Richter lang knallhart zu – und keiner merkt’s

Klimaaktivistin Carla Hinrichs ist heute mit einer moderaten, per Strafbefehl festgesetzten Geldstrafe von 60 Tagessätzen – also unter der Eintragungsgrenze für eine Vorstrafe – in ihre Verhandlung gegangen. Mit einer Gefängnisstrafe von zwei Monaten auf Bewährung kam sie wieder raus, wie die Frankfurter Rundschau berichtet.

So wahnsinnig stringent, wie es die Presse lobt, kann ihr Plädoyer in eigener Sache also auch wieder nicht gewesen sein. Vielmehr hat der angeblich so nette E-Auto-Fahrer und Richter knallhart zugelangt.

Hoffentlich war der Angeklagten bewusst, dass sie den Einspruch gegen den Strafbefehl auch noch in der Hauptverhandlung zurücknehmen kann, sofern die Staatsanwaltschaft sich nicht widersetzt. Da die Staatsanwältin aber ohnehin nur die Strafe nach dem Strafbefehl beantragt hat, war das mit Sicherheit nicht der Fall.

Schmerzgriff der Polizei: Klimakleber scheitert im Eilverfahren

Weil er sich bei einer Straßenblockade zu hart angefasst fühlte, ist ein Aktivist der „Letzten Generation“ vor Gericht gezogen. Er wollte durch eine einstweilige Verfügung feststellen lassen, dass die Berliner Polizei ihn nicht unter Einsatz der mitunter schmerzhaften „Handbeugetransporttechnik“ wegtransportieren durfte. Der Antrag blieb erfolglos.

In der Sache selbst hat das Verwaltungsgericht Berlin allerdings nicht entschieden. Das Gericht sieht den Antrag vielmehr als unzulässig an. Im einstweiligen Rechtsschutz könne grundsätzlich nicht geklärt werden, ob eine vollzogene Maßnahme rechtswidrig war. Das ist juristisch korrekt und unbestritten. Vielmehr muss in so einem Fall der normale Klageweg beschritten werden – was allerdings lange dauern kann.

Auch eine Wiederholungsgefahr konnte das Gericht nicht feststellen. Der fragliche Einsatzgriff werde nämlich nicht „regelhaft“ angewendet, das zeigten schon die vom Antragsteller vorgelegten Aufnahmen. Vielmehr bemühe sich die Polizei darum, Platzverweise durch bloßes Wegtragen der Teilnehmer durchzusetzen. Somit könne auch der Antragsteller selbst nicht darlegen, dass bei ihm eine konkrete Wiederholungsgefahr droht (Aktenzeichen 1 L 171/23).

Der Tod ist auch nur eine Krankheit

Der Tod ist die unerfreulichste aller Krankheiten. So kann man ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs zusammenfassen. Es ging um eine Entschädigung, weil ein Flugzeug nicht rechtzeitig von Stuttgart nach Lissabon fliegen konnte. Der Kopilot war zwei Stunden vor dem Abflug tot in seinem Hotelbett gefunden. Wegen des Schocks meldete sich die gesamte Besatzung krank.

Die Fluggesellschaft wollte für die neunstündige Verspätung nicht die EU-weit vorgeschriebene Entschädigung zahlen. Sie berief sich auf höhere Gewalt. Bei „außergewöhnlichen Umständen“ muss nämlich nichts gezahlt werden. Der Europäische Gerichtshof nennt so einen Tod zwar tragisch, bricht das Ereignis aber auf einen Fall der Personalplanung herunter.

Der Tod sei für die „Abwesenheit“ des Crewmitglieds letztlich keine andere Ursache als eine unerwartete Krankheit. Deshalb spiele es auch keine Rolle, ob der Kopilot alle medizinischen Untersuchungen bestanden habe. Denn jeder könne unerwartet erkranken oder sterben. Letztlich gehe es um eine Frage der ganz normalen „Einsatzplanung“, in deren Rahmen eine Fluggesellschaft eben Personalreserven bereithalten muss (Aktenzeichen C-156/22).

