„Beschissene Situation“

Die einen scherzen über ein „Konjunkturpaket für Gerichtsvollzieher“, die anderen fürchten ernsthafte Konsequenzen für ihre Tätigkeit als Anwalt. Letzten Donnerstag habe ich ein Urteil des Anwaltsgerichts Düsseldorf vorgestellt, das ein wichtiges Instrument im Arbeitsalltag eines Anwalts möglicherweise hinfällig macht: die (vereinfachte) Zustellung von Anwalt zu Anwalt.

Rechtsanwalt Christian Franz aus Düsseldorf hat die Entscheidung mit einer Selbstanzeige herbeigeführt. In einem Beitrag für das law blog erklärt er seine Motive und den Hintergrund.

Von Christian Franz, LL.M.

Das Urteil des Anwaltsgerichts Düsseldorf zur fehlenden Berufspflicht zur Mitwirkung bei Zustellungen von Anwalt zu Anwalt geht auf meine „Selbstanzeige“ nach § 123 BRAO zurück, um mich vom Vorwurf einer Berufsrechtspflichtverletzung zu reinigen (so heißt das tatsächlich). Und so bin ich nun frisch geputzt, aber auch ein bisschen schlauer – und mit mir der Rest jedenfalls des Teils der Anwaltschaft, der regelmäßig mit einstweiligen Verfügungen zu tun hat.

Wie es in den Kommentaren zum Beitrag von Herrn Kollegen Vetter schon heißt: „beschissene Situation“ ist noch euphemistisch ausgedrückt. Im konkreten Fall musste binnen weniger Stunden eine Entscheidung getroffen werden, und in welche Richtung man auch blickte: überall Elend. Entweder man bereitete einem Kollegen ein massives Problem – oder seinem eigenen Mandanten, der bei der Verweigerung der erforderlichen aktiven und willentlichen Mitwirkung (bloß in die Hand nehmen reicht nicht) die Aussicht hatte, einer belastenden Unterlassungsverpflichtung zu entgehen und nebenbei noch einen hoch vierstelligen Betrag zu sparen.

Ich habe mich nach sehr sorgfältiger Prüfung gegen die Mitwirkung, also für den Mandanten und gegen die Kollegialität entschieden. Das ist mir nicht leicht gefallen, war aber – insbesondere auch in der Retrospektive – die richtige Entscheidung. Und ich bin ein wenig stolz darauf, binnen dreier Stunden an einem Freitag Nachmittag „entdeckt“ zu haben, was einige Gerichte seit Anfang der 90er Jahre übersehen haben. Denn es kann keinen vernünftigen Zweifel daran geben, dass das Urteil mit Blick auf die fehlende Satzungskompetenz richtig ist.

Das bedeutet aber nicht, dass die Rechtslage auch befriedigend wäre – im Gegenteil.

Wir sind im gewerblichen Rechtsschutz tätig und erleben die Schwierigkeiten bei der Zustellung mit schöner Regelmäßigkeit auch in umgekehrter Richtung. Das ist allerdings ein Problem, das sich nicht auf das Berufsrecht auslagern lässt, sondern (endlich) prozessrechtlich anzugehen wäre. Im Moment ist es so, dass selbst eine Zugangsvereitelung (Klingelschild abmontieren o.ä.) den zustellenden Gläubiger wegen Fristversäumnis in die Bredouille bringt (das ist eine Besonderheit der Vollziehungszustellung). Es ist dringend geboten, die wirksame Vollziehung an einen objektiven Akt zu knüpfen, der außerhalb der Einflusssphäre des Schuldners liegt, also etwa die (bloße) Beauftragung eines Gerichtsvollziehers mit der Zustellung.

