Ruhezone

Manchmal spürt man Widerstände, bevor sie geäußert werden. Bei meiner Sitznachbarin im ICE war genau das unverkennbar. Sie schaute reichlich missbilligend über ihre randlose Brille, als ich mein Notebook aufklappte. Geradezu mörderische Blicke erntete ich, als ich mein Handy aus der Jackentasche zog, um das WLAN zu aktivieren.

„Sie wissen, dies ist eine Ruhezone“, sagte sie. „Ist mir bekannt“, entgegnete ich. „Aber in der Handyzone war nichts mehr frei. Deshalb habe ich hier einen Platz reserviert.“ „Ja, und warum holen Sie dann Ihr Handy raus? Dies ist die Ruhezone.“ Ich versuchte es mit Höflichkeit. Immerhin hatte ich es doch mit einer Frau zu tun, welche ein gewisses Niveau dadurch bewies, dass sie das neue Buch von Anke Domscheit-Berg las. Also, wenn sie nicht gerade mit mir stritt. So jemand musste doch gegenüber vernünftigen Argumenten aufgeschlossen sein.

„Selbstverständlich“, versuchte ich es, „respektiere ich Ihr Recht, nicht von Telefonaten gestört zu werden. Ich werde auch nicht telefonieren. Oder höchstens draußen auf dem Gang, wo Sie es mit Sicherheit nicht hören. Und mein Handy vibriert höchstens, davon hören Sie nichts.“

„Aber darum geht’s doch nicht.“ Jetzt klang sie sogar ein bisschen wie Anke Domscheit-Berg. „Ruhezone bedeutet, Handys bleiben in der Tasche. Handys nerven, das ist nun mal so.“ Mit dem Handy Musik hören war demnach auch nicht erlaubt. Nicht mal ganz leise. Ich sah schon, wir kamen nicht weiter.

Sie verschwand nun erwarungsgemäß, um Hilfe bei einer höheren Instanz zu suchen. Der Schaffner war nach ein paar Minuten da und versuchte zu eruieren, von was die Dame sich genau gestört fühlte. Wie sich herausstellte, war es insgesamt die „hektische Betriebsamkeit von Computernutzern“. Oder so ähnlich. Ich hatte ihren die Zeit genutzt, um mal die einschlägigen Regeln für den Ruhebereich in ICEs zu googlen. Der Zugbegleiter las sie mit Interesse. Kannte er so wohl auch noch nicht.

„Sehen Sie“, sagte der Schaffner. „Bei uns ist alles geregelt. Ich glaube, wir können dem Fahrgast keine Vorschriften machen, die es so nicht gibt.“

Glücklicherweise blieb mir damit eine weitere Diskussion erspart. Obwohl ich es mich schon wunderte, wie schnell die Dame sich geschlagen gab. Hätte ich jetzt nicht erwartet.

Auch der Schaffner hatte sich gewappnet. Von einer Kollegin kriegte er Bescheid, in einem ruhigen Abteil sei jetzt ganz viel frei geworden. Richtig gute Plätze.

Aber ich habe dann auf dem Weg in den Speisewagen noch gesehen, wie sich in Hannover eine Frau mit ihren zwei kleinen Kindern gegenüber meiner Kontrahentin platzierte. Da hätte ich gerne zugehört, hab‘ mich aber nicht getraut.

Ärztliche Tipps vom Angeklagten

Schöffen, die Laienrichter in größeren Strafverfahren, stehen normalerweise nicht im Blickpunkt des Interesses. Ein Schöffe hat es jetzt allerdings geschafft, selbst Schlagzeilen zu erzeugen. Er wurde für befangen erklärt. Er hatte sich ausgerechnet vom Angeklagten ärztliche Tipps geholt.

Geschehen ist das Ganze am Landgericht Göttingen. Dort wird momentan gegen den früheren Leiter der Transplantationschirurgie am Universitätsklinikum verhandelt. Der Arzt soll unnötige Transplantationen durchgeführt und bei der Besorgung von Spenderorganen getrickst haben. Der schwerste Anklagevorwurf ist elffacher Totschlag.

