Rockerkutten: Auf der Kirmes tabu

Rocker dürfen auf der Cranger Kirmes ihre Kutten nicht tragen. Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen bestätigte heute ein entsprechendes Verbot der Stadt Herne.

Betroffen sind neben anderen die Trachten der in Nordrhein-Westfalen vertretenen Rockergruppen „Bandidos MC“, „Hells Angels MC“, „Satudarah MC“,„Gremium MC“ und „Freeway Riders MC“. Ein Mitglied der „Freeway Riders“ hatte vorläufigen Rechtsschutz beim Gericht erbeten, fand dort aber keine offenen Ohren.

Die Stadt Herne hat nach Auffassung des Gerichts plausibel dargelegt, dass sie mit dem Verbot „massive Gewaltausbrüche“ verhindern will. Demgegenüber seien die Freiheitsrechte des Antragstellers nicht allzu schwer beeinträchtigt, da er abseits des Kirmesplatzes seine Kutte tragen dürfe (sofern nicht ein anderes Verbot eingreift). Außerdem hindere ihn niemand daran, gemeinsam mit seinem Chapter in Zivil auf die Kirmes zu gehen.

Das Gericht prüfte den Sachverhalt nur eingeschränkt im Rahmen des Eilverfahrens. Der Rocker kann gegen das Verbot nun eine Klage einreichen (Aktenzeichen 16 L 1180/14).

Hausordnungen müssen länger werden

Bei großen Prozessen, vor allem solchen mit großem Medieninteresse, sind „sitzungspolizeiliche Anordnungen“ heute eine Selbstverständlichkeit. Darin regelt der Vorsitzende des Gerichts, ob und wie Besucher kontrolliert werden, wo Kameras postiert werden können, ob Journalisten im Saal Notebooks nutzen dürfen und vieles mehr.

Ab sofort wird es für die Richter etwas anspruchsvoller, solche Regeln zu formulieren. Das Bundesverfassungsgericht hat nämlich entschieden, dass die Anordnungen nicht allzu karg ausfallen dürfen. Die Verfügung las sich meist wie eine Hausordnung („… ist nicht gestattet“, „… sind nicht zulässig“). Begründung für die einzelnen Maßnahmen? Meist Fehlanzeige.

Genau die fehlende Begründung akzeptiert das Gericht jedoch nicht. Im Rahmen eines Mordprozesses, der in Hamburg läuft, gab das Gericht jetzt dem Axel Springer Verlag recht. Nicht so sehr deshalb, weil die vom Richter aufgestellten Regeln die betroffenen Journalisten zu sehr knebeln. Sondern schlicht schon deswegen, weil der Vorsitzende nicht reingeschrieben hat, warum er die einzelnen Einschränkungen (zum Beispiel ein Interviewverbot im Sitzungssaal) für erforderlich hält.

Auch bei Anordnungen zum Sitzungsablauf sei ein Richter verpflichtet, die Gründe für seine Entscheidung offenzulegen. Das müsse durch eine nachvollziehbare Abwägung geschehen. Nachträglich, so das Gericht ausdrücklich, kann die Begründung nicht mehr geliefert werden.

Der betreffende Vorsitzende kann sich dann mal gleich an die Arbeit machen. Der nächste Sitzungstag ist am Montag (Aktenzeichen 1 BvR 1858/14).

Hausdurchsuchung – was tun?

„Hausdurchsuchung – was tun?“ Das ist der Titel meines aktuellen Beitrags, den ich für die Website der ARAG geschrieben habe. In loser Folge beleuchte ich die wichtigsten Dinge, die man beim Umgang mit der Polizei wissen sollte. Heute erkläre ich, wie eine Hausdurchsuchung abläuft.

Viel Spaß beim Lesen.

Tier-Selfie: Schlechte Nachrichten für den Affen

Es ist ausgerechnet ein Affe, der momentan das Urheberrecht wieder in die Diskussion bringt. Der Affe hat sich nämlich am Set eines Naturfotografen vor Jahren die Kamera gekrallt und etliche Selfies geschossen. Die freie Datenbank Wikimedia weigert sich trotz Aufforderung durch den Fotografen, das Foto zu löschen. Denn Urheber sei ja der Affe, und der hat sich definitiv noch nicht bei Wikimedia beschwert.