Aber das Urteil ist auch aus anderen Gründen richtig, nicht nur wegen der von mir „entdeckten“ fehlenden Satzungskompetenz: das Bundesverfassungsgericht hat mehrfach und klipp und klar zum Ausdruck gebracht, dass selbst gesetztes Berufsrecht keine Pflicht begründen kann, gegen die Interessen des eigenen Mandanten zu handeln, wenn eine alternative Handlung zugunsten des Mandanten prozessual zulässig ist, zum Beispiel hier. Und eine prozessuale Pflicht zur Mitwirkung bei Zustellungen gibt es nun einmal nicht.

Die Auswirkungen auf die Praxis werden allerdings trotzdem gering bleiben. Einerseits, weil die Mitwirkung (auch) bei einer Vollziehungszustellung von Anwalt zu Anwalt oft im Interesse des Mandanten liegen wird, wenn nämlich grundsätzlich noch die Zeit für eine Zustellung per Gerichtsvollzieher bliebe. Andererseits, weil sich (hoffentlich spätestens jetzt) herumsprechen wird, dass die verzögerte Absetzung von Urteilen durch das Gericht in Eilsachen den Gläubigeranwalt gar nicht unter Druck setzen kann. Die ZPO hat auch auf diese Situation eine sinnvolle Antwort parat: § 317 Abs. 2 S. 2 ZPO.

Wir beantragen eine solche Ausfertigung ohne Sachverhalt und Gründe, wenn wir eine Woche nach Verkündung noch nichts gehört haben. So bleiben rund drei Wochen Zeit, um die Verfügung zu vollziehen. Und weil wir das Theater kennen, haben wir meist schon mit Beantragung der Verfügung die erforderlichen Ermittlungen (bis zur Einwohnermeldeamtsanfrage nach dem privaten Wohnsitz eines Geschäftsführers oder Vorstands) in die Wege geleitet.

Was den Ausgang des zugrundeliegenden Verfahrens angeht: dem Gegner ist die Puste ausgegangen – die Verfügung war seine Retourkutsche für seine vorherige Inanspruchnahme und so wichtig war es ihm dann wohl doch nicht. Mein Mitleid hält sich in Grenzen – und der Gegner hat aufgehört, mit Fotos von künstlerisch hochwertigen Grabsteinen unseres Mandanten als eigene Leistungsergebnisse zu werben. Insoweit habe ich ein ruhiges Gewissen.

Was den Kollegen angeht, der die Gegenseite vertrat: auch wenn er (siehe oben) handwerkliche Fehler gemacht haben dürfte, kann man nicht übersehen, dass die Rechtsprechung bislang ziemlich blind an der vor-Bastille-Rechtslage festgehalten und eine Mitwirkungspflicht apodiktisch bejaht hat. Da konnte er schon damit rechnen, dass ich das Empfangsbekenntnis vollziehe.

Andererseits: hätte er mich nicht in die Lage gebracht, wegen der offenkundigen Unmöglichkeit der Zustellung durch Gerichtsvollzieher an einem Freitag Nachmittag eine Entscheidung treffen zu müssen, wäre es zu diesem Urteil gar nicht gekommen.

Und so schreibe ich mir auf die Fahnen, § 14 BORA, wie wir ihn kannten, eigenhändig zu Fall gebracht zu haben. Der Mandant ist zufrieden, den gegnerischen Kollegen rettet die Berufshaftpflichtversicherung und wir haben ein bisschen mehr Rechtssicherheit in dem Sumpf, der das Zustellungsrecht ist. Und ich habe für 300,00 € berufsrechtliche Literatur im Haus, die ich hoffentlich nie mehr brauche.

Christian Franz ist Rechtsanwalt in der Kanzlei Bötcher Dretzki & Franz in Düsseldorf

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14-Jähriger mit eigener Security

Für den Umgang mit jungen Intensivtätern gibt es viele Vorschläge. Das Essener Jugendamt geht nun einen Weg, der bundesweit bislang einmalig sein dürfte. Die Behörde lässt einen 14-jährigen Jungen rund um die Uhr überwachen. Von einem Sicherheitsdienst. Für 1.500 Euro pro Tag.