Auf dem Weg in die Kantine ist der betreffende Schöffe mit dem Angeklagten ins Gespräch gekommen. Ganz klassisch, im Aufzug. Dabei habe, räumt das Gericht ein, der Schöffe über eine Handverletzung geplaudert, die er sich vor einiger Zeit im Gericht zugezogen hatte. Der Unfall war dem Chirurgen bekannt.

Später, so heißt es, habe der Angeklagte dem Schöffen noch telefonisch einen Arzt empfohlen.

Für die Staatsanwaltschaft ging das über zulässigen Smalltalk hinaus. Sie lehnte den Schöffen wegen Befangenheit ab. Dem Antrag gab das Gericht statt. Wie in längeren Verfahren üblich, steht ein Ersatzschöffe zur Verfügung. Diese Reserveleute sind stets vom Anfang an im Prozess dabei. Das Verfahren muss also nicht von vorne beginnen.

Ich hatte vorletztes Jahr einen ähnlichen Fall. Da hatte ein Schöffe den beiden Staatsanwälten am 6. Dezember zwei Schoko-Nikoläuse auf ihre Bank gestellt. So viel Nähe war dem Gericht ebenfalls zu viel. Der Schöffe hatte mit sofortiger Wirkung mehr Zeit für Weihnachtseinkäufe.

EHEC-Warnung war berechtigt

Im Jahr 2011 sorgte der EHEC-Erreger für gedämpfte Freude beim Essen. Zahlreiche Menschen waren in ganz Deutschland schwer erkrankt. Es gab sogar Todesfälle. Längere Zeit wurde über die Ursachen der schweren Durchfallerkrankung gerätselt. Nun musste das Landgericht Braunschweig die Altlasten des Falles aufarbeiten.

Ein Hersteller von Sprossen hatte den Staat auf Schadensersatz in Höhe von einer Million Euro verklagt, weil er durch die EHEC-Warnung des Bundesamtes für Verbraucherschutz riesige Umsatzausfälle erlitten habe. Die Behörde hatte damals ausdrücklich vor den Sprossen gewarnt, obwohl nach Auffassung der Firma gar keine ausreichenden Beweise vorlagen.

Laut den Richtern muss aber der Zusammenhang zwischen Produkt und Erkrankung nicht hundertprozentig feststehen. Es genüge eine hinreichende Wahrscheinlichkeit. Je höher die erkennbaren Risiken seien, desto eher dürfe auch gewarnt werden. Das Bundesamt habe diese Entscheidung korrekt getroffen.

Ob die Sprossen tatsächlich die (alleinige) Ursache für die Epedemie waren, ist bis heute umstritten. (Aktenzeichen 7 O 372/12).

Wo war die PIN?

Wenn mit einer Originalbankkarte und korrekter PIN unberechtigt Geld abgehoben wird, spricht dies nach Auffassung des Amtsgerichts München für grobe Fährlässigkeit des Bankkunden. Deshalb bleibt der Kontoinhaber auf allen Kosten sitzen.

Einer 76-Jährigen war in einem spanischen Supermarkt ihre Sparcard einer Münchner Bank gestohlen worden. Mit dem gesamten Geldbeutel. Obwohl die Frau über ihre Tochter die Karte sehr schnell sperren ließ, wurde damit kurz zuvor Geld an einem Automaten abgehoben. Insgesamt 2000 Euro, in sechs Einzelsummen.

Die Frau behauptete, sie habe die PIN nur im Kopf gehabt. Dem glaubte das Amtsgericht München nicht und ging davon aus, dass die Frau ihre Geheimzahl irgendwo notiert hatte. Die Bank hatte nach Auffassung des Richters nämlich glaubhaft belegen können, spätestens seit dem Jahr 2000 ein sicheres System zu nutzen, bei dem Unbefugte die PIN nicht auslesen können (Aktenzeichen 121 C 10360/12).