Auch wenn der Fall lustig ist, juristisch ist die Lösung nicht sonderlich schwer. Zumindest nicht nach deutschem Recht.

Tierfreunde müssen jetzt stark sein. Der Affe ist schon mal raus aus dem Spiel. Er kann sich von möglichen Tantiemen also keinen goldenen Bananenständer kaufen. Denn Tiere können keine (Urheber-)Rechte erwerben.

Tiere gelten nach der brillanten Formulierung des Bürgerlichen Gesetzbuches zwar nicht als Sachen. Aber – die Vorschriften für Sachen sind auf sie anzuwenden. Die Folge: Mangels der Fähigkeit, irgendwelche Rechte zu erwerben, ist es dem schwarzen Makaken unter anderem schlicht unmöglich, Internetnutzer abzumahnen, die sein Selfie ins Netz stellen.

Bleibt also nur der Fotograf. Bei ihm bedarf es lediglich eines schöpferischen Aktes, um Rechteinhaber zu werden. Dafür sind die Hürden aber ziemlich niedrig angesetzt. Bei Fotos reicht es, dass man – Stichwort Wild- und Überwachungskameras – das Blickfeld justiert und einen Timer programmiert. Deshalb gibt es auch problemlos Urheberrechte selbst für das schlechteste Foto der Welt.

Insofern könnte dem Fotografen allenfalls seine eigene Geschichte des Bildes um die Rechte bringen. Er sagt ja, er habe die Szenen nicht arrangiert, sondern der Affe habe sich ungeplant an seiner Kamera zu schaffen gemacht und die Bilder seien quasi zufällig entstanden. Ob das für ein Urheberrecht reicht? Kann man, wie so häufig bei juristischen Fragen, so und auch anders sehen.

Bei Selfies aus Menschenhand ist übrigens gar nichts streitig. Wer – abgesehen vielleicht von professionellen Studioarrangements – fotografiert, der gilt als Urheber. Es kommt bei Fotos weder auf die Qualität an noch darauf, wer alles im Hintergrund lächelt.

Allerdings bedeutet das nicht, dass der Urheber eines Bildes damit machen kann, was er will. Er muss wiederum die Persönlichkeitsrechte der Personen beachten, die er mit ins Visier genommen hat. Affen wiederum ausgenommen.

Deutsche Anbieter scannen keine Mail-Inhalte

Die großen deutschen Internetanbieter Telekom, Web.de und GMX scannen die Mails ihrer Kunden nicht auf Kinderpornografie. Das erklärten die Unternehmen als Reaktion auf die bekanntgewordene Praxis von Google und Microsoft, mit einer Software in Nutzerpostfächern und Cloudspeichern ohne behördlichen Auftrag nach solchen Inhalten zu suchen.

„Eine inhaltliche Überwachung der E-Mails halten wir nicht für vereinbar mit deutschem Datenschutz“, zitiert heise online aus einer Stellungnahme der Firma United Internet. Zu United Internet gehören Web.de und GMX. Auch die Telekom hat sich laut dem Bericht entsprechend geäußert.

Alle drei Firmen betonen außerdem, dass sie die Mails ihrer Kunden auch nicht inhaltlich scannen, um effektivere Werbung einblenden zu können. Dies tun zum Beispiel Google und Yahoo. Einen Check auf Schadsoftware machen allerdings auch die deutschen Anbieter. Dieser ist aber nach dem Telekommunikationsgesetz auch erlaubt, so lange der Anbieter nicht von Inhalten Kenntnis nimmt.

In diesem Beitrag habe ich vor einigen Tagen bereits erläutert, warum sich die Verantwortlichen bei Google mit ihrem Engangement möglicherweise selbst strafbar machen.

Selfies am Steuer

Der Siegeszug des Selfies ist offenbar nicht aufzuhalten. Sogar am Steuer ihres Autos können viele nicht mehr die Finger vom Auslöser lassen. Das deutet zumindest eine neue Umfrage im Auftrag von Ford an. Danach haben sich bereits 25 Prozent aller jungen Menschen in Europa am Steuer selbst geknipst – und zwar während der Fahrt.