Seit seinem elften Jahr sei der Junge mit Straftaten aufgefallen, berichtet der WDR. Der 14-Jährige habe geklaut, geraubt und andere mit Messern angegriffen. Bislang konnte man dem Jungen juristisch nicht beikommen. Strafmündig wird man erst mit 14 Jahren.

Wegen der „Gefahr für die Allgemeinheit“ habe sich das Jugendamt zu der Dauerüberwachung entschlossen, heißt es. Ein Wachmann steht rund um die Uhr vor dem Haus, in dem der junge Mann wohnt. Verlässt er das Gebäude, weicht ihm der Wachmann nicht von der Seite. Die Maßnahme dauert nun schon vier Wochen. Dafür bezahlt die Stadt 1.500 Euro pro Tag.

Natürlich stellt sich die Frage, ob so eine Aktion, die ja tief in die Rechte des Jungen eingreift, juristisch noch vertretbar ist. Die Stadt Essen jedenfalls ist der Meinung. Sie beruft sich auch auf greifbare Erfolge. Seitdem der Wachdienst im Einsatz ist, habe der 14-Jährige keine Straftaten mehr begangen.

Ob die Überwachung weitergeht, ist eine andere Frage. Die Maßnahme werde jeden Tag überprüft, sagt die Stadt. Allerdings wird man kaum so einfach sagen können, jetzt ist die Gefahr vorbei, denn nach seinen nächsten Taten wandere der jetzt strafmündige Junge früher oder später ja ohnehin in Haft. Die bis dahin – nach der Logik des Jugendamtes – in Kauf genommenen Opfer würden sich sicher bedanken.

Tempokontrolle mit Taschenuhr

Die zulässige Höchstgeschwindigkeit in den Pioniertagen des Automobils betrug generell 12 Stundenkilometer, acht Kilometer mehr galten als skandalöse Geschwindigkeitsüberschreitung. Dabei konnten die Autos schon schneller, wie die ersten erfolgreichen Tempokontrollen zeigten.

Eine davon beschreibt Martin Rath in einem rechtsgeschichtlichen Artikel für die Legal Tribune Online. In Kehl am Rhein machte die Polizei Anfang des 20. Jahrhunderts etwa mit Polizeiposten Jagd auf Temposünder. Polizeibeamte gaben sich Flaggensignale bei der Durchfahrt von Autofahrern. Gestoppt wurde das Tempo mit Hilfe normaler Taschenuhren, natürlich ohne die noch nicht verbreitete Stoppfunktion.

Auch die juristischen Debatten sind gleichgeblieben. Ertappte Autofahrer wehrten sich vor Gericht gegen die „Messmethode“, hatten aber kaum Erfolg. Dem Amtsgericht Kehl am Rhein genügten die Feststellungen der Beamten voll und ganz, immerhin waren sie ja technisch auf der Höhe der Zeit. Dass ein prominenter Autofahrer die Polizisten „herablassend“ behandelt hatte, wurde ihm straferschwerend angekreidet.

Allerdings hat sich auch einiges geändert. Früher demonstrierten vom Automobil genervte oder gar geängstigte Menschen auch mal mit Drahtfallen gegen den Durchgangsverkehr; sogar Tote soll es gegeben haben. Heute bleibt es meist bei Transparenten in der Ortsdurchfahrt. Ein Fortschritt immerhin.

Zum Artikel

Software-Kauf führt zu Hausdurchsuchung

Käufer der angeblichen Hackersoftware „Blackshades“ müssen in Deutschland mit einer Hausdurchsuchung rechnen. Seit einigen Tagen läuft die bundesweite Durchsuchungsaktion, die das Bundeskriminalamt steuert. Bei den Durchsuchungen wird die gesamte Hardware des Betroffenen sichergestellt.