Von hinten lesen

Es waren drei prallvolle Aktenordner, welche die Staatsanwaltschaft Stuttgart in mein Büro liefern ließ. Vom Mandanten wusste ich, es geht um ein Ermittlungsverfahren wegen Betrugs. Der Mandant, geschlagen mit einem Allerweltsnamen, hatte davon vor knapp drei Wochen erfahren. Da flatterte ihm ein Anhörungsbogen der Polizei ins Haus.

Der Umfang der Akte war etwas überraschend für das, was der Mandant wohl in einem Telefonat von der Polizei erfahren hatte. Aber na ja, ich vereinbare in den allermeisten Fällen ein Stundenhonorar. Und Einarbeitungszeit ist auch Arbeitszeit. Zwei, zweieinhalb Stunden hätte ich für eine gründliche Durchsicht der Unterlagen auf jeden Fall gebraucht.

Allerdings habe ich es mir zur Angewohnheit gemacht, auch die allerdickste Akte erst mal von hinten zu lesen. Wenigstens einige Seiten. Gerade bei längerdauernden Geschichten kommt es immer mal wieder vor, dass Dinge sich zerschlagen. Oder neue Gesichtspunkte dazukommen.

Das lohnte sich in diesem Fall besonders. Der Staatsanwalt hatte ganz hinten in der Akte vermerkt:

Es liegt eine Namensverwechslung vor. Der eigentlich Verdächtige mit gleichem Namen wohnt in derselben Straße, aber unter der Hausnummer 83.

Einstellung des Verfahrens mangels Tatverdachts nach § 170 Abs. 2 StPO.

Damit war die Sache schon zu Ende. Die Rechnung fiel erfreulich niedrig aus – aus Sicht des Mandanten.

Am Ballermann

Vom Ballermann wenig bekleidet in die Printausgabe der Bild – dieser Weg ist offensichtlich kürzer als man denkt. Jedenfalls fand sich eine Mallorca-Urlauberin in dem Blatt wieder, obwohl sie sich doch eigentlich nur im Bikini sonnen wollte. Mit ihr auf dem Foto waren ein bekannter Fußballer, eine Mülltonne und die Strandliege der Frau. Die Mülltonne deswegen, weil Bild den prominenten Urlauber abgelichtet hatte, als er geradezu vorbildlich seinen Abfall entsorgte.

In dem Bericht ging es allerdings gar nicht um ökologisches Verhalten. Sondern darum, dass der Sportler am Tag eins nach der Mülltonne am Ballermann ausgeraubt worden sein soll. Wie auch immer, die Urlauberin fühlte sich bloßgestellt, zumal die Bild auch noch was von „pikanter Begleitung“ gefaselt hatte, obwohl die Urlauberin den Fußballer gar nicht kennt. Sie verklagte deshalb die Zeitung. Vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe bekam sie nun Recht.

Auch wer (fast) nur Beiwerk in einem Foto ist, hat nach Auffassung der Richter Persönlichkeitsrechte. In Alltagssituationen dürfe man sich unbeobachtet fühlen und müsse nicht damit rechnen, ungefragt in eine Boulevardzeitung gehievt zu werden. Das gelte jedenfalls so lange, wie dem Verlag jeder sachliche Grund fehle, das Bild zu veröffentlichen. Ein öffentliches Interesse an dem Foto konnten die Richter nicht einmal ansatzweise erkennen.

Allerdings wurde die Bildzeitung nur zur Unterlassung verurteilt. Schmerzensgeld lehnte das Gericht ab. Dazu sei der Verstoß nicht schwer genug (Aktenzeichen 6 U 55/13).

Hauptsache, gute Fotos

Die Einnahmen aus Radarfallen sind in vielen städtischen Haushalten fest eingeplant. Das ist kein Geheimnis. Da kann es durchaus erforderlich sein, die „Trefferquote“ etwas zu erhöhen. Sicher nicht nur in Mainz, aber da bestätigte sich sich das Gewinnstreben einer Kommune nun auf peinliche Weise.

