Wollen in eine Bürgerrat?

Ich habe mal geschaut, wie so ein Bürgerrat (etwa zum Thema Klima) seinen Anfang nimmt:

In einem ersten Schritt werden dafür Personen ab 16 Jahren deutschlandweit telefonisch kontaktiert und ihr Interesse an der Teilnahme am Bürgerrat Klima erfragt. Die Telefonnummern – Handynummern und Festnetznummern – werden zufällig generiert, so dass jeder und jede mit einem Festnetz- oder Handyanschluss die Chance hat, für eine Teilnahme ausgewählt zu werden.

Zufällig generierte Telefonnummern, die dann im Wege des (übrigens verbotenen) Cold Calls kontaktiert werden. Was im Umkehrschluss bedeutet, dass jeder Angerufene, der nicht in der Vergangenheit bereits für 200 Euro oder mehr sein „Finanzkonto“ von einem gebrochen deutsch sprechenden Anrufer via Anydesk durch Sofortüberweisung vom Girokonto hat aktivieren lassen und sich noch heute darüber freut, sofort wieder auflegen wird.

Aber der Rest, das ist dann der erste Schritt zu einem repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung.

Zum Auswahlverfahren des Bürgerrats Klima

Lustiger Gruppenchat mit bitterem Ende

Eine aktuelle Pressemitteilung der Erfurter Polizei beleuchtet eine Problematik, mit der sich Nutzer sozialer Medien immer mehr auseinandersetzen müssen. Was ist, wenn in Chatgruppen auf WhatsApp oder anderen Messengerdiensten sexuelle Inhalte gespült werden, die möglicherweise strafrechtlich relevant sind?

Hier die Mitteilung:

Derzeit kursiert in diversen sozialen Medien und in Nachrichtendiensten ein Video, auf dem scheinbar sexuelle Handlungen zwischen zwei Personen auf einem Spielplatz in Erfurt zu sehen sind. … Bei den auf dem Video beteiligten Personen handelt es sich um zwei Kinder und/oder Jugendliche, die augenscheinlich Bewegungen machen, die auf sexuelle Handlungen schließen lassen können. Es wird darauf hingewiesen, dass jegliche Weiterleitungen dieses Videos strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen können. Die Weiterleitung an Dritte ist daher zwingend zu unterlassen. Sofern es sich bei dem viralen Video um eine strafrechtlich relevante Datei handelt, kann auch hier bereits der Besitz strafbewährt sein. Sofern jemand Kenntnis über den Ursprung des Videos oder den dort handelnden/beteiligten Personen hat, wird dieser gebeten, sich bei der Kripo Erfurt (Tel.: 0361/574324602) oder jeder anderen Polizeidienststelle zu melden.

Die Weiterleitung an Dritte ist zwingend zu unterlassen. Das erschließt sich jedem. Bleibt nur die Frage, was mache ich mit dem Inhalt, der mir mir über eine Chatgruppe aufs Handy gespült worden ist – und der sich jetzt im Speicher des Handys befindet?

Ich kann in diesem Punkt nur eine dringende Warnung aussprechen: Geht damit nicht zur Polizei.

Die Beamten aus Erfurt weisen selbst darauf hin, dass bereits der bloße Besitz strafbewehrt ist. Wenn ihr euch also auf einer Polizeidienststelle als „Besitzer“ solchen Materials outet, können die Beamten praktisch gar nicht anders, als ein Ermittlungsverfahren gegen euch einzuleiten. Das ist nie eine Bagatelle, die aktuelle Mindeststrafe für den Besitz kinderpornografischer Inhalte beträgt ein Jahr Gefängnis (§ 184b StGB). Geldstrafe ist nicht mehr möglich, eine Einstellung wegen Geringfügigkeit auch nicht mehr.

Zum Beispiel haben schon besorgte Eltern Ausdrucke zur Polizei gebracht, damit die Sachen nicht weiter verbreitet werden. Strafverfahren wegen Besitzes von Kinderpornografie waren die Folge. Mittlerweile gibt es zwar Gesetzesiniativen, um die Vorschriften gerade für solche Fälle wieder zu entschärfen. Aber an der geltenden, schon reichlich verrückten Rechtslage ändert das derzeit leider nichts.

