940,00 € im Portemonnaie

Ein Mandant wurde in einem Hauptbahnhof kontrolliert. Weil ohne sein Einverständnis auch sein Rucksack, seine Taschen und sein Geldbeutel überprüft wurden, habe ich die Unterlagen angefordert. Dort heißt es:

Der Betroffene widersprach der Durchsuchung, sperrte sich aber auch nicht gegen das Vorgehen. In seinem Portemonnaie fanden sich 940,00 € in bar. Diese Summe ist mit dem eher „studentischen“ Erscheinungsbild des Betroffenen nur schwer in Einklang zu bringen. Konkrete Anhaltspunkte für eine Straftat fanden sich nicht. Eventuell sind weitere Finanzermittlungen angezeigt.

Der Mandant antwortete übrigens nicht auf die Frage, woher das Geld ist und was er damit vor hat. Musste er auch nicht. Die angesprochenen Finanzermittlungen haben dann nicht stattgefunden, jedenfalls findet sich dazu nichts in der Akte.

Vielleicht müsste man seitens der Ermittlungsbehörden mal eine Tabelle veröffentlichen, wie viel Bargeld je nach Kleidung, Frisur und Atemfrische noch nicht zu Argwohn führen.

Frau K. ist ein „Mann“ – warum der Pleiteticker falsch lag

Dem vom früheren Bild-Chefredakteur Julian Reichelt betriebenen „Pleiteticker“ ist es vom Landgericht Frankfurt verboten worden, eine trans Frau als „Mann“ zu bezeichnen. Es handelt sich um eine einstweilige Verfügung, die vom Gericht nicht begründet wurde. Reichelt-Mitarbeiter Ralf Schuler kündigt in einem Eintrag Widerspruch an.

Zu einer Grundsatzdiskussion eignet sich der Fall allerdings nicht. Denn die Antragstellerin dürfte juristisch damit recht haben, dass sie sich nicht als „Mann“ bezeichnen lassen muss. Der entscheidende Punkt wird in Schulers Text erwähnt, in anderen Berichten (Beispiel) aber leider ausgelassen. Hierum geht es:

In einer eidesstattlichen Erklärung hatte K. vor Gericht erklärt, sich bereits in den achtziger Jahren einer geschlechtsverändernden Operation unterzogen und den Eintrag der Meldedaten verändert zu haben.

Für Menschen, die sich der Prozedur von Begutachtung, eventueller Operation und enormen Papierkrieg unterzogen haben, bestimmt auch das heute geltende Transsexuellengesetz (TSG) klipp und klar folgendes (§ 10 TSG):

Von der Rechtskraft der Entscheidung an, daß der Antragsteller als dem anderen Geschlecht zugehörig anzusehen ist, richten sich seine vom Geschlecht abhängigen Rechte und Pflichten nach dem neuen Geschlecht…

Damit erwirbt der oder die Betroffene mit der vom Gericht bestätigten Geschlechtsangleichung auch schon heute den Anspruch, entsprechend dem neuen Geschlecht behandelt zu werden. Es ist somit ganz klar eine Persönlichkeitsrechtsverletzung und womöglich auch eine strafbare Beleidigung, wenn man die Antragstellerin wider besseren Wissens als „Mann“ bezeichnet.

Wenn die Angaben der Antragstellerin richtig sind, hat sie einen juristischen Anspruch darauf, nicht mehr als Mann bezeichnet zu werden. Das gilt nicht nur gegenüber dem Staat, sondern auch gegenüber Dritten. Stichwort, wie schon erwähnt: Allgemeines Persönlichkeitsrecht. Wie gesagt, setzt dies aber das Durchlaufen des nach dem Transsexuellengesetz vorgesehenen Verfahrens voraus.

Die einstweilige Verfügung trifft aber mit Sicherheit keine Aussage dazu, ob nun auch der Hinweis auf das momentan tatsächlich zutreffende Geschlecht „strafbar“ ist – bloß weil jemand von seiner Umwelt verlangt, ihn als Frau bzw. Mann anzusprechen, obwohl er biologisch tatsächlich ein anderes Geschlecht hat.

So weit wären wir allerdings, wenn das neue Selbstbestimmungsgesetz kommt, für welches es bislang Eckpunkte gibt. Wenn jeder sein Geschlecht einmal jährlich nach Belieben neu definieren darf, wie es im Entwurf vorgesehen ist, wäre es in der Tat dann auch rechtswidrig, wenn man diese Selbstdefinition (wissentlich) ignoriert. Die Eckpunkte sehen fürs Misgendern Bußgelder vor.