Während der Fahrt werden aber nicht nur fleißig Selfies geschossen. 35 Prozent der 18- bis 24-Jährigen verkürzen sich bei uns in Deutschland die Autofahrt am Steuer mit Social Media, Facebook und Twitter etwa. Für beides wird laut der Umfrage natürlich vorwiegend das Handy genutzt.

Die Ausrede, dass man doch gar nicht telefoniert, sondern nur ein klitzekleines Selfie geschossen hat, hilft in Deutschland wenig. Nach der gesetzlichen Regelung in der Straßenverkehrsordnung reicht es aus, wenn das Telefon „aufnimmt“ oder „hält“. Aus welchem Grund, ist den Gerichten mittlerweile ziemlich egal.

Deshalb kostet auch ein Selfie das gleiche wie ein Telefonat am Steuer. 60 Euro Bußgeld werden fällig. Dazu kommt ein Punkt in der Verkehrssünderkartei. Da nach der Punktereform jetzt schon bei acht Punkten der Führerschein weg ist und oft mehrere Verstöße zusammenkommen, kann man von einer Bagatelle kaum noch reden.

Auch Radfahrer können wegen Selfies Ärger bekommen. Ein Fahrrad gilt nämlich ebenfalls als Fahrzeug. Allerdings werden Radfahrer nur mit 25 Euro zur Kasse gebeten.

Anders ist die Rechtslage bei normalen Digitalkameras. Diese sind definitiv keine Mobiltelefone, so dass man als Autofahrer höchstens wegen Verstoßes gegen die allgemeine Vorsichtspflicht dran sein kann. Jedenfalls so lange das Selfie zu keinem Unfall oder einer konkreten Gefährdung geführt hat, wird es dann nur ein ansonsten folgenloses Verwarnungsgeld geben.

Eine im Licht des Handyverbots juristisch bislang nicht näher beleuchtete Spezies sind Tablets. Nicht auszuschließen, dass ein Gericht auch diese Geräte mal als Mobiltelefon bewertet, gerade wenn eine SIM-Karte eingesetzt werden kann. Am sichersten ist es für ein Selfie oder den nächsten Tweet auf jeden Fall: anhalten und Motor ausschalten. Oder gleich den Beifahrer fotografieren oder posten lassen.

Was planen Regierung?

Wer wissen will, was die Bundesregierung so an Gesetzen in der Pipeline hat, ist seit heute schlauer. Netzpolitik.org veröffentlichte heute die gesamte interne Vorhabendokumentation für alle Ministerien. Und das, obwohl das Portel für eine Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz eine Abfuhr erhalten hatte.

Laut netzpolitik.org hatte sich die Regierung geweigert, den Datenbestand herauszugeben. Ein Bekanntwerden der Pläne, heißt es in der Ablehnung, gefährde „die ungestörte interne Meinungsbildung ohne äußere Einflussnahme in einem frühen Stadium der Projekte“. Die Regierung beruft sich also auf ihre „Planungshoheit“. Ein Argument, über das man sicher diskutieren kann.

Allerdings scheint jemand doch eine Notwendigkeit zu sehen, dass schon früh Transparenz ins Gesetzgebungsverfahren kommt. Vielleicht auch deswegen, weil die aktuelle wie alle vorherigen Regierungen bekanntermaßen Lobbyverbände weitaus früher mit Informationen und Mitspracherechten versehen als den einfachen Bürger.

Netzpolitik.org wurde die Vorhabendokumentation mit Stand zum 23. Juni 2014 zugespielt. Nun ist sie als PDF komplett online. Es darf also gestöbert werden.

Das gilt übrigens auch für die aktuellen Bücher von Autoren bei netzpolitik.org: Beckedahl / Lüke: Die digitale Gesellschaft: Netzpolitik, Bürgerrechte und die Machtfrage und Beckedahl / Meister (Hrsg.): Überwachtes Netz: Edward Snowden und der größte Überwachungsskandal der Geschichte (Amazon Partner-Links)

93-jähriger SS-Mann muss mit Anklage rechnen

Die Staatsanwaltschaft Hamburg muss möglicherweise einen 93-Jährigen vor Gericht bringen. Es geht um Kriegsgräuel, für die der Mann als Führer einer SS-Panzergrenadierkompanie im Jahr 1944 mitverantwortlich sein soll. Damals hatten deutsche Soldaten rund um den italienischen Ort Sant’Anna di Stazzema mehrere Hundert wehrlose Zivilisten getötet, die meisten davon Frauen und Kinder.