Tagesschau zeigt aus Versehen Gerichtsurteil

Der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder verklagt den Bundestag wegen des Entzugs seiner Privilegien. Bei der Urteilsverkündung am Verwaltungsgericht Berlin kam es zu einer denkwürdigen Panne: Die Tagesschau zeigte, wie die Vorsitzende Richterin das Urteil verkündete. Dummerweise ist so was verboten…

Nach geltender Rechtslage urteilen Gerichte zwar im Namen des Volkes. Normalerweise verhandeln sie auch öffentlich – und die Presse hat (in der Praxis sogar vorrangig) Zutritt zum Verhandlungssaal. Ton- und Filmaufnahmen von Journalisten oder Zuschauern während der Verhandlung sind aber nach § 169 GVG unzulässig – das gilt auch für die Urteilsverkündung.

Unmittelbar vor und nach der Verhandlung darf also gefilmt werden, aber die Verhandlung, das Urteil und seine Begründung dürfen nicht gezeigt werden. Obwohl beim Urteil ja eine Beeinflussung des Prozessausgangs in dieser Instanz gar nicht mehr möglich ist. Dass daran etwas nicht ganz zeitgemäß ist, zeigt eine Gesetzesänderung aus dem Jahr 2018. Oberste Bundesgerichte dürfen Bildaufnahmen bei der Urteilsverkündung mittlerweile zulassen.

Die Panne im Fall Schröder wird vielleicht zum Nachdenken anregen, ob nicht auch in den unteren Instanzen etwas mehr Spielraum sinnvoll sein könnte.

Weitere Hintergründe und auch Spekulationen, ob der Fauxpas Schröder helfen könnte, kann man in einem Artikel der Legal Tribune Online nachlesen.

Strafprozess als Tondokument

Schon seit langem gibt es Pläne, Strafprozesse besser zu dokumentieren. Bisher schreiben Richter teilweise monatelang (mehr oder weniger) an jedem Verhandlungstag mit, und was sie aus ihren Notizen als „Sachverhalt“ kristallisieren, gerinnt dann zur Wahrheit im sogenannten Tatbestand des Urteils. Nun hat das Bundeskabinett einen Gesetzentwurf auf den Weg gebracht, nach dem die Hauptverhandlung zumindest auf Tonband aufzunehmen und in ein Textdokument zu transkribieren ist.

Die ursprünglich angedachte Videoaufzeichnung ist damit zunächst vom Tisch. Gegen Video haben vor allem die Richter argumentiert – und zwar vornehmlich mit dem Zeugenschutz. Immerhin bleibt eine Videoaufnahme des Prozesses möglich, wenn das Gericht dies zulässt. Die Audioaufnahme bleibt allerdings in jedem Fall verpflichtend. Es soll aber möglich sein, dass die Stimmen von gefährdeten Zeugen verfremdet werden.

Selbst wenn das Gesetz kommt, wird es noch lange dauern, bis die Dokumentation in den Gerichten ankommt. Es soll jahrelange Übergangsfristen geben.

Dringende Kontaktaufnahme

Anrufnotiz:

Frau Schulze ist Neumandantin und bittet um dringende Kontaktaufnahme wegen eines Falles. Telefonnummer kann sie nicht herausgeben, weil sie bedroht wird. E-Mail-Adresse wollte sie nicht nennen, weil zu unsicher. Sie ist ganztags erreichbar, außer von 13 bis 15.15 Uhr. Die Anruferin beendete das Gespräch, weil sie auf einer anderen Leitung angerufen wurde.

Ich rechne für morgen früh fest mit einer vorwurfsvollen Telefonnotiz, warum ich mich bislang nicht gemeldet habe.

NRW will für eigene Schulden Zinsen vom Kreditgeber

Das Land NRW hat einen schönen Betrag an Prozesskosten in den Sand gesetzt. Anders kann ich es nicht sagen. Das Land hatte sich bei einer Bank vor 16 Jahren – also vor Beginn der Finanzkrise – 100 Millionen Euro geborgt. Weil der variable Zinssatz aufgrund der sinkenden Zinsen rechnerisch unter null Prozent gesunken war, verlangte die Landeskasse noch mal 160.000 Euro von der Bank.

