Der bedrohte Richter

Mit einem eher ungewöhnlichen Anfechtungsgrund gehen die Verteidiger eines mutmaßlichen Schlägers gegen das Urteil vor. Sie sagen, der Vorsitzende Richter sei massiv bedroht worden – ohne dies in der Hauptverhandlung mitzuteilen. Am Ende des Verfahrens stand ein hartes Urteil. Die Anwälte werfen nun die Frage auf, ob die Drohungen am Ende nicht vielleicht sogar gewirkt haben.

Wenn die von Spiegel Online geschilderten Hintergründe zutreffen, lässt sich sicher darüber diskutieren, ob der Vorsitzende Richter befangen war. Immerhin gingen die Drohungen wohl weit über das hinaus, was Richter, wie es der zitierte Gerichtssprecher formuliert, normalerweise aushalten müssen.

Ich kenne es aus meiner Praxis auch eher, dass so massive Umstände der Verteidigung zumindest mitgeteilt werden – es muss ja zunächst nicht unbedingt in der öffentlichen Hauptverhandlung passieren. Oder dass man es ohnehin erfährt, weil einem die Personenschützer im Gerichtssaal kaum entgehen. Das Bedrohungsszenario den anderen Prozessbeteiligten über einen längeren Zeitraum vorzuenthalten, führt dann halt notgedrungen zu Zweifeln an der Objektivität des Richters.

Die Frage ist halt nur, ob die späte Erkenntnis seiner Anwälte dem Angeklagten noch etwas hilft. Einen Befangenheitsantrag hätte der Angeklagte bis zum Ende seines letzten Wortes stellen müssen. Richter können sich zwar auch selbst ablehnen. Dass sie dies trotz guter Gründe unterlassen haben, kann mit der Revision nicht erfolgreich gerügt werden. Hätten die Anwälte früher etwas erfahren, hätten sie einen Befangenheitsantrag zumindest stellen können, über den das Revisionsgericht nun entscheiden müsste.

Kleine Maus, große Wirkung

Wenn der Flieger mehr als fünf Stunden Verspätung hat, ist das normalerweise Grund für eine Entschädigung. Aber gilt das auch, wenn sich eine Maus in die Maschine verirrt hat? Diese Frage musste das Amtsgericht Düsseldorf entscheiden.

Wegen „Mausalarms“ in Punta Cana (Dominikanische Republik) konnte ein Flieger nicht abheben. Es ging es erst sechs Stunden später Richtung Deutschland. Das Amtsgericht Düsseldorf wertet die Maus als „nicht vorhersehbares und nicht beherrschbares Ereignis“ im Sinne der EU-Fluggastrechteverordnung.

Die Fluggesellschaft habe sich auch nachweislich um ein Ersatzflugzeug bemüht. Deshalb müsse das Unternehmen nicht die an sich fällige Entschädigung von 600,00 € zahlen (Aktenzeichen 47 C 17099/13).

Im richtigen Augenblick

Mein Mandant kam spätabends angetrunken zu seinem Auto zurück, setzte sich rein, justierte den Sitz und schaltete das Licht ein. Weiter kam er nicht, denn freundliche Polizeibeamte klopften an die Seitenscheibe. Sie warfen ihm Trunkenheit am Steuer vor. Es folgte das volle Programm, eine Blutprobe auf der Wache eingeschlossen.

Meine Verteidigungsschrift an die Staatsanwaltschaft war denkbar kurz:

Mein Mandant hat kein Fahrzeug in alkoholisiertem Zustand geführt. Ein Fahrzeugt wird erst geführt, wenn es in Bewegung gesetzt wird (Thomas Fischer, StGB, § 315c Rdnr. 3a). Das war nach den Feststellungen der Polizei nicht der Fall.

Der Versuch ist nicht strafbar.

Verfahren eingestellt. An sich wäre jetzt eine großzügige Kaffeespende für die örtliche Polizeiwache angebracht.

Ein Schriftsatz reicht

Sehr erfreulich finde ich eine Entscheidung des Amtsgerichts Siegen. Es ging um die Frage, welche Anwaltsgebühren ich gegenüber der Staatskasse abrechnen kann, nachdem das Gericht eine ziemlich dünne Anklage der Staatsanwaltschaft schon gar nicht zur Verhandlung zugelassen hat.