Auf jeden Fall sollte man als Betroffener die Inhalte sofort löschen. Am besten mit einem Löschprogramm, das die Daten nicht mehr wiederherstellbar macht. Damit lässt sich ein „Besitz“ schon nicht mehr sicher nachweisen. Jedenfalls spricht das möglichst zeitige Löschen aber dafür, dass man keinen Besitzwillen hatte und damit auch nicht den erforderlichen Vorsatz.

Wie aber kommt die Polizei eigentlich an die Chatinhalte? Immerhin darf bei uns die Telekommunikation ja nicht flächendeckend überwacht werden. Meist läuft es auch ganz simpel: Die Polizei, die etwa wegen einer Drogensache ermittelt, stellt ein Handy sicher. Im Rahmen der Ermittlungen werden die Informationen auf diesem Telefon ausgelesen. Und schon können die Ermittler alle Chatgruppen lesen, in denen der Beschuldigte Mitglied war. Wenn sie dann auf fragwürdige Inhalte stoßen, die überhaupt nichts mit dem Ausgangsfall zu tun haben müssen, wird schnell gegen alle Mitglieder der Gruppe ermittelt.

Ich kenne Verfahren, in denen so eine Konstellation Ermittlungen gegen bis zu 1.400 Leute angestoßen hat. Damit kommen wir zu einer weiteren Gefahr. Gerade in größeren Chatgruppen laufen die Inhalte im Sekundentakt durch, und das 24/7. Es ist für dich als Nutzer schlicht nicht möglich, jeden einzelnen Post zur Kenntnis zu nehmen. Damit steigt aber auch die Gefahr, dass man sich problematische Inhalte aufs Handy lädt, ohne es überhaupt zu wissen. Natürlich weisen Strafverteidiger dann darauf hin, dass der eigene Mandant zu der fraglichen Zeit gar nicht im Chat interagiert hat. Was ein starkes Indiz dafür ist, dass er auch den Inhalt nicht zur Kenntnis genommen hat. So lässt sich dann bei vernünftigen Staatsanwälten oder Richtern eine Einstellung mangels Tatverdachts erreichen.

Aber nicht jeder Jurist ist vernünftig. Außerdem geschieht das alles natürlich erst nach der Hausdurchsuchung in eurer Wohnung oder am Arbeitsplatz. Schon das kann zu einer Vernichtung der sozialen Existenz führen. Ein glorreicher Freispruch einige Monate später hilft dann auch nicht mehr.

Als Nutzer solcher Chats muss man sich wirklich des enormen Risikos bewusst sein. Denn auf öffentlich zugänglichen Seiten wie Facebook oder Twitter werden solche Inhalte meist zuverlässig von den Betreibern geblockt. In privaten Chatgruppen gibt es diesen Schutz nicht. Die Gefahr, dass andere dort Mist machen, der auf einen böse zurückfällt, ist deshalb nicht nur theoretischer Natur.

Im Zweifel sollte man gerade von aufgeblähten Gruppen, deren Nutzer man noch nicht mal ansatzweise kennt, die Finger lassen.

Staatsanwalt bereichert sich um Millionen

Er galt in seinen besseren Tagen als einer der härtesten Korruptionsbekämpfer in Hessen, doch in Wirklichkeit war der Oberstaatsanwalt selbst ein Krimineller. Vor dem Landgericht Frankfurt am Main räumte der Jurist unter anderem ein, für die Vergabe von Gutachtenaufträgen im Zusammenhang mit Ermittlungen wegen Abrechnungsbetrugs bei Ärzten Kickbackzahlungen erhalten zu haben. Es geht um einen hohen Millionenbetrag, wie die Hessenschau berichtet.

Sechs Jahre Haft, lautet das heute verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main. Der Oberstaatsanwalt hat sich laut dem Gericht der Bestechlichkeit, Untreue und Steuerhinterziehung schuldig gemacht. Die Gutachten in den von ihm bearbeiteten Strafverfahren soll der Oberstaatsanwalt an Firmen vergeben haben, an denen er teilweise sogar selbst beteiligt war. Jedenfalls flossen laut dem Urteil unter der Hand erhebliche Schmiergeldzahlungen aus mehreren Quellen an ihn. Das Geld soll der Angeklagte für einen aufwendigen Lebensstil und die Unterstützung seiner Lebenspartnerin und deren Kinder aufgewendet haben. Außerdem erwarb der Mann mehrere Immobilien.