Die Polizeiaktionen richten sich allerdings nicht gegen Nutzer, die Blackshades nachweislich illegal eingesetzt haben. Vielmehr knüpfen die Behörden laut den Durchsuchungsbeschlüssen des Amtsgerichts Gießen, die ich kenne, lediglich an den Erwerb der Software an. Verdächtig sind also alle Käufer der Software, schon weil sie diese gekauft haben.

So viel ist klar: Blackshades, bis vor kurzem online zu erwerben, ist ein Tool, das für vielerlei Angriffe auf fremde Rechner geeignet ist. Es kann die Kontrolle über fremde Computer übernehmen. Ebenso ist Blackshades unter anderem in der Lage, als Keylogger zu dienen, die Webcam zu steuern, Screenshots des Bildschirms über die Fernsteuerung zu machen. Es eignet sich also durchaus zum Diebstahl digitaler Identitäten.

Außerdem verfügt Blackshades über eine „Ransomware“-Funktion, die den Rechner des Nutzers blockieren kann. Diese soll ausgenutzt worden sein, um von den Eigentümern gekaperter Systeme Lösegeld für die Freigabe der Daten zu fordern.

Allerdings gibt es eine Vielzahl von Software, die gleiche oder ähnliche Funktionen hat. Viele der Softwarekomponenten von Blackshades sind gängiges Arbeitswerkzeug von Administratoren, Nerds, nichtkriminellen Hackern und stinkormalen PC-Schraubern.

Dennoch bejahen die Durchsuchungsbeschlüsse, erlassen vom Amtsgericht Gießen, einen Anfangsverdacht wegen bloßen Besitzes der Software. Nach Auffassung des Gerichts handelt es sich bei Blackshades nämlich nicht um eine „dual-use“-Software, die für legale wie illegale Zwecke eingesetzt werden kann.

Die Beantwortung dieser Frage ist aber juristisch weichenstellend. Denn für die Anwendung des seit langem umstrittenen „Hackerparagrafen“ reicht es nach höchstrichterlicher Rechtsprechung eben nicht aus, dass eine Software Schaden anrichten kann. Vielmehr fordert das Bundesverfassungsgericht eine strenge Auslegung der sehr weit gefassten Vorschrift. In ihrer Grundsatzentscheidung zu dem Thema betonen die Richter, dass zumindest bei einer „dual-use“-Software nicht automatisch ein strafbares Hackertool vorliegt.

Das Amtsgericht Gießen verneint nun den „dual use“. Allerdings ohne nachvollziehbare Begründung. In dem Beschluss wird behauptet, die Software diene ausschließlich zur Begehung krimineller Handlungen, sie enthalte nämlich keinerlei „legitime Funktionalitäten“. Wie die Abgrenzung erfolgt – darüber kein Wort.

Überdies hat das Bundesverfassungsgericht auch klar gemacht, dass es auch auf den Vorsatz des Softwarenutzers ankommt. Ein Hackertool wird also erst ein Hackertool, wenn der Betreffende den hierfür erforderlichen Willen hat.

Es ist klar, dass der bloße Kauf von Software kein ausreichendes Indiz dafür ist, dass diese auch strafbar genutzt werden soll.

Das Gericht bejaht dennoch den Anfangsverdacht. Dies geschieht mit einer Begründung, wie wie wir sie zuletzt im Fall Edathy gehört haben. Laut Gericht begründet „kriminalistische Erfahrung im Phänomenbereich Cybercrime“ den Verdacht, der Käufer von Blackshades werde das Programmpaket nutzen, um fremde digitale Identitäten auszuspähen. Primärer Nutzen sei es, dann auf Webportalen wie Amazon und Ebay und / oder via Kreditkarte betrügerisch Waren oder Dienstleistungen entgegenzunehmen.

Das Amtsgericht Gießen sieht sogar einen konkreten Anreiz für jeden Blackshades-Käufer, die Software strafbar zu nutzen. Immerhin, so die Argumentation in den mir bekannten Fällen, habe der User Geld für das Programm gezahlt. Ihm komme es also geradezu darauf an, diese Ausgabe durch entsprechende Einnahmen aus dem betrügerischen Einsatz von Opferdaten zu kompensieren.