Ich hatte die sogenannte „Mittelgebühr“ geltend gemacht, woran der Kostenbeamte natürlich krittelte. Es habe sich, zusammengefasst, doch nur um eine kleine Sache gehandelt. Was schon zutrifft, aber vor dem Amtsgericht werden halt nun mal vorwiegend die kleinen Sachen verhandelt. Das sieht erfreulicherweise auch der zuständige Richter so. Er schreibt kurz und knapp:

Zwar hat der Verteidiger nur einen Schriftsatz eingereicht, das Verfahren und die Tätigkeit sind aber für ein Strafverfahren vor dem Strafrichter zumindest durchschnittlich.

Mir klingen da auch noch die Worte eines unvergessenen Strafkammervorsitzenden im Ohr, dem man auf keinen Fall zu viel Papier auf den Tisch legen durfte. „Ich wiege nicht, ich lese“, seufzte er im Fall einer Zuwiderhandlung.

Nichtraucherschutz gilt auch im Knast

Nichtraucherschutz – auch in Gefängnissen kein leeres Wort. So erklärte es jetzt das Oberlandesgericht Hamm für rechtswidrig, wenn ein nichtrauchender Gefangener in einer Gemeinschaftszelle für Raucher untergebracht wird.

Geklagt hatte ein süddeutscher Gefangener, der wegen eines Gerichtstermins einige Tage in der Justzivollzugsanstalt Gelsenkirchen war. Dort kam er in einen Gemeinschaftsraum, in dem auch Raucher untergebracht sind. Dies war unzulässig, befindet das Oberlandesgericht. Das Rauchen sei nach der aktuellen Gesetzeslage ab dem Moment untersagt, in dem sich ein Nichtraucher in dem Raum aufhält.

Es sei deshalb Sache der Anstaltsleitung, dafür zu sorgen, dass tatsächlich nur Raucher in eine gemeinsame Zelle kommen. Das bedeute auch, dass der Gefangene vorher gar nicht ausdrücklich protestieren musste. Vielmehr habe das Gefängnis von jedem Inhaftierten vorab dessen ausdrückliches Einverständnis mit einer Raucherzelle einzuholen (Aktenezeichen 1 Vollz (Ws) 135/14).

Eine einmalige Sache

Wer nach einer fristlosen Kündigung den Chef als „Arschloch“ tituliert, muss nicht unbedingt eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgeben. Genau das hatte eine Firma von ihrer bisherigen Mitarbeiterin, einer Verkäuferin, verlangt.

Im entschiedenen Fall verneinte das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein die Wiederholungsgefahr. Das Arbeitsverhältnis war nämlich mittlerweile beendet und abgewickelt. Es gab auch keine sonstigen Berührungspunkte.

Normalerweise wird Wiederholungsgefahr vermutet, wenn es um Unterlassungsansprüche geht. Hier sah das Gericht jedoch triftige Gründe, dass sich die Beleidigung gerade nicht wiederholen dürfte. Es habe sich bei dem Kündigungsgespräch um eine einmalige eskalierende Situation gehandelt (Aktenzeichen 3 Sa 153/14).

Dashcams sind derzeit legal

Die bayerischen Behörden werden künftige keine Bußgelder mehr verhängen, bloß weil Autofahrer eine Dashcam in ihrem Auto installiert haben. Dies hatte das Landesamt für Datenschutzaufsicht versucht, war damit aber vor Gericht gescheitert. Das Verwaltungsgericht Ansbach erklärte vor kurzem das Bußgeld gegen einen Anwalt für unwirksam, dem die Behörde den Betrieb einer Dashcam untersagt hatte. Die Datenschützer wollen das Urteil akzeptieren.

Stattdessen wollen sie künftig verstärkt darauf achten, wie die Aufnahmen von Dashcams genutzt werden. Das Verwaltungsgericht Ansbach hat in dem Urteil nämlich festgelegt, dass eine Kamera zwar laufen darf. Allerdings sei es unzulässig, die Aufnahmen zu veröffentlichen, etwa auf Youtube. Gleiches gilt laut dem Verwaltungsgericht auch, wenn das Bildmaterial Dritten zur Verfügung gestellt wird – Polizei und Versicherungen eingeschlossen. Bei Verstößen droht die Behörde Bußgelder bis zu 300.000 Euro an.