Ins Rollen kamen die Ermittlungen wohl, als ausgerechnet die Lebenspartnerin vor ihrem Tod die Behörden auf die Masche des Oberstaatsanwalts hinwies. Das Land Hessen fordert Millionenbeträge zurück. Außerdem laufen noch Ermittlungen gegen Staatsanwälte, die in der Abteilung des Angeklagten tätig waren.

Richter lang knallhart zu – und keiner merkt’s

Klimaaktivistin Carla Hinrichs ist heute mit einer moderaten, per Strafbefehl festgesetzten Geldstrafe von 60 Tagessätzen – also unter der Eintragungsgrenze für eine Vorstrafe – in ihre Verhandlung gegangen. Mit einer Gefängnisstrafe von zwei Monaten auf Bewährung kam sie wieder raus, wie die Frankfurter Rundschau berichtet.

So wahnsinnig stringent, wie es die Presse lobt, kann ihr Plädoyer in eigener Sache also auch wieder nicht gewesen sein. Vielmehr hat der angeblich so nette E-Auto-Fahrer und Richter knallhart zugelangt.

Hoffentlich war der Angeklagten bewusst, dass sie den Einspruch gegen den Strafbefehl auch noch in der Hauptverhandlung zurücknehmen kann, sofern die Staatsanwaltschaft sich nicht widersetzt. Da die Staatsanwältin aber ohnehin nur die Strafe nach dem Strafbefehl beantragt hat, war das mit Sicherheit nicht der Fall.

Schmerzgriff der Polizei: Klimakleber scheitert im Eilverfahren

Weil er sich bei einer Straßenblockade zu hart angefasst fühlte, ist ein Aktivist der „Letzten Generation“ vor Gericht gezogen. Er wollte durch eine einstweilige Verfügung feststellen lassen, dass die Berliner Polizei ihn nicht unter Einsatz der mitunter schmerzhaften „Handbeugetransporttechnik“ wegtransportieren durfte. Der Antrag blieb erfolglos.

In der Sache selbst hat das Verwaltungsgericht Berlin allerdings nicht entschieden. Das Gericht sieht den Antrag vielmehr als unzulässig an. Im einstweiligen Rechtsschutz könne grundsätzlich nicht geklärt werden, ob eine vollzogene Maßnahme rechtswidrig war. Das ist juristisch korrekt und unbestritten. Vielmehr muss in so einem Fall der normale Klageweg beschritten werden – was allerdings lange dauern kann.

Auch eine Wiederholungsgefahr konnte das Gericht nicht feststellen. Der fragliche Einsatzgriff werde nämlich nicht „regelhaft“ angewendet, das zeigten schon die vom Antragsteller vorgelegten Aufnahmen. Vielmehr bemühe sich die Polizei darum, Platzverweise durch bloßes Wegtragen der Teilnehmer durchzusetzen. Somit könne auch der Antragsteller selbst nicht darlegen, dass bei ihm eine konkrete Wiederholungsgefahr droht (Aktenzeichen 1 L 171/23).

Der Tod ist auch nur eine Krankheit

Der Tod ist die unerfreulichste aller Krankheiten. So kann man ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs zusammenfassen. Es ging um eine Entschädigung, weil ein Flugzeug nicht rechtzeitig von Stuttgart nach Lissabon fliegen konnte. Der Kopilot war zwei Stunden vor dem Abflug tot in seinem Hotelbett gefunden. Wegen des Schocks meldete sich die gesamte Besatzung krank.

Die Fluggesellschaft wollte für die neunstündige Verspätung nicht die EU-weit vorgeschriebene Entschädigung zahlen. Sie berief sich auf höhere Gewalt. Bei „außergewöhnlichen Umständen“ muss nämlich nichts gezahlt werden. Der Europäische Gerichtshof nennt so einen Tod zwar tragisch, bricht das Ereignis aber auf einen Fall der Personalplanung herunter.

