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Beate Zschäpe mag ihre Anwälte nicht mehr

Die im Münchner NSU-Verfahren angeklagte Beate Zschäpe hat dem Oberlandesgericht heute mitgeteilt, sie habe kein Vertrauen mehr in ihre Verteidiger. Das twittert ARD-Korrespondent Holger Schmidt. Nach weiteren Meldungen hat der Strafsenat die Verhandlung für heute und morgen daraufhin abgesagt.

Noch ist unklar, worauf Zschäpe die Vorbehalte gegen ihre Verteidiger Anja Sturm, Wolfgang Heer und Wolfgang Stahl stützt. Alle drei sind als Pflichtverteidiger tätig. Somit steht jedenfalls eines fest: Einfach feuern kann Zschäpe ihre Anwälte nicht. Das geht komplikationslos nur bei sogenannten Wahlanwälten. Diese sind nicht als Pflichtverteidiger vom Gericht beigeordnet. Der Angeklagte bezahlt sie – im Idealfall – aus eigener Tasche.

Das Gericht muss an sich nun prüfen, ob die Gründe für eine förmliche Entpflichtung der Anwälte, also die Aufhebung des Pflichtverteidigermandates, ausreichen. Hierzu bedarf es aber normalerweise eines schwerwiegenden Pflichtverstoßes durch den Anwalt. Oder das Vertrauen muss aus nachvollziehbaren Gründen so zerrüttet sein, dass es offensichtlich nicht mehr geht. Anders gesagt: Nur vorübergehende (oder gar eingebildete) Friktionen zwischen Angeklagtem und Anwalt reichen nicht aus.

Allerdings vermute ich, dass weder die bisherigen Anwälte noch Zschäpe ausgerechnet den Strafsenat zu tief in die Problematik blicken lassen wollen. Ein anderes Szenario erscheint viel wahrscheinlicher. Nämlich dass Zschäpe und die Anwälte das Gericht einvernehmlich um Auflösung der Mandate bitten. Gleichzeitig wird Zschäpe Anwälte benennen, die bereit sind, sie weiter zu verteidigen, ohne dass es zu Zeitverzögerungen – etwa durch einarbeitungsbedingte Verhandlungspausen – kommt.

Wichtigster Punkt dürfte allerdings die Zusage der neuen Anwälte sein, dass durch ihre Beiordnung keine Mehrkosten entstehen. Das würde bedeuten, sie könnten gegenüber der Staatskasse nur künftige Verhandlungstage abrechnen. Nicht aber die diversen allgemeinen Grundgebühren für sonstige Tätigkeiten, die zusätzlich anfallen. Bei einer kostenneutralen Lösung versperren sich Gerichte normalerweise keinem Wechsel des Pflichtverteidigers.

Sollte das nicht so laufen, könnte Zschäpe auch zunächst auf eigene Kosten weitere Anwälte an Bord holen. Bis zu drei Verteidiger kann jeder Angeklagte frei beauftragen. (Vorhandene Pflichtverteidiger zählen hierbei nicht.) Allerdings würden die dann eben zunächst ohne Pflichtverteidigermandat tätig werden müssen. Das Gesetz sagt zwar weiter, dass Pflichtverteidiger entpflichtet werden sollen, wenn sich gewählte Anwälte melden. Allerdings hat das Gericht das Recht, dies doch nicht zu tun – wenn es zur Sicherung des Verfahrens dient.

Davon würde der Strafsenat hier aber garantiert Gebrauch machen und nicht das Risiko eingehen, dass Zschäpe plötzlich eines Morgens ganz ohne Anwälte da sitzt. Zschäpe müsste sich also damit arrangieren, dass ihre bisherigen Anwälte sie neben den neuen Anwälten weiter verteidigen. Das wäre sicher keine angenehme Situation. Gerade nicht für Sturm, Stahl und Heer, die dann ja faktisch so was wie ein fünftes Rad am Wagen wären. Wehren könnten sich die drei Verteidiger allerdings kaum. Wie der Begriff Pflichtverteidigung schon sagt.