Die Frage ist nur, ob das Amt damit mehr Glück hat als beim Versuch eines kompletten Dashcam-Verbots. Immerhin dürfte es auch ein wenig darauf ankommen, was die Aufnahmen konkret zeigen und wie groß das Beweisinteresse des Betroffenen ist. Das letzte Wort ist auch in diesem Punkt jedenfalls noch nicht gesprochen, zumal die Polizei ja eventuelle Beweismittel auch beschlagnahmen darf.

Kernbotschaft für Autofahrer: Eine Dashcam ist derzeit legal, ins Netz stellen sollte man die Aufnahmen aber besser nicht.

Anwälte müssen draußen bleiben

Eine Stadtverwaltung darf es nicht mit einem „Hausverbot“ verhindern, wenn Bürger sich bei Verhandlungen von einem Anwalt vertreten lassen wollen, hat das Amtsgericht Rastatt entschieden.

Bei einem Gespräch wollte die Stadtverwaltung Rastatt Probleme mit einigen Vereinen lösen. Den Rechtsanwalt der Vereine, ausgerechnet ein früherer Rastätter Oberbürgermeister, wollte man nicht dabei haben. Kurzerhand deklarierte der derzeitige Amtsinhaber die Veranstaltung als „Informationsgespräch“, bei dem Anwälte unerwünscht sind. Er ließ den Anwalt von Mitarbeitern abweisen.

So geht es nicht, urteilte das Amtsgericht Rastatt. Anwälte seien nach dem Gesetz „der berufene unabhängige Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten“. Daraus ergebe sich auch das Recht eines Anwalts, bei allen Gesprächen dabei zu sein, sofern dies seine Mandanten wünschen. Lediglich der Gesetzgeber könne dieses Recht einschränken, nicht jedoch eine Gemeinde (Aktenzeichen 3 C 92/14).

Bericht bei beck-online

Alles freiwillig

Wichtig zu wissen: Die Polizei muss bei Verkehrskontrollen nicht darüber belehren, dass ein Atemalkoholtest freiwillig ist. Pustet man freiwillig, kann man sich später nicht gegen eine Verwertung des Messergebnisses wehren. Das ergibt sich aus Entscheidungen des Oberlandesgerichts Brandenburg und des Kammergerichts Berlin.

Auch bei Verkehrskontrollen gilt der Grundsatz, dass niemand an seiner eigenen Überführung mitwirken muss. Das bedeutet: Die Teilnahme an einem Atemalkoholtest ist stets freiwillig; niemand kann dazu gezwungen werden. Gleiches gilt auch für Drogenwischtests, die Abgabe einer Urinprobe oder Kontrollen der Motorik. Eventuelle Aufforderungen durch Polizeibeamte sind stets nur als freundliche Bitte zu verstehen. Dieser kann man folgen, muss es aber nicht.

In den Gerichtsentscheidungen ging es lediglich um die Frage, ob Beamte aktiv auf die Freiwilligkeit hinweisen müssen. Nur dies wird verneint. Man muss also seine Rechte kennen und sich aktiv darauf berufen. Nicht zulässig ist es allerdings, wenn Beamte den Eindruck erwecken, man sei zum Atemtest etc. verpflichtet. Das könnte eine Täuschung sein, die das Messergebnis unverwertbar machen kann.

Das muss man doch sagen dürfen

Nicht jede verbale Attacke auf einen Richter ist auch eine Beleidigung. Dies führt das Bundesverfassungsgericht der Strafjustiz zum wiederholten Male vor Augen. Diesmal anhand eines Beklagten, der nach einem verlorenen Schadensersatzprozess in einer Dienstaufsichtsbeschwerde „gegen das schäbige, rechtswidrige und eines Richters unwürdige Verhalten der Richterin“ protestiert und verlangt hatte, die Richterin effizient zu „bestrafen“, um zu verhindern, dass diese auf eine schiefe Bahn gerät.

Das Landgericht hatte den Mann wegen Beleidigung verurteilt. Allerdings liegt in der Äußerung noch keine unzulässige „Schmähkritik“, meinen die Verfassungsrichter. Vielmehr sei das erst der Fall, wenn es dem Betreffenden nicht mehr um die Sache, sondern ausschließlich um die Herabsetzung seines Gegners gehe. Hier habe der Mann zwar polemisch und überspitzt formuliert. Grundlage sei aber erkennbar nach wie vor die sachliche Auseinandersetzung, denn dem Betroffenen gehe es ersichtlich darum, das Verhalten der Richterin überprüfen zu lassen.