Der Tod sei für die „Abwesenheit“ des Crewmitglieds letztlich keine andere Ursache als eine unerwartete Krankheit. Deshalb spiele es auch keine Rolle, ob der Kopilot alle medizinischen Untersuchungen bestanden habe. Denn jeder könne unerwartet erkranken oder sterben. Letztlich gehe es um eine Frage der ganz normalen „Einsatzplanung“, in deren Rahmen eine Fluggesellschaft eben Personalreserven bereithalten muss (Aktenzeichen C-156/22).

Tagesschau zeigt aus Versehen Gerichtsurteil

Der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder verklagt den Bundestag wegen des Entzugs seiner Privilegien. Bei der Urteilsverkündung am Verwaltungsgericht Berlin kam es zu einer denkwürdigen Panne: Die Tagesschau zeigte, wie die Vorsitzende Richterin das Urteil verkündete. Dummerweise ist so was verboten…

Nach geltender Rechtslage urteilen Gerichte zwar im Namen des Volkes. Normalerweise verhandeln sie auch öffentlich – und die Presse hat (in der Praxis sogar vorrangig) Zutritt zum Verhandlungssaal. Ton- und Filmaufnahmen von Journalisten oder Zuschauern während der Verhandlung sind aber nach § 169 GVG unzulässig – das gilt auch für die Urteilsverkündung.

Unmittelbar vor und nach der Verhandlung darf also gefilmt werden, aber die Verhandlung, das Urteil und seine Begründung dürfen nicht gezeigt werden. Obwohl beim Urteil ja eine Beeinflussung des Prozessausgangs in dieser Instanz gar nicht mehr möglich ist. Dass daran etwas nicht ganz zeitgemäß ist, zeigt eine Gesetzesänderung aus dem Jahr 2018. Oberste Bundesgerichte dürfen Bildaufnahmen bei der Urteilsverkündung mittlerweile zulassen.

Die Panne im Fall Schröder wird vielleicht zum Nachdenken anregen, ob nicht auch in den unteren Instanzen etwas mehr Spielraum sinnvoll sein könnte.

Weitere Hintergründe und auch Spekulationen, ob der Fauxpas Schröder helfen könnte, kann man in einem Artikel der Legal Tribune Online nachlesen.

Strafprozess als Tondokument

Schon seit langem gibt es Pläne, Strafprozesse besser zu dokumentieren. Bisher schreiben Richter teilweise monatelang (mehr oder weniger) an jedem Verhandlungstag mit, und was sie aus ihren Notizen als „Sachverhalt“ kristallisieren, gerinnt dann zur Wahrheit im sogenannten Tatbestand des Urteils. Nun hat das Bundeskabinett einen Gesetzentwurf auf den Weg gebracht, nach dem die Hauptverhandlung zumindest auf Tonband aufzunehmen und in ein Textdokument zu transkribieren ist.

Die ursprünglich angedachte Videoaufzeichnung ist damit zunächst vom Tisch. Gegen Video haben vor allem die Richter argumentiert – und zwar vornehmlich mit dem Zeugenschutz. Immerhin bleibt eine Videoaufnahme des Prozesses möglich, wenn das Gericht dies zulässt. Die Audioaufnahme bleibt allerdings in jedem Fall verpflichtend. Es soll aber möglich sein, dass die Stimmen von gefährdeten Zeugen verfremdet werden.

Selbst wenn das Gesetz kommt, wird es noch lange dauern, bis die Dokumentation in den Gerichten ankommt. Es soll jahrelange Übergangsfristen geben.

Dringende Kontaktaufnahme

Anrufnotiz:

Frau Schulze ist Neumandantin und bittet um dringende Kontaktaufnahme wegen eines Falles. Telefonnummer kann sie nicht herausgeben, weil sie bedroht wird. E-Mail-Adresse wollte sie nicht nennen, weil zu unsicher. Sie ist ganztags erreichbar, außer von 13 bis 15.15 Uhr. Die Anruferin beendete das Gespräch, weil sie auf einer anderen Leitung angerufen wurde.

Ich rechne für morgen früh fest mit einer vorwurfsvollen Telefonnotiz, warum ich mich bislang nicht gemeldet habe.