Auch in Dortmund herrscht Meinungsfreiheit

Die Thesen des schweizer Historikers Daniele Ganser sind ganz sicher nicht Mainstream, wie man in der Wikipedia nachlesen kann. Aber sind sie so gefährdend, dass man ihm einen öffentlichen Auftritt in der Westfalenhalle vor erwarteten 2.000 Zuhörern verwehren kann? Wohlgemerkt, die Veranstaltung ist keine Demo, sondern der Vortrag eines Wisssenschaftlers.

Der Dortmunder Oberbürgermeister war allerdings davon überzeugt, dass er die Menschen in Nordrhein-Westfalen vor den Gedanken Gansers bewahren muss. Obwohl Ganser schon mal früher die Westfalenhalle buchen konnte, wurde ihm jetzt der Vertrag gekündigt. Begründung: Frühere Äußerungen Gansers seien als antisemitisch einzustufen. Andere holen noch weiter aus. Ganser gilt ihnen nicht nur als latenter Antisemit, sondern auch als Verbreiter kontrafaktischer und antidemokratischer Verschwörungstheorien.

Die Gerichte versagen der Stadt Dortmund aber eine Tätigkeit als Gesinnungspolizei. Nach dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen sagt nun auch das Oberverwaltungsgericht Münster, dass unliebsame und umstrittene Persönlichkeiten Vorträge halten dürfen. Ganser könne sich auf den Gleichbehandlungsgrundsatz berufen. Es sei auch nicht ersichtlich, dass seine Äußerungen strafbar seien.

Die Stadt Dortmund argumentierte recht unbeholfen mit einem Beschluss des Stadtrates, in dem sich dieser einer Grundsatzerklärung des Netzwerks zur Bekämpfung von Antisemitismus in Dortmund angeschlossen hat. Die Richter weisen ebenso unverblümt wie höflich darauf hin, dass nach dem Grundgesetz nur der Gesetzgeber die Meinungsfreiheit beschränken darf. Der Stadtrat sei kein Gesetzgeber, irgendein Netzwerk schon gar nicht (Aktenzeichen 15 B 244/23).

In München scheiterte zeitgleich der Versuch der Kommune, dem Musiker Roger Waters seinen Auftritt im Olympiastadion zu verwehren.

Geistige Brandbeschleunigung

Die Aussage „Impfen macht frei“ ist Volksverhetzung (§ 130 StGB), wenn sie in das berühmte Foto vom Eingang eines Konzentrationslagers mit dem Spruch „Arbeit macht frei“ montiert wird. Das Oberlandesgericht München bestätigt die gegen einen Immobilienmanager verhängte Geldstrafe.

Der Mann hatte das Originalfoto und seine „Impfen macht frei“-Abwandlung nebeneinander auf Facebook eingestellt. In das bearbeitete Foto waren zwei schwarz uniformierte Männer mit überdimensionalen Spritzen montiert und angemerkt: „Alles schon mal dagewesen.“ Dadurch bagatellisiert der Angeklagte laut Gericht die Judenverfolgung im Dritten Reich in einem „unerträglichen Maß“. Zum anderen suggeriere er Gegnern der Corona-Maßnahmen, ihnen werde ein den Gräueltaten der NS-Zeit vergleichbares Unrecht zugefügt. Hierdurch agiere er als „geistiger Brandbeschleuniger“ in der bereits aufgeheizten Stimmungslage wegen Corona (vor Zulassung des ersten Impfstoffes).

Die Strafbarkeit nach § 130 Abs. 3 und 4 StGB ist natürlich gut zu bejahen. Wieso das Oberlandesgericht aber auch noch ausdrücklich das Narrativ vom „geistigen Brandbeschleuniger“ gutheißen muss, mit dem die Vorinstanzen ihre Verurteilung begründeten, erschließt sich mir nicht. Dem Angeklagten wird vorgeworfen, er emotionalisiere seine Leser auf „aggressive Weise“. Es ist vielleicht etwas deplatziert, wenn man als Richter im gleichen Atemzug ebenfalls emotional und aggressiv formuliert (Aktenzeichen 206 StRR 1/23).

Sekundenklebertransportverbot

Nachdem in Bayern Klimaaktivisten schon präventiv eingesperrt wurden, setzt die Stadt München auf Gefahrenabwehr der besonderen Art. Gegen bislang sieben bekannte Klimakleber ist ein „Sekundenklebertransportverbot“ erlassen worden. Den Betroffenen werden erhebliche Bußgelder – angeblich bis zu 1.000 Euro – angedroht, wenn sie im Stadtgebiet Sekundenkleber dabei haben.