Auch die Erwägung, die Richterin werde als künftige Straftäterin dargestellt, sei unzutreffend und missachte das Grundrecht auf Meinungsfreiheit. Hierbei werde die ungünstigste Auslegung zu Grunde gelegt. Dabei lasse sich die Äußerung problemlos auch so verstehen, dass es dem Betroffenen um eine dienstliche Maßregelung der Richterin geht.

Die Sache muss jetzt neu verhandelt werden (Aktenzeichen 1 BvR 482/13).

Namen auf den Tisch

Staatsanwälte und Strafverteidiger haben keinen Anspruch auf nachträgliche Anonymität gegenüber der Presse, wenn sie in einer Gerichtsverhandlung aufgetreten sind. Deshalb dürfen ihre Namen in einer Urteilsabschrift nicht geschwärzt werden, wenn ein Journalist auch die Nennung der Namen beantragt. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden.

Ein Amtsgericht hatte dem Redakteur einer Publikation zum Ausländer- und Asylrecht nur eine Urteilsabschrift überlassen, in der unter anderem die Namen des Staatsanwalts und des Verteidigers geschwärzt waren. Dagegen klagte der Journalist mit Erfolg. Neben den Richtern stehen, so das Urteil, auch Staatsanwälte und Verteidiger im Blickfeld der Öffentlichkeit. Und zwar in ihrer Rolle als „Organe der Rechtspflege“. Der Grundsatz der Öffentlichkeit, wichtig für ein rechtsstaatliches Verfahren, gehe dem Persönlichkeitsrecht der Betroffenen vor.

Etwas anderes gelte nur, wenn die Sicherheit der Personen gefährdet sei oder die Gefahr bestehe, dass sie erheblich belästigt werden. Dafür gab es aber keine Anhaltspunkte (Aktenzeichen 6 C 35.13).

Keine Erleichterung für Abmahner

Auch Filesharing-Abmahner aus der Pornobranche müssen lückenlos nachweisen, dass sie tatsächlich über die Rechte an dem Film verfügen. Laut einem aktuellen Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf reicht ein Copyright-Vermerk auf dem DVD-Cover dafür zum Beispiel nicht. Vielmehr müssten auch die entsprechenden Vertragsdokumente vorgelegt werden.

Bisher berufen sich Abmahner gerne auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Danach soll es unzulässig sein, wenn Abgemahnte die „ins Blaue hinein“ bestreiten. Das gilt laut dem Amtsgericht Düsseldorf allenfalls für den gewerblichen Bereich. Dort hätten die Beklagten Marktkenntnisse. Beim Filesharing sei dies aber grundlegend anders, denn die Abgemahnten hätten keinen Einblick in die Abläufe und auch keine Möglichkeit, sich diese Kenntnisse zu verschaffen.

Wörtlich heißt es in dem Urteil:

Es darf nicht sein, dass ein massenhaftes automatisiertes Bearbeiten von Rechtsstreitigkeiten ohne Eingehen auf konkrete rechtliche Hinweise des Gerichts von der Rechtsprechung dadurch gefördert wird, dass es der Klägerseite als professionellem Marktteilnehmer erspart bleibt, auf den Einzelfall bezogene … Urkunden vorlegen zu müssen.

In dem entschiedenen Fall wurde die Klage auf rund 1.300 Euro Schadensersatz schon deshalb abgewiesen, weil der Pornovertrieb nicht plausibel darlegen konnte, wann und von wem er die Rechte an dem Film erworben hat (Aktenzeichen 57 C 425/14).

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Doppelt kassieren geht nicht

Wer von einer Airline wegen Flugverspätung entschädigt wird, kann im Regelfall nicht noch eine Minderung beim Reiseveranstalter geltend machen. Das hat der Bundesgerichtshof entschieden.

Weil der Flug 25 Stunden verspätet war, erhielten eine Reisende und ihr Ehemann jeweils 600,00 € von der Fluggesellschaft. Beim Reiseveranstalter meldeten sie außerdem eine Minderung an.

Allerdings kann nach Auffassung des Bundesgerichtshofs nicht doppelt kassiert werden. Die Entschädigung nach EU-Recht werde wegen der entstehenden Unannehmlichkeiten gezahlt. Genau das sei aber auch der Grund für die Reisepreisminderung nach deutschem Recht (Aktenzeichen X ZR 126/13).