Im Stadtteil Gonsenheim erspähte ein Autofahrer nicht nur eine mobile Tempomessung. Sondern auch, dass die Warnbake im Ausstrahlungswinkel des Messgeräts verhängt war. Und zwar mit einem schwarzen Tuch.

Wie die Stadt Mainz mittlerweile bestätigte, hatten ihre Mitarbeiter von der städtischen Tempoüberwachung die Warnbake verhängt. Grund: So gibt es bei Messungen weniger Reflexionen, die Zahl der verwertbaren Fotos steigt. Und das dürfte wichtig sein, denn die Mainzer Einnahmen aus Tempomessungen sind rückläufig.

Immerhin gibt sich die Stadt selbstkritisch. „Wir messen die Geschwindigkeit, um Gefahren zu reduzieren, und produzieren eine neue Gefahr“, räumte der Pressesprecher gegenüber der Allgemeinen Zeitung Mainz ein. Das gehe natürlich nicht.

Sollte die unverhüllte Warnbake tatsächlich die Blitzerfotos verhageln, werde man wohl eine neue Messstelle suchen müssen.

Abstieg auf der Karriereleiter

Gleich zwei Schritte auf der Karriereleiter macht ein Beamter aus Rheinland-Pfalz – und zwar zurück. Der Mann hatte bei seinen Dienstzeiten gemogelt.

Der Beamte unterließ an vielen Werktagen die „Gehen“-Buchung an der Zeiterfassung, wenn er das Dienstgebäude verließ. Zurück ins Haus konnte er mit seinem persönlichen ID-Chip gelangen. Erst wenn er nach längerer Abwesenheit wieder zurückkam, holte er die „Gehen“-Buchung nach. Dadurch sparte er eine Menge Arbeitszeit.

Heraus kam alles, weil die Zutrittszeiten zum Gebäude mit den erfassten Abwesenheitszeiten verglichen wurden. An mindestens 170 Arbeitstagen hatte der Mann die Masche angewendet. Deshalb musste er sich vor der Disziplanarkammer des Verwaltungsgerichts Trier verantworten.

Die Richter ließen Gnade vor Recht walten. An sich, entschieden sie, rechtfertige so ein planmäßiges Vorgehen die fristlose Entlassung aus dem Beamtendienst. Erschwerend komme hinzu, dass der Mitarbeiter die Abteilung für Organisation leitete und das Zeiterfassungssystem mit auf die Beine gestellt hat.

Zu Gute hielten die Richter dem Beamten, dass er eine schwerkranke Frau hat und kurz vor der Pensionierung steht. Vor diesem Hintergrund sei es gerade noch vertretbar, die Laufbahn des Betroffenen nur um zwei Amtsstufen nach unten zu korrigieren (Aktenzeichen 3 K 1802/13.TR).

Schwarzfahrer-Police

Interessante Idee aus Schweden: In Stockholm gründen Schwarzfahrer eine Interessengemeinschaft. Wer erwischt wird, dessen Strafe wird aus einem gemeinsamen Fonds bezahlt. Das Ganze ist nicht nur als eine „Versicherung“ gedacht, sondern auch als Protest gegen den Umstand, dass der öffentliche Nahverkehr überhaupt kostenpflichtig ist.

Spiegel online stellt die Aktion ausführlich vor. Da stellt sich natürlich die Frage, ob so eine Schwarzfahrer-Police auch bei uns denkbar ist.

Größtes Hindernis wäre in Deutschland der Umstand, dass Schwarzfahren eine Straftat ist. Der gesetzliche Tatbestand hört auf den schönen Namen Erschleichen von Leistungen. Schon deshalb, fürchte ich, würde so eine Solidargemeinschaft bereits bei dem Versuch scheitern, sich über eine lose „Wir helfen uns gegenseitig“-Abrede hinaus zu konsolidieren.