In den mir bekannten Fällen haben die Beschuldigten stolze 27,95 Euro für Blackshades bezahlt.

Wie im Fall Edathy wird hier mit nebulöser kriminalistischer Erfahrung, beim Kaufpreis sogar mit absurd hochgebauschten Unterstellungen gearbeitet.

Da überrascht es nicht, dass die Ermittlungen im Fall Edathy und Blackshades beide an gleicher Stelle geführt werden. Zuständig ist die Cybercrime-Schwerpunktstaatsanwaltschaft ZIT in Gießen, die auch für den Sitz des Bundeskriminalamtes zuständig ist. Interessanterweise ist es auch der gleiche Richter, welcher die Beschlüsse in den Fällen Edathy (Operation SPADE) und nun Blackshades erlassen hat. Über das BKA in Wiesbaden kamen die Ermittlungen ins Rollen, denn dieses erhielt laut dem Gerichtsbeschluss seine Informationen vom amerikanischen FBI.

Ansage für die Bahn

Auf die Größe kommt es nicht an, und Fahrgäste haben überall die gleichen Rechte. Deshalb muss die Bahn Reisende auch an ihren kleinen Stationen aktiv über Zugverspätungen informieren.

Die Ansage kam gestern vom Oberverwaltungsgericht Münster. Dort hatte sich die Betriebsgesellschaft der Bahnhöfe dagegen gewehrt, auch Mini-Bahnhöfe mit Info-Displays auszustatten. Das Oberverwaltungsgericht bejaht nun dagegen genau diese Pflicht, wie zuvor schon die erste Instanz.

Zur Begründung verweisen die Richter auf die Europäische Fahrgastrechte-Verordnung. Dort sei ausdrücklich festgelegt, dass Kunden an Bahnhöfen aktiv über Fahrtausfälle informiert werden müssen. Es reiche nicht, so das Gericht, dass an den Bahnhöfen Schilder mit Hotline-Nummern hängen, wo Fahrgäste telefonisch nachfragen können. Zumal die Hotlines teilweise kostenpflichtig sind.

An etwa 300 Bahnhöfen soll es noch keine Info-Tafeln geben. Insgesamt betreibt die Bahn rund 5.500 Stationen. Die Bahn kann noch Revision gegen das Urteil einlegen (Aktenzeichen 16 A 494/13).

Neues im Blog

Das law blog ändert ab heute etwas sein Erscheinungsbild. Wir bringen künftig Werbung.

Die Erlöse werden wir nutzen, das Blog spannender, informativer und unterhaltsamer zu machen.

Die Vermarktung übernimmt die Firma businessAD.

Wir freuen uns auf Feedback, in den Kommentaren zu diesem Eintrag.

Noch was: Adblock-Nutzer können ganz einfach Ausnahmen für einzelne Angebote definieren. Wäre toll, wenn das der eine oder andere in Erwägung zieht.

Grüner Ausgang

Einen mit dem Namen seines einjährigen Sohnes gravierten Schlagring wollte ein Türkeireisender nach Deutschland schmuggeln.

Der Mann hatte sich am Flughafen Düsseldorf zum grünen Ausgang für anmeldefreie Waren begeben. Er wurde angehalten, und bei der Röntgenkontrolle seines Gepäcks tauchte der Schlagring auf dem Bildschirm der Beamten auf.

Von sich aus erzählte der Mann, er habe den Schlagring in einem großen Einkaufszentrum in der Türkei für etwa 20 Euro gekauft. Der eingravierte Name sei der seines Sohnes. Womit auch belegt sei, dass er das gute Stück „nur für die Vitrine“ erworben habe.

Juristisch machte die Beteuerung aber erst mal keinen Unterschied. Die Beamten leiteten ein Strafverfahren gegen den Touristen ein, unter anderem wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz.