Die Betonung liegt auf dabei haben, denn die Ordnungsverfügung greift nicht erst, wenn mutmaßliche Klimakleber sich auf die Straße kleben. Es genügt, wenn sie mit Sekundenkleber angetroffen werden. Auch wenn es erst mal abenteuerlich klingt, das Ganze ist kein Scherz.

„Zur Verhütung von Straftaten und Gefahren hat das Kreisverwaltungsreferat […] Mitführ-, Transport- und Benutzungsverbot für Klebstoffe, beschränkt auf das Stadtgebiet München, erlassen“, zitiert die Abendzeitung aus einer Stellungnahme der Polizei. Die Maßnahme sei „ein Ausgleich zwischen den Interessen der Betroffenen und den Interessen der Stadtgesellschaft“.

Natürlich steht im bayerischen Landesstraf- und Verordnungsgesetz (noch) nichts zu Sekundenkleber in Herren- und Damentaschen oder im Handschuhfach eines Autos. Aber es gibt ja die ordnungsbehördliche Generalklausel. Nach Art. 7 des LStVG dürfen Sicherheitsbehörden „für den Einzelfall“ Anordnungen treffen, „um rechtswidrige Taten, die den Tatbestand eines Strafgesetzes oder einer Ordnungswidrigkeit verwirklichen, … zu verhüten oder zu unterbinden“.

Der Prüfungsmaßstab für solche Maßnahmen ist stets gleich. Die Maßnahme muss geeignet, erforderlich und verhältnismäßig sein. Nach meiner Meinung fehlt es schon an der Eignung. Denn bekanntermaßen besteht die „Letzte Generation“ nicht nur aus sieben Personen. Wer aber dem Sekundenklebertransport nicht unterliegt, darf den Stoff derzeit noch legal zum Ort der Blockade mitnehmen. Dann kann sich der vom Transportverbot betroffene Klimakleber in Ruhe festkleben. Oder besser noch: festkleben lassen. Wenn diese Aufgabe ein anderer Aktivist erledigt oder vielleicht sogar der REWE Lieferservice, hat der Betroffene den Kleber ja nicht mit sich geführt, sondern nur verwendet. Wegen der Verwendung bei einer Straßenblockade kann man ihn aber nicht noch mit einem Bußgeld belegen, weil das Festkleben Teil der Nötigung ist – für die gilt dann das vorrangige Strafrecht.

Die Maßnahme ist also schon nicht geeignet, um Straßenblockaden zu verhindern. Dementsprechend haben die von den Betroffenen mittlerweile angekündigten Klagen beste Erfolgsaussichten.

Status: unterfordert

Heute eine Passage aus einer Strafanzeige der Polizei. Die Sache passierte am Rande der Festnahme eines mit Haftbefehl gesuchten Mannes in einer Fußgängerzone. Dabei kam es zu einer Kabbelei mit einem ansonsten unbeteiligten Passanten. Dieser hatte die nicht uniformierten Kripoleute wohl zunächst mit einem Schlägertrupp verwechselt und wollte dem Festgenommenen helfen. Ich zitiere:

Die am Einsatz beteiligten Beamten J., N. und B. stellen Strafantrag wegen Körperverletzung. Die Strafanträge sind beigefügt.

Keiner der Beamten wurde durch die Handlungen des Beschuldigten verletzt.

Ah, eine Körperverletzung ohne Körperverletzung. Manchmal fühlt man sich als Anwalt dann doch unterfordert…

EiEiEiEiEi

Eierlikör ist heute vielleicht nicht mehr der hipste Drink. Aber mir als Kind der 60-er und 70-er Jahre ist die Werbung „Eieiei Verpoorten“ noch in bester Erinnerung. Die Reklame lief damals rauf und runter, so begründete der Hersteller Verpoorten den legendären Ruf seines Getränks. Kein Wunder, dass der Produzent seine Marktmacht energisch verteidigt. Der Slogan „Eieiei Verpoorten“ genießt Markenschutz.

Stein des Anstoßes war die Werbung eines Verpoorten-Konkurrenten aus Niedersachsen. Eierlikörhersteller Nordik warb für fünf seiner Eierlikör-Spezialitäten mit dem Slogan „Ei, Ei, Ei, Ei, Ei“. Das Oberlandesgericht Düsseldorf musste prüfen, ob das „Ei“ in verbaler Form der Firma Verpoorten gehört. Tut es zumindest in der verwendeten Form nicht, stellte sich nun in der mündlichen Verhandlung heraus. Über diese berichtet die Legal Tribune Online.