NRW will für eigene Schulden Zinsen vom Kreditgeber

Das Land NRW hat einen schönen Betrag an Prozesskosten in den Sand gesetzt. Anders kann ich es nicht sagen. Das Land hatte sich bei einer Bank vor 16 Jahren – also vor Beginn der Finanzkrise – 100 Millionen Euro geborgt. Weil der variable Zinssatz aufgrund der sinkenden Zinsen rechnerisch unter null Prozent gesunken war, verlangte die Landeskasse noch mal 160.000 Euro von der Bank.

Als Zinsobergrenze waren fünf Prozent vereinbart. Eine Untergrenze für den Zins fand sich in den Verträgen nicht. Allerdings war es im Jahr 2007 auch kaum absehbar, dass die Zinsen sich irgendwann mal ins Negative drehen würden. Darauf weist auch der Bundesgerichtshof hin, der die Klage gegen die Bank jetzt endgültig abwies.

Im Kern argumentiert der Bundesgerichtshof ganz bodenständig am Wortlaut, nämlich dem Begriff „Zins“. Der Zins sei ein Entgelt für den Gebrauch zeitweilig überlassenen Kapitals. Als Entgelt für einen Gebrauchsvorteil könne ein Zins aber schon gedanklich nicht negativ werden. Eine Umkehrung des Zahlungsstroms vom Darlehensgeber an den Darlehensnehmer scheide somit aus.

Das hätte man ja fast ahnen können, meine ich (Aktenzeichen XI ZR 544/21).

Eltern sollen Geschlecht ihres Kindes selbst bestimmen

Das Bundesjustizministerium hat heute den Referentenentwurf für ein neues Selbstbestimmungsgesetz veröffentlicht. Kern der Regelung ist die Möglichkeit, dass jeder künftig sein Geschlecht ändern kann – auch wenn er gar nicht unter einer Störung seiner geschlechtlichen Identität leidet. Eine bloße Eigenerklärung soll reichen. Für Kinder unter 14 Jahren sieht der Gesetzentwurf vor, dass Eltern ihrem Kind quasi nach Belieben ein Geschlecht zuweisen können.

Natürlich ist es auch heute schon möglich, dass Eltern ein Mädchen wie einen Jungen (oder umgekehrt) erziehen. Oder sich nach Kräften um eine genderfluide Entwicklung des Kindes bemühen. Neu an dem Entwurf ist allerdings, dass Eltern diese Entscheidung nun auch nach außen „rechtssicher“ dokumentieren können, und zwar durch einen geänderten Geschlechtseintrag für ihr Kind. Theoretisch, ich korrigiere praktisch kann also schon einem Neugeborenen von den Eltern künftig ein anderes Geschlecht „zugewiesen“ werden, passender Vorname inklusive. Einer wie auch immer gearteten Überprüfung, ob das Ganze auch tatsächlich dem Wohl des Kindes dient, soll das nicht unterliegen.

Wer sein Geschlecht ändern möchte, soll künftig nur eine entsprechende Erklärung abgeben müssen. Bei jungen Menschen im Alter von 14 bis 18 Jahren bedarf es der Zustimmung der Eltern oder, sofern diese sich weigern, des Gerichts. Eine wie auch immer geartete Überprüfung der Entscheidung Erwachsener ist nicht vorgesehen. Auch soll es bei der Möglichkeit bleiben, den Geschlechtseintrag jährlich zu ändern. Nach einer beim Standesamt eingetragenen Änderung soll es mit einem Bußgeld bedroht sein, wenn man nicht mehr aktuelle Geschlecht des Betreffenden benennt (Offenbarungsverbot). Das Bußgeld soll bis zu 10.000,00 € betragen.

Einen automatischen Zugang zu „Schutzräumen“, also etwa Toiletten, Umkleiden oder Frauenhäusern, soll der neue Geschlechtseintrag nicht gewähren. Vielmehr soll das allgemeine Hausrecht gelten. Damit wird die Verantwortung also in die Hände des Hausrechtsinhabers gegeben. Dieser muss künftig den schwierigen Spagat zwischen Schutzbedürfnis und Selbstbestimmungsgesetz hinbekommen.

Für den Sport soll „die Bewertung sportlicher Leistungen unabhängig von dem aktuellen Geschlechtseintrag geregelt werden“ können. Auch hier wird also die Verantwortung auf die Vereine und Verbände abgewälzt. Diese müssen künftig eigenständig und im Vorfeld Vorgaben machen, wie sie es mit Sportlern halten wollen, die ihren Geschlechtseintrag geändert haben. Tun sie dies nicht, gilt der Geschlechtseintrag.