Gerichtsunterlagen gehören nicht ins Netz

Das Web 2.x machte uns alle zu Publishern – wenn wir es denn möchten. Das führt natürlich dazu, dass auch Betroffene von Strafverfahren Dokumente ins Netz stellen. Zum Beispiel die Anklageschrift. Das ist jedoch meist keine gute Idee, denn die Veröffentlichung ist ihrerseits eine Straftat. Dies hat das Bundesverfassungsgericht in einem aktuellen Beschluss bestätigt.

Ein Angeklagter hatte Teile der Anklageschrift und den Eröffnungsbeschluss des Gerichts auf seine Homepage gestellt. Hierfür kassierte er gleich noch eine Anklage – wegen verbotener Mitteilungen über Gerichtsverhandlungen. Die Vorschrift untersagt die Veröffentlichung von amtlichen Dokumenten aus Ermittlungs- und Gerichtsakten, bevor diese in der Hauptverhandlung erörtert worden oder das Verfahren abgeschlossen ist.

Um diese Strafvorschrift gibt es immer wieder Ärger, denn sie schränkt die Meinungsfreiheit ein, und zwar ganz erheblich. Dennoch sieht auch das Verfassungsgericht einen praktischen Nutzen. Die Vorschrift soll demnach verhindern, dass Zeugen, Gericht und andere Beteiligte durch die Veröffentlichung beeinflusst werden. Mit einem vermeintlichen Schutz des Angeklagten vor sich selbst mochte das Gericht doch nicht argumentieren. Stattdessen weist es darauf hin, es könnten ja auch Mitangeklagte und Nebenkläger in ihren Persönlichkeitsrechten betroffen sein.

Das alles heißt freilich nicht, dass die fraglichen Dokumente tatsächlich „geheim“ bleiben müssen. Denn das Gesetz untersagt nur die Wiedergabe „im Wortlaut“. Es ist also durchaus zulässig, den Inhalt der Papiere in indirekter Rede mitzuteilen. Wer nicht nur scannen, sondern auch formulieren kann, ist hier klar im Vorteil. Trotz dieser Umgehungsmöglichkeit hält das Verfassungsgericht die Vorschrift im Ergebnis (noch) für nützlich. Immerhin, so meinen die Richter, erwecke nur die wörtliche Wiedergabe den „Eindruck amtlicher Authentizität“.

Strafbar ist übrigens auch nur die Wiedergabe des gesamten Dokuments oder „wesentlicher“ Teile (Aktenzeichen 2 BvR 429/12).

Schaum drüber

Schon mal gewundert, woher die unterschiedlichen Hinweise zur Haltbarkeit auf Kosmetikverpackungen herkommen? Das Landgericht Wuppertal erklärt diese komplexe Materie – es geht schließlich um EU-Verordnungen – anhand eines Nassrasierers mit integriertem Seifenblock.

Gestritten wurde darum, ob ein Rasierer mit dem schönen Namen Intuition Naturals Sensitive Care (Amazon Partner-Link) ein Mindesthaltbarkeitsdatum aufweisen muss. Klingt erst mal ungewöhnlich, da Rasierer eher als nicht verderblich gelten.

Allerdings beanstandete die Konkurrenz, der Hersteller umgebe seine Rasierklingen mit einem Seifenblock, der laut der Werbung bei der Nassrasur praktischerweise schäumt und ganz doll pflegt. Mit dieser Sonderausstattung, so das Gericht, sei erst mal eindeutig ein kosmetisches Produkt im Sinne der einschlägigen EU-Verordnung gegeben. Bei kosmetischen Produkten müsse die Mindesthaltbarkeit genannt werden, sofern das Produkt weniger als 30 Monate haltbar sind. Ist das kosmetische Produkt – wie die schäumenden Einmalrasierer – mehr als 30 Monate haltbar, muss auf der Packung nur stehen, wie lange es nach dem Öffnen verwendet werden kann.

Wieder was gelernt (Aktenzeichen 12 O 38/13).

Die Sache mit dem Handtuch

Es geht um Stalking. Oder doch eher um angebliches. Die Betroffene fühlt sich jedenfalls von meinem Mandanten verfolgt. Angeblich spürt sie, so sagt sie bei der Polizei, ständig „seinen Atem im Rücken“. Sie habe schon Angst, ihr Haus zu verlassen. Und wenn sie mal rausgeht, drehe sie sich ständig um.