Egal, ob Verein, GmbH oder sonst was, das Registergericht würde den Laden schon gar nicht als nicht eintragungsfähig einstufen, da er auf die Begehung oder zumindest Unterstützung von Straftaten gerichtet ist. Da lauert an jeder Ecke die zivilrechtliche Sittenwidrigkeit und damit die Unwirksamkeit jeder Vereinbarung.

Selbst wenn man das mit dem erhöhten Beförderungsentgelt noch in den Griff bekäme, den strafrechtlichen Ärger mit Staatsanwalt und Richter kann man hierzulande kaum auf andere abwälzen. Im Vorstrafenregister steht man am Ende immer noch selbst.

Schwer enttäuscht

Vor anderthalb Wochen klingelte es bei Herrn M. Es war nicht der Postbote. Sondern der Gerichtsvollzieher. Dieser eröffnete Herrn M., er möge doch bitte seine Schulden bezahlen. Knapp 9.000 Euro seien aufgelaufen, wie eine schriftliche Forderungsaufstellung mit langen Zahlenkolonnen bestätigte.

Zuerst glaubte Herr M. an einen Irrtum. Vor allem, als er den Namen des Gläubiges hörte. Eine Krankenkasse. Mit der habe er tatsächlich mal im Clinch gelegen, erzählte Herr M. dem Gerichtsvollzieher. Aber die Sache sei doch längst zu Ende. Er habe vor Gericht gewonnen. Oder, na ja, zumindest müsse der Prozess noch laufen. Denn er habe schon lange nichts mehr von seinem Anwalt gehört.

Ob es den Anwalt überhaupt noch gibt? Herr M. wusste nur, der Jurist sei schon recht betagt gewesen.

Für Herrn M. war die Sache schnell sonnenklar. Der Anwalt hatte seine Sache an die Wand gefahren. Entweder durch Nichtstun. Oder, weil er nicht korrekt vor Gericht argumentiert hat.

Das wiederum sollten nur wir im Auftrag von Herrn M. eruieren, denn der Vollstreckungstitel war zweifellos rechtskräftig. Natürlich helfen wir gerne. Wenn wir das entsprechende Honorar erhalten.

Aber das wollte Herr nicht. Auf keinen Fall. Never. „Ich bin so enttäuscht von euch Anwälten“, sagte er. „Ich bezahle nur noch, wenn die Sache erledigt ist und ich ohne Verlust rausgegangen bin.“

Wenige Minuten später haben wir Herrn M. freundlich verabschiedet. Er war etwas erstaunt. Aber auch gewiss, dass er entgegenkommendere Anwälte findet als uns. Welche, die so eine Sache ohne jede Anzahlung „mit Freude“ anpacken, wie es Herr M. ausdrückte.

Möge er viel Erfolg haben.

Jesus spricht mit mir …

… nicht. Die amerikanischen Psychiatrie-Professorin Helen Schucman soll da mehr Glück gehabt haben. Behauptete sie jedenfalls. In aktiven Wachträumen, erzählte sie, sei ihr Jesus Christus erschienen. Und er habe ihr viele Zeilen Text eingeflüstert. An diesen Informationen ließ Schucman die Welt teilhaben, in Form ihres bereits in den Siebzigern erschienen Buches „A Course of Miracles“.

Neuere göttliche Botschaften via Schucman gibt es nicht. Sie ist verstorben und fällt deshalb derzeit als göttliches Medium aus. Aber natürlich wird ihr Buch weiter verbreitet – unter anderem durch einen deutschen Verlag.

Allerdings soll dieser Verlag irdische Regeln missachtet haben – das Urheberrecht. Das Copyright für „A Course of Miracles“ reklamiert nämlich eine amerikanische Stiftung für sich, die Schucmann beerbt hat. Behauptet die Stiftung.

Allerdings behauptet die Stiftung nicht, auch Jesus Christus unter Vertrag zu haben, was Fragen aufwirft. Der verklagte deutsche Verlag brach die Bedenken auf folgenden Einwand herunter: Schucman sei doch nur eine „Schreibkraft“ gewesen, die ein Diktat aufnimmt.