Während die Verfahren gegen vier andere Tatverdächtige mittlerweile rechtswirksam eingestellt sind, wird seit Jahren um die Verantwortung des 93-Jährigen gestritten. Die Staatsanwaltschaft und auch die Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart sahen keinen hinreichenden Tatverdacht und wollten deshalb nicht weiter tätig werden.

Das Oberlandesgericht Karlsruhe bewertet den Fall jedoch anders. Dem Mann müsse als kommandierendem Offizier bekannt gewesen sein, dass die Einsatzbefehle sich nicht gegen Partisanen richteten, was im Krieg möglicherweise zulässig sein kann. Vielmehr sei es erkennbar um die „Vernichtung der Zivilbevölkerung“ des gesamten Ortes gegangen.

Von einer dauernden Verhandlungsunfähigkeit des Mannes gehen die Richter derzeit nicht aus. Ob jetzt wirklich Anklage erhoben wird, muss nun die Staatsanwaltschaft Hamburg entscheiden. Der frühere Offizier ist mittlerweile nach Hamburg gezogen, so dass die dortige Staatsanwaltschaft zuständig ist (Aktenzeichen 3 Ws 285/13).

Sant’Anna di Stazzema – Artikel in der Wikipedia

Keine Gefangenen

Die Bundesrepublik Deutschland muss Bürgern des selbst ernannten „Freien Deutschland“ keinen Unterhalt zahlen, auch wenn diese sich bei uns als Kriegsgefangene empfinden. Das Sozialgericht Heilbronn lehnte es in einem Urteil ab, dem Betroffenen Ansprüche nach der Haager Landkriegsordnung zu bewilligen.

Der Kläger tritt als Leiter eines von 11 „Bürgerämtern Freies Deutschland“ auf, welche die Bundesrepublik nicht als rechtmäßigen Staat anerkennen. Im März 2013 beantragte er Sozialleistungen mit der Begründung, er sei Kriegsgefangener in der Bundesrepublik. Nach der Haager Landkriegsordnung müsse der Staat, der ihn gefangen hält, für seinen Unterhalt aufkommen.

Allerdings konnte das Sozialgericht nicht erkennen, dass der Mann Kriegsgefangener ist. Auch kein vergessener. Eine Rolle mag hierbei gespielt haben, dass der Kläger nach eigenen Angaben in einem Stuttgarter Unternehmen als Angestellter arbeitet.

Ebenso wenig kann der Kläger laut dem Gericht „Sozialgeld“ verlangen, welches hilfsbedürftigen Deutschstämmigen unter Umständen in den ehemaligen deutschen Ostgebieten zusteht. Das Gericht vertritt den nicht sonderlich verwegenen Standpunkt, Baden-Württemberg sei kein „Ostgebiet“ im Sinne des Gesetzes (Aktenzeichen S 11 SO 2377/13).

Energieversorger verlangt zu hohe Abschläge

Energieversorger müssen die Abschlagszahlungen ihrer Kunden dem tatsächlichen Verbrauch anpassen. Das Landgericht Düsseldorf erklärte die Bedingungen eines Neusser Stromlieferanten für unwirksam. Die Firma wollte weiter Abschläge auf der Basis oft überhöhter Verbrauchsschätzungen bei Vertragsschluss nehmen, obwohl die Jahresabrechnung einen viel niedrigeren Verbrauch ergab.

In einem weiteren Urteil hatte das Landgericht Düsseldorf dem Anbieter bereits untersagt, Guthaben aus Abrechnungen mit den nächsten Abschlagszahlungen zu verrechnen. Kunden, so das Gericht, hätten Anspruch auf umgehende Auszahlung, allenfalls müssten sie eine komplette Verrechnung bei der nächsten Abschlagszahlung akzeptieren.

Die Verbraucherzentrale weist darauf hin, dass auch andere Energieversorger mitunter so kundenunfreundliche Klauseln verwenden. Sie rät deshalb, bei Guthaben auf umgehende Auszahlung zu pochen und darauf zu achten, dass die Abschläge angemessen sind. Maßstab sei normalerweise die letzte Jahresabrechnung, wobei Preiserhöhungen zu addieren sind. (Aktenzeichen 12 O 474/12 und 12 O 180/13).