Wenig überraschend stellte das Gericht fest, dass Ei – hoffentlich – die Grundlage des Eierlikörs ist. Deshalb, so der Vorsitzende Richter, könne ein locker formulierter Hinweis auf diese Zutat kaum versagt werden. Außerdem, so der Richter, sei „Eieiei“ ein Ausdruck der Überraschung. Als Symbol des Osterfestes sei das Ei auch nicht von einem einzelnen Unternehmen vereinbar.

Die endgültige Entscheidung soll nach Ostern verkündet werden.

„Flinke Frauenhände“

Ich weiß nicht, ob es einen Darwin Award für juristische Fehlleistungen gibt. Aber die Personalabteilung eines Herstellers von Modellfahrzeugen käme garantiert in die engere Wahl. Das Unternehmen wies einen männlichen Bewerber mit einer Begründung ab, die einfach vor Gericht enden musste.

Die Firma stellt Modellfahrzeuge her. Sie hatte eine Stelle als Bestücker (m/w/d) für eine Digitaldruckmaschine ausgeschrieben. Die Einzelteile sind sehr klein und müssen teilweise mit Pinzetten positioniert werden. Die Firma lehnte den männlichen Bewerber ab mit folgender Begründung: „Unsere kleinen, filigranen Teile sind eher etwas für flinke Frauenhände.“

Der Mann klagte auf eine Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz, weil er zu Unrecht von der Stelle ausgeschlossen wurde. Vor Gericht behauptete die Firma, die Personalabteilung habe nach dem Bewerber im Internet gesucht. Man sei fündig geworden und habe festgestellt, dass der Mann „große Hände“ hat.

Auch dieses Argument ließ das Landesarbeitsgericht Nürnberg nicht gelten. Aus Fotos lasse sich nicht auf die Fingerfertigkeit eines Bewerbers schließen. Man hätte ihm zumindest die Gelegenheit für Probearbeit geben müssen.

Die Sache kostet das Unternehmen 2.500,00 €. Das entspricht 1,5 Monatsgehältern für den Job (Aktenzeichen 7 Sa 168/22).

Homosexuelle Männer dürfen leichter Blut spenden

Homosexuelle Männer dürfen künftig nicht mehr pauschal als Blutspender ausgeschlossen werden. Der Bundestag verabschiedete ein entsprechendes Gesetz. Danach darf die sexuelle Orientierung nicht mehr abstrakt zum Ausschluss von der Blutspende führen.

Eine Richtlinie der Bundesärztekammer sieht vor, dass Männer, die mit Männern neue Sexualkontakte oder gleichzeitig mehrere Sexualpartner haben, grundsätzlich mindestens vier Monate von der Blutspende ausgeschlossen werden. Damit sollte verhindert werden, dass eine mögliche HIV-Infektion weitergegeben wird.

Diese pauschale Regelung ist künftig obsolet. Allerdings können Blutspendedienste auch künftig nach dem „individuellen Sexualverhalten“ beurteilen, ob ein erhöhtes Risiko besteht. Dieses Prüfungsrecht erstreckt sich dann aber auch nicht nur auf homosexuelle Männer – so jedenfalls die Vorgabe.

Außerdem wird die Altersgrenze für Blutspender aufgehoben. Bislang durften Erstspender – mit regionalen Unterschieden – höchstens 65 Jahre alt sein, die Obergrenze zwischen 70 und 75 Jahren. Künftig geht es um die „individuelle Spendentauglichkeit“, die unabhängig vom Alter sein soll.

Grünen-Politiker täuschte Bedrohungen vor

Ein ehemaliges Mitglied des Erkelenzer Stadtrats hat Bedrohungen gegen sich erfunden. Vier Strafanzeigen hatte der Grünen-Politiker erstattet. Angeblich war sein Auto mit einem Hakenkreuz und dem Schriftzug „Jude“ beschmiert worden, an seinem Hauseingang wollte der Mann SS-Runen entdeckt haben. Schließlich will er einen mit Rasierklingen gefüllten Brief und Morddrohungen der „NSU 2.0“ erhalten haben.

