist das aber wohl Schnee von gestern. Der Beschuldigte soll seinen Versandhandel nun von Thailand aus betreiben; jedenfalls ist er vor geraumer Zeit dorthin ausgereist.