Als Zinsobergrenze waren fünf Prozent vereinbart. Eine Untergrenze für den Zins fand sich in den Verträgen nicht. Allerdings war es im Jahr 2007 auch kaum absehbar, dass die Zinsen sich irgendwann mal ins Negative drehen würden. Darauf weist auch der Bundesgerichtshof hin, der die Klage gegen die Bank jetzt endgültig abwies.

Im Kern argumentiert der Bundesgerichtshof ganz bodenständig am Wortlaut, nämlich dem Begriff „Zins“. Der Zins sei ein Entgelt für den Gebrauch zeitweilig überlassenen Kapitals. Als Entgelt für einen Gebrauchsvorteil könne ein Zins aber schon gedanklich nicht negativ werden. Eine Umkehrung des Zahlungsstroms vom Darlehensgeber an den Darlehensnehmer scheide somit aus.

Das hätte man ja fast ahnen können, meine ich (Aktenzeichen XI ZR 544/21).

Eltern sollen Geschlecht ihres Kindes selbst bestimmen

Das Bundesjustizministerium hat heute den Referentenentwurf für ein neues Selbstbestimmungsgesetz veröffentlicht. Kern der Regelung ist die Möglichkeit, dass jeder künftig sein Geschlecht ändern kann – auch wenn er gar nicht unter einer Störung seiner geschlechtlichen Identität leidet. Eine bloße Eigenerklärung soll reichen. Für Kinder unter 14 Jahren sieht der Gesetzentwurf vor, dass Eltern ihrem Kind quasi nach Belieben ein Geschlecht zuweisen können.

Natürlich ist es auch heute schon möglich, dass Eltern ein Mädchen wie einen Jungen (oder umgekehrt) erziehen. Oder sich nach Kräften um eine genderfluide Entwicklung des Kindes bemühen. Neu an dem Entwurf ist allerdings, dass Eltern diese Entscheidung nun auch nach außen „rechtssicher“ dokumentieren können, und zwar durch einen geänderten Geschlechtseintrag für ihr Kind. Theoretisch, ich korrigiere praktisch kann also schon einem Neugeborenen von den Eltern künftig ein anderes Geschlecht „zugewiesen“ werden, passender Vorname inklusive. Einer wie auch immer gearteten Überprüfung, ob das Ganze auch tatsächlich dem Wohl des Kindes dient, soll das nicht unterliegen.

Wer sein Geschlecht ändern möchte, soll künftig nur eine entsprechende Erklärung abgeben müssen. Bei jungen Menschen im Alter von 14 bis 18 Jahren bedarf es der Zustimmung der Eltern oder, sofern diese sich weigern, des Gerichts. Eine wie auch immer geartete Überprüfung der Entscheidung Erwachsener ist nicht vorgesehen. Auch soll es bei der Möglichkeit bleiben, den Geschlechtseintrag jährlich zu ändern. Nach einer beim Standesamt eingetragenen Änderung soll es mit einem Bußgeld bedroht sein, wenn man nicht mehr aktuelle Geschlecht des Betreffenden benennt (Offenbarungsverbot). Das Bußgeld soll bis zu 10.000,00 € betragen.

Einen automatischen Zugang zu „Schutzräumen“, also etwa Toiletten, Umkleiden oder Frauenhäusern, soll der neue Geschlechtseintrag nicht gewähren. Vielmehr soll das allgemeine Hausrecht gelten. Damit wird die Verantwortung also in die Hände des Hausrechtsinhabers gegeben. Dieser muss künftig den schwierigen Spagat zwischen Schutzbedürfnis und Selbstbestimmungsgesetz hinbekommen.

Für den Sport soll „die Bewertung sportlicher Leistungen unabhängig von dem aktuellen Geschlechtseintrag geregelt werden“ können. Auch hier wird also die Verantwortung auf die Vereine und Verbände abgewälzt. Diese müssen künftig eigenständig und im Vorfeld Vorgaben machen, wie sie es mit Sportlern halten wollen, die ihren Geschlechtseintrag geändert haben. Tun sie dies nicht, gilt der Geschlechtseintrag.