Alles erfunden, vermutete die Polizei recht schnell. Nach einer Durchsuchung seiner Wohnung, bei der wohl passende Malutensilien gefunden wurden, gab der Mann seine Täuschung zu. Gegen eine Geldstrafe von 3.600 Euro legte er dennoch Einspruch ein. Die Verhandlung lief jedoch nicht sonderlich erfolgreich. Sein Anwalt zog den Einspruch nach einem Rechtsgespräch zurück. Von seinen politischen Ämtern ist er zurückgetreten.

Schufa-Score rechtswidrig?

Die Schufa bewertet die Kreditwürdigkeit von Bürgern mit einem weitgehend geheimen Algorithmus. Doch diese Praxis könnte unwirksam sein, so jedenfalls die Tendenz am Europäischen Gerichtshof. Dort hat der zuständige Generalanwalt nun erhebliche Zweifel am Schufa-Score in seiner aktuellen Form geäußert.

Das EU-Recht will vermeiden, dass alleine Maschinen über Dinge wie Kreditwürdigkeit entscheiden. Da die Schufa den Score aber auch nach eigenen Angaben automatisch ermittelt, sieht der Generalanwalt ein unzulässiges Profiling gemäß Art. 22 DSGVO. Außerdem sieht der Generalanwalt eine Pflicht zur Transparenz. Der Betroffene müsse erfahren können, welche Daten in die Prüfung einfließen und nach welcher konkreten Methode ein Ergebnis zustande kommt. Die deutschen Gerichte haben die Schufa-Methode bislang quasi als Geschäftsgeheimnis anerkannt.

Außerdem kritisiert der Generalanwalt, dass die Schufa Daten doppelt so lange vorhält wie die zuständigen Registergerichte. Die nach einem Jahr vorgesehene Löschung solle Schuldnern die Rückkehr ins Wirtschaftsleben ermöglichen. Wenn die Schufa Daten bis zu zwei Jahre speichere, werde dieses Ziel konterkariert.

Mit einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs ist erst in einigen Monaten zu rechnen. In den meisten Fällen folgt das Gericht den Schlussanträgen des Generalanwalts (Aktenzeichen C-634/21).

Soldat muss Impfung nicht zustimmen

Wenn man rechtlich zu etwas verpflichtet ist, dann muss man sich nicht noch freiwillig damit einverstanden erklären. Diese Selbstverständlichkeit hat das Bundesverwaltungsgericht nun in einem Urteil hervorgehoben. Allerdings aus berechtigtem Anlass: Einem Soldaten wurde es als Befehlsverweigerung ausgelegt, weil er sich nicht schriftlich mit der Impfung gegen Covid-19 einverstanden erklärte – obwohl er zur Impfung aufgrund gesetzlicher Vorgaben verpflichtet ist.

Der Soldat hatte sich zur vorgeschriebenen Impfung gemeldet. Er kreuzte auf dem ärztlichen Anamnesebogen an, dass er die Impfung ablehnt. Gleichzeitig fügte er aber einen Hinweis hinzu: „Duldungspflicht, da einsatzgleiche Verpflichtung“. Nach eigenen Angaben war er auch bereit, sich impfen zu lassen. Die Mitarbeiterin im Sanitätszentrum schickte ihn nach Hause.

Laut Bundesverwaltungsgericht legt das Dienstrecht dem Soldaten lediglich die „Duldung“ der Impfung auf. Das sei weniger als die Pflicht, sich auch noch ausdrücklich damit einverstanden zu erklären. Für den Soldaten ging es um einiges. Gegen ihn wurden fünf Tage Disziplinarrest verhängt. Zur genaueren Aufklärung des Hergangs wurde die Sache an das Truppendienstgericht zurückverwiesen (Aktenzeichen 2 WNB 2.22).

Luises Tod und die Frage nach der zivilrechtlichen Haftung

Der gewaltsame Tod der 12-jährigen Luise beschäftigt die Menschen. Strafrechtlich können die mutmaßlichen Täterinnen nicht zur Verantwortung gezogen werden. Sie sind nicht strafmündig. Die Rechtslage habe ich hier umrissen. Unabhängig davon ist die Frage, ob die Verdächtigen möglicherweise zivilrechtlich verantwortlich sind – oder sogar ihre Eltern. Konkret geht es vor den Zivilgerichten um Schadensersatz und – vor allem – Schmerzensgeld.

Zivilrechtlich sind die Altersgrenzen im Bürgerlichen Recht anders als im Strafrecht. Keinerlei Ansprüche können gegen Kinder erhoben werden, die noch nicht sieben Jahre alt sind (§ 828 Abs. 1 BGB). Im Alter zwischen 7 und 18 Jahren haften Kinder und Jugendliche, wenn sie „bei Begehung der schädigenden Handlung“ die zur „Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht“ besitzen.