Der Schlagring, ein in Deutschland verbotenes Utensil, kriegt auf keinen Fall einen Ehrenplatz im Wohnzimmer. Er wird wohl in der Asservatenkammer versauern oder vernichtet werden.

Gutgläubigkeit kann hilfreich sein

Sie kommen im schicken Design und versprechen kostenlosen Filmgenuss ohne Ende. Derzeit drängen zahlreiche Film-Apps auf den Markt, denen ein Makel anhaftet: Kostenlos ist meist illegal. Jetzt gibt es die ersten Abmahnungen.

Eine der verlockenden Apps heißt cuevana.tv. Ähnlich wie das bereits bekannte Popcorn TV ködert das Angebot Zuschauer mit kostenlosen Filmangeboten. Was den Nutzern allerdings nicht oder jedenfalls nur sehr ausweichend erläutert wird, ist die Technik hinter dem tollen Service.

Tatsächlich grasen die Apps ganz normale Torrent-Verzeichnisse ab. Sie fungieren also eigentlich als Filesharing-Client. Allerdings mit dem Zusatznutzen, dass die Filme gleich abgespielt werden. Dumm für die Nutzer ist allerdings, dass sie bei einer Verbindung mit Torrent-Netzwerken die runtergeladenen Filmdateien auch gleichzeitig wieder anbieten. Das kann urheberrechtlich als „Verbreitung“ gewertet werden.

Nun nehmen Abmahnanwälte die Kunden von cuevana.tv in die Zange. Die Anwaltskanzlei Waldorf Frommer aus München mahnt nach Angaben der Mainzer Anwaltskanzlei GGR Nutzer ab, die sich Filme über cueana.tuv / Torrent angeschaut haben.

Wenig überraschend ist, dass Waldorf Frommer in ihren Abmahnungen gar nicht von dem sprechen, für was die Betroffenen die Angebote sicherlich häufig halten: juristisch (derzeit) unbedenkliches Streaming – zuletzt intensiv diskutiert wegen der massenhaften Pornoabmahnungen im Fall Redtube.

Vielmehr geben die Anwälte an, die Empfänger der Schreiben hätten Filesharing betrieben. Was aus technischer Sicht durchaus zutreffend sein könnte.

Juristisch werden sich nun viele Fragen stellen. Eventuell auch danach, ob es sich aus Nutzersicht bei cuevana.tv um eine offensichtlich rechtswidrige Quelle im Sinne des Gesetzes handelt. Gutgläubige Nutzer, die von einem Streaming-Angebot ausgingen und sich dementsprechend nicht als Verbreite sehen mussten, können sich auf diesem Weg vielleicht aus der Affäre ziehen.

Wer sich für kostenlose Angebote interesssiert, wird aber spätestens ab jetzt kritisch fragen müssen, ob er wirklich (nur) einen legalen Streaming-Dienst in Anspruch nimmt. Zumindest, wenn er keinen Wert auf. Abmahnungen legt.

Dashcams – nicht ohne Risiko

Dashcams fürs Auto sind ein Renner in Elektromärkten. Immer mehr Autofahrer klemmen sich so eine Kamera hinter die Windschutzscheibe.

In meiner aktuellen ARAG-Kolumne erläutere ich die Probleme rund um Dashcams. Und beantworte vor allem die Frage, ob die Geräte eigentlich zulässig sind.

Zum Beitrag.

„Privates“ Knöllchen

Dürfen Polizisten in ihrer Freizeit Knöllchen verteilen? Diese Frage stellt sich eine Frau aus Haltern. Ein Polizist hatte ihr einen Strafzettel über 15 Euro ausgestellt, obwohl der Beamte gar nicht im Dienst war.

Die Frau klagte der Haltener Zeitung ihr Leid. Aber, so heißt es auch korrekt in dem Bericht, Polizisten dürfen grundsätzlich auch außerhalb ihrer Dienststunden „arbeiten“.