Nur – es ist dann niemand da. Keine Spur von meinem Mandanten. Über anderthalb Seiten erstreckt sich die Strafanzeige. Eine freundliche Polizistin protokolliert all die Ängste, welche die Betroffene schildert. Das ist natürlich sehr traurig. Aber irgendwann scheint die Beamtin dann mal vorsichtig gefragt zu haben, was der Beschuldigte denn eigentlich konkret so gemacht hat. Die Antwort:

Ich hatte neulich ein Handtuch draußen auf der Leine hängen. Am nächsten Tag war es weg.

Ich glaube, die Verteidigungsschrift für meinen Mandanten fällt nicht sonderlich üppig aus.

Google wehrt sich

Seit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs zum „Recht auf Vergessen“ sind Suchmaschinen verstärkt in der Pflicht. Am einfachsten wäre es für die Betreiber natürlich, jedem Löschantrag stattzugeben. Google scheint diesen Weg allerdings nicht zu gehen.

Das zeigt eine Antwort von Google, die der Mainzer Anwalt Karsten Gulden veröffentlicht hat. Gulden hatte für einen Mandanten beantragt, ein negatives Suchergebnis zu tilgen. Der Betroffene war in einem Blogeintrag in die Nähe einer Sekte gerückt worden. Seiner Meinung nach zu Unrecht.

Google hat nach Guldens Angaben den Antrag nun abgelehnt. Begründung:

Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Anzeige der entsprechenden Suchergebnisse fortbesteht.

Dementsprechend weigert sich Google, den Eintrag zu löschen. Sollte der Betroffene nicht mit dieser Entscheidung einverstanden sein, könne er sich „unter Umständen … an die zuständige Datenschutzbehörde wenden“. Google scheint also zumindest in Einzelfällen den Konflikt nicht zu scheuen. Ob das sogar ein Trend wird, muss man abwarten.

Kein Passwort = Gefängnis

In Großbritannien ist ein Student zu einer sechsmonatigen Haftstrafe verurteilt worden. Nicht wegen der eigentlichen Tat, wegen der die Polizei ermittelt. Sondern weil er den Fahndern nicht das Passwort für seinen Computer gab. Beziehungsweise geben konnte.

In England ist es seit mehreren Jahren möglich, Beschuldigte zur Herausgabe von Passwörtern zu zwingen. Im Fall des 22-Jährigen Christopher Wilson ist allerdings sogar offen, ob Wilson das Passwort tatsächlich absichtlich verschweigt. Wie die britische Zeitung Chronicle berichtet, gab Wilson 50 Passwörter heraus. Davon soll jedoch keines für seinen Computer funktioniert haben.

Wilson selbst soll am Asperger-Syndrom leiden, einer Unterform des Autismus. Der Fall zeigt auch, welches Risiko es möglicherweise in England bedeutet, wenn man sich an ein Passwort mal tatsächlich nicht mehr erinnern kann.

In Deutschland ist die Rechtslage – noch – anders. Wer einer Straftat beschuldigt wird, hat ein praktisch umfassendes Schweigerecht. Das bedeutet auch, dass man keine Auskunft über Passwörter geben muss. Ebenso wenig kann ein Beschuldigter gezwungen werden, seinen Computer oder sonstige Hardware zu bedienen. Ein bislang nicht geklärter Grenzfall sind allerdings Maßnahmen, bei denen der Betroffene selbst nicht aktiv werden muss. Etwa wenn der Beschuldigte einen Fingerabdruck- oder Irisscan „dulden“ soll.

Presse geht auch ohne Presseausweis

Das Urteil im Verfahren der Podcaster von Metronaut gegen die Polizei liegt nun schriftlich vor. Die Polizei hatte während der laufenden Berichterstattung über einen Castortransport den Podcastbus der Metronauten beschlagnahmt. Die Gründe hierfür überzeugten das Verwaltungsgericht Lüneburg nicht.

Die Metronauten geben das Urteil selbst in einigen Passagen wieder. Es geht im wesentlichen um die Frage, wann die Polizei eine ausreichende „Gefahr“ bejahen darf, die Maßnahmen wie Sicherstellungen rechtfertigt. Laut dem Gericht muss die Polizei, kurz gesagt, erst mal belastbare Tatsachen feststellen und darf nicht ins Blaue hinein tätig werden.