Bei Frauen- und anderen Gleichstellungsquoten sieht der Entwurf im wesentlichen vor, dass eine Änderung des Geschlechtseintrags sich auf laufende Verfahren nicht auswirkt, aber eben nur auf diese. Für den Strafvollzug soll der Geschlechtseintrag nicht verbindlich sein, wenn Sicherheitsinteressen und die Persönlichkeitsrechte anderer Gefangener gefährdet sind. Hier soll es nach der Begründung Entscheidungen im Einzelfall geben.

Den Gesetzentwurf kann man hier nachlesen. Die Legal Tribune Online berichtet weitere Einzelheiten. Ich habe mich zu dem Thema schon mal in der Neuen Zürcher Zeitung eingehend geäußert.

Geschlechtsbezogene Opferstatistik ohne Männer

Seit neuestem wird „geschlechtsspezifische Hasskriminalität“ in der Kriminalstatistik erfasst, und zwar nach Opfergruppen. Nun gibt es große Verwunderung, ja sogar Empörung darüber, dass es neben den Kategorien divers und Frauen tatsächlich auch die Kategorie Männer gibt.

Unabhängig davon, was für quatschige Sachinformationen in jede Statistik eingetragen werden können: Wie kann es eine geschlechtsbezogene Opferstatistik ohne die Kategorie Männer geben, zumindest ohne dass die verantwortlichen Statistiker aus Gewissensgründen in den Hungerstreik treten?

Bericht im Spiegel

Cannabis: Legalisierung bringt Autofahrern nichts

Bei der im Raume stehenden Cannabis-Legalisierung gibt es ein gravierendes Problem. Denn die Reform wird an Autofahrern vorüber gehen – wenn diese nicht ernsthaft ihren Führerschein gefährden wollen. Bundesverkehrsminister Volker Wissing lehnt nach aktuellen Berichten einen höheren Grenzwert für den Wirkstoff THC ab. Stattdessen soll nach wie vor eine Null-Toleranz-Politik gelten.

Durch moderne Analysemethoden ist die Nachweisgrenze für THC ins Bodenlose gesunken. Wer am Freitag einen Joint geraucht hat, ist am folgenden Mittwoch ebenso „nüchtern“ wie jemand, der zur selben Zeit ein paar Bier getrunken hat. Dennoch lassen sich möglicherweise noch geringe Reste an THC nachweisen. Das Bußgeld von 500 Euro und ein Monat Fahrverbot sind noch das kleinste Übel. Denn die Sache geht auch zum Straßenverkehrsamt, welches dann oft die Fahreignung insgesamt in Zweifel zieht.

Unter Fachleuten tobt eine heftige Debatte, wie man in einem sehr ausführlichen Hintergrundbericht der Legal Tribune Online nachlesen kann. Autofahrer und Gelegenheitsraucher werden, so das Fazit, wohl auch künftig nichts von der Cannabis-Legalisierung haben.

Mobilfunk: Kunde darf auch Router anschließen

Mobilfunkanbieter dürfen ihren Kunden nicht vorschreiben, mit welchen Geräten sie ins Internet gehen dürfen. Eine Klausel, wonach der Anschluss nur über Smartphones, Tablets und andere kabellose Geräte genutzt werden darf, ist unwirksam. Das hat der Bundesgerichtshof entschieden.

In dem Prozess ging es um einen Tarif von O2 mit unbegrenztem Datenvolumen. Verboten waren aber aber zum Beispiel stationäre WLAN-Router, an die man auch einen PC oder eine Konsole anschließen könnte. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen klagte gegen die Einschränkung und erhielt Recht. Der Bundesgerichtshof verweist auf eine EU-Verordnung, nach der Endnutzer eines Internetzugangs das Recht haben, Endgeräte ihrer Wahl zu benutzen. Daran ändere sich auch nichts, wenn das Internet über den Mobilfunk zur Verfügung gestellt werde.