Da gibt es keine Bagatellgrenze. Das Knöllchen ist somit formell nicht zu beanstanden. Allerdings musste der Beamte nicht einschreiten, denn es handelt sich nur um eine Ordnungswidrigkeit. Da gilt, im Gegensatz zu Straftaten, das sogenannte Opportunitätsprinzip. Das heißt, der Beamte darf beide Augen zudrücken. Er muss nicht jeden Falschparker aufschreiben. Oder jeden Rotlichtsünder stellen. Weder im Dienst noch in seiner Freizeit.

Ganz so schutzlos, wie im Artikel dargestellt, ist die Frau allerdings nicht. Zwar ist es auch zulässig, wenn ein Beamter einen Tempoverstoß nur nach Augenmaß beurteilt. Allerdings hängt die Genauigkeit der Schätzung von vielen Faktoren ab. Vor Gericht lässt sich das natürlich einfacher in Zweifel ziehen als die Messung mit einer Radarfalle.

Da dürfte dann auch eine Rolle spielen, ob der Polizist im Dienst war oder nicht. Man unterscheidet nämlich zwischen „gezielter Verkehrsüberwachung“ oder reinen Zufallsbeobachtungen. Bei letzteren, und dafür spricht hier ja einiges, fällt der bei Schätzungen ohnehin happige Toleranzabzug auch mal höher aus.

Tote brauchen keine Medikamente

Das gibt es auch nicht alle Tage: In Braunschweig ist ein Mann wegen „gewerbsmäßigen Betrugs durch Unterlassen“ angeklagt. Andere durch Nichtstun übers Ohr hauen – das muss einem erst mal gelingen.

Tatsächlich ist der Fall nicht gerade alltäglich. Der 67-jährige Wolfsburger soll seine Mutter im Wald vergraben haben. Sein Ziel: die Rente und das Pflegegeld der Mutter weiter zu erhalten.

Das gelang dem Mann auch eine beträchtliche Zeit. Die Leistungen wurden zwei Jahre weitergezahlt; insgesamt mehr als 20.000 Euro. Die Sache flog erst auf, als der Pflegedienst die Mutter nicht mehr erreichte. Dann wurde festgestellt, dass die Frau schon seit November 2011 ihre lebensnotwendigen Medikamente nicht mehr bezogen hatte.

Bei einer Wohnungsdurchsuchung schlugen Leichenspürhunde an. Der Mann räumte ein, seine Mutter im Wald vergraben zu haben. Allerdings versicherte er, seine Mutter sei eines natürlichen Todes gestorben. Tatsächlich ergab die Obduktion der Leiche keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Seniorin umgebracht wurde.

Zustellung: Anwalt darf nein sagen

Dieses Urteil wird noch Stress machen, vor allen Klägern und ihren Anwälten. Laut dem Anwaltsgericht Düsseldorf ist ein Anwalt nicht verpflichtet, gegen die ausdrückliche Weisung seines Mandanten formale Zustellungen vom gegnerischen Prozessbevollmächtigten entgegenzunehmen. Gerade, aber nicht nur im Wettbewerbsrecht sind oft enge Fristen einzuhalten, die ohne die einfache „Zustellung von Anwalt zu Anwalt“ kaum zu bewältigen sind.

Bei einstweiligen Verfügungen ist der Klägeranwalt besonders in der Pflicht. Er muss die einstweilige Verfügung innerhalb eines Monats von sich aus formwirksam zustellen. Meist geht schon mal viel Zeit ins Land, bis das Gericht die schriftliche Version zur Verfügung stellt. In dem vom Anwaltsgericht Düsseldorf entschiedenen Fall blieben dem siegreichen Anwalt nur knapp 48 Stunden, um der unterlegenen Partei die Verfügung zuzustellen.

Das ging praktischerweise nur per Fax. Bisher war es gängige Praxis, solche Dokumente per Fax „von Anwalt zu Anwalt“ zu übermitteln. Die Verwendung dieses neumodischen E-Mail-Zeugs gilt als nicht sicher. Nicht aus technischen, sondern juristischen Gründen.