Deshalb musste jetzt das Oberlandesgericht ganz ernsthaft die Frage beantworten, wer eigentlich juristisch als „Urheber“ göttlicher Eingebungen gilt.

Die Richter bewältigen ihre Aufgabe ganz ohne höhere Inspiration. Sie schöpfen das Ergebnis unaufgeregt aus deutschen Paragrafen. Nach denen, sagen sie, entsteht Copyright durch einen „schöpferischen Realakt“, einen tatsächlichen Schaffensvorgang. Dabei spiele der geistige Zustand des Werkschaffenden gar keine Rolle. Dementsprechend sei anerkannt, dass auch Geistesgesörte, Hypnotisierte und in Trance befindliche Personen dichten, komponieren, malen und bildhauern können.

Dass Schucman selbst behauptete, die Texte kämen von Jesus, spiele deshalb juristisch keine Rolle. Noch ist das letzte Wort allerdings nicht gesprochen. Der deutsche Verlag hat Revision zum Bundesgerichtshof eingelegt. Und wer weiß schon, ob ganz am Ende nicht noch vor einer viel höheren Instanz abgerechnet wird (Aktenzeichen 11 U 62/13).

Welche Aussage macht Musik?

Bei einer Neonazi-Demonstration in München wurde die Paulchen-Panther-Melodie gespielt. Mit diesen Tönen war auch ein Video des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) unterlegt, dem zehn Morde zur Last gelegt werden. Das Oberlandesgericht München musste jetzt prüfen, ob sich der Veranstalter wegen Billigung von Straftaten zur Rechenschaft gezogen werden kann.

Das Oberlandesgericht verneinte dies, wie zuvor auch schon das Amtsgericht München. Wie die Augsburger Allgemeine berichtet, war das Gericht der Meinung, die vorliegenden Beweise reichten nicht aus.

Man dürfe die Melodie nicht isoliert betrachten, befand das Gericht. Eine maßgebliche Rolle spielte wohl, dass der angeklagte Versammlungsleiter sich in einer Rede ausdrücklich von den Morden distanziert hatte. Damit sah sich das Gericht außerstande, der Melodie alleine die Bedeutung beizumessen, wie es die Anklage getan hatte.

Haben auch Richter geschummelt?

In Niedersachsen soll ein amtierender Richter im großen Stil Prüfungsaufgaben für das Zweite Juristische Staatsexamen verkauft haben. Der Fall sorgte für Aufsehen. Da stellt sich die Frage: Wie gehen die Behörden mit so einem Skandal um?

Es sieht so aus, als hätte sich das niedersächsische Justizministerium für die Offensive entschieden. Sage und schreibe 84 Sonderprüfer wurden abgestellt. Sie durchforsten derzeit alle Klausuren, die Prüflinge seit 2011 in Niedersachsen geschrieben haben. Es handelt sich um die Arbeiten von 2.000 angehenden Volljuristen.

Dabei könnten auch Karrieren auf dem Spiel stehen. Immerhin 101 der Geprüften sollen heute als Richter arbeiten. Ihnen würde ein nachgewiesener Betrug wahrscheinlich die Karriere kosten. Aber auch Anwälte sind gefährdet, denn bei einer Aberkennung des Zweiten Staatsexamens fehlt ihnen die formale Qualifikation für ihren Job.

Solche Konsequenzen sind wohl nicht nur Theorie. Denn, so Justizministerin Antje Niewisch Lennartz, bei einer Reihe von Kontrollen hätten sich bereits „Auffälligkeiten“ herausgestellt.

Sollte ein niedersächsischer Richter wegen Betrugs sein Amt verlieren, müssten die von ihm entschiedenen Verfahren nicht neu aufgerollt werden. Die Aberkennung des Amtes würde nicht in die Vergangenheit zurückwirken.