Das wird juristisch anhand folgender Frage beantwortet:

Ist der Betroffene nach seiner individuellen Verstandesentwicklung fähig, die Gefährlichkeit seines Tuns zu erkennen und sich der Verantwortung für sein Tun bewusst zu sein.

Kein Außenstehender kann niemand etwas zum Entwicklungsstand und der Einsichtsfähigkeit der 12- und 13-jährigen Mädchen sagen, denen die Tötung zur Last gelegt wird. Aber allgemein lässt sich festhalten, dass die zivilrechtliche Haftung für eine Messerattacke mit tödlichem Ausgang nicht ganz fern liegt. So musste ein 7-Jähriger haften, weil er trotz Warnung jemandem mit einer Schleuder ein Auge ausgeschossen hat. 10-Jährige sind verantwortlich für das Abfackeln einer Scheune oder die Verletzung eines Spielkameraden mit einem Beil. Ebenso verurteilt wurde ein 12-jähriger Sonderschüler, der auf einem Spielplatz mit Steinen warf.

In einem Prozess würde es natürlich in erster Linie um ein Schmerzensgeld gehen. Die Eltern von Luise haben einen möglichen Schmerzensgeldanspruch geerbt. Die in diesem Fall sicherlich besonders traurige Wahrheit ist allerdings: In Deutschland ist der Tod eines Menschen nicht sonderlich viel wert. Sofern das Opfer an Ort und Stelle verstirbt und nicht noch mehr oder weniger lange leidet, belaufen sich die Schmerzensgelder auf eher geringe Summen. Es gibt Urteile, die in solchen Fällen zehn- bis fünfzehntausend Euro zusprechen. Die Summe scheinen mir oft eher geeignet, bei den Hinterbliebenen noch zusätzliche Schmerzen zu verursachen.

Hinterbliebenen können auch eigene Schmerzensgeldansprüche zustehen. Diese setzten früher eine erhebliche Beeinträchtigung voraus, die über die in solchen Fällen normale psychische Belastung hinausgeht. Die Betroffenen, das können neben den Eltern auch Großeltern und Geschwister sein, mussten beweisen, dass sie nicht nur trauern, sondern tatsächlich physisch oder psychisch krank geworden sind.

Verbessert hat sich die Situation durch § 844 BGB. Dieser gewährt nahestehenden Personen einen eigenen Anspruch auf Schmerzensgeld und Schadensersatzansprüche, zum Beispiel wenn der Getötete unterhaltspflichtig war. Der Gesetzgeber geht beim eigenständigen Schmerzensgeldanspruch von etwa 10.000 Euro aus.

Selbst wenn die verdächtigen Kinder zivilrechtlich verantwortlich sind, muss sich ihre Ersatzpflicht also keineswegs auf exorbitant hohe Beträge belaufen. Die momentane finanzielle Situation der Mädchen spielt allerdings erst mal keine Rolle. Sollten sie zu Schmerzensgeld oder Schadensersatz verurteilt werden, erhalten die Kläger einen vollstreckbaren Titel. Aus diesem Urteil kann 30 Jahre vollstreckt werden. Also auch dann noch, wenn die Betreffenden arbeiten und Schulden abtragen können.

Haften möglicherweise die Eltern der Verdächtigen? Das ist denkbar, denn § 832 BGB normiert eine Haftung von Aufsichtspflichtigen. Das berühmte, aber ebenso oft missverstandene „Eltern haften für ihre Kinder“. Allerdings greift die Haftung laut Gesetz nicht, wenn die Eltern ihrer Aufsichtspflicht genügt haben oder der Schaden auch bei korrektem Verhalten entstanden wäre.

Ausgehend von dieser Prämisse müssten die Eltern konkrete Anhaltspunkte für eine Gewaltbereitschaft ihrer Kinder gehabt haben, noch dazu in diesem exorbitanten Ausmaß. Das erscheint doch eher unwahrscheinlich.

Im Ergebnis lässt sich festhalten: Vor das Strafgericht wird der Fall nicht kommen. Es sei denn natürlich, die derzeit laufende Suche nach strafmündigen Mittätern oder Gehilfen ist erfolgreich. Zivilrechtlich könnten die Eltern von Luise sehr wohl vorgehen – wenn sie die Kraft und die Nerven dafür haben. Zeit bleibt ihnen immerhin. Die Ansprüche wegen der Tötung eines Menschen verjähren erst nach 30 Jahren.