„Zivile Bullen raus“ darf auf Demos gefordert werden

Bei Demonstrationen dürfen grundsätzlich Lautsprecher und Megafone benutzt werden. Und die Möglichkeit der Behörden, inhaltlich unliebsame Äußerungen zu verhindern, sind eingeschränkt. Dies zeigt eine heute bekanntgegebene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Es ging um die Frage, ob eine Demonstrantin unter anderem „Zivile Bullen raus aus der Versammlung – und zwar sofort!“ über ihren Lautsprecher fordern durfte.

Die Stadt München und das Amtsgericht hatte die Demonstrantin mit 250 Euro Bußgeld belegt. Begründung: Per Auflage sei vorher festgelegt worden, dass Lautsprecher und Megafone nur für Durchsagen zum Versammlungsthema und für Ordnungshinweise eingesetzt werden dürfen.

Das Bundesverfassungsgericht stellt nun klar, dass die Äußerung durchaus themenbezogen war. Das Gericht erklärt beiläufig sehr schön, um was es bei Demonstrationen überhaupt geht:

In ihrer idealtypischen Ausformung sind Demonstrationen die körperliche Sichtbarmachung von gemeinsamen Überzeugungen. Wer an einer solchen Versammlung teilnimmt, ist grundsätzlich auch dazu berechtigt, während der Versammlung dafür einzutreten, dass nur die das Anliegen der Versammlung unterstützenden Personen an ihr teilnehmen und Polizisten sich außerhalb des Aufzugs bewegen.

Das Amtsgericht muss nun neu entscheiden, und zwar unter etwas stärkerer Berücksichtigung der Grundrechte.

Ein Immendorff bleibt ein Immendorff

Zu drastischen juristischen Mitteln griff die Witwe des verstorbenen Künstlers Jörg Immendorff. Sie verlangte, dass der Käufer eines teuren Immendorff-Bildes das Werk vernichtet. Es handele sich um eine Fälschung.

Das Oberlandesgericht Düsseldorf entschied nun, es komme gar nicht darauf an, ob das Bild aus Immendorffs Hand stammt oder nicht. Der Künstler habe es jedenfalls zu Lebzeiten geduldet, dass Mitarbeiter seines Ateliers auch Bilder als Immendorffs verkaufen, die möglicherweise nicht von ihm autorisiert waren. Durch diese Praxis sei ein Vertrauenstatbestand auf Käuferseite entstanden.

Es ging um eine angeblich autorisierte Kopie des Bildes „Ready-Made de l´Histoire dans Café de Flore“, das im Original in einer Kunstgalerie in Neuseeland hängt. Im Atelier Immendorff soll es durchaus üblich gewesen sein, dass auch Mitarbeiter Bilder oder Kopien schon erfolgreicher Immendorff-Bilder erstellten und der Künstler diese zum Verkauf freigab.

Das Landgericht Düsseldorf hatte den jetzigen Besitzer noch verurteilt, das Werk zu vernichten. Jörg Immendorffs Witwe kann jetzt beim Bundesgerichtshof beantragen, die Revision zuzulassen (Aktenzeichen I-20 U 167/12).

Videotipp zum Leben und Schaffen Immendorffs: Ich.Immendorff (Amazon Partner-Link)

Ecclestone: Glück mit dem Paragrafen

Der Strafprozess gegen Formel-1-Chef Bernie Ecclestone ist zu Ende. Nachdem Staatsanwaltschaft und Angeklagter bereits zugestimmt hatten, stellte das Landgericht München heute das Verfahren ein. Ecclestone zahlt 100 Millionen Dollar ( = etwa 75 Millionen Euro). Mit der Einstellung gilt Ecclestone als nicht vorbestraft.

Letztlich dürfte Ecclestone das Delikt gerettet haben, das ihm zur Last gelegt wird. Bestechung wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren geahndet. So weit, so normal. Interessanter ist im Fall Ecclestone die Untergrenze für die Strafe. Diese beträgt bei Bestechung lediglich drei Monate. Erst durch diese Untergrenze ist es überhaupt möglich, dass die Richter Ecclestones mögliches Fehlverhalten nun als Quasi-Bagatelle einordnen und den entsprechenden Paragrafen ziehen können.

