Heute habe ich mal ein eindrückliches Beispiel dafür, wie wichtig das Schweigerecht im Strafverfahren ist. Es geht um den Vorwurf der Trunkenheit im Straßenverkehr.
Zeugen fiel ein Pkw auf, welcher auf die Mutter meines Mandanten zugelassen ist. Das war um 16.42 Uhr. Die Zeugen konnten allerdings nicht sehen, wer im Auto saß. Eine Beschreibung des Fahrers bzw. der Fahrerin gibt es nicht. Um 18.46 Uhr kam eine Polizeistreife am Haus der Mutter (Fahrzeughalterin) meines Mandanten an. Der Mandant wohnt auch in dem Haus.
Die Polizeibeamten fanden meinen Mandanten schlafend im verschlossenen Pkw. Im Fußraum des Pkw lagen einige Flaschen mit hartem Alkohol. Mein Mandant wurde natürlich gefragt, ob er den Wagen um 16.42 Uhr gefahren ist. Dazu lehnte er aber jede Stellungnahme ab. Er sagte lediglich, dass er später reichlich Alkohol getrunken hat, und zwar zu Hause und im (ordnungsgemäß auf Privatgelände stehenden) Auto.
Natürlich wurde ein Blutprobe entnommen, der Alkoholwert lag weiter über jedem zulässigen Grenzwert. Die Staatsanwaltschaft beantragte, meinem Mandanten die Fahrerlaubnis vorläufig zu entziehen. Klingt ja alles erst mal recht endeutig. Wenn man nicht an einen Ermittlungsrichter gerät, der das geltende Recht nicht dem anscheinend Offenkudigem unterordnet. Der Richter lehnte die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis mit folgender Begründung ab:
Es liegen keine dringenden Gründe vor, dass der Beschuldigte um 16.42 Uhr in fahruntüchtigem Zustand ein Kraftfahrzeug geführt hat. Die Fahreigenschaft des Beschuldigten steht nicht eindeutig fest. Der Beschuldigte konnte erst um 18.46 Uhr an dessen Wohnanschrift festgestellt werden. Er sass auf dem Fahrersitz des Fahrzeugs in der Einfahrt und schlief. Auf dem Beifahrersitz und im Fußraum befanden sich diverse Flaschen mit Alkoholika. Nach Belehrung machte der Beschuldigte Nachtrunk geltend; … weitere Angaben zur Sache machte er nicht.
Bei dieser Sachlage liegen derzeit keine dringenden Gründe für die Annahme einer Trunkenheitsfahrt vor.
Man sieht also: Wer sich erst gar nicht auf ein Frage-Antwort-Spiel einlässt, riskiert nicht, dass er mit vorschnellen Angaben zum Beweismittel gegen sich selbst wird. Das ist aus Sicht der Verteidigung immer dann geradezu tragisch, wenn sich am Ende herausstellt, dass es gar keine anderen tragfähigen Beweise gibt. Wie in diesem Fall.
Das Verfahren wurde nach der klaren Ansage des Ermittlungsrichters übrigens gleich endgültig eingestellt.