Andere Mobilfunkanbieter haben ähnliche Klauseln in Verträgen. Die Verbraucherschützer führen deshalb weitere Verfahren (Aktenzeichen III ZR 88/22).

Eilrechtsschutz – aber nur auf dem Papier

Wenn sich Strafgefangene gegen eine Verlegung oder eine sonstige Anordnung wehren, ist das meistens zeitkritisch. Manche Gerichte sitzen die Sache aus, indem sie sich schlicht nicht drum kümmern. Mit einem besonders dreisten Fall musste sich jetzt das Bundesverfassungsgericht beschäftigen.

In der Justizvollzugsanstalt Tegel war ein Gefangener sechs Monate in der sozialtherapeutischen Einrichtung. Dann sollte er wieder in den normalen Vollzug verlegt werden. Damit war er nicht einverstanden. Er beantragte Eilrechtsschutz. Der zuständige Richter war krank. Nach über einem Monat vermerkte er lapidar in der Akte, er müsse andere Sachen bearbeiten. Nach sechs Wochen wurde der Gefangene verlegt. Nach drei Monaten stellte das Gericht dann fest, dass eine Entscheidung nicht mehr erforderlich ist – wegen vollendeter Tatsachen.

So geht es nicht, urteilen die Karlsruher Richter. Der staatlich garantierte Rechtsschutz bedeute nicht nur, dass man einen Antrag stellen kann. Sondern auch, dass dieser Antrag zeitnah geprüft und entschieden wird. Gerade weil der Gefangene erst sechs Wochen nach Stellung seines Antrags verlegt wurde, hätte sich ein Richter zumindest inhaltlich mit der Sache beschäftigen müssen. Oder halt seine Krankheitsvertretung, hierfür gibt es Pläne an jedem Gericht.

Das Verfassungsgericht ordnet deshalb eine sachliche Prüfung der Entscheidung an, was auch noch im Eilverfahren möglich sein müsse. Eine „Erledigung“ sei schon deshalb nicht eingetreten, weil der Gefangene weiter um seine Rückverlegung kämpfe. Der Antragsteller sorgt damit für einen weiteren Präzedenzfall, mit dem man vor tranigen Strafvollstreckungskammern argumentieren kann. Ob die goldenen Worte aus Karlsruhe reichen, ist allerdings eine andere Frage. Das Verfassungsgericht nimmt ja selbst nur einen Bruchteil von Anträgen überhaupt zur Entscheidung an (Aktenzeichen 2 BvR 116/23).

Keine Kontakt, kein Geld

Manche Sachen kann man sich als Anwalt echt sparen. Zum Beispiel diese Auskunft eines Kollegen auf die „telefonische Nachfrage“ einer Richterin:

Der Verteidiger erklärte, dass er das Mandat niederlegt. Es bestehe weder Kontakt zur Angeklagten noch habe diese bislang eine Rechnung bezahlt.

Unabhängig von der Frage nach der Schweigepflicht werfen beide Auskünfte ein negatives Licht auf die Betroffene. Damit schadet der Anwalt seiner Mandantin – obwohl er diese nach § 1 BORA doch gerade „vor Rechtsverlusten zu schützen“ hat. Natürlich steht es dem Anwalt frei, seine Tätigkeit zu beenden. Das darf er dem Gericht auch mitteilen. Aber unnötige Redseligkeit findet dann halt ihren Widerhall. Zum Beispiel in Form so eines Aktenvermerks.

Richterin urteilt für Papa

In Thüringen ist eine Richterin wegen Rechtsbeugung angeklagt. Und das völlig zu Recht, wie ich finde. Die Richterin hat tatsächlich zu Gunsten ihres eigenen Vaters eine einstweilige Anordnung erlassen – obwohl das im Rechtsstaat natürlich nicht geht.