Eine spannende Frage könnte auch sein, ob mögliche Mogel-Anwälte ihren Auftraggebern das Honorar zurückzahlen müssen. Oder gar zu Schadensersatz verpflichtet sind, wenn ein von ihnen betreuter Prozess nicht gut verlaufen ist. Diese Fragen müssten dann – hoffentlich – „echte“ Richter beurteilen.

Im Norden endet die Krawattenpflicht

Der Landtag in Schleswig-Holstein hat alte Zöpfe abgeschnitten. Das Parlament hob – auf Antrag der Piratenpartei – letzte Woche die Kleiderordnung für Rechtsanwälte auf.

Bisher mussten Rechtsanwälte in Schleswig-Holstein vor Gericht ein “weißes Hemd und eine weiße Halsbinde (Quer- oder Langbinder)” tragen. Für Rechtsanwältinnen war eine “weiße Bluse” vorgeschrieben, das Tragen einer “weißen Schleife” war immerhin nur freigestellt.

Das ist nun Vergangenheit. Bunte Krawatten, offene Kragen und farbige Damenkleidung sind ab sofort auch offiziell in Ordnung. Auch eine Form von „Legalize it“, denn so richtig ernst nahm gerade im Norden die alten Vorschriften ohnehin keiner mehr.

Die Auflockerung bedeutet aber kein Ende des Robenzwangs. Diese Pflicht ergibt sich derzeit (wohl noch) aus der Berufsordnung für Rechtsanwälte, die bundesweit gilt. Deren § 20 schreibt Rechtsanwälten eine Robe vor, sofern dies „üblich“ ist.

Die Deutungshoheit über das, was üblich ist, haben die Rechtsanwaltskammern. Die Kammern in den einzelnen Bundesländern halten die Robe nach wie vor für eine verpflichtende Berufstracht (siehe etwa diesen Hinweis der Anwaltskammer Stuttgart). Anwälte müssen sich also darauf einstellen, bei Verstoß gegen die Robenpflicht disziplinarischen Ärger zu bekommen. Lediglich vor den Amtsgerichten gilt eine ausdrückliche Ausnahme von der Robenpflicht, aber auch nur in Zivilsachen.

Damit aufmüpfige Juristen nicht etwa ein Hoodie zur Robe deklarieren, legen übrigens diverse Erlasse genau fest, wie eine Robe auszusehen hat, um als korrektes Amtsgewand durchzugehen. Hier die schleswig-holsteinische Vorschrift für Richter und Staatsanwälte aus dem Jahr 1967:

Das Amtsgewand liegt auf den Schultern und der Brust glatt an und fällt vorn und hinten weit und faltig bis über die Mitte des Unterschenkels herab; es wird vorn durch eine Reihe verdeckter Knöpfe oder durch Haken geschlossen. Der Halsausschnitt ist so, daß er Kragen und Halsbinde sehen läßt, aber Rock und Weste verdeckt. Die Ärmel fallen, nach unten weiter werdend und unten offen, faltig herab. Zur Erleichterung beim Schreiben ist es freigestellt, den rechten Ärmel durch einen innen befestigten, nach unten durchzuknöpfenden Knopf um das Handgelenk zu schließen.

Der Besatz läuft glatt anliegend an dem Halsausschnitt und an der Vorderseite entlang bis zur unteren Kante des Gewandes; er ist um den Hals 16 cm breit und verschmälert sich vorn bis zu 11 cm; am Ärmel hat der Besatz 8 cm Breite. Der Besatz ist bei Richtern und Staatsanwälten aus Samt, bei Urkundsbeamten aus Wollstoff. Bei den Amtsanwälten sowie bei den Referendaren und Beamten des gehobenen Justizdienstes als Vertreter des Staatsanwalts oder des Amtsanwalts und bei den Rechtspflegern ist der Besatz aus Samt; er ist am Halsausschnitt 10 cm breit und verschmälert sich vorn auf 7 cm, der Ärmelbesatz (8 cm) ist aus Wollstoff.