Sehr interessant ist eine Urteilspassage, die sich mit der Frage beschäftigt, ob die Pressefreiheit nur für Inhaber von Presseausweisen gilt:

Die Kläger wurden durch die Sicherstellung des VW-Busses nebst der darin befindlichen Gegenstände in ihrem Recht auf freie Rundfunkberichterstattung (Art. 5 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbs. GG) verletzt. Der Schutzbereich war unabhängig davon eröffnet, ob die Kläger Inhaber eines Presseausweises waren oder nicht.

Presseausweise werden – anders als beispielsweise Rechtsanwaltausweise – nicht von einer öffentlichen Stelle, sondern vom Deutschen Journalistenverband ausgegeben. Voraussetzung für den Erhalt ist die hauptberufliche Tätigkeit als Journalist, die aber gerade nicht Bedingung für einen Schutz durch Art. 5 Abs. 1 GG ist. Der Schutzbereich umfasst nicht nur die Berichterstattung selbst, sondern auch alle wesensmäßig damit zusammenhängenden Tätigkeiten, insbesondere auch die Beschaffung der zu berichtenden Informationen.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Älterer Bericht im law blog

Vorsicht mit der Liste

Die „geheime“ Sperrliste der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien ist seit einigen Tagen nicht mehr geheim. Jemand hat die Liste ins Netz gestellt, so dass jetzt für jeden Interessierten ohne Probleme nachlesbar ist, welche Inhalte im Netz als jugendgefährdend oder gar strafbar eingestuft werden.

Der Link zur Liste hat schon weite Kreise gezogen. Zahlreiche Empfänger haben sich angeschaut, was hinter dem Link steckt. Manche haben auch darauf verwiesen oder ihn geteilt. Nun hat die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien sich sogar an die Seite netzpolitik.org gewandt und verlangt, die geleakte Liste nicht zu verlinken.

Auch wenn weitere Schritte derzeit nicht bekannt sind, stellt sich natürlich die Frage, ob und was Nutzer im Zusammenhang mit der „Verbreitung“ der Liste eventuell zu befürchten haben. Mein Anwaltskollege Thomas Stadler hat sich hierzu bereits völlig richtige Gedanken gemacht.

Danach ist es durchaus riskant, direkt auf strafbare Inhalte – etwa kindepornografische Darstellungen – zu verlinken. Allerdings ist das hier nicht der Fall, da die Liste der Bundesprüfstelle in der veröffentlichten Form selbst schon gar keine klickbaren Links enthält, sondern nur die URLs in Textform.

Andererseits kann man sich natürlich nie sicher sein, ob Behörden das Ganze nicht anders bewerten und den berühmten Anfangsverdacht bejahen, welcher dann erst mal das komplette Programm (Hausdurchsuchung etc.) in Gang setzt. So liefe es ja nicht zum ersten Mal.

Etwas Vorsicht ist also angebracht. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Liste, die ja zu Recht viele Fragen aufwirft, ist ja auch ohne Verlinkung möglich.

EuGH legalisiert Legal Highs

Gegen als „Legal Highs“ bekannte Designer-Drogen kann in Deutschland nicht das Arzneimittelstrafrecht in Stellung gebracht werden. Der Europäische Gerichtshof entschied heute, dass lediglich Wirkstoffe, die theraupeutischen Zwecken dienen, unter das Arzneimittelgesetz fallen.

In Deutschland gab es in den letzten Jahren immer wieder Strafverfahren, in denen vor allem gegen die Hersteller und Verkäufer von synthetischen Cannabinoiden wegen Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz ermittelt wurde. Das war offenkundig nur eine Notlösung der Strafverfolger. Denn das an sich naheliegende Betäubungsmittelgesetz ist erst anwendbar, bis die Wirkstoffe ausdrücklich auf einer schwarzen Liste stehen. Das dauert aber normalerweise einige Zeit (Hintergründe in einem früheren Beitrag).

Der Europäische Gerichtshof fordert nun ein, dass Gesetze nicht überdehnt werden dürfen. Von einer Arznei könne nur gesprochen werden, wenn die Einnahme therapeutische Zwecke habe. Die Konsumenten synthetischer Cannabinoide würden die Substanzen aber nur „zu Entspannungszwecken“ konsumieren.