Bei Frauen- und anderen Gleichstellungsquoten sieht der Entwurf im wesentlichen vor, dass eine Änderung des Geschlechtseintrags sich auf laufende Verfahren nicht auswirkt, aber eben nur auf diese. Für den Strafvollzug soll der Geschlechtseintrag nicht verbindlich sein, wenn Sicherheitsinteressen und die Persönlichkeitsrechte anderer Gefangener gefährdet sind. Hier soll es nach der Begründung Entscheidungen im Einzelfall geben.

Den Gesetzentwurf kann man hier nachlesen. Die Legal Tribune Online berichtet weitere Einzelheiten. Ich habe mich zu dem Thema schon mal in der Neuen Zürcher Zeitung eingehend geäußert.

Geschlechtsbezogene Opferstatistik ohne Männer

Seit neuestem wird „geschlechtsspezifische Hasskriminalität“ in der Kriminalstatistik erfasst, und zwar nach Opfergruppen. Nun gibt es große Verwunderung, ja sogar Empörung darüber, dass es neben den Kategorien divers und Frauen tatsächlich auch die Kategorie Männer gibt.

Unabhängig davon, was für quatschige Sachinformationen in jede Statistik eingetragen werden können: Wie kann es eine geschlechtsbezogene Opferstatistik ohne die Kategorie Männer geben, zumindest ohne dass die verantwortlichen Statistiker aus Gewissensgründen in den Hungerstreik treten?

Bericht im Spiegel

Cannabis: Legalisierung bringt Autofahrern nichts

Bei der im Raume stehenden Cannabis-Legalisierung gibt es ein gravierendes Problem. Denn die Reform wird an Autofahrern vorüber gehen – wenn diese nicht ernsthaft ihren Führerschein gefährden wollen. Bundesverkehrsminister Volker Wissing lehnt nach aktuellen Berichten einen höheren Grenzwert für den Wirkstoff THC ab. Stattdessen soll nach wie vor eine Null-Toleranz-Politik gelten.

Durch moderne Analysemethoden ist die Nachweisgrenze für THC ins Bodenlose gesunken. Wer am Freitag einen Joint geraucht hat, ist am folgenden Mittwoch ebenso „nüchtern“ wie jemand, der zur selben Zeit ein paar Bier getrunken hat. Dennoch lassen sich möglicherweise noch geringe Reste an THC nachweisen. Das Bußgeld von 500 Euro und ein Monat Fahrverbot sind noch das kleinste Übel. Denn die Sache geht auch zum Straßenverkehrsamt, welches dann oft die Fahreignung insgesamt in Zweifel zieht.

Unter Fachleuten tobt eine heftige Debatte, wie man in einem sehr ausführlichen Hintergrundbericht der Legal Tribune Online nachlesen kann. Autofahrer und Gelegenheitsraucher werden, so das Fazit, wohl auch künftig nichts von der Cannabis-Legalisierung haben.

Mobilfunk: Kunde darf auch Router anschließen

Mobilfunkanbieter dürfen ihren Kunden nicht vorschreiben, mit welchen Geräten sie ins Internet gehen dürfen. Eine Klausel, wonach der Anschluss nur über Smartphones, Tablets und andere kabellose Geräte genutzt werden darf, ist unwirksam. Das hat der Bundesgerichtshof entschieden.

In dem Prozess ging es um einen Tarif von O2 mit unbegrenztem Datenvolumen. Verboten waren aber aber zum Beispiel stationäre WLAN-Router, an die man auch einen PC oder eine Konsole anschließen könnte. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen klagte gegen die Einschränkung und erhielt Recht. Der Bundesgerichtshof verweist auf eine EU-Verordnung, nach der Endnutzer eines Internetzugangs das Recht haben, Endgeräte ihrer Wahl zu benutzen. Daran ändere sich auch nichts, wenn das Internet über den Mobilfunk zur Verfügung gestellt werde.

Andere Mobilfunkanbieter haben ähnliche Klauseln in Verträgen. Die Verbraucherschützer führen deshalb weitere Verfahren (Aktenzeichen III ZR 88/22).