Die nun zum Zuge gekommene Einstellungsvorschrift des § 153a Strafprozessordnung gilt nämlich nur für Taten, die nur als Vergehen gelten. Als Vergehen sind lediglich Delikte anzusehen, für die eine Mindeststrafe unter einem Jahr vorgeshen ist. Ab einem Jahr spricht man von Verbrechen – und bei Verbrechen gilt der Bagatellparagraf ausdrücklich nicht.

Verbrechen sind neben Mord, um nur einige Beispiele zu nennen, Körperverletzung mit Todesfolge, schwere Brandstiftung, schwerer sexueller Missbrauch oder auch gewisse Steuer- und Wirtschaftsvergehen. Hier wäre es also schon gar nicht möglich, das Verfahren gegen Zahlung einer Auflage einzustellen. Das Gesetz verbietet es ausdrücklich. Von einigen praktischen Möglichkeiten, eine Tat auf ein niedrigeres Level zu definieren, natürlich abgesehen.

Bei Vergehen ist eine Einstellung dann laut Gesetz zulässig, sofern die Schwere der Schuld nicht entgegensteht und die Auflage geeignet ist, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen.

Ob und inwieweit es im Fall Ecclestone vertretbar ist, diese Voraussetzungen zu bejahen, kann und wird man unterschiedlich beurteilen. Auffällig ist natürlich die absolute Rekordhöhe der Auflage für Ecclestone. Millionenzahlungen hat es zwar schon gegeben, etwa im Mannesmann-Verfahren. Aber eine derartig hohe Summe wirft schon die Frage auf, ob die Wahrscheinlichkeit, Ecclestone noch etwas nachweisen zu können, wirklich so gering war wie vom Gericht nun angeführt.

Im übrigen muss sich das Landgericht München dann auch fragen lassen, wieso es bei einem derart schlechten Beweisergebnis für die Ankläger nicht zu einer anderen Lösung gegriffen hat. Nämlich einen Freispruch, auch wenn dieser vielleicht noch den einen oder anderen Verhandlungstag erfordert hätte.

Festhalten sollte man aber in jedem Fall, dass der Einstellungsparagraf kein Schattendasein führt. Die weitaus meisten Strafverfahren werden heute auf diese Art und Weise ohne Urteil erledigt, oft schon im Ermittlungsverfahren. Ohne diese und eine verwandte Vorschrift, die eine Einstellung auch ohne jede Auflage ermöglicht, wäre die deutsche Justiz heute wohl schon kollabiert. Insoweit ist also definitiv kein Sonderrecht für Ecclestone geschaffen worden. Auch wenn das unschöne Bild bleiben wird, dass ausgerechnet Bestechungsvorwürfe hier durch eine Art „Abstandszahlung“ aus der Welt geschafft werden.

Was die Verteilung des Geldes angeht, ist das Gericht frei. Die weitaus meisten Auflagen werden zu Gunsten der Staatskasse verhängt. Schon um die Kosten des Verfahrens auszugleichen, denn bei einer Einstellung kann der Angeklagte hierfür nicht zur Kasse gebeten werden. Auch eine Teilzahlung an gemeinnützige Vereine, hier ein Kinderhospiz, ist grundsätzlich üblich, sofern etwas für den guten Zweck übrig bleiben soll. Wieso das Landgericht München nur eine von 75 Millionen für diesen guten Zweck springen lässt, verstehe ich nicht ganz. Üblicherweise machen Gerichte das dann 50 : 50.

Äh, ja?

Ich durfte mich heute mit der Frage beschäftigen, unter welchen Voraussetzungen ein Zeuge in einem Zivilprozess nichts sagen muss. Dabei spielte auch dieser schöne Satz in § 383 Zvilprozessordnung eine Rolle:

Die Vernehmung der unter Nummern 4 bis 6 bezeichneten Personen ist, auch wenn das Zeugnis nicht verweigert wird, auf Tatsachen nicht zu richten, in Ansehung welcher erhellt, dass ohne Verletzung der Verpflichtung zur Verschwiegenheit ein Zeugnis nicht abgelegt werden kann.

Nachdem ich das gelesen habe, nehme ich es dem zuständigen Richter weniger übel, dass er die Rechtslage in seinem Hinweisbeschluss an die Prozessparteien nicht auf die Reihe gekriegt hat.