Die Entscheidung wird zahlreiche laufende Strafverfahren in Deutschland beeinflussen, die sich teilweise auch gegen einfache Konsumenten richten. Die Betroffenen können erhoffen, dass sich die Vorwürfe gegen sie als gegenstandslos erweisen (Link zum Urteil).

Befindlichkeits-Paragraf

Wir erinnern uns ja noch gut, wie es der Band Pussy Riot in Russland ergangen ist. Weil sie die Frechheit hatte, ein unangemeldetes Punk-Gebet in einer Kirche zu sprechen.

Wie die Pussy-Riot-Mitglieder tatsächlich im Gefängnis schmoren, das wird eine Femen-Aktivistin wohl eher nicht. Sie soll bei einem Gottsdienst im Kölner Dom halbnackt auf den Altar gesprungen ist und als Oberkörperbemalung den Satz „I am God“ präsentiert haben.

Aber strafrechtlich verfolgt wird vermeintliche Ungebührlichkeit im Gotteshaus auch hierzulande. Wie das Amtsgericht Köln laut stern.de bestätigte, ist gegen die Femen-Aktivistin nun Anklage erhoben worden.

Die Straftat heißt „Störung der Religionsausübung“. Ein sogenanntes „Sonderdelikt“, das ausschließlich für Kirchen und gleichgestellte weltanschauliche Organisationen gilt. Also ein Privileg. Und gar kein kleines. Die Strafdrohung liebt bei immerhin drei Jahren, das ist kein Pappenstiel.

Solche Befindlichkeits-Paragrafen kann man natürlich für gut und wichtig halten. Aber gleichzeitig glaubhaft auf die Rechtspraxis in anderen Ländern schimpfen, das geht dann natürlich nicht ganz so leicht.

Deal mit Beigeschmack

Der Zweck heiligt die Mittel – mitunter auch aus Sicht von Richtern. Man könnte auch von taktischem Schweigen spreche, was eine Gerichtsvorsitzende vor einigen Tagen in einem Strafprozess praktizierte. Ob das so in Ordnung geht, ist eine andere Frage.

Die Richterin sollte über eine Berufung entscheiden. Gleich zu Anfang machte sie deutlich, dass sie kaum Erfolgsaussichten für die Angeklagten sieht. Jedenfalls nach Aktenlage, denn die vier Zeugen waren ja bisher nur in erster Instanz vernommen worden. Die Zeugen befanden sich sozusagen in Wartestellung. Sie waren auf anderthalb Stunden nach Verhandlungsbeginn geladen. So zumindest unser Kenntnisstand.

Meine Mitverteidiger und ich diskutierten länger mit der Richterin und den Schöffen. Dann mit der Staatsanwältin. Und schließlich noch mal alle zusammen im Beratungszimmer. Am Ende war ein Kompromiss gezimmert, der sich durchaus sehen lassen kann. Ein Deal also, eine Verständigung – und diese wurde auch sauber im Gerichtsprotokoll festgehalten.

Kaum war die Verständigung unter Dach und Fach, teilte uns die Vorsitzende mit, sie habe kurz vor der Verhandlung telefonisch erfahren, dass eine Zeugin nicht kommen kann. Die Frau sei stationär im Krankenhaus, was mit den Nieren. Nun handelte es sich bei der Dame um die Hauptbelastungszeugin. Die Frau hätte unbedingt befragt werden müssen. Was letztlich darauf hinauslief, dass wir an dem Verhandlungstag gar kein Ergebnis hätten erzielen können.

Dass nicht verhandelt werden kann oder der Prozess sich verzögert, ist natürlich immer ein Pfund der Verteidigung. Ich weiß nicht, wie wir uns verhalten hätten, wäre uns dieser Umstand bekannt gewesen wäre. Runtergeschraubt hätten wir Anwälte unsere „Forderungen“ jedenfalls nicht.

Im Ergebnis waren es dann die Mandanten, die keinen weiteren Stress wollten. Wir haben also den Deal bis zum Ende mitgetragen. Ich werde aber eine Lehre aus der Sache ziehen. Und zumindest bei dieser Richterin künftig immer gezielt nachfragen, ob sie vielleicht was Verfahrensrelevantes erfahren hat, das noch nicht in Papierform Gegenstand der Gerichtsakte geworden ist.