Der Vater der Richterin ist evangelischer Pfarrer. Zu Beginn der Corona-Pandemie wollte er eine schwerkranke Frau in einem Pflegeheim in Jena besuchen – was ihm unter Hinweis auf die geltende Corona-Schutzverordnung untersagt wurde. Um 16.08 Uhr wandte sich der Mann ans Amtsgericht. Dort war, welch glückliche Fügung, seine Tochter gerade seit 8 Minuten im Bereitschaftsdienst. Sie verpflichtete das Pflegeheim mit einem Beschluss dazu, den Besuch zu gestatten.

Schon ein Blick ins Gesetz offenbart: Für Vetternwirtschaft in der Rechtsprechung gibt es eindeutig weniger Schlupflöcher als in der Politik. Der hier maßgeblich § 41 ZPO ist jedenfalls an Eindeutigkeit kaum zu überbieten. So ein Verhalten mündet demgemäß schnell in eine strafbare Rechtsbeugung (§ 339 StGB). Die Richterin verteidigt sich übrigens wenig originall mit dem Argument, sie sei ebenso gläubig wie ihr Vater. Sie beruft sich auf Religionsfreiheit und darauf, ihr Rechtsverstoß habe „der Durchsetzung und Verwirklichung höchster Rechtsgüter“ gedient. Außerdem habe ihr Vater ja keinen direkten Vorteil gehabt.

Ob sie damit am Strafgericht Erfolg hat, wird sich noch zeigen. Die Anklage wartet seit geraumer Zeit auf Zulassung. Ansonsten ging es bisher nicht gut für die Richterin aus. Sie wurde (noch nicht rechtskräftig) des Dienstes enthoben. Eine Verfassungsbeschwerde gegen ihren vorläufigen Rausschmiss blieb ohne Erfolg.

Ich möchte die Problematik mal wie folgt runterbrechen. Eine Richterin, die sehenden Auges Recht für einen nahen Verwandten spricht, ist einfach fehl am Platz. Völlig korrekt weisen die bisher mit dem Fall beschäftigten Gerichte darauf hin, dass die Richterin am fraglichen Tag sogar eine Vertreterin zur Seite hatte. Dieser hätte sie die Entscheidung problemlos überlassen können.

Die ganze Geschichte ist in der Legal Tribune Online aufgeschrieben.

Keine weiteren Fragen…

Als Strafverteidiger bin ich – hoffentlich – auch sehr gut als Zeugenbeistand geeignet ((§ 68b StPO). Ich mache diesen Nebenjob jedenfalls gerne. Vor allem, wenn es so läuft wie heute.

Mein Mandant war als Zeuge in einem versuchten Tötungsdelikt vorgeladen. Komplizierte Sache, vor allem wegen einer unbestreitbaren persönlichen Nähe meines Mandanten zur Angeklagten. Während eines ersten Vernehmungstermins kamen meinem Mandanten starke Zweifel, ob und in welchem Umfang er sich positionieren muss. Immerhin muss sich ja niemand selbst belasten (§ 55 StPO). Dem Wunsch meines Mandanten nach rechtlicher Beratung akzeptierte das Gericht. Beim neuen Termin war ich heute also dabei.

Es war beim besten Willen nicht absehbar, wie intensiv das Gericht meinen Mandanten in die Mangel nehmen wollte. Oder gar der Staatsanwalt. Oder noch garer die Verteidigerin der Angeklagten. Es hätte also eine tagesfüllende Veranstaltung werden können. Denn jede unter Berufung auf § 55 StPO verweigerte Antwort kann einen schönen juristischen Rattenschwanz entwickeln. Ich sage es mal so: Bis zur formal fehlerfreien Festsetzung eines Ordnungsgeld oder Ordnungshaft wegen einer verweigerten Aussage ist es jedenfalls ein sehr langer Weg.

Diesmal fiel die Diskussion kurz aus. Das Gericht akzeptierte letztlich, dass mein Mandant nichts sagen muss, wenn er nicht will. Beantwortete Fragen: nullkommanull. Entsprechend überschaubar war am Ende meine Tätigkeit. Aber schön, wenn der Mandant dann keine Probleme damit hat, das Pauschalhonorar in Erfolgshonorar umzubenennen.