Immerhin, was das Fax angeht, herrschte bislang weitgehend Einigkeit, dass Anwälte sich untereinander den Empfang von Unterlagen bestätigen müssen. Gerade, wenn ein gerichtliches Verfahren läuft. Das wird im Kern auf § 14 der Berufsordnung für Rechtsanwälte gestützt, der wie folgt lautet:

Der Rechtsanwalt hat ordnungsgemäße Zustellungen entgegenzunehmen und das Empfangsbekenntnis mit dem Datum versehen unverzüglich zu erteilen. Wenn der Rechtsanwalt bei einer nicht ordnungsgemäßen Zustellung die Mitwirkung verweigert, muss er dies dem Absender unverzüglich mitteilen.

Das Anwaltsgericht Düsseldorf stellt sich nun auf den Standpunkt, dass die Vorschrift gar nicht für Zustellungen unter Anwälten gilt. Vielmehr legt das Gericht die Norm so aus, dass sie nur im Verhältnis von Anwälten und Gerichten, möglicherweise auch gegenüber sonstigen Behörden anwendbar ist. Für die Zustellung von Anwalt zu Anwalt gelte die Norm jedoch nicht.

Aber selbst wenn man die Regelung anwenden will, so das Gericht, geht die Treuepflicht des Anwalts gegenüber dem eigenen Mandanten vor. Bestehe der Mandant darauf, dass ein Anwalt das Schriftstück eines anderen Anwalts nicht als „zugestellt“ annimmt, dann dürfe dieser das nicht. Ansonsten mache sich der Anwalt sogar strafbar, wegen Parteiverrats.

Konkrete Weisung geht also vor Berufspflicht – das werden Mandanten schnell zu Kenntnis nehmen. Und ab sofort womöglich schon vorsorglich ihren Anwälten auftragen, keine Zustellungen von anderen Anwälten mehr anzunehmen.

Für die Anwälte auf der Zustellungsseite, die ja unter Fristendruck stehen, hat das Anwaltsgericht nur eine Lösung parat. Sie müssen sich halt auf die Zustellung via Gerichtsvollzieher einrichten und entsprechend Zeit einplanen. Denn gegenüber einem Gerichtsvollzieher kann man, auch ein Anwalt, die Entgegennahme des Schriftstücks zwar ablehnen. Es gilt dann aber trotzdem als zugestellt.

Der betroffene Anwalt wurde deshalb vom Vorwurf einer Verletzung des Berufsrechts freigesprochen (Aktenzeichen 3 EV 546/12).

Nachtrag: Anmerkungen zum Urteil auch im ZPO-Blog

Freispruch im Mordfall Peggy

Im Mordfall Peggy gibt es einen Freispruch. Das Landgericht Bayreuth hob heute in einem Wiederaufnahmeverfahren das frühere Urteil gegen Ulvi K. auf.

Nach Auffassung des Gerichts gibt es keinerlei Belege dafür, dass Ulvi K. die damals neunjährige, bis heute verschwundene Peggy umgebracht hat.

Der Freispruch erfolgte, obwohl Ulvi K. die Tat ursprünglich gestanden hatte. Er widerrief dieses Geständnis später.

Im Wiederaufnahmeverfahren ergaben sich nun erhebliche Zweifel, ob Ulvi K. überhaupt der Täter sein kann. Laut dem Vorsitzenden Richter ist nicht auszuschließen, dass Ulvi K. möglicherweise „Parallel-Erlebnisse“ in seinen Aussagen verwertet hat.

Ulvi K. habe sich als stark fantasiebegabt erwiesen, so dass eine Verurteilung keineswegs nur auf seinen eigenen Angaben gestützt werden könne. Sonstige Beweise für seine Täterschaft gebe es jedoch nicht.

Seit geraumer Zeit laufen auch wieder intensive Ermittlungen gegen andere Verdächtige.